Kabbala ist nicht Philosophie
In der Antike inspirierte die Kabbala große Seelen dazu, sich zu erheben und nach dem Sinn des Lebens zu suchen. Aber der Zweig, der „Philosophie“ genannt wurde, scherte bald in eine falsche Richtung aus.
Vielleicht stellen wir uns Kabbalisten als zurückgezogene Menschen vor, die sich in der Dämmerung verbergen und bei Kerzenlicht magische Schriften verfassen. Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts wurde die Kabbala tatsächlich geheim gehalten. Ihr geheimnisumwitterte Flair führte zu zahlreichen Märchen und Legenden, die sich um ihre Natur rankten. Obgleich die meisten von ihnen falsch sind, verblüffen und verwirren sie auch heute noch die entscheidenden Denker.
Aber die Kabbala war nicht immer geheim. Tatsächlich gingen die ersten Kabbalisten sehr offen mit ihrer Weisheit um und waren gleichzeitig sehr in der Gesellschaft engagiert. Oft waren Kabbalisten wichtige Persönlichkeiten ihrer Nation. Vermutlich ist König David das bekannteste Beispiel eines großen Kabbalisten und Führers.
Das Engagement der Kabbalisten in der Gesellschaft half ihren zeitgenössischen Schülern, die Basis für etwas zu entwickeln, was wir heute als „westliche Philosophie“ kennen und welche später die Grundlage für moderne Wissenschaften wurde. Reuchlin, ein Humanist, klassischer Schüler und ein Experte für alte Sprachen und Traditionen, schreibt in seinem Buch De Arte Cabbalistica: „Mein Lehrer Pythagoras, der Vater der Philosophie, lernte von Kabbalisten… Er war der erste, der das Wort Kabbala, welches bis dahin seinen Zeitgenossen unbekannt war, in das griechische Wort Philosophie übersetzte.“
Kabbala lässt unser Leben nicht im Staub vorrüberziehen, sondern erhebt unseren Intellekt auf den höchsten Grad des Verstehens. Johannes Reuchlin
Aber Philosophen waren keine Kabbalisten. Weil sie die Kabbala nicht wirklich erfassten, konnten sie die Tiefe des kabbalistischen Wissens nicht verstehen. Als Ergebnis wurde ein Wissen, das in einer ganz speziellen Weise entwickelt und behandelt sein wollte, unkorrekt gehandhabt. Als es sich in andere Teile der Welt ausbreitete, wo es zu dieser Zeit noch keine Kabbalisten gab, wurde es nach und nach verfälscht.
Daher die Menschheit verirrte sich. Obwohl die westliche Philosophie Teile des kabbalistischen Wissens in sich aufnahm, schlug sie am Ende eine völlig andere Richtung ein. Die westliche Philosophie erzeugte Wissenschaften, welche die materielle Welt untersuchten, die wir mit unseren fünf Sinnen wahrnehmen. Doch die Kabbala ist eine Wissenschaft, die das studiert, was sich jenseits unserer fünf Sinne verbirgt. Der veränderte Schwerpunkt trieb die Menschen in die entgegengesetzte Richtung von dem, was die ursprüngliche Weisheit der Kabbala darstellte. Diese veränderte Richtung brachte die Menschheit auf Abwege, die in einem allgemeinen Missverständnis der Kabbala gipfelten.