Hör nur zu
Kennt ihr auch das Gefühl, wenn man ein bestimmtes Ziel verfolgt, das einem wirklich wichtig ist?
Am Anfang ist es immer eine Idee, die einen nicht loslässt. Die Idee beginnt immer präziser zu werden, sie nimmt in unserem Inneren Form an. Wir können wahrlich sehen und fühlen wie es wäre, wenn. Dann geschehen im Außen Ereignisse, die dieser Idee Sinn geben. Es ist wie ein Aneinanderreihen von Fügungen, die sie umsetzbar machen. Durch diesen Antrieb können wir gar nicht anders, als sie früher oder später in die Tat umzusetzen.
Dann treffen wir die Entscheidung. Die Idee ist reif, die Unsicherheiten und Zweifel sind überwunden, wir schreiten voller Kraft zur Aktion und begeben uns auf den Weg. Auf diesem Weg begegnen uns neue Fügungen und neue Herausforderung, die den Weg flexibel mal nach links, mal nach rechts beugen. Es geht nie einfach nur geradeaus. So funktioniert Entwicklung und Wachstum in jedem Lebensbereich. Alles ist ein lebendiges System, das weder Stillstand noch ein Zurückschreiten zulässt. Es ist wie ein Fluss des Lebens, der mal flach, klein und mal tobend, gewaltig verläuft bis er irgendwann im Meer mündet.
Doch wie sieht unsere Idee in unserer Realität aus? Lassen wir uns tatsächlich von diesem atmenden System treiben?
Das Ziel ist erreicht. Die ursprüngliche Idee ist realisiert. Wie geht es jetzt weiter? Eine Zeit lang können wir sie genießen, weil wir mit dem Ergebnis zufrieden sind. Da Stillstand nicht natürlich ist und alles nach Entwicklung strebt, spüren wir bald eine innere Unzufriedenheit und setzen uns ein neues Ziel. Wir haben bereits erfahren, dass ein Ziel erreichbar ist und dass sich alles fügt, wenn man nur im Fluss ist. Also starten wir, voll motiviert und merken nach kurzer Zeit, dass jetzt etwas anders ist.
Plötzlich müssen wir uns mehr anstrengen, die Herausforderungen werden schwerer und die Hindernisse unüberwindbarer. Wir rennen herum, suchen wild nach Lösungen, nach Möglichkeiten. Wir sind unzufrieden und fragen uns, wann dieser Flow endlich wieder kommt, um unser Zweifeln in Freude umzuwandeln.
Wir beginnen das Ziel zu hinterfragen, unsere eigenen Fähigkeiten und geben anderen die Schuld daran. Die Fügungen werden seltener und kommen erst, wenn wir an unseren Kräften verzweifeln und eigentlich schon aufgegeben haben. Warum ist das so? Am Anfang war doch alles so leicht und alles lief schon fast von alleine. Warum scheint jetzt nichts zu funktionieren, wir strengen uns doch so sehr an? Worin liegt der Unterschied?
Am Anfang war es nur eine Idee. Sie konnte, musste aber nicht umgesetzt werden. Wir spürten keinerlei Druck, Angst und konnten vertrauen. Wir fühlten den Fluss.
Jetzt besteht das Risiko, das neue Ziel nicht zu erreichen. Jetzt spüren wir Druck vor dem Versagen und Angst, das bereits erreichte zu verlieren. Wir klammern uns fest, wollen den Verlauf kontrollieren und jede noch so kleine Abweichung lässt uns förmlich ausflippen. Wir sehen es nicht einmal mehr, weil wir so in diesem Rad gefangen sind. Dann kommt ein Schlag nach dem anderen und wir sind verzweifelt. Danach beginnt die Fügung.
So bewegen wir uns langsam und leidend weiter voran. Die Schläge werden stärker und stärker und wir schwächer und schwächer. Wir verstricken uns immer tiefer und tiefer und der Druck von außen ist kaum noch zu ertragen.
Dann schickt uns die Natur den Virus, der sagt: “Stopp jetzt!” “Es reicht!”. Sie nimmt uns jede Handlungsfähigkeit, jede Möglichkeit des Kampfes und zerstört einfach jedes Konstrukt.
Unsere ganze Welt bricht zusammen, alles was wir aufgebaut haben und alles was wir dachten zu sein.
Jetzt lacht sie über uns und fragt: “Hast du mich denn nicht gehört? Ich schickte dir Probleme, ich schickte dir Grenzen, immer mehr Regeln und Menschen, die dir schaden. Ich zwang dich zu Handlungen, die dir selbst mehr Leid brachten als anderen und trotzdem hast du nicht gehört.”
Jetzt muss ich hören und diese Erkenntnis trifft mich wie ein Schlag. Ich will mich wehren und wieder zurück ins Alte. Das ist, was ich kenne und das mir noch etwas Gefühl der Kontrolle und Sicherheit lässt. Ich habe Angst vor dem Fremden, Neuen. Ich weiß nicht was mich erwartet und wie es weitergehen soll. Doch tief in mir spüre ich: Es gibt kein Zurück. Das Alte ist tot.
Ich weine und trauere, verfalle der Depression und lass alles über mich ergehen. Noch während der Schmerz des Selbstmitleids mich fest umhüllt fühle ich, dass es nichts gibt, was ich dagegen tun kann. Ich ergebe mich dem Leiden und ein Gefühl der Akzeptanz entsteht. Ganz leise fängt es an, zu trösten, schenkt Hoffnung, Mut und Zuversicht. Es spricht zu mir in klaren Worten: “Verstehe doch – die Natur ist perfekt. Sie will dir nichts Böses oder Schlechtes. Sie will dir nur den Weg weisen und verlangt von dir, dass du sie hörst.”
Wenn wir aufmerksam sind und genau beobachten, wie hier in dieser Geschichte beschrieben, merken wir, dass wir alle einer Lenkung unterliegen.