Und beurteile jeden Menschen wohlwollend

Um eine Verbindung zum Mitmenschen aufzubauen, braucht es eigentlich nicht viel…

„Und beurteile jeden Menschen wohlwollend“

(…) Nachdem wir sagten „Kaufe dir einen Freund“ bleibt die Frage: „Was ist mit dem Rest der Menschen?“ Wenn zum Beispiel ein Mensch ein paar Freunde aus seiner Gemeinschaft auswählt und die anderen verlässt und sich nicht mit ihnen verbindet, stellt sich die Frage: „Wie soll er sie behandeln?“ Immerhin sind sie nicht seine Freunde, und warum wählte er sie nicht aus? Wir sollten vielleicht sagen, dass er keine Tugenden an ihnen fand, derentwegen es sich lohnt, sich mit ihnen zu verbinden.

Wie sollte er sich daher zu dem Rest der Menschen seiner Gemeinde verhalten? Und dasselbe trifft auf den Rest der Menschen zu, die nicht der Gemeinde angehören, wie sollte er sie behandeln? Rabbi Yehoshua Ben Perachia sagt darüber, „Und richte jeden Menschen wohlwollend“, das heißt, man soll jeden wohlwollend beurteilen.

Die Tatsache, dass er keine guten Eigenschaften an ihnen findet, ist nicht ihre Schuld, vielmehr liegt es nicht in seiner Macht und er ist auch nicht fähig, die Verdienste der Allgemeinheit zu sehen. Aus diesem Grund urteilt er gemäß den Eigenschaften seiner eigenen Seele. Dies entspricht seiner eigenen Erkenntnis, jedoch nicht der Wahrheit. Mit anderen Worten, es gibt so etwas wie die Wahrheit an sich, unabhängig davon, wer sie erlangt.

Es ist wahr, dass jeder gemäß seiner Erkenntnis erlangt. Das bedeutet, dass die Wahrheit sich durch diejenigen verändert, die erlangen. Sie verändert sich je nach den wechselnden Zuständen desjenigen, der sie erlangt.

Aber die eigentliche Wahrheit änderte sich nicht in ihrem Wesen. Darum kann jeder Mensch dieselbe Sache auf unterschiedliche Weise erlangen. Aus Sicht der Allgemeinheit kann es der Allgemeinheit gut ergehen, doch er sieht es anders entsprechend seiner Eigenschaften.

Daher sagt er „Und beurteile jeden Menschen wohlwollend“. Er soll alle anderen wohlwollend beurteilen und sagen, dass sie würdig sind und er soll keine Klagen über sie und ihr Verhalten haben. Doch er selbst vermag nichts von ihnen zu lernen, da er keine Gleichheit mit ihnen hat.

Aus: Mach Dir einen Rav und kauf Dir einen Freund (Teil 1)

2 Kommentare
  1. Dinah Ganor
    Dinah Ganor sagte:

    Aufgrund der Tatsache, dass jeder Mensch nur auf „Nehmen“ programmiert ist, kann man doch letztlich bei keinem Menschen von einem liebenswerten Geschöpf sprechen. Wie soll es also möglich sein, sich mit Geschöpfen zu verbinden, die nicht liebenswert sind?
    Das setzt doch eine grosse Überwindung voraus und bliebe letztlich doch nur eine „unehrliche“ Absicht.

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