Shamati 43. Wahrheit und Glauben

Ich hörte

„Wahrheit“ bezeichnet das, was der Mensch empfindet und mit eigenen Augen sieht. Diese Unterscheidung wird „Lohn und Strafe“ genannt, das heißt: Es ist unmöglich, irgendetwas ohne vorhergehende Anstrengung zu erlangen.

Dies gleicht einem Menschen, der zu Hause sitzt und keine Anstrengung für seinen Lebensunterhalt unternehmen will. Er sagt: Da der Schöpfer gut und gütig ist und alle versorgt, wird Er ihm gewiss auch das Fehlende senden. Er selbst brauche keinerlei Handlung zu tun.

Ein solcher Mensch wird unweigerlich an Hunger zugrunde gehen, wenn er sich so verhält. Auch der Verstand verpflichtet zu dieser Schlussfolgerung, und so sieht man es mit eigenen Augen – und so ist es tatsächlich: Er wird an Hunger sterben.

Gleichzeitig jedoch ist der Mensch verpflichtet, im Glauben über dem Verstand anzunehmen, dass er auch ohne jegliche Mühe und Anstrengung all seine Bedürfnisse durch die persönliche Lenkung erlangen kann. Das bedeutet: Der Schöpfer allein tut und wird alle Handlungen tun; der Mensch hilft Ihm in nichts. Alles tut der Schöpfer, und der Mensch hat keinerlei Macht, etwas hinzuzufügen oder wegzunehmen.

Wie aber können diese beiden Aussagen miteinander bestehen, da sie einander widersprechen? – Die eine Unterscheidung ist das, was der Verstand erfasst: Ohne das Zutun des Menschen – ohne vorhergehende Mühe und Anstrengung – wird er nichts erreichen. Dies wird „Wahrheit“ genannt, weil der Schöpfer wollte, dass der Mensch so empfindet. Darum wird dieser Weg „der Weg der Wahrheit“ genannt.

Und es soll dich nicht befremden, dass – obwohl diese beiden Wege einander widersprechen – ein solcher Zustand dennoch „Wahrheit“ genannt wird. Die Antwort ist: „Wahrheit“ bezieht sich nicht auf den Weg oder den Zustand, sondern auf die Empfindung, dass der Schöpfer wollte, der Mensch solle so empfinden – das ist „Wahrheit“. Daraus folgt: „Wahrheit“ lässt sich genau auf den Schöpfer anwenden, das heißt auf Seinen Willen, dass der Mensch so empfinden und sehen soll.

Gleichzeitig jedoch muss der Mensch – auch wenn er es nicht fühlt und nicht mit den Augen seines Verstandes sieht – glauben, dass der Schöpfer ihm auch ohne jede Anstrengung alle möglichen Gewinne schenken kann. Dies ausschließlich durch die persönliche Lenkung.

Der Grund, weshalb der Mensch die persönliche Lenkung nicht erfassen kann, bevor er nicht das Prinzip von Lohn und Strafe erlangt hat, ist folgender: Persönliche Lenkung ist ewig, während der menschliche Verstand nicht ewig ist. Darum kann sich das Ewige nicht in etwas Vergängliches kleiden. Erst nachdem der Mensch die Stufe von Lohn und Strafe erlangt hat, wird Lohn und Strafe zu einem Kli, in das sich die persönliche Lenkung kleiden kann.

So verstehen wir den Vers: „Bitte, Ewiger, hilf doch! Bitte, Ewiger, lass gelingen!“ (Psalm 118,25). „Hilf doch!“ bezieht sich auf Lohn und Strafe – der Mensch muss beten, dass der Schöpfer ihm Arbeit und Mühe bereitet, durch die er Lohn erlangen kann. Zugleich muss er um Gelingen bitten – das ist die persönliche Lenkung –, dass er auch ohne jede Arbeit und Mühe allen erdenklichen Gewinn der Welt erlangt.

Ebenso sehen wir es im Materiellen: Dort handelt es sich um getrennte Aspekte an verschiedenen Orten, das heißt in zwei Körpern, während im Spirituellen alles an einem Körper, jedoch zu zwei verschiedenen Zeiten, geschieht. Es gibt Menschen, die ihren Besitz nur durch große Anstrengung, außerordentlichen Eifer und besondere Schärfe erlangen. Zugleich sehen wir das Gegenteil: Menschen, die nicht so scharfsinnig sind, nicht übermäßigen Eifer haben und keine große Anstrengung aufwenden, werden erfolgreich und gelangen zu den größten Reichtümern der Welt.

Der Grund dafür ist, dass diese materiellen Erscheinungen aus ihren höheren Wurzeln stammen – nämlich aus Lohn und Strafe und aus persönlicher Lenkung. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass es sich im Spirituellen an einem Ort – nämlich in ein und derselben Person – jedoch zeitlich nacheinander, in zwei verschiedenen Zuständen, offenbart, während es sich im Materiellen gleichzeitig, jedoch in zwei verschiedenen Menschen, zeigt.

überarbeitet, EY, 12.08.2025

0 Kommentare

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar