Rabash, Brief 25

November 1956, Manchester
An die Freunde, mögen sie lange leben,

Ich habe ein paar Briefe von … empfangen

Ich wäre sehr glücklich, wenn ich bei euch sein könnte, aber was kann man tun, wenn die Zeit es nicht zulässt? Doch es gibt Gebote, die wir erfüllen können, unabhängig von der Zeit, das heißt in Angelegenheiten, die über der Zeit stehen. Denn der Mensch ist in seiner eigenen Natur begrenzt durch Zeit und Raum, aber wenn er sich bemüht, mit dem Schöpfer verbunden zu sein, muss er sich ihm angleichen, das heißt, über Raum und Zeit hinausgehen.

Es ist bekannt, dass als Platz/Ort/Raum (hebräisch: Makom) das Kli (Gefäß) bezeichnet wird, das heißt, das bekannte Verlangen zu empfangen. “Über dem Raum” bedeutet, dass man nicht möchte, dass seine ganze Anstrengung nur für seinen eigenen Raum ist, sondern für den “gesegneten Raum“, der der “Raum der Welt” (der Schöpfer) ist. Das heißt, die gesamte Anstrengung muss nur darauf gerichtet sein, zu geben.  Was das „über der Zeit“ betrifft, so bezieht sich die Zeit auf den Verstand. Der Verstand eines Menschen lässt ihn immer glauben, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt ist, um seine Arbeit um des Schöpfers willen anzunehmen. Aber in dieser Hinsicht müssen wir immer über die Zeit hinausgehen. Das heißt, wir dürfen nicht sagen, dass die früheren Tage besser waren als diese. Stattdessen haben wir immer Bedarf an einer Erneuerung der Kräfte, das heißt der Grundlagen, auf denen wir die ganze Arbeit aufbauen, bis wir mit der dauerhaften Anwesenheit der Shechina (Göttliche Gegenwart) belohnt werden.

Außerdem müssen wir immer auf zwei Pfaden wandeln, die einander widersprechen, das heißt, in Mangel und in Vollkommenheit wandeln, was Gebet und Lobpreis und Dankbarkeit bedeutet.

Siehe im Heiligen Sohar (WaJeshew, und S. 12 im Sulam-Kommentar): „Deshalb wird der Körper gebrochen und die Seele gereinigt. Und deshalb lässt der Schöpfer den Gerechten leiden und Schmerzen in dieser Welt ertragen, und er wird von allem gereinigt und verdient das Leben in der kommenden Welt. So steht geschrieben: „Der Ewige prüft den Gerechten“, in der Tat“ (der Sulam-Kommentar zum Heiligen Sohar, WaJeshew, Punkt 36, S. 12). In Punkt 38: „Und wenn der Mond befleckt ist“, was bedeutet, dass die Seele, die herauskommt, wenn der Mond makelhaft ist, diese Seele dem Körper Schaden zufügt.

Es steht im Sulam-Kommentar geschrieben: „Wie kann gesagt werden, dass die Seele den Körper verdirbt?“ Er erklärt, dass der Makel der Seele von der Verminderung in Bina herrührt. Malchut nimmt diese Verminderung an, wie in „Mutter lieh ihrer Tochter ihre Kleider“, und die Körper werden auch fähig, Gadlut (Erwachsensein/Größe) zu empfangen. Der Makel, den die Seelen in den Körpern verursachen, dient also dazu, den Körper zu korrigieren und ihn für den Empfang des Lichts der Gadlut zu qualifizieren – soweit seine Worte.

Um dies bezogen auf die Vorbereitungszeit für den Eintritt in den Königspalast zu verstehen, können wir interpretieren, dass der Körper auf seine eigene Weise vollkommen ist. Das heißt, er fühlt sich nicht so, als ob ihm etwas fehlen würde, als ob es einen körperlichen Mangel gäbe. Dann sitzt man nicht untätig in Verzweiflung, sondern das Gefühl des Mangels weckt in einem Menschen Tricks und Taktiken, und man verfällt nicht in Verzweiflung. Dies ist genau das Ausmaß des Mangels. Das heißt, wenn er die Sache, nach der er sich sehnt, als Überflüssiges betrachtet, ist das Gefühl des Mangels bei Überflüssigem nicht so stark und man gibt leichter auf.

Dies ist jedoch nicht so, weil es schwierig zu erreichen ist – dass er die Situation akzeptiert und uns sagt: „Ich habe getan, was ich konnte, und ich habe keine Ahnung, wie ich das bekomme, was ich will“, und dafür wendet er seinen Verstand anderen Dingen zu. Vielmehr ist es so, weil das, was er verlangt, für ihn überflüssig ist, und bei Überflüssigem gibt es kein Gefühl des Mangels, wie es bei etwas Notwendigem der Fall ist. In der Tat, wenn es um etwas notwendiges geht, akzeptiert ein Mensch die Situation nicht und sucht immer nach Rat und Taktiken, um das Notwendige zu erhalten, was bedeutet, dass die treibende Kraft des Menschen, die ihn nicht aufgeben lässt und sich jedes Mal erneuert, einzig und allein die Kraft des Mangels ist.

Dies hängt vom Ausmaß des Mangels ab, das wiederum vom Ausmaß des Leidens abhängt. Ein großer Bedarf bedeutet, dass er großes Leid empfindet, wenn er nicht das bekommt, was er will, und ein kleiner Bedarf bedeutet, dass es ihm nicht weh tut, wenn er nicht das bekommt, was er will, aber wenn er es bekommt, fühlt er sich vollkommener.

Notwendiges und Überflüssiges sind für jeden Menschen unterschiedlich, und jeder kann selbst festlegen, was notwendig ist. Unsere Weisen sagten dazu, dass, wenn jemand daran gewöhnt ist, mit einem Diener zu leben, der ihm voraus läuft, ihm dies zur Verfügung gestellt werden muss, und es gibt eine Geschichte über Hillel, der vor einem Mann herlief. So kann jeder Mensch selbst bestimmen, was Notwendigkeit für ihn bedeutet.

Das ist die Bedeutung der Seele, die den Körper befleckt. Dies bedeutet, dass, wenn eine Person keine Seele hat, sie einen vollständigen Körper hat. Das heißt, sie hält es nicht für notwendig, an der Reinheit zu arbeiten. Aber durch die Beschäftigung mit Tora und Mizwot [Geboten/guten Taten], korrigiert ihn das Licht in ihr. Das heißt, das Licht in ihr, das heißt die Seele, die er erlangt, bricht den Körper, was bedeutet, der Körper zerbricht, wenn er sieht, dass er unvollkommen ist.

Das bedeutet, dass er vorher wusste, dass er sich mit Reinheit befassen musste, um Vollkommenheit zu erlangen, was als Überflüssiges angesehen wird, und auf Überflüssiges kann verzichtet werden. Aber wenn der Körper zerbricht, das heißt, wenn er sieht, dass er mangelhaft ist – wenn er also den Mangel sieht, der in der oberen Bchina (Aspekt/Phase/Unterscheidung) besteht, die Bina (Verständnis) genannt wird und sich auf die Vorsehung bezieht –, erwacht in ihm eine motivierende Kraft, die ihn nicht ruhen lässt, bis er von oben bemitleidet und mit dem Antlitz der Shechina ausgezeichnet wird.

Möge der Schöpfer uns helfen, die Last des himmlischen Königreichs jenseits von Raum und Zeit zu tragen, um Seiner Ewigkeit anzuhaften.

Euer Freund Baruch Shalom HaLevi Ashlag
Sohn des Baal HaSulam seligen Andenkens

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