1985/38 Ein Gerechter, der glücklich ist – ein Gerechter, der leidet

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1984/85, Artikel 38

Der heilige Sohar interpretiert „Ein Gerechter, der glücklich ist, ein Gerechter, der leidet“ (Ki Tetze, Absatz 13): „Einer der gerecht ist und leidet, bedeutet, dass er vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse ist, weil das Böse mit ihm ist. Es gibt keinen Gerechten, der nicht in diesem Bösen sündigen wird, da es sich in ihm befindet.

Ein Sünder, der glücklich ist, ist jemand, dessen böser Trieb über den guten Trieb gesiegt hat, und davon hieß es ‚Er ist glücklich‘, weil das Gute sich unter der Herrschaft des Bösen befindet. Und da das Böse über das Gute herrscht, ist er ein Sünder, denn jener der herrscht, gibt den Namen. Wenn das Gute über das Böse siegt, wird er ‚Gerechter, der leidet‘ genannt, da sich das Böse unter seiner Herrschaft befindet. Wenn das Böse über das Gute siegt, wird er als ‚Sünder, der glücklich ist‘ bezeichnet, soweit seine Worte.

Und um zu verstehen worum es sich bei Gut und Böse im Allgemeinen handelt, müssen wir wissen, dass dies, weil die Wurzel der Geschöpfe sich von Malchut aus erstreckt, und Malchut von ihrer Wurzel her als ‚Empfangen um des Empfangens willen‘ bezeichnet wird, die Wurzel allen Übels ist, das sich in den Geschöpfen befindet, da dieses Verlangen uns von der Wurzel trennt; denn wir lernen, dass es dem Schöpfungsgedanken entspricht, den Geschöpfen Gutes zu tun und Er Existierendes aus Nichtexistierendem erschuf – einen Mangel, der als der Wille, Vergnügen und Genuss zu empfinden, bezeichnet wird.

Aber da in der Spiritualität Dwekut (Anhaftung) und Trennung die Gleichheit der Form betreffen, und weil der Schöpfer der Gebende ist und die Geschöpfe die Empfänger sind, besteht zwischen ihnen eine Ungleichheit der Form, und diese Ungleichheit der Form trennt uns vom Schöpfer. Deswegen sind wir nicht imstande, das Vergnügen und den Genuss zu empfangen, die Er uns geben will und das das Ziel der Schöpfung war. Aus diesem Grund mangelt es uns, um das Gute zu empfangen, an der Korrektur der Kelim (Gefäße), so dass sie um des Gebens willen arbeiten, und dann werden wir das Gute empfangen.

Daraus folgt, dass unser Böses, weswegen wir weder Vergnügen noch Genuss haben, nicht weniger und nicht mehr ist als die Selbstliebe in uns. Dies stört uns dabei, das Vergnügen und den Genuss zu empfangen und es führt zu unserem Tod, da es uns vom Leben der Leben trennt. Deshalb werden wir als ‚tot‘ bezeichnet, wie unsere Weisen sagten: „Die Sünder werden in ihrem Leben ‚tot‘ genannt“.

Wenn wir unser Böses betrachten, wie es mit uns spricht und uns kontrollieren will und mit welcher Kraft es seine Forderungen an uns heranträgt, müssen wir vier Unterscheidungen treffen: 1) Wir können der ‚Rückkehr aus Liebe‘ ähneln und eine Zuordnung vollziehen (obwohl die ‚Rückkehr aus Liebe‘ eine wichtige Sache ist, sprechen wir hier nur von der Zuordnung). 2) Ungefähr der ‚Rückkehr aus Furcht‘ zu ähneln. 3) Er kann sich nicht überwinden und Busse tun, sondern bleibt nach wie vor gebrochen und zersplittert, weil er nicht bereuen kann. 4) Er lässt sich nicht davon beeindrucken, dass er das Böse nicht überwinden und Buße tun kann.

Wir werden die Unterscheidungen nacheinander erklären. Wir wissen, wenn jemand den Weg beschreiten und alles für den Schöpfer tun will, und er stets daran denkt, welchen Nutzen der Schöpfer davon haben wird und nicht daran denkt, welchen Nutzen er selbst davon hat, kommt der Körper mit seinen Forderungen und beginnt diesen Weg zu verleumden, welcher ‚Weg des Gebens, und nicht für den Eigennutz‘ genannt wird. Und er kommt mit den Argumenten des Pharao und des Sünders, welche als „Verstand und Herz“ betrachtet werden, nämlich „wer und was“.

Wenn der Mensch beginnt, auf diese Forderungen zu hören, dann wundert er sich, denn niemals zuvor hat er von seinem Körper derartig starke Forderungen zu hören bekommen wie jetzt. Als er mit der Arbeit begann, dachte er, dass er sich jedes Mal näher auf das Ziel hin entwickeln würde und sieht, dass es sich lohnt, für den Schöpfer zu arbeiten.

Aber plötzlich sieht er, dass er, statt ein größeres Verlangen nach der Arbeit für den Schöpfer zu haben, einen Widerstand von Seiten des Körpers zu hören bekommt, der ihm nun sagt: „Warum willst du nicht den Weg beschreiten, den die ganze Welt geht, wo wir im Wesentlichen peinlich genau auf die Taten achten und wir bezüglich der Absicht sagen sollten: ‚Möge es so sein, als hätte ich eine Absicht gehabt‘. Aber jetzt sehe ich, dass du deine Aufmerksamkeit speziell den Absichten widmest, das heißt, dass du alles darauf ausrichten wirst, für den Schöpfer zu sein und nicht für dich selbst. Ist es möglich, dass du dich von den anderen unterscheiden wirst? Willst du nicht sein wie jeder andere, der sagt, dass dies der sicherste Weg ist? Und der Beweis dafür ist auf die Mehrheit zu sehen, wie sie sich verhält.“

Zu diesem Zeitpunkt beginnt die Arbeit des sich Überwindens; er muss die Ansprüche des Körpers überwinden und darf sich ihren Forderungen nicht beugen. Und sicherlich muss er ihnen eine deutliche Antwort darauf geben, was sie ihm zu verstehen geben; nämlich dass das, was er beabsichtigt – alle seine Taten nur auf das Geben und nicht auf den Eigennutz auszurichten – gegen die Vernunft ist. Denn die Vernunft befürwortet es, da der Mensch mit dem Willen, Vergnügen und Genuss zu empfangen, geschaffen wurde; und seitens der Natur ist es nötig, diese zu erfüllen – denn wofür würde er sonst das ganze Leben brauchen, wenn nicht dafür, um es zu genießen und die Forderungen, die der Körper geltend macht, zu befriedigen; und der Körper gibt ihm zu verstehen, dass dies absolut sinnvoll sei, und es keinerlei Ausrede gebe, seine Forderungen zu erfüllen.

Die eindeutige Antwort sollte sein, dass wir den Worten der Weisen Glauben schenken, die uns lehrten, dass wir über den Verstand gehen müssen. Das bedeutet, dass wahrer Glaube speziell über dem Verstand ist und nicht alles richtig ist, was die Vernunft gebietet, denn was den Schöpfer betrifft, so lernen wir, wie geschrieben steht ‚Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, noch sind Meine Wege eure Wege‘.

Und hier beginnen die Unterscheidungen in der Reihenfolge der Arbeit:

Die erste Stufe entspricht jener, wenn er seinem Körper sagt: „All deine Forderungen sind seitens der Vernunft gerechtfertigt und auch ich bin ganz deiner Meinung. Aber du solltest wissen, dass der wahre Weg, so wie ich ihn vom Glauben an die Weisen erhalten habe, über dem Verstand ist; bloß hatte ich keine Gelegenheit, zu zeigen, dass der Weg wirklich so ist, dass ich über den Verstand gehe. Aber jetzt, da du forderst, dass wir innerhalb des Verstandes gehen, und du den Weg des Gebens und des Glaubens verleumdest, bin ich glücklich über deine Verleumdungen, denn jetzt kann ich meinen Gedanken zeigen, dass sich die gesamte Grundlage meiner Arbeit für den Schöpfer auf dem Weg der Wahrheit befindet. Jetzt kann ich sagen, dass ich über dem Verstand gehe. Aber bevor du zu mir kamst, hatte ich keine Gelegenheit, meinen Weg offenzulegen.

Deswegen mag ich deine Behauptungen, weil du mir einen großen Dienst erwiesen hast, indem du vor mir Verleumdungen ausgesprochen hast. Denn die Verleumdungen, die ich von dir gehört habe, brachten mich dazu, jetzt Buße zu tun, da ich sie nun mit Glauben über dem Verstand überwinden muss. Daraus folgt, dass genau deine Verleumdungen mich dazu brachten, die Bürde des Königreichs im Geben und über dem Verstand auf mich zu nehmen. Wärst du nicht mit deinen Forderungen zu mir gekommen, hätte ich keine Notwendigkeit verspürt, das Gebot des Glaubens auf mich zu nehmen. Aber jetzt muss ich Buße tun.“ Somit ist er nicht ärgerlich über die Verleumdungen, die er gehört hat.

Und dies können wir damit vergleichen wie wir uns auf die Rückkehr aus Liebe beziehen (und tatsächlich sind Rückkehr aus Liebe und Rückkehr aus Furcht zwei große Stufen), wie unsere Weisen sagten ‚Rückkehr aus Liebe – die Sünden wurden für ihn zu Verdiensten‘.

Wir können verstehen, wie Sünden zu Verdiensten wurden. Bezüglich der Sünden ist der Mensch ärgerlich, dass sie zu ihm kamen. Verdienste sind Dinge, aus welcher der Mensch Genuss zieht. Wie kann man sagen, dass Sünden zu Verdiensten werden? Worin besteht hier die Sünde, wenn der Körper mit seinen Vorwürfen über den Glauben kommt, den er über dem Verstand auf sich genommen hat? Und wie kann es eine größere Sünde geben als jene, dass er den heiligen Glauben verleumdet?

Wenn er jedoch Rückkehr aus Liebe vollzieht, nämlich jetzt Buße tut und den Glauben über dem Verstand auf sich nimmt, bei vollem Bewusstsein, entscheidet er sich definitiv, auf dem Weg des Glaubens zu gehen, da er nun zwei Wege vor sich hat und eine Entscheidung treffen kann. Folglich hat er nun Platz für die Wahl, wohingegen bevor der Körper mit seinen Verleumdungen zu ihm kam, es nicht klar war, dass er zwei Wege vor sich hat. Jetzt jedoch trifft er eine echte Wahl, indem er beschließt, dass man speziell im Glauben über dem Verstand gehen muss.

Deshalb ist er glücklich, dass er die Verleumdungen gehört hat und er mag die Verleumdungen, die sie über den Glauben sprachen, selbst wenn es Sünden sind. Und weil sie ihm Raum für die Wahl verschafft haben, offenbart sich ihm, dass er tatsächlich auf dem Weg über dem Verstand gehen will, woraus sich ergibt, dass die Sünden ihm genauso wichtig sind wie die Verdienste, denn ohne sie hätte er keinen Raum für die Wahl gehabt.

Folglich ist er mit der Buße, die er jetzt tut, glücklich über die Arbeit, zu der sich ihm die Gelegenheit bot, und dies wird als Rückkehr aus Liebe bezeichnet. Zu diesem Zeitpunkt werden die Sünden von ihm als Verdienste angesehen, das bedeutet, dass er sie wie Verdienste liebt. Denn das eine geht nicht ohne das andere. Und er hat schon beinahe die Beziehung, die zwischen Licht und Kli (Gefäß) besteht. Der Mangel, den die Sünden ihm verursachten, wird nämlich als Kli bezeichnet und die Buße, dass er die Wahl getroffen hat, ähnelt der Beziehung des Lichtes. Dies ist die erste Stufe in der Reihenfolge der Arbeit.

Die zweite Stufe: Er überwindet die Verleumdungen, die der Körper gegen den Weg der Wahrheit vorbringt, der Geben und Glaube ist, und tut Buße, nämlich indem er dem Körper antwortet: „Alles, was ich von dir höre, ist lediglich das, wozu der Verstand verpflichtet. Aber ich gehe entsprechend dem, was ich gehört habe, dass die Grundlage der Arbeit für den Schöpfer ‚Glaube über dem Verstand‘ ist. Das bedeutet, dass ich nicht dort gehe, wozu mich der Verstand verpflichte, sondern über dem Verstand“. Aus diesem Grund ist dies wahre Buße.

Aber er sagt, dass er glücklicher wäre, wenn er die Verleumdungen des Körpers nicht gehört hätte, weil er in Gefahr war, vielleicht nicht die Wahl treffen zu können. Folglich wird diese Rückkehr als Furcht betrachtet. Das heißt, er fürchtet die Arbeit der Überwindung, weil es harte Arbeit ist; denn wenn ein Mensch geprüft wird, ist es sehr schwierig, das Gute zu wählen.

Folglich steht diese Buße in Zusammenhang mit einer Rückkehr aus Furcht, wenn Sünden für ihn zu Fehlern werden. Weil er für die Sünden Buße getan hat, werden sie zu Fehlern und nicht zu Verdiensten, da Verdienste bedeutet, dass er Ähnlichkeit mit Verdiensten hat. So wie der Mensch sich nach Verdiensten sehnt, ist er glücklich mit seiner Arbeit und dass er Gelegenheit hatte, eine Wahl zu treffen. Wenn er sich aber vor den Verleumdungen fürchtet, dann sagt er, dass dies keine Verdienste sind, sondern dass sie Ähnlichkeit mit Fehlern haben.

Daraus folgt, dass diese Stufe, obwohl er das Böse in die Kedusha (Heiligkeit) erhoben und somit korrigiert hat, indem er Buße tat, niedriger ist als die Rückkehr aus Liebe, da er sie nicht in Verdienste verwandelt hat. Aus diesem Grund wird dies als die zweite Stufe in der Arbeit betrachtet.

Die dritte Stufe, die man in der Arbeit unterscheidet: Wenn der Körper mit den bekannten Forderungen zu ihm kommt, wenn er Verstand und Herz verleumdet, und er sich ihnen ergibt, und sie nicht zu überwinden vermag. Anschließend muss er von seiner Stufe herabsteigen. Das heißt, wenn er vorher dachte, dass er bereits zu den Dienern des Schöpfers zählt, sieht er jetzt, dass er weit davon entfernt ist, denn bevor der Körper mit den bekannten Forderungen zu ihm kam, dachte er, dass er schon in Ordnung sei und keinerlei Verlangen nach der Selbstliebe habe, und er vollständig für das Geben arbeite.

Aber jetzt sieht er, dass er seine Forderungen nicht überwinden kann. Obwohl er jetzt nicht wirklich einer Prüfung unterzogen wird, da alle seine Diskussionen lediglich potentiellen Charakters sind, sieht er jedenfalls, dass er diesen Forderungen unterliegt und nicht den Glauben über dem Verstand auf sich nehmen und sagen kann: „Ich will nur auf dem Weg des Gebens gehen“.

Und nun sitzt der Mensch und wundert sich darüber, wie die Situation kippen konnte. Es erscheint ihm wie ein wiederkehrender Kreislauf in der Welt, und er, der immer auf seine Niedrigkeit sah, ist nun selbst in Niedrigkeit und kann diesen Ort nicht verlassen, obgleich er sich erinnert, wie sehr er ihrer überdrüssig war und auf diese Menschen herabsah und sie als klein und kindisch erachtete, und sich stets von ihnen fernhielt. Doch nun befindet er sich selbst dort, und kann aus eigener Kraft nicht herauskommen.

Und jetzt sieht er es ähnlich wie in der Geschichte, die man sich von Rabbi Jonathan erzählt, der einen Streit mit einem Priester hatte. Der Priester sagte, dass er die Natur verändern könne, und Rabbi Jonathan sagte, dass es unmöglich sei, die Natur, die der Schöpfer geschaffen hat, zu verändern. Nur der Schöpfer selbst kann sie verändern, aber der Mensch ist dazu aus eigener Kraft nicht in der Lage.

Was tat der Priester? Er nahm einige Katzen und lehrte sie, Kellner zu sein. Er kleidete sie mit Kleidung von Kellnern, ging zum König, und berichtete ihm von seiner Debatte mit Rabbi Jonathan. Und der Priester bereitete eine Mahlzeit vor, und lud den König und die Minister ein. Vor der Mahlzeit kam der Priester auf das Thema zurück, ob man die Natur des Menschen verändern könne und Rabbi Jonathan sagte, nur der Schöpfer könne sie verändern, nicht aber der Mensch.

Anschließend befahl der Priester: „Lasst uns zuerst die Mahlzeit essen und dann werden wir unsere Streitfrage zum Abschluss bringen“. Sofort kamen die Kellner herein, also die Katzen, genauso gekleidet wie echte Kellner, und deckten den Tisch. Sie trugen allen die Speisen auf und der Priester, der König und die Minister staunten über die Wundertaten der Kellner. Alle sahen jetzt, dass es keinen Sinn hat, den Streit nach der Mahlzeit fortzusetzen, und alle wunderten sich über Rabbi Jonathan, der so ruhig dasaß, unbeeindruckt von dem Geschehen, das in unmissverständlicher Weise zeigte, dass es sehr wohl in der Hand des Menschen läge, die Natur zu verändern. Und man erzählt sich, was Rabbi Jonathan des Weiteren tat. Nachdem sie die Mahlzeit beendet hatten und die Kellner darauf warteten, die Gäste zu bedienen, zog Rabbi Jonathan eine Tabaksdose heraus. Alle dachten, dass er am Tabak riechen wolle. Als er aber die Dose öffnete, kamen aus ihr ein paar Mäuse heraus. Als die Kellner die Mäuse herauskommen und weglaufen sahen, verließen sie sogleich die Gäste und liefen den Mäusen hinterher, wie es ihrer Natur entsprach. Da sahen alle, dass Rabbi Jonathan recht hatte.

Genauso ist es mit uns. Wenn der Körper seine Verleumdungen beginnt, und anfängt, dem Menschen in konkreter Art und Weise den Geschmack der Selbstliebe zu zeigen, verlässt letzterer sofort die Tora, die Arbeit und den Schöpfer und will die Selbstliebe erlangen, deren Genuss ihm der Körper zeigt. Und er sieht, dass er über keinerlei Kraft verfügt, die Selbstliebe zu verlassen.

Daraus folgt, dass er nun – wenn er sieht, dass er in Selbstliebe versunken ist, wie es unserer Natur entspricht – so betrachtet wird, dass er zu einer bestimmten Stufe in der Arbeit gelangt ist. Er hat die Stufe der Wahrheit erreicht, welche als ‚Erkenntnis des Bösen‘ bezeichnet wird. Jetzt weiß er, dass er seine Arbeit von Neuem beginnen muss, denn bislang hat er sich auf dem Weg selbst betrogen, indem er von sich selbst dachte, dass er sich über dem Volk befindet. Jetzt aber sieht er seinen wahren Zustand.

Deshalb hat er jetzt einen Ort des Mangels, aus der Tiefe seines Herzens zum Schöpfer zu beten, da er nun sieht, wie entfernt er von der Arbeit um des Gebens willen ist; er sieht, dass es nicht in der Hand des Menschen liegt, die Selbstliebe zu verlassen, sondern nur der Schöpfer ihm dabei helfen kann. Dies ist die dritte Stufe, welche niedriger ist als die beiden vorangegangenen.

Die vierte Stufe ist die niedrigste im Vergleich zu den drei ersten Stufen. Manchmal kommt der Körper zu ihm mit all seinen Forderungen und er hört zu und gibt keine Antwort. Vielmehr nimmt er dessen Forderungen ernst und sieht, dass es natürlich ist, dass er keine Handlungen des Gebens ausführen kann. Und er bleibt in der Selbstliebe, wie er es gewohnt ist, ohne sich in irgendeiner Weise beeindrucken zu lassen; er nimmt alles völlig gelassen hin und vergisst den Ort und den Zustand, in dem er sich einen Moment zuvor befand; nämlich bevor der Körper mit seinen Fragen zu ihm kam und er von sich selbst dachte, dass er nicht dem Rest der Leute gleicht, deren gesamte Arbeit auf der Selbstliebe basiert. Vielmehr fühlt er jetzt, dass dies der Weg der Arbeit ist, genauso wie alle zu arbeiten.

Er sieht, dass bei all den Fragen, die zu ihm kamen – und welche sicherlich ein Bote von oben waren, um ihm eine Möglichkeit zu geben, in der Stufe aufzusteigen, entweder als erste Unterscheidung (Rückkehr aus Liebe), oder Rückkehr aus Furcht, oder als dritte Unterscheidung, welche darin besteht, einen Mangel zu haben und er noch Raum hatte, zum Schöpfer zu beten – es unmöglich ist, dass ein Mensch sich aus eigener Kraft befreien kann.

Jetzt kommt er zu einem Zustand, wo er glaubt und sieht was unsere Weisen sagten (Sukkah, 52), Rabbi Shimon Ben Lakish sagte, ‚der Trieb des Menschen besiegt ihn jeden Tag und verlangt danach ihn zu töten‘, wie es gesagt wurde ‚Der Sünder beobachtet den Gerechten und verlangt danach, ihn zu töten‘. Und wäre da nicht der Schöpfer, um ihm zu helfen, würde er ihn nicht überwinden, wie gesagt wurde ‚Gott wird ihn weder in seiner Hand lassen, noch ihn verurteilen, wenn er gerichtet wird‘.

Und er sieht, dass der Körper wirklich danach verlangt, ihn zu töten, das bedeutet, er will ihn mit seinen Forderungen vom Leben der Leben trennen. Jetzt sieht er, dass es nicht in seiner Macht steht, sich zu überwinden, und er wartet darauf, dass der Schöpfer ihm hilft. Somit waren die Fragen, die zu ihm kamen nicht umsonst, sondern gaben ihm Raum, aus der Tiefe seines Herzens zu beten. Aber in der vierten Unterscheidung, wenn er alles völlig gelassen hinnimmt, ist es so, als wären die Fragen umsonst zu ihm gekommen, ohne jeglichen Sinn.

Jedoch müssen wir wissen, dass für einen Menschen, der begonnen hat auf dem Weg des Gebens und des Glaubens zu gehen, nichts umsonst ist. Nach einigen Stunden oder Tagen erholt er sich von seinem Zustand, in welchem er die Verleumdungen gehört hat und erkennt etwas Neues: Dass ein Mensch von einer hohen Stufe fallen kann, im Vergleich zu dem Zustand, in dem er sich zuvor befunden hat. Und trotzdem hat er gar nichts bemerkt, sondern fühlt sich vielmehr so, als wäre nichts geschehen, und er nimmt alles in vollkommener Ruhe auf und ist damit einverstanden, im gegenwärtigen Zustand zu verbleiben. Er ist ruhig und in angemessener Stimmung, obwohl er vorher dachte, dass er, wenn er keinen Fortschritt in der Spiritualität macht, lieber sterben würde als zu leben. Er hatte stets gezittert und war sehr aufgeregt darüber gewesen, wie er vorankommen könnte und sah immer auf die ruhigen Menschen, die sich auf trockene Weise mit Tora und Mizwot beschäftigen, nämlich ohne Verstand und ohne jeglichen Gedanken, sondern einfach routinemäßig.

Aber jetzt fühlt er nicht, dass er von irgendjemandem Unterstützung erhalten müsste oder dass es ihm an einem Mangel fehlt. Vielmehr ist es ganz natürlich, dass ein Mensch in Frieden leben und nicht nach Fehlern in sich suchen will, sondern sich wohlwollend beurteilt; das heißt, er hat viele Ausreden für alles, wovon er denkt, dass es ein Fehler sei. Hauptsächlich will er ohne jegliche Leiden leben, da er sich daran erinnert, dass er einst, als er an die Spiritualität dachte, voll Leiden war und stets Sorgen hatte. Und jetzt sorgt er sich, Gott sei Dank, nicht um die Spiritualität, sondern lebt wie alle Menschen.

Aber später, wenn er ein Erwachen von Oben erhält, beginnt er wieder, sich um die Spiritualität zu sorgen. Und in diesem Moment sieht er etwas Neues – dass ein Mensch nicht Herr seiner selbst ist. Vielmehr befindet er sich in einem Katapult, von dem aus man ihn von Oben dorthin wirft, wohin es gewünscht ist, und er befindet sich in den Händen jener, die Oben sind. Das heißt, dass man ihm einmal Gedanken gibt, alle materiellen Angelegenheiten von sich zu werfen, welche sein Selbstinteresse betreffen, und ein andermal wird er nach unten in die materielle Welt geworfen, was bedeutet, dass er alle spirituellen Belange vergisst.

Daraus folgt, dass sogar die vierte Stufe eine Stufe ist, da ihm die Gelegenheit gegeben wird, die Wahrheit zu sehen, denn mit ihr kann er sich an den Schöpfer anheften und sehen, dass er vom Schöpfer abhängig ist. Zu diesem Zeitpunkt wird er erwachen und den Schöpfer darum bitten, dass Er ihm helfen möge, die Selbstliebe zu verlassen und zur Liebe für den Schöpfer zu gelangen.

Aber dies ist ein langer Weg. Nach Baal HaSulam entspricht die Reihenfolge der, dass der Mensch sagen muss ‚Wenn ich nicht für mich bin, wer ist für mich?‘ Der Mensch sollte sagen, dass alles von ihm abhängt, da die Wahl dem Menschen in die Hand gegeben wurde, und er sollte nicht warten, bis er von Oben erweckt wird. Aber nach der Ausführung der Handlung muss er glauben, dass alles persönliche Vorsehung ist, und der Mensch Seiner Arbeit nichts hinzufügen kann, sondern so handeln muss, wie man es von Oben wünscht, und er hat keinerlei Wahl. Dies ist der kürzeste und beste Weg, da man Zeit und Leiden spart, weil man nicht unter der Verlängerung der Zeit leidet.

Folglich finden wir vier Unterscheidungen, wenn der Mensch den Weg der Arbeit des Gebens und des Glaubens zu gehen beginnt:

1)         Wenn der Körper mit seinen verleumderischen Behauptungen zu ihm kommt, nimmt er diese in Liebe auf. Er sagt: „Jetzt habe ich die Gelegenheit, die Gebote und den Glauben über dem Verstand einzuhalten, denn sonst hätte ich lediglich innerhalb des Verstandes gearbeitet“. Und dies wird als ‚Rückkehr aus Liebe‘ betrachtet, das bedeutet, dass er diese Buße liebt.

2)         Wenn der Körper mit seinen verleumderischen Behauptungen zu ihm kommt und er, obwohl er sie überwindet, diese Arbeit nicht liebt, weil es eine harte Arbeit ist, wenn er Verleumdungen hört. Dies ähnelt der ‚Rückkehr aus Furcht‘, wenn Sünden für ihn zu Fehlern werden, da er glücklicher wäre, wenn sie nicht zu ihm kämen.

3)         Wenn der Körper mit seinen verleumderischen Behauptungen zu ihm kommt, beugt er sich dessen Forderungen und hat keine Kraft, sich zu überwinden. Dann fühlt er sich schlecht, da er vorher dachte, dass er bereits zu den Dienern des Schöpfers gezählt wird. Aber nun sieht er, dass er nichts hat. Er bedauert es, aber er kann sich selbst nicht helfen. Folglich schmerzt ihn der Zustand, in dem er sich befindet.

4)         Wenn der Körper mit seinen verleumderischen Behauptungen zu ihm kommt, krümmt er sich unter dieser Last und erfüllt alles, was der Körper ihm sagt, und nimmt es in völliger Gelassenheit auf. Er vergisst sogleich, dass er einst ein Diener des Schöpfers war, und fühlt sich gut, als sei nichts geschehen; er genießt seinen Zustand, da er jetzt in keiner Weise darunter leidet, dass er nicht an die Arbeit für den Schöpfer denkt, und er will sein ganzes Leben in diesem Zustand fortsetzen. Und manchmal denkt er nicht einmal an den Zweck des Lebens, sondern ist einfach glücklich, wie er ist.

Diese vier Zustände können mit den vier Stufen verglichen werden, die unsere Weisen sagten:

1)         ein Gerechter, der glücklich ist

2)         ein Gerechter, der leidet

3)         ein Sünder, der leidet

4)         ein Sünder, der glücklich ist

Obwohl unsere Weisen von hohen Stufen sprechen, kann man sie in Hinblick auf ihre Beziehung in jedem Fall vergleichen. Den ersten Zustand, welcher der ‚Rückkehr aus Liebe‘ ähnelt, nennen wir ‚ein Gerechter, der glücklich ist‘. Das bedeutet, dass er nichts als schlecht wahrnimmt, da die Sünden für ihn zu Verdiensten wurden.

Den zweiten Zustand, welcher der ‚Rückkehr aus Furcht‘ ähnelt, bezeichnen wir als ‚Gerechter, der leidet‘, wie der Sohar oben interpretiert: ‚Ein Gerechter, der leidet – wenn das Böse unter seiner Herrschaft ist‘, das heißt, dass er es beherrscht, da er für die Verleumdungen des Körpers Buße tat. Und da die Sünden nicht zu Verdiensten wurden, folgt daraus, dass er Sünden hat, aber sie sind wie Fehler, weil das Böse sich unter der Herrschaft des Guten befindet. Somit hat er immer noch Böses, aber das Gute herrscht darüber.

Im dritten Zustand ergibt er sich dem Bösen, wenn er die Verleumdungen des Körpers hört. Er hat nicht die Kraft, für die Verleumdungen Buße zu tun und akzeptiert sie. Aber er bereut es, dass er nicht imstande ist, sie zu überwinden. Und dies können wir als ‚Sünder, der leidet‘ bezeichnen. Obwohl er ein Sünder ist und keine Buße tut, fühlt er sich nicht wohl in diesem Zustand, was bedeutet, dass er darunter leidet, dass er nicht die Kraft hat, sich zu überwinden.

Der vierte Zustand ist, dass er die Verleumdungen in völliger Gelassenheit aufnimmt und nicht einmal fühlt, dass er eben Verleumdungen gehört hat. Und das können wir als ‚Sünder, der glücklich ist‘ bezeichnen, das heißt, dass er, obwohl er ein Sünder ist, glücklich ist, wie er ist und an sich selbst keinen Fehler wahrnimmt.

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