Studenten schreiben

Über die Freude

von Günther

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Über Freude zu schreiben heißt für mich aus Freude zu schreiben – es ist für mich eine Freude, sehr persönlich und darum unvollkommen darin, das Grundgefühl Freude zu beleuchten und – dabei eine Veränderung zu entdecken. Die Freude an und für sich verändert sich nicht, sie beginnt dadurch nur anders zu leuchten.

Empfangen oder geben?

Freude und Kabbala sind auf wundersame Weise miteinander verbunden. Freude empfangen und Freude weitergeben, den Freunden Genuss und Freude bereiten, am besten jeden Tag. Die Freunde unterstützen mit aufbauenden Worten, ihnen fröhlich begegnen, damit sie spüren, wie wichtig sie mir sind. Und diesen Umgang nicht nur mit den Freunden, sondern mit möglichst allen Menschen, denen ich begegne pflegen. Dann geschieht das, was ich einmal bei Khalil Gibran gelesen habe: „Es gibt Menschen, die mit Freude geben, und die Freude ist ihr Lohn“. 

Doch sind wir Menschen überhaupt so geschaffen, dass es uns gelingt, anderen ständig Freude zu bereiten? Kann es sein, dass doch mein Ego mich steuert, wenn ich mit Freude schenke, um mir selbst eine Freude zu machen?

Alles hat seine Zeit                                                                                                                                        

Für mich ist klar: Das Gefühl “Freude“ ist mein ständiger Begleiter, erhält meinen Lebenswillen und stärkt meine Lust am Leben. Freude ist ein Lebenselixier. Ich freue mich einfach, dass ich lebe, freue mich an der Begegnung mit Menschen, freue mich an der Geburt der Kinder, freue mich an der schönen Landschaft, freue mich, dass ich einen schweren Unfall überlebt habe, freue mich an kleinen Dingen, an einer Rosenblüte, an Vögeln, die unser Leben besingen… Freude ist irgendwie auch ein Ausdruck von Dankbarkeit. Ich erlebe sie als eine Seite in mir. 

Aber da ist auch eine andere Seite, ein Schatten, der sich oft aus heiterem Himmel auf den Tag legt. Denn wie schnell können unsere Gefühle umschlagen: Freude in Leid, Liebe in Hass, Vertrauen in Angst, Lachen in Weinen. In diesem Zusammenhang habe ich mich oft gefragt: Wieso kann dieses Freudengefühl nicht ständig anhalten? Kann es nicht möglich sein, so etwas wie eine positive Grundhaltung der Freude, die meine Seele dauerhaft erhellt, zu erreichen?!

 “Alles hat seine Zeit“ – diesen Vers aus Kohelet 3 fand ich dann auf eine Art tröstlich: „Weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit…“ Steht hinter dem Lachen und Tanzen die Freude? Vermutlich: alles hat eben im Leben seine Zeit – Freude, Klage, Trauer.

Dunkle Wolken

Das was meine Lebensfreude immer wieder verdunkelt, dringt von außen in mich ein: Nachrichten von Ungerechtigkeit, von Krieg, Naturkatastrophen – alles menschengemacht und nicht enden wollend! Diese Ohnmacht, dass wir scheinbar daran nichts ändern können oder wollen, untermalt von der Fülle der negativen Nachrichten, die uns täglich in bester Bildqualität geliefert werden, beginnen sich wie dunkle Wolken in unserem Herz einzunisten. Bleibt da nur noch den Kopf in den Sand stecken?

Das Erwachen der ewigen Freude

In mir wuchs zunehmend der Gedanke: Du musst etwas verändern. Aber Du kannst die Welt nicht retten, du kannst die Menschen nicht verändern. Wenn Du also etwas ändern willst, musst du bei dir anfangen, etwas IN dir ändern. 

Das war und ist bis heute meine Motivation, die Wissenschaft der Kabbala zu studieren. Zwischen den Freunden das Verbindende suchen, anstatt das Trennende hervorzuheben. Den durchwegs wertschätzende Umgang mit den Freunden, die das gleiche Ziel haben, zu üben, sich selbst nicht als wichtiger anzusehen und sich mehr darauf zu fokussieren, den Freunden Freude zu bereiten. Und –  zu lernen, was die gemeinsame Absicht “Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ bedeutet: Es ist das einzige Naturgesetz, das GEBEN heißt!

Durch diese spirituelle Sichtweise und Methode spüre ich, wie sich langsam in mir etwas verändert. Es ist, als habe ich eine Quelle gefunden, wo  “frisches, lebendiges Wasser“  sprudelt. So offenbart sich mir ein Blick darauf, wie alles Leben und das Geschehen darin von einer guten Kraft durchdrungen ist, welche auch im Leid präsent ist. Da spüre ich, wie sich etwas in mir verändert, langsam, aber stetig, und mehr und mehr kommt das Gefühl auf, ich möchte etwas von diesem “frischen Wasser“ weiter schenken.

Ob sich diese neue Erfahrung in meinen Augen spiegelt und in meiner Stimme zu hören ist? Das müssen mir meine Gegenüber sagen. 

Meine größte Freude wird es nun sein, wenn ich, nein, wenn WIR aus der Ur-Kraft, der wir alles Leben verdanken, die Kraft und Energie zur Verbindung zwischen uns erhalten, um damit unsere negativen Ego-Gefühle bedecken zu können! Und dass wir dadurch Menschen damit anstecken, sich zu verbinden, damit endlich Frieden wird, und alle trennenden Mauern und Zäune fallen. Dafür brauchen wir Geduld und Ausdauer im Lesen und Verstehen der Texte unserer großen Kabbalisten, den Blick in freudige Gesichter und Herzen, Umarmungen – und nicht zu vergessen Humor, Humor als die Schwester der Freude. Dann wird es mehr und mehr Menschen geben, welche “mit Freude geben, und Freude ihr Lohn ist“.

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