Die Kabbalistische Bedeutung von Sukkot, dem Laubhüttenfest

Alle jüdischen Feiertage, die während eines Jahreszyklus stattfinden, symbolisieren Prozesse, die der Mensch in seinem Leben durchwandern muss. Im Laufe von tausenden von Jahren, in denen sich der Egoismus der Menschheit mit Hilfe der Reshimot (Erinnerungen, Aufzeichnungen) entwickelte, offenbart sich nun das Ego in seinem ganzen Ausmaß. Durch alle Stufen von unbelebt, pflanzlich und tierisch bis hin zur sprechenden Stufe, dem Menschen. Diese Entwicklung dauert so lange an, bis der Mensch, seine Seele, im Menschen erwacht.

Davor, vor 5782 Jahren, gab es einen ersten Menschen,  genannt Adam haRishon (der erste Mensch), der bereit war, mit seiner spirituellen Entwicklung zu beginnen. Bis zum heutigen Tage haben immer mehr Menschen dieses Verlangen, den sogenannten “Punkt im Herzen“ zu entdecken.

Der erste große Anstieg des Egoismus fand im alten Babylon statt. Dort spalteten sich die Menschen in zwei Lager. Die eine Hälfte begann sich mit der Korrektur des Egoismus zu beschäftigen, welche wir heute als Volk Israel bezeichnen. Die zweite Hälfte wollte dies jedoch nicht und wollte weiterhin nur für sich selbst empfangen. Israel hingegen wollten aus diesem System austreten, eine zweite Natur erwerben, vom Empfangen für sich selbst (Egoismus) hin zum Empfangen um zu Geben (Altruismus) kommen.

Sie offenbarten somit die Höhere Welt und deren Kräfte, welche von dort auf uns wirken, und die Methode welche dazu nötig ist. Die Menschheit musste viele hunderte Reinkarnationen durchlaufen bis sie dazu gekommen ist, dass sich ihr Punkt im Herzen enthüllte. Der heutige Mensch erkennt nun, dass es noch etwas außerhalb der Verlangen dieser Welt, wie Essen, Sex, Geld, Macht und Ehre gibt. Dieser Punkt lässt den Menschen erkennen, dass er sich bereits in diesem irdischen Körper bis zur Endgültigen Korrektur (Gmar Tikun) entwickeln kann. Tut er dies jedoch nicht, so muss er wiederum inkarnieren, um nochmals einen neuen Versuch hin zur Korrektur durchlaufen zu können.

Ein Mensch, der zur Wissenschaft der Kabbala gelangt, offenbart, dass das Geben in der Spiritualität etwas völlig anderes ist, als das Geben in dieser Welt, welches im Endeffekt immer nur das Verlangen zu Empfangen ist! Dennoch benutzt er diese Welt als Ausgangspunkt zur Korrektur (Arbeit, Familie, Kinder). Von diesem Punkt aus, entsprechend seinem Egoismus, kontrolliert und berechnet er weiter, in welcher Art und Weise die Entwicklung geschehen muss. Diese Art von inneren Klärungen werden Slichot, die Tage des Vergebens und der Vorbereitung, genannt. In dem Zustand von Slichot bedauert der Mensch, dass er nicht im Stande ist, aus seiner egoistischen Natur auszutreten.

Nach diesem Prozess gelangt der Mensch an einen Punkt, an dem er sich neu dafür entscheidet, sich zu korrigieren und damit zu beginnen, in die Spiritualität, in das wahre Geben einzudringen. Dies wird als Rosh HaShana (Kopf des Jahres, Neujahr) bezeichnet. Die Tora sagt uns, dass die Welt an sechs Tagen erschaffen wurde. Diese Tage repräsentieren Veränderungen zwischen den spirituellen Zuständen, welche „Licht“ und „Dunkelheit“ genannt werden.

Am sechsten Tag wurde Adam haRishon (Adam) erschaffen, doch kurz vor dem Shabbat sündigte er und wurde aus dem Garten Eden verbannt. Gemäß der Weisheit der Kabbala repräsentiert Adam den Zustand der Einheit aller Seelen. Als er sündigte, zerteilte sich seine Seele in unzählige einzelne Seelenteilchen. Diese Seelenteilchen entfernten sich, und noch genauer, entfremdeten sich vom Schöpfer und voneinander. Jeder von uns beinhaltet einen Teil der Seele von Adam und unsere Aufgabe besteht darin, diese Fragmente erneut zu der einheitlichen Seele von Adam haRishon zu verbinden.

Dadurch werden wir seine Sünde korrigieren und folglich fähig sein, den Garten Eden wieder zu betreten. Die Zeit von Rosh HaShana (השנה ראש, der Anfang des jüdischen Kalenderjahres) erinnert uns daran, dass wir mit der Entwicklung unserer Seelen beginnen müssen, um unsere ursprüngliche Verbundenheit erneut herzustellen. Als die Kabbalisten die spirituellen Gesetze entdeckten, die unsere Welt beeinflussen, führten sie Bräuche ein, welche die spirituellen Zustände symbolisieren, die wir schließlich alle erfahren werden. Diese Bräuche sind u. a. die jüdischen Feiertage.

An Rosh HaShana entscheidet der Mensch jedoch nur, dass er aus seiner egoistischen Natur austreten möchte. Von diesem Punkt an beginnt der Mensch sich einzuschränken. Er beschäftigt sich nicht mehr mit jenen Dingen, die ihn in seiner bisherigen Existenz gefangen hielten. Diese Verlangen werden Schritt für Schritt eingeschränkt. Dies sind die 10 Tage der Umkehr, an denen der Mensch klärt, wie er zum Geben gelangen kann. 10 Tage der Umkehr und Kontrolle (Aseret Yemei Teshuva / עשרת ימי תשובה‎) bis hin zum Tag von Jom Kippur (הכיפורים יום) in denen eine Klärung stattfindet, dass keine der vorhandenen Eigenschaften dazu fähig ist, zur Trennung vom Ego zu führen.

Bis Jom Kippur, dem sogenannten Versöhnungstag, kommt der Mensch zur Entscheidung, nicht mehr mit seinen egoistischen Verlangen arbeiten zu wollen, sondern neue, altruistische Verlangen zu erwerben, um dann mit Hilfe des Umgebenden Lichtes (Or Makif), das auf ihn zu wirken beginnt, nach dem Zustand der Einschränkung eine Wahrnehmung vom Zustand des Gebens zu bekommen. Dies wird Sukkot, das Laubhüttenfest (סוכות), genannt. Diese Wahrnehmung zeichnet sich in unserer Welt durch die Bräuche zu Sukkot aus.

Die vier Arten (Pflanzen) und ihre Beziehung zueinander symbolisieren alle Eigenschaften, die im Verlangen vorhanden sein müssen, um eine Widerstandskraft (Massach) gegen den eigenen Egoismus aufzubauen. Diese vier Arten kennzeichnen die vier Grade des Willens, die man im Verlauf der spirituellen Arbeit entdeckt. Der Unterschied zwischen den Arten besteht in Geruch und Geschmack, dadurch, nur einen Geruch oder nur einen Geschmack oder nichts von beidem zu haben. Der Geruch symbolisiert den Verstand und der Geschmack symbolisiert das Herz.

  • Manchmal erscheint die Spiritualität dem Verstand (Geruch) und dem Herzen (Geschmack) genussvoll. Kabbalisten nennen diesen Zustand Etrog (die Zitrone), Symbol für die Sefira Malchut.
  • Manchmal findet ein Mensch, das die Spiritualität zwar aufregend, doch schwer zu verstehen ist. Dieser Zustand wird als „schmackhaft“, jedoch „geruchlos“ bezeichnet. Kabbalisten nennen diesen Zustand Lulav (Palmzweig), Symbol für die Sefira Jessod.
  • Manchmal ist die Spiritualität wohlriechend, jedoch geschmacksneutral, dies ist der Zustand von Hadas (Myrte). Ihre Wichtigkeit ist sehr klar, jedoch kann das Herz diese nicht fühlen, während der Verstand fähig ist, sie zu begreifen. Hadas ist das Symbol für die Sefirot Nezach und Hod.
  • Schließlich, wenn ein Mensch überhaupt keinen Geschmack oder Geruch in der Spiritualität fühlen kann, wird dieser Zustand Aravot (Weide) genannt, die Weide symbolisiert die Sefirot Chessed, Gwura und Tiferet. Um in der Spiritualität vorwärts zu kommen, müssen wir auf den Schöpfer beharren, auch wenn unser gegenwärtiger Zustand sich geschmacklos und geruchlos anfühlt. Wenn wir alle Zustände schließlich zu einem einzigen Ziel vereinen, wird uns die Fähigkeit eröffnet, wahren spirituellen Genuss unter allen möglichen Umständen zu empfinden.

 

Die Sukka (Laubhütte)

Die Sukka symbolisiert die Struktur des Kli oder der Seele, welche das spirituelle Licht empfangen kann. All die zahlreichen Gebote, wie diese Sukka erbaut werden soll, repräsentieren den Weg, wie die Seele Eigenschaften erhält, welche denen des Lichts ähnlich sind. Wenn wir in der Spiritualität fortschreiten wollen, fragen wir nur nach zwei Dingen: Einheit und Liebe mit dem Schöpfer. Wir fragen nicht nach dem Genuss, welcher von ihm ausgeht. Die Erbauung des Laubdaches ist ein Symbol für unsere Arbeit bei der Erbauung des Schirms (Massach), welcher uns vor dem egoistischen Genuss bewahrt, welchen wir erhalten, wenn wir das Licht des Schöpfers spüren. Das Laubdach, das vor Hitze und Sonne schützt, wird aus Zweigen und Ästen gebildet, die ansonsten für den Menschen den Nutzen verloren haben. Dies bedeutet, dass genau diese Wünsche, die der Mensch für unbrauchbar hält, ihn nun vor der Intensität des auf ihn zukommenden Genusses schützen.

Durch die erschaffene Struktur des Kli und durch den erworbenen Schirm (das Laubdach), mit Hilfe der Mizwot (Gebote) der 4 Arten verschließt sich die Seele vor dem Verlangen, nur für sich selbst zu empfangen. Durch diesen Prozess entsteht eine reflektierende wechselseitige Beziehung zwischen dem Geschöpf und dem Licht, das vom Schöpfer ausgeht. Durch den Massach verbleibt dieses Licht außerhalb der Seele, daher der Name „Umgebendes Licht“ (Or Makif). Daher stammt auch das Gebot, dass der Schatten (die Einschränkung) in einer Sukka immer größer sein muss, als das Licht (die Füllung), so als ob ich selbst den Widerstand erschaffe, um die Eigenschaft des Gebens zu erwerben.

Dieser Prozess wird die 7 Tage (oder Sefirot) von Sukkot genannt, in denen sich durch die verschiedenen Mizwot und das Or Makif das Kli entwickelt, das heißt, dass der Mensch sich zuerst entschieden hat und nun die Korrektur seiner Verlangen empfängt. Dadurch kann er mit seinen Verlangen nicht mehr empfangen, sondern nur noch geben. Somit bezeichnen diese 7 Tage die Korrektur der unteren Sefirot, die vorbereitet und verbunden werden müssen, bis zum achten Tag, an dem die Vorbereitungen beendet sind. Dieser Tag wird Shmini Atzeret (der beendende Achte) und dieser Zustand wird Simchat Tora (תורה שמחת), die Freude der Tora, genannt.

Von hier ab ist das Verlangen bereit, sich komplett vom Egoismus zu Lösen. Am achten Tag von Sukkot, dem ersten Tag von Simchat Tora, dringt bereits das Licht in das Gefäß ein. In solch einem Zustand werden unsere Eigenschaften denen des Schöpfers gleich und wir können uns mit dem Schöpfer in ewiger Liebe verbinden. Dies ist die wahre Freude – die Freude der Tora – Simchat Tora. Sie ist das Mittel, welches dem Geschöpf die Fähigkeit gibt, seinem Schöpfer endlose Freude zu bereiten, genauso, wie es Seinen Erschaffer erfreut, sich mit ihm in ewigem Genuss und Liebe zu vereinigten.

Mit Hilfe der Feiertage (Rosh HaShana – Yom Kippur – Sukkot – Simchat Tora) und deren Mizwot bekommt die Seele des Menschen die nötigen Lichter (Verlangen) um sich zu korrigieren. Das Geschöpf bekommt die Kräfte dazu, korrigiert sich aber noch nicht! Es folgen darauf noch einige Handlungen (Chanukka) bis hin zur endgültigen Korrektur (Purim). Die Verlangen, die der Mensch an Yom Kippur offenbart, werden durch Sukkot auf die Korrektur vorbereitet.

Jeder der zahlreichen Bräuche an den Feiertagen wurde von den Kabbalisten eingerichtet, um den Menschen auf das Ziel vorzubereiten und ihn an den Weg und das Ziel der Korrektur zu erinnern. Ein schönes Beispiel dafür ist das Wasseropfer. Die Feier, die das Wasseropfer begleitete, wurde Simchat Beit ha Sho’ewa genannt, „Feier des Ortes, an dem Wasser geschöpft wird“. Das Wasser für das Opfer auf dem Altar wurde der Shiloach-Quelle entnommen. Dieses Wasser nannte man „Wasser der Erlösung“ nach dem Vers „Und ihr sollt fröhlich Wasser schöpfen aus den Quellen der Erlösung“ (Jesaja 12,3).

Der Jerusalemer Talmud (Sukka 5,1) schreibt dazu: „Warum wird die Feier Beit ha-Sho’ewa (Ort des Schöpfens) genannt? Weil wir von dort den Geist der Heiligkeit schöpfen.“ Dies alles sind Zeichen für die Notwendigkeit der Erreichung der Stufe von Bina, des reinen Gebens und der Abkehr vom Egoismus. Bina wird immer durch das Wasser symbolisiert. Dies beginnt bereits zu Rosh HaShana, an dem traditionell Fisch gegessen wird, da dieser im Wasser lebt. Ein weiterer Brauch ist das Werfen von Steinen (egoistische Verlangen) ins Wasser, also wiederum, das Umwandeln, Untertauchen der Verlangen hin zum Geben.

Da dies alles nur innerliche Prozesse sind, welche nicht einem physischen Kalender entsprechen, kann ein Kabbalist den Zyklus eines Jahres innerhalb von nur zwei Tagen oder weniger erfahren! Die Geschwindigkeit der innerlichen Veränderungen wird die Länge des spirituellen Prozesses bestimmen und ein Kabbalist kann den (spirituellen) Zustand des Feiertags zu jedem Tag im Jahr erfahren.

So kann man die Feiertage in sieben Zustände einteilen:

  1. Zustand – Der Mensch benutzt sein Verlangen auf rein egoistische Art
  2. Zustand – Das Erwachen des Punktes im Herzen
  3. Zustand – Der Wunsch nach einem höheren Zustand (Slichot)
  4. Zustand – Die Berechnung, die Entscheidung zu einem Höheren Zustand zu gelangen (Rosh HaShana)
  5. Zustand – Die Erkenntnis der Unfähigkeit zur Korrektur mit der egoistischen Natur (Yom Kippur)
  6. Zustand – Beginn der Korrektur an den sieben Tagen von Sukkot (7 Tage=7 Verlangen=7 Sefirot)
  7. Zustand – Beginn des Erwerbs der Höheren Welt (Simchat Tora)
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