1984/13 Manchmal wird Spiritualität „Seele“ genannt
Wir müssen verstehen, warum Spiritualität manchmal „Seele“ (Hebr. Neshama) genannt wird, wie geschrieben steht: „Körper und Seele“, und manchmal nennt man Spiritualität Seele (Hebr. Nefesh) wie geschrieben steht: „Du sollst den Schöpfer von ganzem Herzen und von ganzer Seele lieben.“
Normalerweise, wenn wir über Spiritualität sprechen, meinen wir ihre höchste Stufe Neshama, damit der Mensch erkennt, dass diese hohe spirituelle Stufe für ihn vorbereitet wurde und das Verlangen in seinem Herzen erwacht, diese Stufe zu erreichen. Er überlegt: Woran liegt es, dass ich diese noch nicht erreicht habe? Im Laufe der Zeit versteht der Mensch, dass ihm zur Erlangung einer Seele die Übereinstimmung mit den Eigenschaften des Schöpfers fehlt. Der Körper besitzt von Geburt an die Selbstliebe (Ego), die den Eigenschaften des Schöpfers entgegengesetzt ist, da der Schöpfer nur gebend ist.
Deshalb sollte der Mensch seinen Körper reinigen und die Übereinstimmung der Form erlangen, damit auch er nur nach Handlungen des Gebens trachtet. Dann wird er diese höhere Stufe erlangen, die Neshama genannt wird. Deshalb verwendet man immer die Begriffe Guf (Körper) und Neshama (Seele).
Sprechen wir über die Reihenfolge der Arbeit, dann folgt nach der Stufe „Körper“ die Stufe Nefesh. Deshalb steht geschrieben: „Du sollst den Schöpfer von ganzem Herzen und mit all deiner Seele (Nefesh) lieben.“ Dementsprechend ist Nefesh die nächste Stufe nach dem Körper.
Deshalb steht zuerst „Von ganzem Herzen“ und danach „mit all deiner Seele“ (Nefesh). Der Mensch muss bereit sein, dem Schöpfer alles zu geben, was er besitzt. Wenn der Mensch jedoch die nächste spirituelle Stufe Ruach und später Neshama erreicht, muss er auch diese dem Schöpfer geben. Doch der Text beginnt mit der ersten Stufe, die dem Körper folgt.
Alles was der Mensch hat, muss er dem Schöpfer geben. Das bedeutet, er tut nichts für den eigenen Nutzen. Vielmehr ist alles um des Schöpfers willen. Das heißt, alle seine Taten sind nur um des Gebens willen, während er selbst völlig unbedeutend bleibt.
Jetzt verstehen wir, was im Sohar (Kapitel Teruma, Punkt 479 im Sulam Kommentar) geschrieben ist: „Mit all deiner Seele! (Nefesh). Er fragt: Es hätte heißen müssen: ‚In Deiner Seele‘; was bedeutet: ‚mit all deiner Seele’? Warum heißt es: ‚mit’? Er antwortet, dass dann auch Nefesh, Ruach und Neshama beinhaltet sind. Dies ist ‚mit all deiner Seele’ gemeint, wobei ‚all’ bedeutet, was diese Nefesh ergreift.
Daraus sehen wir, dass das Buch Sohar uns erklärt, dass das der Tora hinzugefügte Wort „alles“ darauf hinweist, dass die Neshama sowohl Nefesh als auch Ruach beinhaltet. Sie beginnt aber absichtlich mit Nefesh, da nach der Stufe „Körper“ die Stufe Nefesh folgt. Wenn wir in der Spiritualität nur von Seele sprechen, meinen wir Neshama, so wie es in der Tora, im Kapitel Bereshit geschrieben steht: „Er hauchte die Neshama (Seele oder Odem) des Lebens in seine Nasenlöcher“.
Um die Stufe NaRaN (Nefesh, Ruach, Neshama) zu erreichen, müssen wir den Weg des Gebens gehen und versuchen, uns von der Macht des Egoismus zu befreien. Dies wird als „Weg der Wahrheit“ bezeichnet, mit dem wir die Wahrheit Seiner Vorsehung erlangen, die absolut gut und Gutes tuend ist.
Dies wird „Das Siegel des Schöpfers ist Wahrheit“ genannt. Das Ziel des Schöpfers bei der Erschaffung der Welten besteht darin, Seinen Geschöpfen Gutes zu tun. Für den Menschen besteht das Ziel der Arbeit des Schöpfers also darin, dass er die Eigenschaft der Wahrheit des Schöpfers erreichen muss. Der Mensch wird wissen, dass er seine Vollkommenheit erreicht hat, nachdem er die Führung des Schöpfers als gut und wohlwollend erkannt und Erfüllung erfahren hat. Er muss jedoch auch erkennen, dass die anderen ebenso die Erfüllung haben, also sehen, dass jeder die vollständige Erfüllung hat.
Das Vorwort zu Talmud Esser Sefirot, Punkt 150 beschreibt, dass die vierte Stufe der Liebe die bedingungslose, ewige Liebe darstellt. Wenn der Mensch die ganze Welt wohlwollend beurteilt, ist die Liebe ewig und absolut. Dann wird es keine Verhüllung mehr in der Welt geben, weil dort das Gesicht völlig enthüllt wird, wie geschrieben steht: „Dein Lehrer wird sich nicht länger verbergen, sondern deine Augen werden nun den Lehrer erblicken“. Denn er hat bereits alle Taten des Schöpfers an Seinen Geschöpfen in Form der wahren Vorsehung erkannt und begriffen, dass der Schöpfer sowohl den guten als auch den schlechten Geschöpfen Gutes tut.
Mit der Vollkommenheit erreicht ein Mensch seinen wahren Zustand. Davor jedoch gibt es andere Stufen, wie es in der Einführung zu Talmud Esser Sefirot heißt, dass die erste Unterscheidung die Reue aus Furcht ist. Darüber steht in Punkt 63 geschrieben: „Die erste Stufe der Erlangung der Enthüllung des Gesichtes – die Wahrnehmung der Vorsehung, die auf eine Weise belohnt und bestraft, wo Er alle Geheimnisse kennt und garantiert, dass er nicht mehr zu Torheiten zurückkehrt, wird Reue aus Furcht genannt. Zu dieser Zeit werden seine boshaften Sünden zu unabsichtlichen Fehlern, und er wird „unvollständiger oder mittlerer Gerechter“ genannt.
Doch es gibt noch ein anderes Zeichen dafür, dass der Mensch den Weg der Wahrheit eingeschlagen hat – den Zustand der Verneinung: Er sieht, dass er sich nun in einem schlechteren Zustand als vorher befindet; bevor er auf dem Weg der Wahrheit wandelte, fühlte er sich der Kedusha (Heiligkeit) näher, und nun, wo er diesen Weg geht, fühlt er sich weiter entfernt. Laut der bekannten Regel „Heiligkeit vergrößert sich und vermindert sich nicht“ erhebt sich die Frage: Warum fühlt der Mensch jetzt, wo er den Weg der Wahrheit eingeschlagen hat, dass er sich rückwärts und nicht vorwärtsbewegt, wie es sein sollte, wenn man den Weg der Wahrheit geht? Man sollte glauben, dass der Mensch auf jedem Fall aufsteigen und nicht von der vorhergehenden Stufe abfallen sollte.
Die Antwort ist, dass es Abwesenheit vor der Anwesenheit geben muss. Es muss ein Gefäß (Kli) geben, welches „Mangel“ genannt wird, in welchem Platz für Füllung ist. Darum muss man immer erst voranschreiten und sich der Wahrheit näherbringen. Anders gesagt, jedes Mal, wenn der Mensch voranschreitet, erkennt er seinen Zustand: Er ist in Eigenliebe versunken. Und jedes Mal sollte er klarer erkennen, dass die Eigenliebe schlecht ist, weil sie uns daran hindert, den Genuss und die Freude zu erreichen, die der Schöpfer für uns bereithält, denn es ist die Eigenliebe, die uns vom Schöpfer trennt.
Jetzt verstehen wir den Gedanken des Menschen, der eine Entfernung von der Heiligkeit empfindet, obwohl er doch jetzt den Weg der Wahrheit begonnen hat, doch sollte er wissen, dass es nicht so ist. Im Gegenteil, es spricht dafür, dass der Mensch in die richtige Richtung geht. Vorher war er weit davon entfernt, die Wahrheit zu sehen, dass seine Arbeit nicht auf Geben und Glauben basierte. Doch nun muss er das Böse in sich fühlen, wie geschrieben steht: „Es dürfen keine fremden Götter in dir sein“.
Unsere Weisen sagten: „Wer ist der fremde Gott im menschlichen Körper? Es ist der Böse Trieb“. In anderen Worten, es ist der Wille zu empfangen, der das Böse im Menschen darstellt.
Nachdem ein Mensch zur Erkenntnis des Bösen gelangt ist, kann er es korrigieren. Vor der Erkenntnis, dass er dieses Übel nicht länger ertragen will, war er in einem Zustand, wo es noch nichts zu korrigieren gab. Somit ist er nun sehr weit auf dem Weg der Wahrheit vorangeschritten, um seinen wahren Zustand zu erkennen. Und da er nun dieses Übel nicht länger ertragen kann, wird er um Rat bitten, um es zu korrigieren. Doch der einzige Rat für einen Menschen ist, sich an den Schöpfer zu wenden und ihn zu bitten, dass Er seine Augen und sein Herz öffnen möge und es mit Genuss füllen würde. Wie die Weisen sagten: „Demjenigen, der kommt, um sich zu reinigen, wird geholfen“.
Sobald der Mensch Hilfe vom Schöpfer erhält, wird all sein Mangel mit Seinem Licht erfüllt, und er beginnt, auf den Stufen der Heiligkeit aufzusteigen, da er diesen Mangel durch das Erkennen seines wahren Zustandes vorbereitet hatte. Daher gibt es nun Platz, Vervollkommnung zu erhalten.
Dann beginnt der Mensch zu sehen, dass er entsprechend seiner Arbeit täglich höher aufsteigt. Daher muss man immer das, was das Herz vergisst, erwecken. Das ist für die Korrektur des Herzens notwendig – die Liebe zu Freunden – deren Ziel es ist, die Nächstenliebe zu erlangen.
Dies ist keine angenehme Arbeit für das Herz, welches auch „Eigenliebe“ genannt wird. Deswegen muss man sich bei einem Freundestreffen stets erinnern, dass sich jeder fragen sollte, wie weit man in der Liebe zu den Freuden gekommen ist und was man dafür getan hat, um in dieser Angelegenheit voranzuschreiten.
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