PESSACH
Aus allen Völkern sind wohl die Juden für ihre vielen Bräuche und Gebote bekannt. Für Nichtjuden sind diese oft unverständlich und muten seltsam an. Doch woher kommen diese Bräuche?
Zum Beispiel das Pessach-Fest (findet ungefähr zur gleichen Zeit wie Ostern statt).
Eine Woche lang wird der Auszug des Volkes Israel aus der ägyptischen Sklaverei gefeiert. Das Fest beginnt mit einer aufwändigen und sorgfältigen Vorbereitung und wird als Pessach-Kaschrut bezeichnet. „Koscher“ (hebräisch) bedeutet: geeignet, angemessen. Diese große „Putzaktion“ umfasst die Wohnung, die Kleidung, das Geschirr und vor allem die Lebensmittel. Jeder kleinste Winkel wird penibel gereinigt, wobei es gar nicht um die Reinigung an sich geht, sondern darum, Gärstoffe zu entfernen.
Es betrifft alles, was direkt und indirekt mit dem Gärungsprozess zusammenhängt, z. Bsp. Paniermehl oder Nudeln. Da sonst niemand so etwas tut, wirkt es eben befremdlich. Diese aufwändigen Regeln gelten für alle Speisen und Lebensmittel. An Feiertagen dürfen nur Lebensmittel gegessen werden, die sorgfältig ausgewählt, verarbeitet und mit einer besonderen Technik zubereitet werden.
Ein besonderes Gericht ist die Matze, die extra für das Pessach-Fest zubereitet wird. Bei ihrer Herstellung muss die Gärung unterbleiben und daher wird dem Teig auch keine Hefe zugefügt. Nach der Zugabe von Wasser zum Mehl wird der Teig nicht länger als 18 Minuten gerührt, damit die Mischung nicht zu gären beginnt. Ansonsten ist der Teig für den Verzehr nicht mehr „geeignet“ und nicht mehr koscher.
Nichtjuden betrachten diese Handlungen mit Verwunderung, doch in Wahrheit haben all die Bräuche und sogar die Feiertags-Terminologie eine bestimmte Bedeutung. Es geht um die innere Veränderungen eines Menschen. Kommen wir daher zurück auf die gründliche Hausreinigung: Der Begriff „Haus“ bezieht sich auf das Herz eines Menschen. Die Reinigung des Hauses entspricht der Reinigung des Herzens von Verlangen, die ausschließlich um sich selbst kreisen. Damit soll das Herz für die Nächstenliebe vorbereitet werden. Die egoistische Grundeinstellung des Menschen dem Leben gegenüber soll sich ins Gegenteil kehren, hin zum Altruismus.
Zu Pessach feiert man auch die Befreiung des jüdischen Volkes aus der ägyptischen Sklaverei – aus der Sklaverei der egoistischen Wünsche. Das Wort „Ägypten“, Mizraim (hebräisch), besteht aus den Wörtern „mitz“ und „rah“ und bedeutet: Konzentration des Bösen [1]. Der Pharao (Paro) ist die stärkste in der Natur existierende, egoistische Kraft. Dabei ist erstaunlich, dass manche Historiker eine ähnliche Sicht auf das alte Ägypten haben.
„Bei keinem Volke, das die erste Stufe des Fetischdienstes überschritten hat, war das Götzentum in so scheusslicher Gestalt ausgeprägt und hatte einen so unheilvollen Einfluß auf die Sitten, wie bei dem ägyptischen.[2]
„Ägypten“ ist mit einer kultischen Verehrung des Egoismus gleichzusetzen. Unter diesen Bedingungen erscheint Moses (hebr. Mosce), der zukünftige Befreier des jüdischen Volkes aus Ägypten. Moses symbolisiert das erste Erwachen spiritueller Werte, die sich über/jenseits unserer erscheinenden Welt befinden. Die Pessach-Haggada ist eine Sammlung von Texten, die sich auf den Feiertag beziehen. Alle Charaktere und Ereignisse darin geben uns erstaunliche Hinweise. Die Eigenschaft von „Moses“ weckt in uns das Gefühl, dass es ein anderes, besseres Leben „außerhalb Ägyptens“ gibt.
Zwischen Israel[3], dem jüdischen Volk in uns, und dem Ägypter, unserem Egoismus, kommt es zum Kampf. Als Folge daraus geht es dem Pharao in uns an den Kragen.
Jeder Schlag, den der Pharao erhält, verhärtet sein Herz und lässt ihn mehr Widerstand leisten. Seine grausamen versklavenden Eigenschaften müssen deswegen vollständig offenbart werden, denn nur so werden wir uns langsam wünschen, uns aus seinen Fängen zu befreien. Das ist der schwierigste und zugleich bedeutendste Teil der Pessach-Erzählung. Dies sind die Wünsche, die Moses erwecken und gegen den Pharao vereinen muss.
Jeder Mensch auf der Welt sollte letztendlich fühlen, dass er dem Pharao, der Verkörperung des größten egoistischen Wunsches, völlig ausgeliefert ist. Gleichzeitig soll in uns der Wunsch erwachen, uns sowohl auf der Ebene des einzelnen als auch auf der Ebene der Gesellschaft von ihm zu lösen.
In dem Moment, in dem wir in voller Übereinstimmung mit Moses sind, können wir uns wie das Volk Israel verbinden und der Pharao wird gezwungen, uns gehen zu lassen. Danach kommt ein besonderer Zustand, welcher „Yam Suf“, das Rote Meer (hebr. Urmeer) genannt wird. Es stellt die letzte Grenze der egoistischen Welt dar. Dahinter beginnt die spirituelle Welt, in der wirkliche Freiheit herrscht, unabhängig von Ort, Zeit und Raum.
UNBEKANNTES ÜBER BEKANNTES
Pessach ist die Überwindung des Egoismus, um vom Hass zur Liebe zu gelangen.
Der Sauerteig ist der Gebrauch des Egoismus, zu Gunsten der eigenen Wunscherfüllung auf Kosten anderer.
Die Verbrennung des Sauerteigs ist eine Handlung, die die Entscheidung symbolisiert, sich vom eigenen Egoismus völlig zu befreien.
Die vier Söhne sind die vier Meinungen, die sich im Menschen in Bezug auf spirituelle Werte offenbaren. Nur derjenige, der nicht fähig ist zu fragen, der verwirrt ist und nicht weiß, was er tun soll, ist bereit aus dem Egoismus herauszutreten.
Das Pessach-Gericht ist eine „Zusammensetzung“ aus höheren spirituellen Eigenschaften. Sie werden Sefirot genannt: Chessed, Gwura, Tiferet, Nezach, Hod, Jessod. Jede dieser Sefirot wird durch eine Speise auf dem angerichteten Teller symbolisiert: Der Hühnerflügel steht für die Sefira Chessed, das Ei für Gwura, Bittergrün für Tiferet, Charoset für Netzach, Kartoffeln für Hod und der Meerrettich für die Sefira Jesod.
Die zehn Vollstreckungen sind die 10 Formen der Verbindung zwischen der Schöpfung und dem Schöpfer. Die menschliche Natur, der Wunsch zu empfangen, besteht auch aus 10 Sefirot.
Die Matze ist ein besonders reiner Wunsch, der von egoistischen Einflüssen nicht beschädigt wird.
[1] Michael Laitman. Eine Seilbahn zum Schöpfer. Aus Lektion 7. Oktober 2010
[2] Heinrich Graetz (1817-1891) ist Historiker und Autor des ersten umfassenden Werks über die gesamte Geschichte der Juden. Die Geschichte der Juden von der Antike bis zur Gegenwart. 1. Kapitel. Die Vorgeschichte: http://www.zeno.org/Geschichte/M/Graetz,+Heinrich/Geschichte+der+Juden/Erster+Zeitraum/Erste+Epoche.+Die+Anf%C3%A4nge/1.+Kapitel.+Die+Vorgeschichte
[3] Israel besteht aus den Worten: „jashar ale“ und bedeutet der Wunsch, der direkt zum Schöpfer gerichtet ist.
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