22. September 2021, Gute-Nacht-Text
Wer wirklich wünscht, in den Dienst des Schöpfers einzutreten, um Ihm wahrlich anzuhaften und den Palast des Königs zu betreten, bekommt nicht sofort die Möglichkeit, dies zu tun. Sondern man prüft den Menschen, ob es in ihm einen anderen Wunsch gibt, außer dem Verlangen nach der Anhaftung (Dwekut) an den Schöpfer. Nur wenn es keinen anderen Wunsch gibt, dann lässt man ihn herein.
Und wie kann ein Mensch geprüft werden, ob er nur das eine Verlangen in sich trägt? Man bereitet ihm Hindernisse, indem man ihm abwegige Gedanken und fremde Boten schickt, die ihn behindern, damit er seinen Weg verlässt und weiter durchs Leben geht wie alle anderen.
Und wenn der Mensch alle vor ihm auftauchenden Hindernisse überwindet, alle Barrieren durchbricht, und ihn kleine Dinge nicht zurückweisen können, dann schickt ihm der Schöpfer mächtige Klipot und Merkawot (Streitwagen), die ihn von der Anhaftung mit dem Schöpfer abhalten sollen. Das heißt „mit starker Hand“ weist ihn der Schöpfer zurück. Denn wenn der Schöpfer Seine starke Hand nicht zeigt, wird es schwer sein, ihn abzuweisen, weil er einzig ein großes Verlangen nach der Anhaftung an den Schöpfer hat und nicht an andere Dinge.
Baal HaSulam, Shamati 70, „Mit starker Hand und mit überströmendem Grimm“
„Wie kann ein Mensch geprüft werden…?“ Hört sich das nicht wie Kontrolle an, als ob der Schöpfer kontrollieren muss, ob ich wahrhaftig und echt bin. Kontrolle also auch hier?
Kontrollen sind immer unangenehm: ob an den Ländergrenzen, ob Polizeikontrollen im Verkehr, ob Impfkontrollen während der Pandemie, um Veranstaltungen besuchen zu dürfen. „Kontroll-Staaten“ sind für Bürgerinnen und Bürger eine Horrorvorstellung. Und wenn Kontrollen vorbei sind, atmet man erleichtert auf, obwohl alles in Ordnung war. Der Staat kontrolliert, ob seine Gesetze und Verordnungen eingehalten werden, weil sie eben oft und nicht von allen eingehalten werden.
Wenn unsere Lebensmittel kontrolliert werden, sagen wir, dass das notwendig und richtig sei. Schließlich geht es dabei um unsere Gesundheit.
In den Religionen sprechen wir nicht von Kontrolle, dafür von Prüfungen. Gott, Götter prüfen uns Menschen. Die Geschichte des frommen Iob erzählt die Dramatik eines Lebens, was der Gottesfürchtige an Schlägen hinnehmen muss, um die Prüfung zu bestehen: zu zeigen, ob er von seinem Glauben absagt oder ob er gefestigt am Glauben festhält.
Die Helden in den Märchen müssen in ihrem Leben erst Prüfungen bestehen, um ihr Ziel zu erreichen: das Reich zu erben oder die Königstochter heiraten zu dürfen. Interessant ist, dass die Helden immer wieder auf „Helfer“ zurückgreifen können, um ihrem Ziel näher zu kommen.
„Wie kann ein Mensch geprüft werden, ob er nur das e i n e Verlangen in sich trägt?“ fragt Baal HaSulam. Diese Frage klingt für mich nicht nach Kontrolle, löst kein unangenehmes Gefühl aus. Es hört sich eher an wie ein methodisch notwendiger Baustein, an einer bestimmten Wegstrecke zu fragen: Wie weit bin ich? Bin ich am Ziel? Und woher weiß ich, ob ich mein Ziel erreicht habe.
Ich stehe am Anfang eines Studiums, das einzige, was ich sicher weiß, ist, dass ich mir ein spirituelles Wissen mit meinem Herzen erarbeiten muss. Das Ziel steht mir vor Augen: nur
e i n Verlangen zu haben: zu geben. Ob ich das verstanden habe?
Baal HaSulam erwähnt die „starke Hand des Schöpfers“, die mich immer wieder auf meinem Weg hindern wird, mich vielleicht in Zorn und Rage versetzt (Grimm), weil ich nicht weiterkomme, unter Umständen wieder von vorne anfangen muss. Die „starke Hand“, woher immer sie kommt, greift ein, um mich zu prüfen, damit ich lerne zu überwinden. Ohne Prüfung in diesem Sinne ist kein Fortschritt möglich. Die Prüfung ist eine Methode, um dem Ziel näher zu kommen.
Das ganz Besondere: ich gehe diesen Weg mit Begleiterinnen und Begleitern, mit „Helferinnen und Helfern“ – gemeinsam, in der Gruppe.
Mein wissenschaftliches Studium vor Jahrzehnten, das mir damals viel gegeben hat, habe ich als Einzelkämpfer gestaltet und erlebt, mit all den Zwischenprüfungen und Examina. Das war damals selbstverständlich. Es ist für mich ein großes Geschenk, Studium in ganz anderer Weise erleben zu dürfen. Ich spüre erwartungsvolle Vorfreude heute Abend.