Notiz 217: Fliehe, mein Geliebter
Nach dem ersten Pessach-Tag, 20. April 1943, Jerusalem
“Fliehe, mein Geliebter, bis die Liebe unseres Ehebundes erwacht.“
Was die Flucht betrifft, so offenbart sich uns der Schöpfer in einer Art der Flucht, um die Liebe zu offenbaren. Warum ist die Flucht vorher notwendig? Weil aus der Perspektive der Schöpfung alles bereits vollkommen ist, was bedeutet, dass die Liebe für alle in ihrer ganzen Vollkommenheit vorbereitet wurde. Sie muss jedoch unter den Geschöpfen offenbart werden, und sie kann nicht offenbart werden, ohne sich in das Licht von Rachamim [Barmherzigkeit/Gnade] zu kleiden, denn das Licht von Rachamim befähigt die Geschöpfe das Licht der Liebe zu empfangen.
Der Punkt ist der, dass das Licht der Liebe sich einzig und allein in die Ewigkeit kleiden kann. Wenn der Mensch sich also nicht als ewig empfindet, kann er das Licht der Liebe nicht empfangen. Umgekehrt, wenn er zuerst das Licht der Gnade empfängt, ist er sicher, dass er „nicht zur Torheit zurückkehren wird“. Die Gegenwart und die Zukunft sind für ihn natürlich dasselbe.
Daraus folgt, dass für ihn alle siebzig Jahre in einer Form sind, d.h. in der Form der einzigen Herrschaft, und siebzig Jahre und sechstausend Jahre, was die ganze Schöpfung ist, sind alle eins, was als eine vollkommene Stufe angesehen wird. (So steht es geschrieben, dass wenn der Mensch sein eigenes Verlangen annulliert und kein Verlangen für sich selbst hat, sondern nur nich für das Allgemeinwohl, er wie ein Glied in einer Kette ist, und das Glied wird nach der Kette benannt, während das Glied selbst keinen Namen an und für sich hat.)
Er wird also nach der allgemeinen Schöpfung benannt, die als Ewigkeit angesehen wird. Wenn er also das Licht der Barmherzigkeit empfängt, wird er geeignet, die Liebe zu empfangen. Das ist die Bedeutung der Worte: „Die Liebe unseres Ehebundes“, die eine allgemeine Eigenschaft ist und nicht eine partielle, so wie es von Moses gesagt wurde: „Ich werde all meine Güte an dir vorüberziehen lassen“, das heißt allgemein.
Um das Licht der Barmherzigkeit zu empfangen, bedarf es einer Erweckung von unten, d.h. der Bitte um Barmherzigkeit. Wenn das Licht dann durch das Gebet offenbart wird, wird es „Licht der Barmherzigkeit“ genannt.
Wie kann ein Mensch um Barmherzigkeit bitten, wenn er sagt: „Meine Seele sehnt sich nach Deinem Heil“, was bedeutet, dass er dringend Rettung braucht? Durch die Flucht, bei der der Schöpfer, gesegnet sei Er, uns scheinbar verlässt, das heißt in einer Form der umgekehrten Vorsehung, gibt es Raum, das wahre Gebet zu offenbaren und das Licht der Barmherzigkeit in Ewigkeit zu empfangen.
Dies ist die Bedeutung von „Fliehe, mein Geliebter“, „bis sie erwacht“ ist. Obwohl aus der Sicht des Schöpfers die Liebe vollkommen ist, wird diese Liebe von den Unteren nicht empfunden, die diese Liebe nicht wünschen, es sei denn, sie empfangen das Licht der Barmherzigkeit. Dann sind die Handlungen dazu geeignet, auch das Licht der Liebe zu wollen.
Das ist die Bedeutung von „bis sie erwacht“, was bedeutet, dass es ein Verlangen gibt. Das ist so, weil es Barmherzigkeit in einem Menschen geben kann, während sich die Liebe speziell auf zwei bezieht. Daher ziehen wir zuerst das Licht der Barmherzigkeit an, das speziell durch die Flucht entsteht, und werden geeignet, das Licht der Barmherzigkeit zu empfangen. Durch das Licht der Barmherzigkeit werden wir geeignet, das Licht der Liebe zu empfangen.
Das ist die Bedeutung von „Du hast uns große Liebe erwiesen.“ Wenn dies also in den unteren Menschen offenbart wird, dann [gilt] „Großes und überfließendes Erbarmen hast Du uns erwiesen“, was bedeutet, dass die Fähigkeit, das Licht der Barmherzigkeit zu empfangen, für uns vorbereitet wurde, denn dadurch werden wir fähig, die Liebe zu empfangen.
Das Gebet ist Ewigkeit, denn die Heilige Shechina [Göttliche Gegenwart] wird „Gebet“ genannt. Deshalb, wenn der Mensch für sich selbst betet, ist dies keine Ewigkeit, denn in dem Moment, in dem er betet und irgendeine Verbindung mit dem Schöpfer, gesegnet sei Er, hat, hat er nichts mehr, worum er beten könnte. Das, was er dann weiter tut, wird „Knechtschaft“ und nicht „Gebet“ genannt.
Es gibt nur dann ein Gebet, wenn es einen Platz gibt, um Barmherzigkeit zu erflehen, also bei einem schwerkranken Menschen. Wenn er jedoch irgendeine Verbindung mit dem Schöpfer, gesegnet sei Er, hat, ist er nicht mehr in Gefahr und kann daher nicht mehr beten. Daraus folgt, dass sein Gebet keine Ewigkeit ist.
Deshalb bereitete der Schöpfer, gesegnet sei Er, eine vollkommene Welt vor, wie unsere Weisen sagten: „Ein Mensch muss sagen: Für mich wurde die Welt erschaffen“ (Sanhedrin 37a). Das bedeutet, dass er für die ganze Welt beten sollte. Deshalb kann er, wenn er zum Beten kommt und Kontakt mit dem Schöpfer hat, auch wenn er selbst gerade nicht krank ist, für seine Zeitgenossen beten, d.h. Seine Gnade ausdehnen, damit es keinem Menschen in seiner Generation an Fülle mangelt.
Es ist eine große Regel:Der Mensch selbst wird als Geschöpf betrachtet, das heißt, nur er allein. Alles andere ist bereits die Heilige Shechina. Daraus folgt, dass, wenn er für seine Zeitgenossen betet, es heißt, dass er für die heilige Shechina betet, die im Exil ist und alle Errettungen braucht. Dies ist das Konzept der Ewigkeit, und nur auf diese Weise kann das Licht der Barmherzigkeit offenbart werden.
Ein weiterer Grund, warum wir nur für die Allgemeinheit beten sollten, ist der Bedarf, das Licht der Barmherzigkeit zu offenbaren, welches das Licht des Gebens ist. Es ist eine Regel, dass es unmöglich ist, etwas ohne Gleichheit zu empfangen. Vielmehr muss immer Gleichheit herrschen.
Wenn er also die Barmherzigkeit auf sich selbst erweckt, so folgt daraus, dass er sich selbst mit dem Empfangen befasst. Und je mehr er betet, bereitet er nicht nur nicht das Kli [Gefäß] der Gleichheit vor, sondern es bilden sich im Gegenteil Funken des Empfangens in ihm.
Es stellt sich heraus, dass er den entgegengesetzten Weg geht: Während er Gefäße des Gebens vorbereiten sollte, bereitet er Gefäße des Empfangens vor. „Haltet euch an Seine Eigenschaften“ heißt konkret: “Wie Er barmherzig ist, so sei auch du barmherzig.“
Wenn er also für die Allgemeinheit betet, befasst er sich durch dieses Gebet mit dem Geben. Und je mehr er betet, desto mehr bildet er Gefäße des Gebens, durch die das Licht des Gebens, das „barmherzig“ genannt wird, offenbart werden kann.
Indem man das Licht der Barmherzigkeit empfängt, kann man später die Eigenschaft von „gnädig“ offenbaren. Das ist die Bedeutung von „Gewähre uns den Schatz eines freigiebigen Geschenks“, denn Gnade ist Liebe, so wie Gnade ohne Sinn und Verstand ist, so ist auch Liebe.
Und „freigiebig“ bedeutet geben, dass Er barmherzig ist. Das heißt, indem er das Licht der Gnade empfängt, wird er geeignet, das Licht der Liebe zu empfangen, was die Bedeutung von „bis sie erwacht“ ist. Zu dieser Zeit offenbart sich das Verlangen auch im Unteren.
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