19. Oktober 2021, Gute-Nacht-Text
Die Liebe zum Freund, welche auf der Basis der Nächstenliebe aufgebaut ist und durch welche der Mensch die Liebe zum Schöpfer erreichen kann, ist das Gegenteil von dem, was in der materiellen Welt mit Liebe gemeint ist. Nächstenliebe bedeutet nicht, dass man von seinen Freunden geliebt werden muss, sondern umgekehrt, man selbst muss die Freunde lieben.
Deshalb spielt es für diesen Menschen keinen Rolle, wenn ein Freund ihn beleidigt, und ihn somit hasst. Denn er selbst, der sich wünscht, die Liebe zum Freund auf Basis der Nächstenliebe zu erreichen, braucht, um den Freund zu lieben, eine Korrektur.
Wenn sich also jemand die Mühe macht und die Freunde wohlwollend beurteilt, wird dies Segula (Heilmittel) oder “Erweckung von oben“ genannt. Durch die Anstrengung, die dieser Mensch macht, bekommt er Kräfte von oben, und wird fähig, ausnahmslos alle Freunde zu lieben.
RABASH, 1988/30, Was man in der Versammlung der Freunde suchen sollten
Was RABASH schreibt, erinnert mich an ein Gebet, das mir selbst ans Herz gewachsen ist:“O Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens, dass ich Liebe übe, wo man sich hasst, dass ich verzeihe, wo man sich beleidigt, dass ich verbinde, wo Streit ist…Herr, lass mich danach trachten: nicht dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste, nicht dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe, nicht dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe…“
Auch dieses Gebet atmet den Geist des Gebens, ganz im Sinne von RABASH: „man selbst muss die Freunde lieben“, radikal lieben, auch wenn der andere einen gerade nicht ‚riechen‘ kann und hasst.
Immer wieder habe ich mich gefragt: Geht denn das? Ist mir das möglich? Das Gebet „Mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens“ ist ein persönliches Gebet: Herr, mache m i c h!
Habe ich tatsächlich dann die Kraft, einem Menschen, der mich hasst und ablehnt, mit Liebe und Verständnis zu begegnen?
Ich könnte mir denken, dass RABASH in seinem Leben auch viel Ablehnung erfahren hat, und ich könnte mir denken, dass seine spirituelle Arbeit ihn darin gestärkt hat, Liebe grundsätzlich zu schenken, zu g e b e n. Die Kraft, die ein Mensch braucht, um grundsätzlich zu lieben, den anderen nicht für die eigenen Zwecke zu benutzen, sondern zu geben, weil das Herz es so will – diese Kraft hat er selbst erfahren an sich, und darum kann er weitergeben und Mut machen:
„bekommt er Kräfte von oben“.
Aber was er hier so menschlich in Worte fasst über die Nächstenliebe, mündet in seinem spirituellen Glauben und Vertrauen in einer großen Vision: alle Seelen, a l l e! , werden von der gebenden, radikalen Liebe angesteckt, und alle feiern am Ende ein Friedensfest. Die Seelen verbinden sich zur ursprünglich vom Schöpfer geschaffenen Seele zu einer Einheitsseele. Und daran mitzuarbeiten, jetzt schon, ist ein großes Ziel – aber, so sagt er, dazu braucht die einzelne Seele, die individuelle, eine Korrektur.
Vielleicht ist mein Licht noch zu klein, das ich weiter – geben kann, aber gemeinsam, in Gemeinschaft wird es uns gelingen, Licht auszubreiten, und gemeinsam mit der Kraft von oben: „nicht dass ich geliebt werde, sondern dass i c h liebe“.