1986/15 Ein Gebet von Vielen
Artikel Nr. 15, 1985-86
Im Heiligen Sohar steht geschrieben (Beshalach und im Sulam Kommentar, Punkt 11): „Und sie sagte: ‚Ich wohne in meinem Volk. Er fragt: ‚Was bedeutet das?’ Er antwortet: Wenn Din in der Welt gegenwärtig ist, sollte man sich nicht von der Allgemeinheit trennen und allein sein, weil, wenn Din in der Welt herrscht, sind jene, die auffallen und alleine sind, die ersten, die gefangen werden, auch wenn sie rechtschaffen sind.’
Daher sollte man sich nie aus seinem Volk isolieren, weil die Barmherzigkeit des Schöpfers immer auf dem gesamten Volk liegt. Deshalb sagte sie: ‚Ich wohne in meinem Volk’ und ich will mich nicht von meinen Leuten trennen.’”
„Wenn Din in der Welt gegenwärtig ist“ verweist auf das Verlangen zu empfangen, was Selbstliebe ist, die Natur, in die das Geschöpf hineingeboren ist, basierend auf Seinem Willen, Seinen Geschöpfen Gutes zu tun. Und weil es ein Verlangen nach Gleichheit der Form gab, damit es kein Brot der Scham gibt, wurde ein Urteil (Din) verhängt, dass man die Gefäße des Empfangens nicht verwenden darf, außer man weiß, dass man nach dem Geben streben kann. Dann ist es erlaubt, die Gefäße des Empfangens zu verwenden.
Dementsprechend bedeutet „wenn Din in der Welt gegenwärtig ist“, dass, wenn die ganze Welt in Selbstliebe versunken ist, Dunkelheit in der Welt herrscht, weil es keinen Platz für das Licht gibt, um zu den Geschöpfe hinunterzudringen, aufgrund der Ungleichheit der Form zwischen dem Licht und den Geschöpfen, die das Licht empfangen. Aufgrund dieses Formunterschieds wurde das Urteil gefällt, dass der höhere Reichtum nicht an die Geschöpfe weitergegeben wird.
Wenn daher ein Mensch erwacht und wünscht, dass der Schöpfer ihn annähert, was bedeutet, dass er Gefäße des Gebens erhält, wird dies als “näherbringen“ bezeichnet, und er ersucht den Schöpfer, ihm zu helfen. Es ist jedoch bekannt, dass die Hilfe, die vom Schöpfer kommt “Obere Füllung“ genannt wird, welche als Neshama (Seele) bezeichnet wird. Es ist wie der Heilige Sohar sagt, dass die Hilfe, die von oben kommt, in Form einer heiligen Seele ist.
Wenn ein Mensch kommt und den Schöpfer ersucht, ihn näher an Sich zu bringen, er jedoch als allein gesehen wird, dann bedeutet es, dass er versteht, dass der Schöpfer ihn persönlich näherbringen muss. Doch warum denkt er nun, dass die Allgemeinheit auf ihrer derzeitigen Stufe bleiben kann und nur er vom Schöpfer anders behandelt wird?
Das ist deshalb so, weil er denkt, dass er Vorzüge hat, die andere nicht haben. Und obwohl jene, die so denken, Individuen sind, die nicht der Allgemeinheit angehören, weil sie verstehen, dass sie es verdienen, näher an den Schöpfer herangebracht zu werden als andere und sie sich selbst als rechtschaffen ansehen, werden sie als erste gefangen. Mit anderen Worten ist Din, welches Selbstliebe ist, in ihnen mehr als in den anderen vorhanden, und sie werden in den Eigenschaften der Selbstliebe schlimmer als die anderen.
Deshalb denkt er, dass ihm mehr zusteht als die anderen Menschen. Mit anderen Worten, für andere Menschen reicht es, dass sie haben, was sie haben; wenn es jedoch um ihn geht, denkt er, er verdiene mehr als der Rest der Menschen. Dieser Gedanke wird als absolutes Empfangen angesehen, damit ist 100% Selbstliebe gemeint. Daraus folgt, dass sich die Selbstliebe in ihm mehr als in anderen entwickelt.
Es folgt daher, dass er dauernd in der Selbstliebe arbeitet. Und in seinen Augen scheint er dennoch rechtschaffen, da er als Geber arbeiten will. Er sagt sich selbst, dass seine Bitte beim Schöpfer, ihn näher an Sich zu bringen, rechtschaffen ist, denn worum bittet er Ihn? Dass der Schöpfer ihm Kraft gebe, Tora und Mizwot einzuhalten, um zu geben; und was könnte daran falsch sein, dem König dienen zu wollen?
Damit können wir die Worte des Heiligen Sohar interpretieren, der solchen Menschen mit einem inneren Flehen rät, die den Status, in dem sie sich befinden, nicht akzeptieren können, weil sie keinen Fortschritt in der Arbeit Gottes sehen und glauben, was geschrieben steht (Deuteronomium 30:20): “Den Herrn deinen Gott zu lieben, Seiner Stimme zu lauschen, sich an Ihm festzuhalten; denn Er ist dein Leben und die Länge deiner Tage.“ Sie erkennen, dass ihnen Liebe und Dwekut (Anheftung) fehlen, und sie fühlen nicht das Leben der Tora, oder wissen nicht, wie sie Rat für ihre Seelen finden, um in ihren Organen das zu fühlen, was uns der Text sagt.
Der Rat ist, für die Allgemeinheit zu bitten. Das heißt, bei allem, was ihm fehlt und worum er um Erfüllung bittet, sollte er sich nicht als Ausnahme fühlen und denken, dass er mehr verdient als die Allgemeinheit. Es ist eher so: “Ich wohne in meinem Volk“ bedeutet, dass man für die Allgemeinheit bittet, weil man auf eine Stufe kommen will, wo man sich nicht um das eigene Wohl, sondern nur um den Schöpfer sorgen möchte. Daher macht es für ihn keinen Unterschied, ob der Schöpfer an einem selbst Gefallen findet oder den Genuss von den anderen bekommt.
Er bittet also den Schöpfer, uns so ein Verständnis zu geben, welches “vollkommen für den Schöpfer“ bezeichnet wird. Das bedeutet, dass er sich sicher nicht selbst betrügen will, dass er dem Schöpfer geben will, dass er möglicherweise wirklich nur aus seiner eigenen Selbstliebe heraus denkt, was bedeutet, dass er Genuss und Freude empfinden wird.
Daher betet er für die Allgemeinheit. Wenn es in der Allgemeinheit einige Menschen gibt, die das Ziel von Dwekut mit dem Schöpfer erreichen können, und dies dem Schöpfer mehr Zufriedenheit bereitet, als wenn er selbst damit belohnt würde, näher an den Schöpfer heranzukommen, verzichtet er selbst. Hingegen will er, dass der Schöpfer ihnen hilft, weil dies Oben mehr Freude als seine eigene Arbeit bringt. Aus diesem Grund betet er für die Allgemeinheit, dass der Schöpfer ihr hilft und ihr das Gefühl gibt, dass sie Befriedigung von der Fähigkeit, dem Schöpfer Genuss zu bereiten, erhält.
Und da alles eines Erwachens von unten bedarf, gibt es das Erwachen von unten, und andere werden das Erwachen von Oben empfangen, je nachdem was der Schöpfer als nützlicher für Sich betrachtet.
Daraus folgt, wenn er die Kraft für solch ein Gebet hat, wird er sicherlich einer wahren Prüfung gegenüber stehen – ob er solch einem Gebet zustimmt. Wenn seine Worte jedoch nur Lippenbekenntnisse sind, was kann er dann tun, wenn er erkennt, dass der Körper mit diesem Gebet nicht einverstanden ist, reines Geben ohne auch nur einen Hauch von Empfangen zu haben?
Hier gibt es nur den berühmten Rat, zum Schöpfer zu beten und über dem Verstand zu glauben, dass der Schöpfer ihm und der gesamten Allgemeinheit helfen kann. Und er sollte nicht resignieren, wenn er bereits viele Male gebetet hat, sein Gebet jedoch nicht erhört wurde. Dies bringt einen Menschen zur Verzweiflung und der Körper verspottet ihn und sagt ihm: “Kannst du nicht sehen, dass du gar nichts tun kannst? Und als wärst du nun völlig hoffnungslos, bittest du noch den Schöpfer, dir Dinge zu gewähren, die für vernünftige Menschen unzumutbar sind.“
Zu dieser Zeit argumentiert der Körper: “Sag mir, wer von den frommen und praktischen Menschen wünscht sich, dass der Schöpfer ihnen etwas gibt, das völlig unvernünftig ist? Darüber hinaus kannst du für dich selber sehen, dass dir nicht einmal kleinere Dinge gewährt wurden, geschweige denn der Wunsch, den du soeben aussprichst, dass dir der Schöpfer helfen möge, obwohl du vom Schöpfer erbeten hast, dir zu helfen. Und nun sagst du, dass du den Schöpfer bitten willst, dir etwas wirklich Wunderbares zu gewähren.
Es ist wirklich eine wichtige Sache, weil es nicht viele Gebete in der Welt gibt, in denen der Schöpfer um die Kraft des Gebens gebeten wird, Dinge für die Allgemeinheit zu tun – dass die ganze Allgemeinheit Genuss und Freude durch deine Anstrengung erhält; und dies wird ‚echtes und reines Geben ohne einen Hauch von Selbstliebe genannt‘.
“Und du denkst, dass dein Gebet für kleine Dinge nicht angenommen wurde, aber große und wichtige Dinge sind eindeutig unbezahlbar.“ Wir könnten sagen, dass es sich auszahlt, zu einem bestimmten Menschen zu gehen, der solche kostbaren Utensilien hat, die man sonst nirgendwo in der Welt findet. Und einer aus der Mittelschicht, der kaum die üblichen Utensilien besitzt, kommt und will ebenfalls solche Objekte erstehen, die jedoch nur unter einigen Auserwählten gefunden werden. Wer das hört, würde sicher darüber lachen.
Für uns gilt das Gleiche. Wenn ein Mensch nicht gebildet, sondern unterdurchschnittlich begabt ist und dennoch vom Schöpfer Kelim (Gefäße) will, die unter den wenigen Auserwählten zu finden sind, dann verspottet ihn der Körper. Er sagt ihm: “Du Narr, wie kannst du auch nur daran denken, den Schöpfer um etwas zu bitten, das sogar gelehrte Menschen nicht haben? Wie kann ich dir Kraft geben, an solch einem Unsinn zu arbeiten?“
Und hier beginnt die richtige Arbeit, da die Arbeit des Menschen in dieser Welt darin liegt, die Herrschaft des Bösen Triebes zu verlassen, welche “empfangen um zu empfangen“ genannt wird. Und nun will er vom Schöpfer, dass Er ihm hilft, den Pfad des echten und reinen Gebens zu gehen ohne auch nur einen Hauch von Selbstliebe.
Daraus folgt, dass diese Arbeit wirklich gegen das Böse ist, da er ihm keinerlei Besitz überlassen will. Er will vielmehr, dass seine zukünftige Arbeit nicht für den Willen zu empfangen ist. Er will eher vom Schöpfer, dass sogar das, woran er vorher gearbeitet hat und was im Willen zu empfangen enthalten war von seiner Herrschaft in die Herrschaft des Schöpfers übergeht.
Daraus ergibt sich, dass er nun den Schöpfer um die Kraft der Reue bittet. Dass ihm der Schöpfer die Kraft geben möge, all seine Handlungen, die für den Willen zu empfangen waren, nun zurück in den Bereich des Schöpfers zu bringen – sowohl jene aus der Vergangenheit als auch jene der Zukunft. Es ist wie Maimonides sagt (Gesetze der Reue, Kapitel 2): “Reue muss auch für die Vergangenheit sein“.
Er schreibt: “Was ist Reue? Der Sünder muss seine Sünde hinter sich lassen und aus seinem Gedächtnis entfernen und in seinem Herzen beschließen, diese niemals wieder zu begehen, wie geschrieben steht: “Der Frevler soll seinen Weg aufgeben.“ Und er sollte auch die Vergangenheit bereuen, wie gesagt wird: “Denn, nachdem ich zurückkehrte, bereute ich“, und Er, der alle Geheimnisse kennt, wird bezeugen, dass er nicht mehr zu dieser Sünde zurückkehren wird.“
Nun können wir die Wichtigkeit eines Gebetes von Vielen verstehen, wie geschrieben steht: “Ich wohne in meinem Volk.“ Der Heilige Sohar sagt: “Man sollte sich niemals aus dem Volk isolieren, denn die Gnade des Schöpfers betrifft immer alle Menschen gemeinsam.“ Wenn daher jemand den Schöpfer bittet, ihm Gefäße des Gebens zu geben, wie unsere Weisen sagten “So wie Er barmherzig ist, sei auch du barmherzig“, sollte man für die ganze Allgemeinheit beten. Denn dann wird seine Absicht erkennbar, vom Schöpfer Gefäße des reinen Gebens zu bekommen, wie geschrieben steht: “Die Gnade des Schöpfers befindet sich immer über dem gesamten Volk.“ Es ist bekannt, dass von Oben keine halben Sachen gegeben werden. Wenn daher den unteren Füllung von Oben gegeben wird, betrifft sie die ganze Allgemeinheit.
Aus diesem Grund muss man für die ganze Allgemeinheit bitten, da jede Füllung von Oben immer für die ganze Allgemeinheit kommt. Deshalb heißt es: “ Die Gnade des Schöpfers befindet sich immer über dem gesamten Volk.“ So gibt es zwei Bedeutungen dazu, da es ausgereicht hätte, nur für einen Menschen außer sich selbst zu bitten, um das Geben zu erlangen. Aber es gibt hier noch eine andere Sache: Ein Mensch muss um eine ganze Sache bitten, da es in der Spiritualität die Regel gibt, dass alles Kommende vollkommen ist, und all die Unterscheidungen nur in den Empfängern entstehen. Aus diesem Grund sollte man für die ganze Allgemeinheit bitten.
Und da die Füllung zur ganzen Allgemeinheit kommt und es kein Licht ohne Kli (Gefäß) gibt – denn es ist unmöglich Füllung zu erreichen, wenn es dafür keine Leere gibt – wird ihm das Gebet beantwortet, das er für die Vielen aussprach. Es ist wie unsere Weisen sagten (Baba Kama, 92): “Jedem, der um Barmherzigkeit für seinen Freund bittet, wird zuerst geantwortet, da er dieselbe Sache benötigt.“ Das bedeutet, dass die Füllung zwar zur Allgemeinheit kommt, aber der Allgemeinheit die Kelim fehlen.
Mit anderen Worten reicht die Füllung von Oben für das ganze Volk, jedoch erhält die Allgemeinheit ohne Kelim keine Füllung von Oben. Es ist eher so, dass dem, der Mängel hat, zuerst geantwortet wird.
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