OFFENER BRIEF AN MUTTER NATUR
Liebe Mutter Natur,
Was Du innerhalb von Wochen mit der ganzen Menschheit gemacht hast, übertrifft die besten Blockbuster, Spielberg und Co. Die beste Regisseurin bist offenbar immer noch Du.
Natürlich haben wir immer gewusst, dass wir unter deinem Diktat leben. Wir wussten es, haben es aber gern vergessen. Wir pumpten Öl und Gas aus dir, schürften Diamanten und Gold, wir wühlten in deinen Eingeweiden, erschlugen Tiere, vergifteten dich mit Chemikalien und Plastik und fingen sogar an, Müll in den Weltraum zu schießen.
Und welche Gipfel haben wir im gegenseitigen Hass erreicht! Unsere Kreativität nützen wir dazu, uns immer effizientere Waffen einfallen zu lassen! Nervengas, bakteriologische, chemische und nukleare Waffen, alles, um den/die anderen auszulöschen oder sie uns nutzbar zu machen.
Warum hast du die ganze Zeit geschwiegen?
Was, du hast gar nicht geschwiegen? Ach ja.., da waren die Brände in Australien, Russland und Amerika, Heuschreckenplagen in Afrika, Stürme in Kalifornien, Überschwemmungen in Indien, Erdbeben in Jamaika, Vulkane in Indonesien, die Schweinegrippe, die Vogelgrippe.
Niemanden, außer die Betroffenen selbst, schmerzte dies. Alles wurde schnell wieder vergessen und aus der Erinnerung gelöscht, weil wir nach unseren Gesetzen lebten: Meins ist mein und deins auch. Deine Gesetzte waren uns egal. Als Kinder spürten wir noch, dass alles in Dir untereinander verbunden ist wie ein Uhrwerk. Kosmos, Erde, Pflanzen, Tiere, selbst die kleinsten Bakterien – alles tritt erst dann in Erscheinung, wenn Du es befiehlst.
Woher kam bloß unsere Annahme, dass wir über deinen Geboten – Harmonie, Gleichgewicht und Verbindung – stehen?
Also schickst du uns ein kleines Virus. Und dieses zwingt uns ganz einfach in die Knie. Plötzlich wird uns klar: Du meinst es jetzt ernst. Du wirst uns nicht mehr so leben lassen wie bisher, wo Harmonie nur ein Wort war, Gleichgewicht nur beim Wettrüsten angestrebt wurde und Verbindung nur zum wechselseitigen Profit diente.
Dein kleines Virus nahm die Welt im Sturm und stellte uns alle vor eine seltsame Frage, die uns vorher kaum in den Sinn kam: Was für ein Leben lebten wir eigentlich?
Wir flogen rund um den Globus, wir hatten wichtige Besprechungen von morgens bis abends – aber zu welchem Zweck? Wir setzten auf Konsum und Wirtschaftswachstum, bis unsere Schränke vor Müll platzen – aber wozu? Wir warfen mehr Lebensmittel weg als wir essen konnten. Doch nun erscheint uns alles auf einmal belanglos, leer und eitel. Das macht uns Angst.
Du hast für deine Ermahnung einen Zeitpunkt gewählt, an dem die Welt dich hören und deine Botschaft vernehmen kann. Denn die Welt ist – und so war es noch nie zuvor – durch Wirtschaft und Internet so global miteinander verbunden, dass sich nun auch Deine Botschaft wie ein Lauffeuer verbreiten kann: Harmonie, Gleichgewicht, gegenseitige Verbundenheit und Bürgschaft unter den Menschen. Das ist alles.
Wir verstehen sie jetzt, Deine Botschaft.
Sie wird so deutlich, wenn wir Dich betrachten, und uns uns einfach wegdenken: Pflanzen und Insekten, Raub- und Beutetiere, klimatische Hochs und Tiefs, Trockenheit und Regenfälle. Alles strebt zum Gleichgewicht, zur Entropie, zum Vereinigen von Gegensätzen.
Mutter Natur! Gib uns die Möglichkeit, ein lebenswertes glückliches Leben zu führen, uns gegenseitig zu schätzen, zu schützen, uns um unsere Familien und alle Menschen zu kümmern und achtsam mit all deinen Geschenken umzugehen.
Lass uns werden, was wir sein sollen: Menschen.
Ich schließe mich dieser innigen Bitte an, vielleicht kommen noch viel mehr dazu?!