Rabash, Brief 66

März 1963, Bnei Brak

Frieden und alles Gute für meinen lieben Freund…

Im Traktat Pessachim (116b) steht: „Man beginnt mit der Schande und endet mit dem Lob. Was ist die Schande? Rav sagte: Am Anfang waren unsere Vorfahren Götzendiener“ usw. Ebenso sagen wir in der Pessach-Haggada: „Am Anfang waren unsere Vorfahren Götzendiener, und jetzt hat uns der Ewige zu seinem Dienst gebracht“ usw.

Um zu verstehen, was uns die Tatsache lehrt, dass unsere Vorfahren früher Götzendiener waren, muss dies aus kabbalistischer Sicht erklärt werden. Was ein Mensch wissen muss, wenn er sich mit dem Auszug aus dem ägyptischen Exil beschäftigt, denn wir sehen, dass alle Gebote damit verbunden sind; von jeder Sache sagen wir: “Erinnere dich an den Auszug aus Ägypten”; das bedeutet, dass kein Gebot perfekt erfüllt werden kann, bevor ein Mensch nicht aus dem ägyptischen Exil herausgekommen ist. Und obwohl wir im Allgemeinen bereits aus Ägypten ausgezogen sind, muss im Besonderen jeder Einzelne selbst aus diesem Exil herauskommen. Es ist unmöglich, aus dem ägyptischen Exil herauszukommen, bevor man in diesem Exil war. Nur dann kann man vom Auszug aus dem Exil sprechen.

Und daher erklärt uns der Verfasser der Haggada: Wir müssen wissen, dass unsere Vorfahren ursprünglich Götzendiener waren, das heißt, sie waren im Exil unter der Herrschaft der Götzendiener – und erst dann näherte der Schöpfer die Vorfahren an. Wenn sie jedoch nicht gespürt hätten, dass sie unter der Herrschaft der Götzendiener standen, wäre es nicht möglich gewesen zu sagen, dass der Schöpfer sie näherte. Nur wenn ein Mensch vom Schöpfer entfernt ist, kann man sagen, dass der Schöpfer ihn näher bringt. Und immer muss der Mangel an etwas dem Besitz davon vorausgehen, denn der Mangel ist das Gefäß, und der Besitz ist das Licht, das den Mangel und die Dunkelheit erfüllt.

Daher müssen wir wissen, dass wir uns gut vorbereiten müssen, das heißt, dass ein Mensch sich sieben Prüfungen und Untersuchungen unterziehen muss, um seinen wahren Zustand zu erkennen – wie stark sein Glaube an den Schöpfer ist, ob er einen vollkommenen Glauben hat, das heißt, ob er wahrhaftig ist, oder ob es bei ihm nur oberflächlich ist, das heißt, nur als eine „gelernte Pflicht“ ist, wenn es nur eine Gewohnheit ist und nicht aus eigenem Besitz besteht.

Ebenso muss er überprüfen, ob seine Eigenschaften im Einklang sind, das heißt, ob alle seine Handlungen um des Himmels willen sind oder, Gott bewahre, das Gegenteil, das heißt, ob alles, was er tut, zum eigenen Vergnügen geschieht. Und so kommentieren die Weisen die Aussage: „Und die Barmherzigkeit der Völker ist Sünde – jede Güte, die sie tun, tun sie für sich selbst“, und sie sind nicht in der Lage, etwas, um des Himmels willen zu tun.

Wenn ein Mensch unter dieser Herrschaft steht, so wie die Völker der Welt, ergibt sich, dass er im Exil ist, und dann ist er ein Götzendiener – und dann gibt es Raum für ein Gebet, damit der Schöpfer ihm hilft, aus diesem Exil herauszukommen; und dann kann man sagen: und jetzt, das heißt, nachdem er im Exil war und er ein Götzendiener ist, kann man sagen: und jetzt hat er uns nahe zu Seinem Dienst gebracht, was bedeutet, die Arbeit des Schöpfers zu tun und nicht unter der Herrschaft fremder Arbeit zu stehen.

Das nennt man den Auszug aus Ägypten, wenn alle Handlungen um des Schöpfers willen sind. Und darauf bezieht sich das Gebot – “Zur Erinnerung an den Auszug aus Ägypten”, denn erst nach dem Auszug aus dem ägyptischen Exil kann man die Gebote erfüllen, weil es Anweisungen des Schöpfers sind und nicht aus anderen Gründen.

Und darüber spricht der Tana: “Man beginnt mit der Schande und endet mit dem Lob”, was bedeutet, dass, wenn ein Mensch die Arbeit des Schöpfers beginnen will, er mit der Schande  beginnen muss, das heißt, wie wir unter der Herrschaft fremder Götter stehen, und dann können wir auf die Stufe „und jetzt hat uns der Ewige zu seinem Dienst gebracht“ aufsteigen, was bedeutet: und endet mit dem Lob.

Der Arbeitsprozess erfolgt auf zwei Weisen: das heißt, der Glaube an den Schöpfer und ebenso in Bezug auf die Eigenschaften, das heißt, dass alle seine Handlungen um des Himmels willen sind.

Und damit kann man die Aussage der Weisen erklären: “Die Rabbiner erzählten, dass, als Rabbi Elasar ben Parta und Rabbi Chanina ben Teradion gefangen genommen wurden, sagte Rabbi Elasar ben Parta zu Rabbi Chanina ben Teradion: Glücklich bist du, dass du für eine Sache gefangen wurdest, wehe mir, dass ich für fünf Dinge gefangen wurde. Rabbi Chanina antwortete ihm: Glücklich bist du, dass du für fünf Dinge gefangen wurdest und gerettet wurdest, wehe mir, dass ich für eine Sache gefangen wurde und nicht gerettet werde. Du hast dich mit der Tora und Wohltätigkeit beschäftigt.”

Und Rabbi Huna sagte: “Wer sich nur mit der Tora beschäftigt, gleicht demjenigen, der keinen Gott hat, wie es heißt: und viele Tage war Israel ohne den wahren Gott. Und wer ohne den wahren Gott ist und sich nur mit der Tora beschäftigt, gleicht demjenigen, der keinen Gott hat.”

Dieser Ausspruch ist schwer zu verstehen. Und man kann erklären, dass das Wichtigste, was ein Mensch tun muss, ist, dass alle seine Handlungen um des Himmels willen sind. Da der Mensch mit der Eigenschaft erschaffen wurde, nur für sich selbst zu genießen, bis zu dem Grad, dass es ihm unmöglich ist, etwas zu tun, wenn er nicht sieht, dass es ihm etwas Gutes bringen wird – wie ist es dann möglich, dass ein Mensch die Fähigkeit hat, etwas, um des Himmels willen zu tun?

Aber der Schöpfer gab uns Gebote zwischen Mensch und Mensch, damit der Mensch sich daran gewöhnt, zum Wohle seines Nächsten zu arbeiten. Dadurch kann er zu einer höheren Stufe gelangen, in der er auch im Namen des Himmels arbeiten kann. Ansonsten, selbst wenn der Mensch sich mit Tora und Geboten beschäftigt, ist es ihm nicht möglich, um des Schöpfers willen zu handeln. Daraus ergibt sich, dass, wenn er sich nur mit der Tora beschäftigt und sich nicht mit guten Taten beschäftigt, er nicht die Möglichkeit hat, etwas, um des Himmels willen zu tun, da ihm das Mittel – die Liebe zum Nächsten – fehlt.

Es folgt, dass jemand, der sich mit der Tora und den Geboten nicht um des Himmels willen beschäftigt, demjenigen ähnelt, der keinen Schöpfer hat, denn wenn er wirklich das Gefühl der Göttlichkeit hätte, würde er zweifellos um des Himmels willen arbeiten. Aber wenn er sich mit guten Taten beschäftigt, hätte er das Mittel – die Liebe zum Nächsten, wodurch er zur Liebe des Schöpfers käme, und dann hätte er die Kraft, die Tora und die Gebote, um des Himmels willen zu erfüllen.

Daraus folgt, dass der Mensch Kraft und Stärke und Überwindung in seinen Eigenschaften aufbringen muss, um sie so zu verändern, dass sie zum Wohle seines Nächsten sind. Dadurch wird er später in der Lage sein, mit diesen Eigenschaften im Namen des Himmels zu arbeiten.

Denn nachdem der Mensch seine Eigenschaften bereits so korrigiert hat, dass er zum Wohle seines Nächsten arbeiten kann, kann er im Glauben an den Schöpfer arbeiten, weil er dann fähig ist, den Glauben zu erlangen. Denn dann hat er die Eigenschaft der Gleichheit der Form, die „Anhaften an seine Eigenschaften“ genannt wird, im Sinne von „wie Er barmherzig ist, so sei auch du barmherzig“.

Möge der Schöpfer uns helfen, dass wir aus dem Exil zur vollständigen Erlösung schnell in unseren Tagen erlangen, Amen.

Möge es Sein Wille sein, dass du auf den Stufen des Segens, des Erfolgs und des Glücks aufsteigst und ein koscheres und fröhliches Fest hast.

Von deinem Freund, der dir und deiner Familie alle ewigen Segnungen wünscht

Baruch Shalom HaLevi Ashlag
Sohn meines Vaters und Lehrers, seligen Andenkens

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