189 – 197, Sohar, Das Erste Gebot

Die Gebote der Tora: Das erste Gebot

189) „Im Anfang erschuf Gott.“ Dies ist das allererste Gebot. Dieses Gebot wird die „Ehrfurcht vor dem Ewigen“ genannt und es wird „der Anfang“ genannt, wie geschrieben steht: „Der Anfang der Weisheit ist die Furcht vor dem Ewigen.“ Es steht ebenso geschrieben: „Die Furcht vor dem Ewigen ist der Anfang der Erkenntnis“, denn Furcht wird „Anfang“ genannt. Auch ist dies das Tor, um in den Glauben einzutreten. Und auf diesem Gebot ruht die ganze Welt.

Erläuterung: Es ist nicht klar, warum die Schrift an einer Stelle die Furcht als den Anfang der Weisheit (Chochma) und an einer anderen Stelle als den Anfang der Erkenntnis (Daat) bezeichnet. Und es wird erklärt, dass Furcht der Anfang jeder einzelnen Sefira ist, denn es ist unmöglich irgendeine Sefira zu erlangen, ohne zuerst die Furcht zu erlangen.

Darum sagt er, dass sie (die Furcht) das Tor ist, um in den Glauben einzutreten, da es unmöglich ist, den vollständigen Glauben zu erlangen, außer aus Ehrfurcht vor dem Ewigen. Und das Maß der Furcht ist das Maß der Menge des Glaubens. Aus diesem Grund „ruht die ganze Welt auf diesem Gebot“, denn die Welt kann nur auf der Tora und den Geboten stehen, wie geschrieben steht: „Wenn nicht Mein Bund Tag und Nacht wäre, würde Ich nicht die Verordnungen von Himmel und Erde einsetzen.“

Und da die Furcht der Anfang ist und das Tor zu jedem Gebot, da sie das Tor des Glaubens ist, so folgt, dass die ganze Welt auf der Ehrfurcht beruht, wie geschrieben steht: „Im Anfang erschuf Gott Himmel und Erde.“ Das heißt mit Furcht, welche „der Anfang“ genannt wird, der alle Gebote beinhaltet „erschuf Gott Himmel und Erde“. Und wenn es keine Furcht gäbe, hätte Gott nichts erschaffen.

190) Die Furcht wird in drei Unterscheidungen ausgelegt, von denen zwei eine unwürdige Wurzel enthalten und eine die Wurzel der Ehrfurcht ist. Es gibt einen Menschen, der den Schöpfer fürchtet, damit seine Söhne leben und nicht sterben werden, oder er fürchtet eine körperliche Strafe oder eine Strafe für sein Geld, daher fürchtet er Ihn immer. Daraus folgt, dass die Ehrfurcht, die er vor dem Schöpfer hat, nicht die Wurzel ist, denn sein eigener Nutzen ist die Wurzel, und die Ehrfurcht ist das Ergebnis davon.

Und es gibt einen Menschen, der den Schöpfer fürchtet, da er die Strafe dieser Welt und die Strafe der Hölle fürchtet. Diese zwei Arten der Furcht – Furcht vor Strafe in dieser Welt und die Furcht vor Strafe in der kommenden Welt – sind nicht das Fundament und die Wurzel der Furcht.

191) Furcht, welche die Grundlage ist, ist, wenn man seinen Herrn fürchtet, da Er groß ist und alles regiert, das Fundament und die Wurzel aller Welten ist, und alles wird vor Ihm als Nichts erachtet, wie geschrieben steht: „Und alle Bewohner der Erde zählen [im Vergleich zu Ihm] als Nichts.“ Daher müssen alle Bestrebungen auf einen Ort namens „Ehrfurcht“ gerichtet sein.

Es gibt drei Arten von Furcht vor dem Ewigen, von welchen nur eine als wirkliche Ehrfurcht betrachtet wird:

Erstens: Den Schöpfer fürchten und seine Gebote einhalten, so dass seine Söhne leben werden und er vor der Strafe seines Körpers oder seines Geldes bewahrt werde. Dies ist die Furcht vor Strafen in dieser Welt.

Zweitens: Wenn man sich auch vor Strafen der Hölle fürchtet.

Und diese beiden Arten von Furcht sind keine wahre Furcht, denn er fürchtet sich um sein eigenes Wohlergehen, und nicht weil es ein Gebot des Schöpfers ist. Das eigene Wohlbefinden ist also die Wurzel, und die Furcht ist der Zweig, der aus dem eigenen Wohlbefinden entsteht.

Drittens: Furcht, welche die Grundlage ist, ist, wenn man seinen Herrn fürchtet, da Er groß ist und alles regiert, das Fundament und die Wurzel aller Welten ist, und alles wird vor Ihm als Nichts erachtet. „Er ist groß“, denn Er ist die Wurzel, von der alle Welten ausgehen. Und Seine Größe erscheint in all Seinen Taten. Und Er herrscht über alles, denn Er hat alle Welten erschaffen, die Höheren und die unteren, und sie werden alle vor Seinem Angesicht als nichts erachtet, denn sie fügen nichts zu Seinem Wesen hinzu.

Und es steht geschrieben: „Daher müssen alle Bestrebungen auf einen Ort namens „Ehrfurcht“ gerichtet sein – Das heißt, man muss sein Herz und sein Streben auf den Ort richten, der „Ehrfurcht“ genannt wird, um sich mit allem Verlangen und Streben an die Ehrfurcht vor dem Schöpfer zu klammern, die mit dem Gebot des Königs übereinstimmt und Seiner würdig ist.

192) Rabbi Shimon weinte und sagte: „Wehe, wenn ich erzähle, wehe, wenn ich nicht erzähle. Wenn ich es sage, werden die Frevler wissen, wie sie ihrem Herrn dienen können. Wenn ich es nicht sage, werden die Freunde diese Sache verlieren“, denn wo es heilige Furcht gibt, gibt es dementsprechend böse Furcht unten – sie schlägt, erdrückt und klagt an. Und das ist die Peitsche, mit der die Frevler zur Strafe für ihre Sünden geschlagen werden. Aus diesem Grund fürchtete er das Erzählen, damit die Frevler nicht wissen würden, wie sie der Strafe entgehen können, denn ihre Strafe ist ihre Reinigung.

Damit deutet er an, dass er an diesem Ort seine Worte nicht in vollem Umfang offenbaren kann, weil er fürchtet, den Frevlern Schaden zuzufügen.
Denn er kam, um hier zu enthüllen, wie man sich an den Baum des Lebens anhaften kann und niemals den Baum des Todes berührt – was nur für diejenigen geeignet ist, die bereits den Aspekt des Baumes der Erkenntnis von Gut und Böse korrigiert haben. Die Frevler aber, die die Sünde am Baum der Erkenntnis von Gut und Böse noch nicht korrigiert haben, dürfen dies nicht wissen. Sie müssen zuvor alle Arbeiten vollbringen, bis sie die Sünde am Baum der Erkenntnis korrigiert haben. Wie geschrieben steht: „Dass er nicht etwa seine Hand ausstrecke und auch vom Baum des Lebens nehme und esse und ewig lebe.“

Denn nachdem Adam am Baum der Erkenntnis gesündigt hatte, wurde er aus dem Garten Eden vertrieben, aus der Sorge heraus, er könnte sich an den Baum des Lebens anhaften und ewig leben – und so würde der Makel, den er durch den Baum der Erkenntnis verursacht hatte, für immer ohne Korrektur bestehen bleiben. Darum offenbarte er diese Sache, damit sie den Gerechten, die würdig sind, dies zu wissen, nicht verloren gehe – jedoch nur in einer verhüllten Andeutung.

193) Und wer sich vor der Strafe von Schlägen und Anklage fürchtet, auf dem ruht nicht jene Furcht vor dem Ewigen, die „Ehrfurcht vor dem Ewigen, die zum Leben führt“ genannt wird, sondern auf ihm ruht jene falsche Furcht, jene Geißel – und nicht die Ehrfurcht vor dem Ewigen.

194) Und deshalb wird der Ort, der „Ehrfurcht vor dem Ewigen“ genannt wird, „Anfang der Erkenntnis“ genannt. Darum ist auch dieses Gebot hier eingeschlossen – und es ist die Wurzel und das Fundament für alle übrigen Gebote der Tora. Wer die Ehrfurcht bewahrt, der bewahrt alles; und wer die Ehrfurcht nicht bewahrt, der bewahrt auch die Gebote der Tora nicht, denn die Ehrfurcht ist das Tor zu allem.

Der Sohar dreht sich darum, dass einmal geschrieben steht: „Der Anfang der Weisheit ist die Furcht vor dem Ewigen“ und ein anderes Mal: „Die Furcht vor dem Ewigen ist der Anfang der Erkenntnis.“ Und er erklärt: Am Ende der heiligen Furcht, die „Ehrfurcht vor dem Ewigen, die zum Leben führt“ genannt wird, befindet sich unten die falsche Furcht, die schlägt, prügelt und Anklage erhebt. Sie ist die Geißel, um die Frevler zu schlagen, und ihre Beine gehen hinab bis in den Tod. Wer aber das Gebot der Ehrfurcht erfüllt, weil Er groß ist und über alles herrscht, der haftet an die „Ehrfurcht vor dem Ewigen, die zum Leben führt“ an.

Diejenigen, die sich aus Furcht vor der Strafe der Schläge fürchten und nicht aus dem Grund eines Gebotes, über sie steht geschrieben: „Was der Frevler fürchtet, das wird über ihn kommen.“ Denn die Furcht des Endes herrscht über ihn und schlägt ihn. Und insofern das Ende der Furcht in einer bösen Geißel weilt, um die Frevler zu schlagen, wird auch die obere, heilige Ehrfurcht genannt: „Der Anfang der Erkenntnis ist die Furcht vor dem Ewigen“ – um zu lehren, dass man einzig an ihren Anfang anhaften soll, nämlich an der „Ehrfurcht vor dem Ewigen, die zum Leben führt“. Und man soll sich hüten vor jener ersten Furcht, die die böse Geißel ist. Durch dieses wird die Sünde am Baum der Erkenntnis korrigiert.

195) Darum steht geschrieben: „Im Anfang, mit Ehrfurcht, erschuf Gott den Himmel und die Erde.“ Denn wer gegen dieses Gebot verstößt, der verstößt gegen alle Gebote der Tora. Und die Strafe für den, der dagegen verstößt, ist, dass jene böse Geißel – jene falsche Furcht – ihn schlägt. Dies ist, wie geschrieben steht: „Und die Erde war wüst und leer (Tohu wa Bohu), und Finsternis über dem Angesicht des Abgrunds, und der Geist Gottes …“ – das sind die vier Strafen, mit denen die Frevler bestraft werden.

196) „Wüst“ (Tohu) bedeutet Erdrosselung, wie geschrieben steht: „Messschnur des Tohu“. Und es steht geschrieben: „Ein Seil zum Messen“.

„Leer“ (Bohu) ist Steinigung – Steine, die im großen Abgrund versenkt sind, zur Strafe für die Frevler.

„Finsternis“ ist Verbrennung, wie geschrieben steht: „Und es geschah, als ihr die Stimme aus der Finsternis hörtet – der Berg aber brannte mit Feuer bis ins Herz des Himmels: Finsternis, Wolke und Nebel.“ Dies ist jenes starke Feuer, das auf das Haupt der Frevler fällt, um sie zu verbrennen.

Diejenigen, die die Furcht vor dem Ewigen nicht ausführen, weil sie ein Gebot des Königs ist, sondern nur aus Furcht vor der Strafe, werden von den Klipot des „Wüst“ (Tohu) gefangen. Sie wundern sich, warum sie die Gedanken und Worte des Ewigen nicht verstehen. Und diese Klipa gilt als Strick der Erdrosselung um den Hals des Menschen, der ihm die Luft der Heiligkeit für den Atem seines Lebens abschneidet.

So steht im ersten Vers: „Messschnur des Tohu („Wüst“), und im zweiten Vers: „ein Seil zum Messen“. Das eine kommt, um das andere zu erklären: Die Bedeutung von „Messschnur des Tohu“ ist „ein Seil zum Messen“. Denn so wie die Schnur und das Maß seiner Verzweiflung sind, so ist das Maß des Seils, das die Sitra Achra um seinen Hals legt und ihn erdrosselt. Wie geschrieben steht: „Die Sünde ziehen sie herbei mit Seilen des Truges.“

Folglich ist „Leer“ (Bohu) die Steinigung. Denn nachdem er bereits durch die Sitra Achra mit einem Strick um den Hals eingefangen ist, haben sie nun die Kraft, mit ihm zu verfahren, wie sie wollen: ihn zu steinigen, ihn zu verbrennen oder ihn mit dem Schwert zu töten. Steinigung bedeutet, dass sein Schädel durch böse Begierden und böse Gedanken zerschmettert wird, und man zieht ihn in den großen Abgrund hinab, um ihn zu bestrafen.

Finsternis ist Verbrennung – sie kommt auf das Haupt der Frevler, um sie zu verbrennen. Denn die Sitra Achra umgibt sie mit starkem Feuer, das fortwährend die Lebenskraft der Heiligkeit in ihnen verzehrt.

197) Und „Geist“ (Ruach) – ist die Enthauptung mit dem Schwert. Da der „Stürmische Wind“ (Ruach seara) ein scharfes Schwert ist, das in ihm lodert, wie geschrieben steht: „Und die Flamme des Schwertes, das sich in alle Richtungen wendet.“ Es wird „Geist“ genannt. Es ist eine Strafe für jemanden, der die Gebote der Tora übertritt, welche nach der Furcht geschrieben sind, nach dem Anfang, der alles enthält. Denn nach „Im Anfang“, was „Furcht“ bedeutet, wird gesagt „wüst (Tohu) und leer (Bohu) und Finsternis, und Geist“, welche die Strafen der vier Tode sind. Ab hier und weiter die übrigen Gebote der Tora.

Denn Sitra Achra legt einen „Stürmischen Wind“ (Ruach seara) auf ihn, welcher einem scharfen Schwert ähnlich ist, das seinen Kopf von seinem Körper trennt und sein Leben beendet. Das ist die Strafe für jemanden, der die Gebote der Tora übertritt, welche nach der Furcht, dem Anfang, geschrieben sind, die alles enthält, denn alle Gebote der Tora sind enthalten in den ersten zwei Versen von „Im Anfang“ bis „Und Gott sprach: ‚Es werde Licht.’“ Und die Strafe, die für jemanden erwähnt wird, welcher die Gebote der Tora übertritt, welche die vier Tode sind, inbegriffen in „Wüst“, „Leer“, „Finsternis“ und „Geist“, geschrieben nach der Furcht, welche „Anfang“ genannt wird, inbegriffen in den Worten „Im Anfang erschuf Gott“.

Hieraus folgt, dass der erste Vers „Furcht“ ist, der Anfang, die Grundlage der Furcht, die zum Leben führt, und der zweite Vers die Strafe für jemanden ist, der nicht an der Furcht, dem Anfang, anhaftet. Und sie umfassen das Ganze, denn sie sind das Tor zum Glauben an den Ewigen. Hieraus folgt, dass alle Gebote der Tora darin eingeschlossen sind. Von da an folgen die übrigen Gebote der Tora, beginnend mit dem Vers: „Und Gott sprach: Es werde Licht.“ Das bedeutet: Alle Gebote der Tora sind nichts anderes als Einzelheiten des Gebotes der Ehrfurcht.

4 Kommentare
  1. BERI Jacqueline
    BERI Jacqueline sagte:

    Ich lese gerade Sohar und eine Wiederherstellung des neuen Testaments der Bibel parallel. Das interessante dabei ist, beide Bücher stimmen überein. Auch in der Philosophie. Kann das sein? Habe ich da etwas Falsch verstanden??

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