Notiz 22: Und nun Israel, höre

korr, EY, 4.7.2024

„Und nun Israel, höre die Gesetze (Chukim) und die Rechtsordnungen (Mishpatim)[1] … Ihr sollt nichts hinzutun zu dem Worte, das ich euch gebiete, und sollt auch nichts wegnehmen, damit ihr die Gebote des Ewigen, eures Gottes, wahret, die ich euch gebiete.[2]

Hier müssen wir verstehen, was ein Gesetz (Chok) und was eine Rechtsordnung (Mishpat) ist. Und die Schrift präzisiert: „Ihr sollt nichts hinzutun zu dem Worte, das Ich euch gebiete, und sollt auch nichts wegnehmen“, und in beiden Fällen, im Hinzufügen wie im Wegnehmen muss man genau sein, gemäß dem Wortlaut des Gebotes.

Es gibt einen Unterschied zwischen denen, die in der Absicht arbeiten, zu geben oder um eine Belohnung zu erhalten.

Denn diejenigen, die in der Absicht arbeiten zu geben, beginnen jeden Tag die Arbeit von neuem, sowohl im Verstand als auch im Herzen, und können keine Unterstützung von „gestern, das vorübergegangen ist“ [3] erhalten, sondern sie haben wirklich keine andere Wahl, als jeden Tag zu den Grundlagen der Arbeit zurückzukehren, das heißt zu den Gründen, die sie zwingen, den Weg der Wahrheit zu gehen.

Es ist, als ob er jeden Tag mit sich selbst sprechen müsste, dass es sich lohnt, ein Diener des Ewigen zu sein. Und der Körper (der Wille zu empfangen, Anm. Ü.) fragt ihn jeden Tag, wenn er mit seiner Arbeit beginnt: Nenne mir die Gründe, weswegen du mich zwingst, all meine Kräfte im Namen des Himmels aufzubringen. Und wenn er fragt, dann muss man Antwort geben, denn sonst wird er nicht arbeiten wollen. So geht man jeden Tag durch die gleichen Diskussionen, die gleichen Fragen und die gleichen Antworten.

Und während der Mensch in die Arbeit in der Tora, dem Gebet und den guten Taten vertieft ist und das Ziel der Arbeit, das Geben, nicht vergisst, ist die Arbeit leichter, weil er dann dem allgemeinen Prinzip folgt. Aber sobald ihm das Ziel, das Geben, im Verstand und im Herzen, in Erinnerung kommt, „verdunkelt sich die Welt für ihn“ [4], weil es gegen den Körper ist, der Selbstliebe genannt wird.

Und dann hat er keine Antwort, die er dem Körper geben könnte, außer dass es ein Gesetz ist, das der Schöpfer so will, dass wir ihm glauben, dass es zu unserem Besten ist, dass gerade durch die Arbeit im Verstand und im Herzen der Mensch seine Vollkommenheit erreicht, sodass auch seine Feinde zu seinen Freunden werden. Und das nennt mann „Mit deinem ganzen Herzen“[5] – das bedeutet mit deinen beiden Verlangen: dem Guten Trieb sowie dem Bösen Trieb.“[6]

Und darüber sagt die Schrift: „Ihr sollt nichts hinzufügen“, das heißt, man soll keinen zusätzlichen Verstand und keine zusätzliche Erkenntnis an den Ort bringen, der gerade über dem Verstand sein muss. Wenn also der Mensch versucht, es innerhalb des Verstandes zu verstehen und zu begreifen, und er denkt, dass er dadurch mehr Arbeit leisten kann, weil der Körper an dem Ort zustimmen wird, an dem er es innerhalb des Verstandes versteht, so nennt man das „Ihr sollt nichts hinzutun“.

Man soll vielmehr an den Ewigen glauben, dass gerade durch ihn der Mensch seine Vollkommenheit erreicht, die Glauben über dem Verstand genannt wird.

Doch es gibt auch das Konzept der Rechtsordnung, bei der das Gegenteil gilt, dass der Mensch sich bemühen muss, die Tora innerhalb des Verstandes zu verstehen. Der Mensch muss sich so viel wie möglich bemühen, die Tora zu verstehen, die der Ewige ihm gegeben hat, und wenn er sieht, dass er die Worte der Tora nicht versteht, muss er viel beten und bitten. Denn dort gibt es das Prinzip „Verstehen und begreifen, hören, lernen und lehren“[7].

Und hier gilt das zweite Prinzip, also „Ihr sollt nichts wegnehmen“, sondern gerade die Tora vermehren, wie es im Zusammenhang mit den Tefillin der Hand erklärt wird, die Glauben genannt werden, wie geschrieben steht: „Und es sei dir ein Zeichen an deiner Hand“. Und die Weisen interpretierten: „Dir ein Zeichen, und nicht anderen ein Zeichen“, das heißt, die Tefillin der Hand müssen bedeckt sein, weil dies ein Hinweis auf den Glauben über dem Verstand ist, der Königreich des Himmels genannt wird.

Anders ist es bei den Tefillin des Kopfes, die auf die Tora hinweisen, die Seir Anpin genannt wird. Darüber interpretierten die Weisen den Vers: „Und alle Völker der Erde werden sehen, dass der Name des Ewigen auf dir genannt ist, und werden sich vor dir fürchten“ [8]. Das sind die Tefillin des Kopfes, bei denen es den Aspekt der Offenbarung gibt, wie es geschrieben steht: „Und sie [alle Völker] werden sehen“.

Denn Tora wird Offenbarung genannt, und wenn die Völker der Erde im einzelnen Menschen die Tora fühlen, die sie herangezogen haben dann „werden sie sich vor Dir fürchten“, denn dann wird das Böse unterworfen und das Gute herrscht.

Das nennt man Rechtsordnung, denn eine Rechtsordnung ist eine Offenbarung, und es ist verboten, davon wegzunehmen, sondern [man darf] nur die Erkenntnis der Tora mehren. Anders ist es bei einem Gesetz, dass der Aspekt der Verhüllung ist, das über dem Verstand ist, und hier ist es verboten, Verstand hinzuzufügen.

[1] 5. Buch Moses 4,1: Und nun Israel, höre, die Gesetze und die Rechtsordnungen, die ich euch lehre

[2] 5. Buch Moses 4,2

[3] Psalmen 90,4

[4] Talmud Beiza/Jom Tov 32b

[5] 5. Buch Moses 6,5

[6] Mishna Brachot 9,5

[7] Siddur, Morgengebet, Segenspruch vor dem Schma

[8] 5. Buch Moses 28,10

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