Einführung zu Talmud Esser HaSefirot

Von Yehuda Ashlag

1. Als erstes sollte ich sagen, dass ich es für äußerst notwendig erachte, die eiserne Mauer zu sprengen, die uns von der Wissenschaft der Kabbala seit den Zeiten der Zerstörung des Tempels und bis zur heutigen Generation trennt. Diese Mauer lastet schwer auf uns und erweckt die Befürchtung, dass die Kabbala im Volk Israel gänzlich vergessen wird.

Wenn ich mich aber an das Herz eines Menschen wende und vom Studium der Kabbala spreche, dann lautet seine erste Frage: „Wozu sollte ich wissen, wie viele Engel es im Himmel gibt und wie sie heißen? Kann ich etwa nicht ohne all diese Kenntnisse der ganzen Tora, in allen ihren Details und Feinheiten, folgen?“

Zweitens fragt er: „Haben die Weisen nicht etwa festgelegt, dass man sich zuerst den Talmud und die Gesetze in vollem Maße aneignen sollte? Und wer kann sich selbst betrügen, im Glauben, dass er bereits das Studium der ganzen offenen Tora abgeschlossen habe und es ihm nur an der verhüllten Tora fehle?“

Drittens: Der Mensch befürchtet, er könne wegen dieses Studiums etwas versäumen. Denn es kam doch schon vor, dass Menschen aufgrund des Studiums der Wissenschaft der Kabbala vom Weg der Tora abwichen. „Und wenn dem so ist, wozu brauche ich diese Plage? Und was für ein Dummkopf wird sich einfach so einer Gefahr aussetzen?“

Viertens: „Sogar diejenigen, die sich für dieses Studium begeistern, erlauben es niemandem außer den Dienern des Schöpfers; und nicht jeder, der sich dem Schöpfer nähern möchte, wird sich Ihm nähern können.“

Fünftens und am wichtigsten: „Es existiert eine Regel: Bei jedem Zweifel sollst du schauen, was das Volk sagt. Und meine Augen sehen, dass alle Weisen der Tora in meiner Generation mit mir einer Meinung sind und das Studium des verborgenen Teils meiden und mir als Antwort auf meine Fragen die Empfehlung geben, dass es ohne jeden Zweifel besser sei, eine Seite der Gemara zu studieren, anstatt sich mit der Kabbala zu beschäftigen.“

2. Nichtsdestotrotz, wenn wir uns auf die Suche nach einer Antwort einzig auf die eine berühmteste Frage begeben, bin ich sicher, dass alle diese Probleme und Zweifel aus dem Sichtfeld verschwinden werden; und wenn du sie dann aus dieser Perspektive betrachtest, wirst du sehen, dass es sie einfach nicht mehr gibt. Die Rede ist von einer drückenden Frage, die von allen Menschen gestellt wird: „Worin besteht der Sinn unseres Lebens?“ In anderen Worten, diese gezählten Jahre unseres Lebens kommen uns so teuer zu stehen, und die zahlreichen Leiden und Qualen, die wir erleiden, um sie im Endeffekt zum Abschluss zu bringen. Wer genießt sie? Oder noch genauer, wem bereite ich damit Genuss?

Es ist tatsächlich wahr, dass Forscher unterschiedlicher Generationen bereits daran ermüdeten, darüber nachzudenken; um nicht zu sprechen von unserer Generation, in welcher niemand über diese Frage auch nur nachdenken möchte. Dadurch blieb aber das Wesen der Frage unverändert in seiner ganzen Kraft und Bitterkeit. Manchmal ereilt sie uns überraschend, versengt uns den Verstand und zwingt uns in den Staub, bevor es uns wieder gelingt, den allen bekannten „Trick“ anzuwenden – sich dem Fluss des Lebens ohne Überlegungen hinzugeben, wie einst.

3. Als Lösung dieses nebulösen Rätsels steht geschrieben: „Kostet und sehet, dass der Schöpfer gut ist.” Gerade diejenigen, welche die Tora und die Mizwot richtig befolgen, kosten den Geschmack des Lebens und sehen und bezeugen, dass der Schöpfer gut ist. Wie die Weisen sagten, kreierte Er die Welten, um Seinen Geschöpfen Genuss zu schenken, denn für einen Guten geziemt es sich, Gutes zu tun.

Derjenige aber, der noch nicht das Leben durch die Befolgung der Tora und der Mizwot gekostet hat, kann natürlich nicht verstehen und nicht empfinden, dass der Schöpfer gut ist – wie es von den Weisen gesagt wurde, dass auch die ganze Absicht des Schöpfers bei der Erschaffung des Menschen nur darin bestand, ihm Genuss zu schenken. Und daher gibt es für ihn keinen anderen Rat als die Tora und die Gebote richtig zu befolgen.

Darüber heißt es in der Tora (Kapitel Nezavim): „Siehe, ich habe dir heute vorgelegt das Leben und das Gute, den Tod und das Böse.“ (Deuteronomium, 30:15). Anders gesagt, hatten wir vor der Aushändigung der Tora nichts vor uns außer dem Tod und dem Bösen. Wie die Weisen sagten: „Sünder werden in ihrem Leben als Tote bezeichnet.“ Denn der Tod ist für sie besser als das Leben, da die Leiden und Qualen, die sie zur Aufrechterhaltung ihrer Existenz erdulden, vielmals den kleinen Genuss übersteigen, den sie in diesem Leben verspüren.

Nun wurden wir aber der Tora und der Mizwot gewürdigt, und indem wir sie erfüllen, gelangen wir zum wahren Leben, welches uns mit Freude erfüllt. Wie geschrieben steht: „Kostet und sehet, dass der Schöpfer gut ist.“ Und davon heißt es: „Siehe, ich habe dir heute vorgelegt das Leben und das Gute, den Tod und das Böse – das, was ihr vor der Aushändigung der Tora überhaupt nicht hattet.“

Der Ausspruch endet mit den Worten: „Wähle aber das Leben, damit du und deine Nachkommen leben mögen.“ Auf den ersten Blick ist das die Wiederholung ein und desselben: „Wähle das Leben, damit du leben mögest.“ Aber hier ist das Leben im Befolgen der Tora und der Mizwot gemeint, und dann ist es das wahre Leben, während das Leben ohne Tora und Mizwot schwerer als der Tod ist. Und davon sagten die Weisen: „Sünder werden in ihrem Leben als Tote bezeichnet.“

Daher steht geschrieben: „Damit du und deine Nachkommenschaft leben möget.“ Mit anderen Worten bringt das Leben ohne Tora nicht nur seinem Besitzer keinen Genuss, sondern jener kann auch anderen keinen Genuss schenken. Das heißt, selbst von seinen eigenen Söhnen hat er keinen Genuss, weil auch das Leben dieser Söhne schwerer als der Tod ist. Und welches Geschenk lässt er ihnen als Erbe?

Derjenige aber, der die Tora und die Gebote lebt, wird nicht nur des Genusses an seinem Leben gewürdigt, sondern ist auch froh, Söhne zu haben und ihnen einen Anteil an diesem guten Leben zu übergeben. Und darüber steht geschrieben: „Damit du und deine Nachkommenschaft leben möget“, da der Mensch einen zusätzlichen Genuss am Leben seiner Söhne hat, welches er verursachte.

4. Im Lichte des Gesagten sollst du den Ausspruch der Weisen über die Äußerung verstehen: „Wähle aber das Leben.” Er besagt: „Ich befehle euch, den Teil zu wählen, der Leben heißt, wie ein Mensch, der seinem Sohn sagt: ‚Wähle den wundervollsten Teil an meinem Erbe.‘ Er stellt ihn vor diesen wundervollen Teil und sagt: ‚Das sollst du dir wählen.‘“ Und darüber heißt es: „Der Schöpfer ist mein Los und mein Geschick, Du unterhältst mein Schicksal. Du hast meine Hand auf das gute Schicksal gelegt und gesagt: ‚Das nimm dir.‘“

Auf den ersten Blick sind diese Worte unverständlich. Denn es steht geschrieben: „Wähle aber das Leben“, und das bedeutet, dass der Mensch selbst wählt. Die Weisen aber sagen, dass der Schöpfer den Menschen vor den wundervollen Teil stellt. Und wenn dem so ist, gibt es dann hier keine Wahl mehr? Und mehr als das sagt man, dass der Schöpfer die Hand des Menschen auf das gute Schicksal legt. Das verwundert durchaus, denn wenn dem so ist, wo liegt dann die Wahl des Menschen?

Im Lichte der oben dargelegten Erklärungen sollst du die Worte der Weisen wörtlich verstehen. Denn es ist wahr und sehr richtig, dass der Schöpfer Selbst die Hand des Menschen auf das gute Schicksal legt, indem Er ihm Genuss und Befriedigung im materiellen Leben gibt, welches voller Leiden und Qualen ist und jeglichen Inhalts beraubt, sodass es den Menschen zermürbt und er vor dem Leben wegrennt. Sobald man ihm (wenn auch nur durch einen Spalt) irgendeinen ruhigen Ort zeigt, will er dorthin vor diesem Leben fliehen, welches schwerer als der Tod ist. Und es gibt für den Menschen keine größere Anweisung vonseiten des Schöpfers als diese.

Die Wahl des Menschen besteht nur in der Bestärkung, weil natürlich eine große Arbeit und zahlreiche Anstrengungen nötig sind, bis der Körper sich schließlich reinigt und die Tora und die Gebote richtig befolgen kann, das heißt nicht für den Selbstgenuss, sondern um dem Schöpfer Genuss zu bereiten, was als „liShma“ bezeichnet wird. Und nur auf diese Weise wird er des glücklichen und lieblichen Lebens gewürdigt, welches die Ausführung der Tora begleitet.

Bevor der Mensch aber eine solche Reinigung erreicht, vollzieht er natürlich eine Wahl, um sich für den guten Weg mithilfe diverser Mittel und Tricks zu stärken. Und er tut alles, was in seiner Kraft ist, bis er endlich die Arbeit in der Reinigung abschließt: Und er wird nicht unter der Schwere seiner Last auf halbem Wege zusammenbrechen.

5. Im Lichte des oben Gesagten sollst du die Worte der Weisen aus dem Traktat Awot verstehen: „So ist der Weg der Tora: Iss nur ein Stück Brot mit Salz, trinke einen Fingerhut Wasser, schlafe auf der Erde, lebe ein erbärmliches Leben und unternimm Anstrengungen in der Tora. Wenn du das tun wirst, bist du glücklich und es geht dir gut. Glücklich bist du in dieser Welt und gut geht es dir in der zukünftigen.“

Man sollte sich bezüglich dieser Worte fragen: Wodurch unterscheidet sich die Wissenschaft der Tora von anderen Wissenschaften der Welt, die keine Askese und kein erbärmliches Leben fordern, sondern, dass es die Mühe allein sei, die zu solcher Erkenntnis vollkommen ausreiche? In der Wissenschaft der Tora bemühen wir uns zwar sehr, aber das reicht noch nicht zu deren Erkenntnis aus, wenn man nicht zu solchen Beschränkungen wie ein Stück Brot mit Salz, ein erbärmliches Leben usw. greift.

Und das Ende der Worte ist noch erstaunlicher: „Wenn du das tust, glücklich bist du in dieser Welt und gut geht es dir in der zukünftigen.“ Es ist möglich, dass es mir in der zukünftigen Welt gut gehen wird. Wenn ich mich aber in dieser Welt im Essen, Trinken, Schlafen einschränke und ein erbärmliches Leben lebe, wie können sie von solch einem Leben sagen: „Glücklich bist du in dieser Welt“? Wird etwa ein solches Leben im Verständnis dieser Welt als glücklich bezeichnet?

6. Nichtsdestotrotz ist die Rede, wie oben erklärt wurde, von der richtigen Arbeit in der Tora und der richtigen Ausführung der Gebote, welche unter strengsten Bedingungen darin liegt, dass sie mit dem Ziel getan werden, dem Schöpfer Genuss zu bereiten, und nicht zwecks des Selbstgenusses. Das kann man nicht anders erreichen als mittels einer großen Arbeit und zahlreicher Anstrengungen in der Reinigung des Körpers.

Und der erste Kniff besteht darin, sich selbst daran zu gewöhnen, nichts für den eigenen Genuss zu empfangen, sogar, wenn es erlaubte und für die Bedürfnisse des menschlichen Körpers notwendige Dinge sind, solche wie Essen, Trinken, Schlafen und andere notwendige Attribute. Dadurch wird sich der Mensch im Prozess der Versorgung seiner Existenz gänzlich von jedem Genuss entfernen, der ihn sogar aus der Notwendigkeit heraus begleitet, bis er letztlich beginnt, ein im wörtlichen Sinne erbärmliches Leben zu führen.

Und dann, auch nachdem er sich daran gewöhnt hat und es in seinem Körper keinerlei Wunsch gibt, irgendeinen Genuss für sich zu erhalten, darf er sich ab diesem Moment nach dem gleichen Prinzip mit der Tora beschäftigen und die Gebote ausführen, das heißt, um dem Schöpfer Genuss zu bereiten, und nicht, um etwas für sich selbst zu genießen.

Und sobald er das verdient, wird er eines glücklichen Lebens gewürdigt, voll des Guten und der Genüsse, ohne irgendeine Bitternis – eines Lebens, welches sich in der Beschäftigung mit der Tora und den Geboten im Sinne von liShma offenbart. Wie Rabbi Meir sagt (Sprüche der Väter, 86): „Jeder, der sich mit der Tora im Sinne von liShma beschäftigt, wird mit vielem ausgezeichnet. Mehr als das erlangt die ganze Welt einen Sinn für ihn, und es öffnen sich ihm die Geheimnisse der Tora, und er wird wie eine sich verstärkende Quelle.“

Weiterhin heißt es: „Kostet und sehet, dass der Schöpfer gut ist“, weil gerade derjenige, der Geschmack an der Arbeit in der Tora und in den Geboten im Sinne von liShma findet, dessen gewürdigt wird, selbst den Schöpfungsplan zu erblicken, der darin besteht, die Geschöpfe mit Genuss zu füllen, weil es einem Guten eigen ist, Gutes zu tun. Und der Mensch ist froh und genießt die Jahre seines Lebens, die ihm vom Schöpfer geschenkt wurden, und die ganze Welt vergilt es ihm.

7. Nun wirst du beide Seiten einer Medaille in der Beschäftigung mit der Tora und den Geboten verstehen. Eine Seite ist der Weg der Tora, das heißt, eine große vorbereitende Arbeit, während der der Mensch seinen Körper vorbereiten muss, indem er ihn reinigt, bevor er der eigentlichen Ausführung der Tora und Mizwot gewürdigt wird. Dann beschäftigt er sich zweifellos mit der Tora und den Geboten nicht im Sinne von liShma, sondern mit Beimengungen des Selbstgenusses, denn er hat es noch nicht geschafft, seinen Körper vom Wunsch zu reinigen, die vergänglichen Werte dieser Welt zu genießen. Und in dieser Zeit ist es ihm auferlegt, ein erbärmliches Leben zu leben und sich in der Tora zu mühen, wie es in der Mishna heißt.

Sobald der Mensch aber den Weg der Tora beendet und abgeschlossen hat, seinen Körper gereinigt hat und sich für die Ausführung der Tora und der Gebote im Sinne von liShma eignet, um dem Schöpfer Genuss zu schenken, geht er zur zweiten Seite der Medaille über – zu einem Leben in Freude und in großer Ruhe. Einem solchen Leben ist eben auch der Schöpfungsplan gewidmet – „den Geschöpfen Genuss zu schenken“. Mit anderen Worten ist die Rede von einem glücklichsten Leben in dieser Welt und in der zukünftigen.

8. Dadurch tritt eindeutig der große Unterschied zwischen der Wissenschaft der Tora und anderen Wissenschaften der Welt zutage: Die Erkenntnis übriger Wissenschaften der Welt verbessert keineswegs das Leben in dieser Welt, weil sie dem Menschen noch nicht einmal eine allgemeine Befriedigung im Wechsel gegen die Leiden und Qualen geben, die er im Verlauf seines Lebens erduldet. Wenn der Mensch daher die übrigen Wissenschaften studiert, ist er nicht verpflichtet, seinen Körper zu korrigieren, und es reicht ihm die Mühe aus, die er dabei investiert, wie auch bei jeglichen Erwerbungen dieser Welt, die mit den in sie investierten Anstrengungen und Mühen erkauft werden.

Im Unterschied dazu besteht die ganze Beschäftigung mit der Tora und den Mizwot darin, dass er des Erhalts all jener Güte würdig wird, die sich im Schöpfungsplan, „den Geschöpfen Genuss zu schenken“, birgt. Und daher muss der Mensch natürlich seinen Körper reinigen, um geeignet und dieser Güte des Schöpfers würdig zu werden.

9. Das Gesagte tritt in der Mishna deutlich zutage: „Wenn du das tust, glücklich bist du in dieser Welt.“ Die Weisen waren absichtlich exakt hier, um darauf hinzuweisen, dass ein glückliches Leben in dieser Welt nur für denjenigen bereitet ist, der den Weg der Tora abgeschlossen hat. Somit haben die hier erwähnten Einschränkungen im Essen, Trinken, Schlafen sowie ein entbehrungsvolles Leben nur Platz, während der Mensch den Weg der Tora geht. Und das meinten die Weisen, wenn sie sagten: „So ist der Weg der Tora.“

Und nachdem er diesen Weg von lo liShma, mit Mühsal und Entbehrungen, durchlaufen hat, endet die Mishna mit: „Glücklich bist du in dieser Welt“, denn du wirst das Glück und die Güte erreichen, die im Schöpfungsplan vorgesehen sind. Die gesamte Welt wird für dich von Wert sein, das heißt, sogar diese Welt. Und umso mehr die kommende Welt.

10. Im Buch Sohar (Bereshit, 31, S. 2) heißt es: „Und der Schöpfer sagte: ‚Es werde Licht – und es wurde Licht’ (Tora, Bereshit 1:3). Es wurde Licht für diese Welt, und es wurde Licht für die zukünftige Welt.“ Der Sinn dessen besteht darin, dass [die Erschaffenen] in der ursprünglichen Handlung in ihrer Gestalt und in ihrer ganzen Größe, das heißt in ihrer ganzen Vollkommenheit und Pracht, erschaffen wurden. Daher entstand das Licht, welches am ersten Schöpfungstag erschaffen wurde, in seiner ganzen Perfektion, einschließlich auch des Lebens in dieser Welt in äußerster Feinheit und Güte – wie es durch die Worte ausgedrückt wurde: „und es wurde Licht.“

Um eine Möglichkeit zur Wahl und Arbeit vorzubereiten, machte der Schöpfer halt und verhüllte es für die Gerechten für die Zukunft. Und daher sagten sie mit ihrer klaren Stimme: „Und es wurde Licht für diese Welt.“ Er blieb aber nicht dabei stehen, und „es wurde Licht für die zukünftige Welt.“ Das heißt, diejenigen, die sich mit der Tora und den Geboten im Sinne von liShma beschäftigen, werden erst in der Zukunft dieses Lichts gewürdigt. Das bedeutet: in der Zukunft, nach Abschluss der Reinigung des Körpers mittels der Tora, wenn sie jenes riesigen Lichts auch in dieser Welt würdig werden, wie es von den Weisen gesagt wurde: „Deine Welt wirst du zu deinen Lebzeiten sehen.“

11. Aus den Worten der Weisen des Talmuds sehen wir aber, dass sie uns den Weg der Tora mehr erleichterten als die Weisen der Mishna, weil sie sagten: „Es soll sich der Mensch immer mit der Tora und den Geboten sogar im Sinne von lo liShma beschäftigen, und von lo liShma wird er zu liShma gelangen, weil das Licht, welches in der Tora eingeschlossen ist, ihn zu der Quelle zurückführt.“

Dadurch stellten sie uns ein neues Mittel statt der in der Mishna beschriebenen Askese zur Verfügung – „das Licht, welches in der Tora eingeschlossen ist“, in welchem eine Kraft vorhanden ist, die ausreicht, um den Menschen zur Quelle zurückzuführen und ihn zu Studien der Tora und der Gebote im Sinne von liShma zu führen. Denn sie erwähnten hier keine Askese, sondern wiesen darauf hin, dass die Beschäftigung nur mit der Tora und den Geboten einem Menschen ausreichend Licht gibt, welches ihn zur Quelle zurückführt, damit er sich mit der Tora und den Geboten nur zu dem Zweck beschäftigen kann, dem Schöpfer Genuss zu bereiten, und nicht zum Selbstgenuss, was eben „liShma“ heißt.

12. Auf den ersten Blick kann man zwar an ihren Worten zweifeln: Haben wir nicht etwa einige Studenten gefunden, denen das Studium der Tora nicht so weit genutzt hat, mittels des Lichts, welches sich in ihr birgt, zu liShma zu gelangen? Die Beschäftigung mit der Tora und den Geboten im Sinne von lo liShma bedeutet aber, dass der Mensch an den Schöpfer glaubt, an die Tora, an Belohnung und Strafe und sich mit der Tora beschäftigt, weil der Schöpfer es befohlen hat, sich mit ihr zu beschäftigen, verbindet aber den Selbstgenuss damit, dem Schöpfer Genuss zu bereiten.

Und wenn nach all der Arbeit in der Tora und in den Geboten es dem Menschen klar wird, dass er mittels dieser Beschäftigung und großer Bemühung keinen Genuss und Eigennutz bekommen hat, bedauert er alle von ihm unternommenen Anstrengungen, da er sich von Beginn an ausgehend von der Vermutung peinigte, dass er Genuss an seinen Bemühungen solcher Art haben wird, was eben als lo liShma bezeichnet wird.

Nichtsdestotrotz erlaubten es die Weisen, die Beschäftigung mit der Tora und den Geboten auch im Sinne von lo liShma zu beginnen, weil man von lo liShma zu liShma gelangt. Wenn aber solch ein Mensch noch nicht des Glaubens an den Schöpfer und an seine Tora gewürdigt wurde, sondern in Zweifeln verweilt, so meinen die Weisen nicht ihn mit ihren Worten: „Von lo liShma gelangt man zu liShma.“ Und auch steht nicht über ihn geschrieben: „Die Beschäftigung mit der Tora führt dazu, dass das Licht, welches sich in ihr birgt, zur Quelle zurückführt.“ Denn das Licht, welches in der Tora eingeschlossen ist, leuchtet nur demjenigen, der über den Glauben verfügt. Mehr als das entspricht die Größe dieses Lichts der Stärke seines Glaubens. Und im Gegenteil bekommen diejenigen, die des Glaubens beraubt sind, von der Tora Finsternis, und es wird dunkel in ihren Augen.

13. In Verbindung damit gaben die Weisen bereits ein schönes Gleichnis auf die Worte: „Wehe denen, die den Tag des Schöpfers begehren! Wozu wollt ihr ihn, den Tag des Schöpfers? Da ist Dunkel und nicht Licht!” (Amos, 5:18) Das Gleichnis berichtet von dem Hahn und der Fledermaus, die auf das Licht warten. Es sagte der Hahn zur Fledermaus: „Ich warte auf das Licht, weil das Licht meins ist. Und du, wozu brauchst du das Licht?” (Sanhedrin, 98, S. 2). Daraus wird ersichtlich, warum jene Studierenden nicht dessen würdig wurden, von lo liShma zu liShma zu gelangen. Sie hatten keinen Glauben und erhielten daher keinerlei Licht von der Tora, und das bedeutet, dass sie im Dunkeln wandern werden und sterben werden, ohne die Weisheit zu erreichen.

Denjenigen aber, die des vollen Glaubens gewürdigt wurden, wurde von den Weisen versprochen, dass bei der Beschäftigung mit der Tora – sogar im Sinne von lo liShma – das Licht, welches sich in ihr birgt, sie zur Quelle zurückführt. Und sogar ohne vorherige Leiden und asketisches Leben werden sie der Tora im Sinne von liShma gewürdigt werden, die zu einem Leben voller Glück und Wohl führt, in dieser Welt wie in der zukünftigen. Und von ihnen heißt es: „Dann wirst du deine Lust am Herrn haben, und ich will dich über die Höhen auf Erden gehen lassen.“ (Jesaja, 58:14)

14. Ähnlich dem oben Gesagten erklärte ich einst den metaphorischen Ausspruch der Weisen: „Derjenige, für den die Tora sein Handwerk ist.“ In der Beschäftigung mit der Tora wird die Größe des Glaubens eines Menschen erkannt, da die Worte „Sein Handwerk“ („Umanuto“, אמנותו) aus den gleichen Buchstaben bestehen wie die Worte „Sein Glaube“ („Emunato“, אמונתו). Das gleicht einem Menschen, der seinem Freund, dem er vertraut, Geld leiht. Vielleicht vertraut er ihm nur einen Groschen an, und wenn der ihn um zwei Groschen bitten wird, dann wird er ihm nichts leihen wollen. Und vielleicht wird er ihm hundert Groschen anvertrauen, aber nicht mehr. Vielleicht wird er ihm aber so weit glauben, dass er ihm die Hälfte seines Vermögens leihen wird, nicht aber das ganze Vermögen. Es ist aber auch möglich, dass er ihm ohne einen Schatten der Furcht das ganze Vermögen anvertraut. Diese letzte Variante gilt als der volle Glaube, während alle vorherigen Fälle nicht als der volle Glaube gelten, sondern als ein partieller, in größerem oder geringerem Maße.

Genauso widmet ein Mensch, entsprechend der Größe seines Glaubens an den Schöpfer, seinen Beschäftigungen mit der Tora und der Arbeit nur eine Stunde am Tag. Ein anderer teilt sich entsprechend dem Maß seines Glaubens an den Schöpfer zwei Stunden zu. Und der dritte lässt keinen einzigen Augenblick unberücksichtigt, um sich mit der Tora und der Arbeit zu beschäftigen. Und es heißt, dass nur der Glaube des Letzteren vollkommen ist, weil er dem Schöpfer im Umfang seines ganzen Zustands glaubt. Im Unterschied dazu ist der Glaube der Vorausgehenden noch kein voller.

15. Der Mensch sollte also nicht darauf warten, dass ihn die Beschäftigung mit der Tora und den Geboten zu liShma führen wird, solange er nicht in der Seele erkannt hat, dass er des angemessenen Glaubens an den Schöpfer und an Seine Tora gewürdigt wurde, denn dann wird ihn das Licht, welches sich in der Tora verbirgt, zur Quelle zurückführen, und der Mensch wird des Tages des Schöpfers würdig werden, welcher vollkommen ist. Denn der Glaube reinigt die Augen eines Menschen, damit er das Licht des Schöpfers genießen möge, bis das Licht, welches sich in der Tora verbirgt, ihn schließlich zur Quelle zurückführt.

Die Menschen, welche keinen Glauben haben, gleichen Fledermäusen, die nicht das Tageslicht erblicken können, weil dieses sich für sie in eine noch schrecklichere Finsternis als das Dunkel der Nacht verwandelt, denn sie ernähren sich nur im Dunkeln der Nacht. So werden auch die Augen derjenigen, die keinen Glauben haben, durch das Licht des Schöpfers geblendet. Und daher verwandelt sich für sie das Licht in Finsternis, und das Lebenselixier wird für sie zum tödlichen Gift. Und von ihnen heißt es: „Wehe denjenigen, die den Tag des Schöpfers begehren! Wozu braucht ihr ihn, den Tag des Schöpfers? Da ist Finsternis und nicht Licht.” Daher muss man zuerst unbedingt einen vollen Glauben erreichen.

16. Daraus klärt sich das Problem aus Tossafot (Taanit, 7): „Für jeden, der sich mit der Tora im Sinne von liShma beschäftigt, wird sie zu einem Lebenselixier. Und für jeden, der sich mit der Tora im Sinne von lo liShma beschäftigt, wird sie zu einem tödlichen Gift.“ Es fragten die Weisen: „Steht etwa nicht geschrieben, dass ‚der Mensch sich immer mit der Tora beschäftigen soll, auch im Sinne von lo liShma, denn von lo liShma gelangt man zu liShma’?“

Entsprechend dem oben Dargelegten kann man eine einfache Einteilung vornehmen:

In denjenigen, der sich mit der Tora wegen des Gebots, die Tora zu studieren, beschäftigt. Er glaubt an Belohnung und Bestrafung, vereint dennoch Selbstgenuss und den Eigennutz mit der Absicht, dem Schöpfer Genuss zu bereiten. Und daher führt ihn das Licht, welches sich in der Tora verbirgt, zur Quelle zurück, und er gelangt zu liShma.

Und in denjenigen, der sich mit der Tora nicht wegen des Gebots des Studiums der Tora beschäftigt. Weil er nicht genug an Belohnung und Bestrafung glaubt, um für das Studium so viele Anstrengungen zu unternehmen, sondern er bemüht sich nur zum eigenen Genuss. Daher wird die Tora für ihn zu einem tödlichen Gift, weil das Licht, welches sich in ihr birgt, sich für ihn in Finsternis verwandelt.

17. Daher verpflichtet sich jeder Studierende vor dem Studium dazu, sich im Glauben an den Schöpfer und an Seine Lenkung durch Belohnung und Strafe zu festigen. Wie es die Weisen sagten: „Treu ist Derjenige, für den du dich abmühst, um dir eine Belohnung für deine Mühen zu geben.“ (Aussprüche der Väter, 6:5). Und er sollte seine Anstrengungen darauf ausrichten, dass sie für die Gebote der Tora sein würden. Auf diese Weise wird er würdig werden, das Licht zu genießen, welches sich in der Tora verbirgt, und sein Glaube wird sich ebenfalls festigen und durch wunderbare Wirkung dieses Lichts anwachsen. Wie es geschrieben steht: „Das wird deinem Leibe heilsam sein und deine Gebeine erquicken.“ (Sprüche, 3:8).

Dann wird zweifellos sein Herz bereit sein, weil aus lo liShma liShma kommen wird. Somit hat sogar derjenige, der selbst weiß, dass er noch nicht des Glaubens gewürdigt wurde, eine Hoffnung, das mithilfe der Beschäftigung mit der Tora zu erreichen. Denn wenn er sein Herz und seinen Verstand dahin ausrichtet, mittels der Tora des Glaubens an den Schöpfer gewürdigt zu werden, dann gibt es schon kein größeres Gebot als dieses. Wie die Weisen sagten: „Es kam Habakuk und führte alles zu einem zusammen: Der Gerechte wird in seinem Glauben leben.“ (Makot, 24).

Darüber hinaus gibt es für ihn keinen anderen Rat außer diesem. Wie es heißt (im Traktat Bava-Batra, 16, S. 1): „Rabba sagte: ‚Hiob hat gebeten, die ganze Welt von der Einschränkung zu befreien. Er sagte vor Ihm: ‚Herr der Welt, du hast die Gerechten erschaffen, Du hast die Sünder erschaffen, wer wird Dich verhindern?‘“ Und Rashi erklärt: „Du hast die Gerechten mittels des Guten Triebs und die Sünder mittels des Bösen Triebs erschaffen. Und daher wird sich keiner vor Deiner Hand retten, denn wer wird Dich hindern? Die Sünder sind hörig.“ Und was antworteten die Freunde Hiobs? „Dadurch vernichtest du Ehrfurcht und lässt es fehlen an Andacht vor dem Schöpfer. Der Schöpfer erschuf den Bösen Trieb und erschuf die Tora als Gewürz zu dessen Korrektur.“ (Hiob, 15:4).

Rashi erklärt: „Er erschuf die Tora – ein Gewürz, welches ‚verbrecherische Überlegungen‘ wegfegt.“ Es steht im Traktat Kidushin, 30, geschrieben: „Wenn dieser Sünder dir geschadet hat, so ziehe ihn in den Beit Midrash (ins Lehrhaus). Ist er ein Stein, wird er erweichen. Daher sind sie keine Genötigten, denn sie können sich erretten.“

18. Es ist jedoch klar: Sie können sich nicht vom Gericht befreien, indem sie sagen, sie hätten dieses Gewürz angenommen, wenn sie immer noch verbrecherische Überlegungen haben, das heißt immer noch schwanken, und der Böse Trieb sich noch nicht abgeschwächt hat. Denn es ist klar, dass der Schöpfer, der den Bösen Trieb schuf und ihm Kraft gab, auch wusste, wie richtige Arzneimittel und Gewürze zu kreieren sind, um die Kräfte dieses Bösen Triebs aufzuzehren und ihn gänzlich zu vernichten.

Wenn sich aber jemand mit der Tora beschäftigte und den Bösen Trieb nicht von sich entfernen konnte, dann ist es, weil er aus Fahrlässigkeit nicht die nötigen Anstrengungen und Mühen unternahm, wie es geschrieben steht: „Bemühte sich nicht und fand – sollst du nicht glauben.“ Oder möglicherweise häuften sie eine erforderliche „Quantität“ Anstrengungen an, waren aber bei der „Qualität“ fahrlässig, das heißt, während des Studiums der Tora richteten sie ihren Verstand und ihr Herz nicht darauf aus, das in der Tora enthaltene Licht anzuziehen, welches den Glauben ins Herz des Menschen trägt, sondern sie studierten abgelenkt von der Hauptforderung, welche an die Tora gestellt werden soll – das Licht, welches zum Glauben führt. Und sie waren zwar ursprünglich auf den Schöpfer ausgerichtet, wichen aber von Ihm während des Studiums ab.

So oder anders sollte man sich aber nicht vom Gericht unter dem Vorwand des Zwangs befreien, weil die Weisen uns durch den folgenden Spruch zum Gegenteil verpflichten: „Ich erschuf den Bösen Trieb, und ich erschuf die Tora als Gewürz zu dessen Korrektur.“ Und wenn es hier irgendeine Ausnahme gäbe, bliebe die Frage Hiobs in Kraft.

19. Mithilfe des bisher Erläuterten habe ich eine riesige Mängelrüge bezüglich der Worte von Rav Chaim Vital im Vorwort zum Buch „Tor der Vorworte“ von ARI und im Vorwort zum Buch „Baum des Lebens“ beseitigt: „Es sollte aber der Mensch nicht sagen: ‚Ich werde gehen und mich mit der Wissenschaft der Kabbala beschäftigen‘, bevor er sich mit der Tora, der Mishna und dem Talmud beschäftigt hat. Denn es sagten bereits unsere Weisen: ‚Es soll kein Mensch den Garten betreten (PaRDeS), bevor er nicht seinen Leib mit Fleisch und Wein gefüllt hat.‘“

Denn das würde einer Seele ohne Körper gleichen, für die es keine Belohnung, Tat und Berechnung gibt, bevor sie sich nicht mit einem Körper verbunden hat, einem ganzheitlichen und durch die 613 Gebote der Tora korrigierten.

Und umgekehrt: Wenn er sich mit dem Studium der Mishna und des Babylonischen Talmuds befasst und keine Zeit dem Studium der Geheimnisse der Tora und ihres verborgenen Teils widmet, dann gleicht das einem Körper, der im Dunkeln ohne eine menschliche Seele sitzt – der Kerze des Schöpfers, die in ihm leuchtet. Und dann trocknet der Körper aus, ohne von der Quelle des Lebens zu trinken.

Daher sollte der weise Schüler, der sich mit der Tora im Sinne von liShma beschäftigt, sich zunächst mit dem Studium der Tora, Mishna und des Talmuds befassen, so weit wie sein Verstand es aushalten kann, und dann soll er sich der Erkenntnis seines Schöpfers mittels des Studiums der Kabbala widmen. Wie König David dies seinem Sohn Salomon auferlegte: „Erkenne den Schöpfer, deinen Vater, und diene Ihm!“ (Schriften, Divrej haJamim, 28:9). Wenn es diesem Menschen aber schwer und hart beim Studium des Talmuds ergehen wird, ist es für ihn besser, den Talmud beiseite zu legen, nachdem er in ihm sein Glück versucht hat, und sich mit der Kabbala zu beschäftigen.

Darüber steht geschrieben: „Folglich wird ein Schüler, der in fünf Jahren kein gutes Zeichen in seinem Studium gesehen hat, es auch weiterhin nicht mehr sehen (Traktat Chulin, S. 24). Aber jeder, dem das Studium leicht fällt, ist verpflichtet, dem Studium der Halacha ein oder zwei Stunden am Tag zu widmen und sich in der Lösung komplizierter Fragen zu bemühen, die beim einfachen Verständnis der Halacha entstehen.“

20. Auf den ersten Blick sind diese seine Worte sehr merkwürdig, weil er sagt, dass man, bevor man im Studium des offenen Teils Erfolg hatte, beginnen sollte, sich mit der Kabbala zu beschäftigen, was seinen Worten widerspricht, dass die Wissenschaft der Kabbala ohne den offenen Teil der Tora wie eine Seele ohne Körper ist, für die es keine Tat, Berechnung und Belohnung gibt. Und das von ihm angeführte Argument von einem Schüler, der kein gutes Zeichen sah, ist noch merkwürdiger.

Denn deswegen das Studium der Tora beiseite zu legen, empfahlen die Weisen nur mit dem Ziel, ihn zu warnen, damit er seinen Weg noch einmal überprüft und versucht, bei einem anderen Rav oder nach einem anderen Traktat zu lernen, aber natürlich keineswegs von der Tora abzulassen, selbst von deren offenem Teil nicht.

21. Es ist auch schwer, sowohl die Worte von Chaim Vital zu verstehen als auch die der Gemara, aus welchen folgt, dass der Mensch einer gewissen Vorbereitung und einer besonderen Auszeichnung bedarf, um der Weisheit der Tora gewürdigt zu werden. Haben nicht etwa die Weisen geschrieben (Midrash Rabba, WeSot haBracha): „Es sagte der Schöpfer dem Volk Israel: ‚Euer Leben, eure Weisheit und die ganze Tora sind einfache Dinge. Jeder, der Mich fürchtet und die Anweisungen der Tora ausführt – die ganze Tora und die ganze Weisheit sind in seinem Herzen.‘“ Folglich braucht man keine vorherige Auszeichnung, sondern nur durch die wunderbare Kraft der Ehrfurcht vor dem Schöpfer und die Ausführung der Gebote wird man der ganzen Weisheit der Tora gewürdigt.

22. Tatsächlich, wenn wir seinen Worten Aufmerksamkeit schenken, werden sie für uns klar wie der helllichte Tag. Denn das Gesagte: „Es ist besser für den Menschen, den Talmud beiseite zu lassen, nachdem er sein Glück im offenen Teil der Tora versucht hat“, bedeutet nicht das Glück in der Schärfe des Verstandes und im Wissen, sondern das, was wir bereits oben klärten, indem wir den Ausdruck erläuterten: „Ich erschuf den Bösen Trieb, und ich erschuf die Tora als Gewürz zu dessen Korrektur.“ Das heißt, der Mensch arbeitete und bemühte sich in der offenen Tora, aber der Böse Trieb bleibt noch immer in Kraft und hat sich keineswegs abgeschwächt, weil er sich noch immer nicht von verbrecherischen Überlegungen befreit hat, wie Rashi oben zur Erklärung der Worte sagte: „Ich erschuf die Tora als Gewürz zu dessen Korrektur.“

Daher empfiehlt Chaim Vital dem Menschen, den Talmud beiseite zu lassen und sich mit der Kabbala zu beschäftigen, weil es einfacher ist, das Licht, welches sich in der Tora verbirgt, durch Studien und Bemühungen in der Kabbala als durch Bemühungen in der offenen Tora anzuziehen. Und der Grund dafür ist durchaus einfach: Die Weisheit der offenen Tora ist in äußere, materielle Hüllen gekleidet, solche wie die Gesetze von „Diebstahl“, „Raub“, „Schaden“ usw.; und jedem Menschen fällt es daher schwer, und es ist hart für ihn, während der Studien seinen Verstand und das Herz auf den Schöpfer einzustellen, um das Licht anzuziehen, welches in der Tora eingeschlossen ist.

Wenn dem Menschen das Studium des Talmuds auch noch hart und schwer fällt, wie kann er dann während des Studiums den Gedanken an den Schöpfer im Kopf behalten? Denn da die Rede von materiellen Dingen ist, können sie sich bei ihm nicht zur gleichen Zeit mit der auf den Schöpfer gerichteten Intention verbinden.

Daher empfiehlt es Chaim Vital, sich mit der Wissenschaft der Kabbala zu beschäftigen, denn ihre Weisheit ist gänzlich in Namen des Schöpfers gekleidet. Dann wird der Mensch natürlich mühelos während des Studiums seinen Verstand und sein Herz auf den Schöpfer einstimmen können, auch wenn er maximal unempfänglich für das Studium ist. Denn das Studium dieser Wissenschaft und das Studium des Schöpfers ist in seinem Wesen das Gleiche. Und das ist sehr einfach.

23. Aus diesem Grunde führt Chaim Vital eine schöne Bestätigung aus der Gemara an: „Folglich wird ein Schüler, der in fünf Jahren kein gutes Zeichen im Studium sah, es auch weiterhin nicht mehr sehen.“ Und warum sah der Mensch kein gutes Zeichen in seinem Studium? Natürlich nur wegen eines Mangels an Glauben im Herzen – und nicht wegen mangelnder Fähigkeit zum Studium, da die Weisheit der Tora keine besonderen Talente erfordert. Wie es oben heißt: „Es sagte der Schöpfer dem Volk Israel: ‚Euer Leben, eure Weisheit und die ganze Tora sind einfache Dinge. Jeder, der Mich fürchtet und die Anweisungen der Tora ausführt – die ganze Tora und die ganze Weisheit sind in seinem Herzen.‘“

Es ist aber natürlich Zeit nötig, um sich an das Licht zu gewöhnen, welches sich in der Tora und den Geboten verbirgt, und ich weiß nicht wie viel. Der Mensch kann alle 70 Jahre seines Lebens darauf warten, und daher warnt uns die Barajta (Traktat Chulin, 24), dass man nicht länger als fünf Jahre warten sollte. Und Rabbi Yossi sagt, auch drei Jahre sind vollkommen ausreichend, um der Weisheit der Tora gewürdigt zu werden. Wenn jedoch der Mensch kein gutes Zeichen in dieser Zeit sieht, dann sollte er sich nicht mit vergeblichen Hoffnungen und lügnerischen Ausreden täuschen, sondern er soll wissen, dass er niemals mehr ein gutes Zeichen sehen wird.

Daher wird er sofort eine Notwendigkeit verspüren, für sich ein gutes Mittel zu finden, mit dessen Hilfe er die Möglichkeit haben wird, zu liShma zu gelangen und der Weisheit der Tora gewürdigt zu werden. Die Barajta präzisiert aber nicht, was das für ein Mittel ist, sondern warnt lediglich, dass der Mensch nicht im gleichen Zustand verweilen dürfe, um noch etwas zu erwarten. Und davon spricht Rav: Das erfolgreichste und sicherste Mittel für den Menschen ist das Studium der Wissenschaft der Kabbala. Er darf gänzlich vom Studium der offenen Tora ablassen – denn er versuchte bereits in ihr sein Glück und hatte keinen Erfolg. Er soll seine ganze Zeit der Wissenschaft der Kabbala widmen – dem sicheren Mittel zur Erreichung des Erfolgs.

24. Das ist sehr einfach: Hier wird kein Wort vom Studium der offenen Tora zwecks des Erhalts von Wissen gesprochen, welches zur praktischen Ausführung notwendig ist. Denn „ein Ignorant ist nicht fromm, und ein Fehler im Studium wird mit Böswilligkeit gleichgesetzt, und ein Sünder wird viel Gutes vernichten“. Daher muss der Mensch unbedingt das Material wiederholen, in einem genügenden Maße, um keinen Misserfolg in der Handlung zu erleiden.

Hier ist aber nur von der Weisheit der offenen Tora bei der Betrachtung komplizierter Fragen die Rede, die bei der einfachen Deutung der Halacha entstehen, wie Rabbi Chaim Vital selbst sagt; das heißt von demjenigen Teil im Studium der Tora, der nicht bei der praktischen Ausführung erforderlich ist. Hier kann man das Studium vereinfachen, indem man das Material aus Kürzungen und nicht aus Erstquellen studiert. Aber auch dabei ist ein ernsthaftes Studium notwendig, weil einer, der das Gesetz aus der Erstquelle kennt, sich von einem, der es aus der Kurzbeschreibung kennt, unterscheidet. Und um darin nicht zu irren, sagt Rav Chaim Vital ganz zu Beginn, dass sich die Seele nur dann mit dem Körper verbindet, wenn dieser ganzheitlich und durch die 613 Anweisungen der Tora korrigiert ist.

25. Nun wirst du sehen, dass alle schweren Fragen, die wir zu Beginn dieses Vorworts angeführt haben, Eitelkeiten sind. Sie sind nichts anderes als Fallen, die der Böse Trieb stellt, wenn er naive Seelen jagt, um sie aus der Welt zu vertreiben, ohne dass sie gedürstet hätten.

Sehen wir uns die erste Frage an: Die Menschen halten sich für fähig, ohne die Kenntnis der Wissenschaft der Kabbala die ganze Tora auszuführen. Ich aber sage ihnen: Gut, wenn ihr die Tora richtig studieren und die Gebote richtig ausführen könnt, und das im Sinne von liShma, das heißt, um dem Schöpfer allein Genuss zu bereiten, dann braucht ihr tatsächlich nicht das Studium der Kabbala, weil dann von euch geschrieben steht: „Die Seele des Menschen wird ihn selbst lehren.“ Denn dann offenbaren sich euch, wie Rabbi Meir im Traktat Awot sagte, alle Geheimnisse der Tora gleich einer sich verstärkenden Quelle und ihr müsst nicht zur Hilfe der Bücher greifen.

Wenn ihr jedoch bisweilen auf der Etappe der Studien im Zustand lo liShma verweilt, aber Hoffnungen habt, dadurch liShma gewürdigt zu werden, dann muss ich euch fragen: Wie viele Jahre beschäftigt ihr euch damit? Wenn ihr noch nicht fünf Jahre nach Tana Kama oder drei Jahre nach Rabbi Yossi abgeschlossen habt, dann sollt ihr noch warten und hoffen.

Wenn aber euer Studium der Tora in lo liShma mehr als drei Jahre nach Rabbi Yossi oder mehr als fünf Jahre nach Tana Kama einnahm, dann warnt euch die Brajta, dass ihr auf eurem beschrittenen Weg kein gutes Zeichen mehr sehen werdet. Und wozu wollt ihr eure Seelen mit vergeblichen Hoffnungen täuschen – zu einer Zeit, da ihr ein solch nahes und sicheres Mittel wie das Studium der Wissenschaft der Kabbala habt, was bereits oben von mir begründet wurde, weil das Studium dieser Frage das Gleiche wie das Studium des Schöpfers selbst ist?

26. Berühren wir nun die zweite Frage: Es steht geschrieben, dass man sich zunächst „den Talmud und die Gesetze“ in voller Höhe aneignen sollte. Dem ist natürlich so – nach der allgemeinen Behauptung. Aber natürlich wurde das nur für den Fall gesagt, dass ihr bereits des Studiums liShma gewürdigt wurdet oder sogar lo liShma, wenn ihr noch nicht jeweils drei oder fünf Jahre abgeschlossen habt. Andererseits, wie uns die Barajta selbst warnt, werdet ihr nimmermehr ein gutes Zeichen sehen. Daher seid ihr verpflichtet, euer Glück im Studium der Kabbala zu versuchen.

27. Es ist auch notwendig zu wissen, dass es in der Wissenschaft der Kabbala zwei Teile gibt:

Der erste Teil heißt „Geheimnisse der Tora“; es ist verboten, diese anders als aus dem Munde eines Weisen – Kabbalisten – an einen, der sie mit dem Verstand versteht, zu offenbaren. Sowohl Maase Merkawa als auch Maase Bereshit gehören ebenfalls zu diesem Teil. Die Weisen des Sohar nennen diesen Teil: „Die drei ersten Sefirot – Keter, Chochma, Bina“. Und er wird auch als „Kopf des Parzuf“ bezeichnet.

Der zweite Teil heißt „Geschmäcker“ der Tora, die man offenbaren darf. Sogar mehr als das ist deren Offenbarung eine große Mizwa. Dieser Teil heißt im Sohar „Die sieben unteren Sefirot des Parzuf“ und auch „Körper des Parzuf“.

Denn in jedem der spirituellen Parzufim gibt es Zehn Sefirot, die wie folgt heißen: Keter, Chochma, Bina, Chessed, Gwura, Tiferet, Nezach, Hod, Jessod und Malchut. Die drei ersten Sefirot von ihnen heißen „Rosh (Kopf) des Parzuf“ und die sieben unteren Sefirot heißen „Guf (Körper) des Parzuf“. Sogar die Seele des niedersten Menschen beinhaltet diese oben genannten Zehn Sefirot. Und so in jeder Kategorie: wie in den Höheren so auch in den Niederen.

Die sieben niederen Sefirot, die der Körper des Parzuf sind, heißen „Geschmäcker“ der Tora, und der Sinn dessen ist in den Worten eingeschlossen: „Der Gaumen wird das Essen kosten.“ Es geht darum, dass die Lichter, die sich unter den drei ersten Sefirot offenbaren, die der Kopf des Parzuf sind, als „Geschmäcker“ bezeichnet werden, und Malchut des Kopfes (Malchut deRosh) heißt „Gaumen“. Daher heißen diese Lichter Taamim (Geschmäcker) der Tora. Mit anderen Worten enthüllen sie sich im Gaumen von Rosh, der die Quelle aller Genüsse ist und Malchut von Rosh darstellt. Von dort und weiter nach unten gibt es kein Verbot bezüglich deren Offenbarung. Mehr als das: Die Belohnung desjenigen, der sie offenbart, ist grenzenlos und unermesslich groß.

Diese drei ersten und sieben unteren Sefirot – in ihrem allgemeinen Bau oder in jedem aller Einzelteile, in die man sie nur unterteilen kann – ordnen sich auf eine solche Weise an, dass sogar die drei ersten Sefirot von Malchut des Endes der Welt Assija zu den „Geheimnissen der Tora“ gehören, was zu offenbaren verboten ist; dagegen gehören sogar die sieben unteren Sefirot, die sich in Keter des Kopfes der Welt Azilut befinden, zu den Taamim (Geschmäckern) der Tora, die man offenbaren darf. Diese Fragen werden in Büchern zur Kabbala beleuchtet.

28. Die Quelle dafür wirst du im Traktat Pssachim finden (S. 119). Es steht geschrieben (Jesaja, 23): „Aber ihr Gewinn und Lohn wird dem Herrn geweiht werden. Man wird ihn nicht wie Schätze sammeln und aufbewahren, sondern ihr Erwerb wird denen zufallen, die vor dem Herrn wohnen, dass sie essen und satt werden und wohl bekleidet seien.“ Was ist „wohl bekleidet“? Das bedeutet, dass das bekleidet, verdeckt ist, was Atik Yomin verdeckte. Und was ist das? Die Geheimnisse der Tora. Und einige behaupten, das bedeute, das zu enthüllen, was Atik verbarg. Was ist das? Die Geschmäcker der Tora.

Und Rashbam erklärte: „Atik” ist der Schöpfer, wie es geschrieben steht: „Es thront Atik Yomin.“ Geheimnisse der Tora – das sind Maase Merkawa und die Handlung der Schöpfung, Maase Bereshit. Der Sinn des „Namens des Schöpfers“ steckt in den Worten: „Das ist mein Name für die Welt.“ „Verbergen“ bedeutet: nicht an jeden übergeben, sondern nur an denjenigen, dessen Herz unruhig ist. „Zu enthüllen, was Atik verbarg“, bedeutet, die Geheimnisse der Tora zu verbergen, die anfänglich verborgen waren, die Atik Yomin enthüllte und das Recht gab zu enthüllen. Und derjenige, der sie enthüllt, wird dessen gewürdigt, wovon in diesem Ausspruch die Rede ist.

29. Daraus wird der riesige Unterschied zwischen den Geheimnissen der Tora und den „Geschmäckern” der Tora ersichtlich. Derjenige, der die Geheimnisse der Tora erkennt, bekommt eine riesige Belohnung dafür, dass er sie verborgen hält und sie nicht enthüllt. Umgekehrt bekommt derjenige, der die „Geschmäcker“ der Tora erkennt, eine riesige Belohnung dafür, dass er sie anderen offenbart. Beide Deutungen widersprechen sich nicht, weil jede den Sinn unterschiedlicher Teile des Ausspruchs erklärt. Die eine bezieht sich auf den letzten Teil des Ausspruchs „Atik verbergen“ und besagt, dass für die Verhüllung der Geheimnisse der Tora eine große Belohnung gegeben wird. Und die zweite Deutung bezieht sich auf den Anfang des Ausspruches „sich satt essen“, was die „Geschmäcker“ der Tora bedeutet, wie es geschrieben steht: „Und der Gaumen wird das Essen kosten“, weil die Lichter der „Geschmäcker“ (Taamim) als Speisung bezeichnet werden. So wird der Sinn des Erhalts einer großen Belohnung erklärt, von dem im Ausspruch über die Enthüllung der „Geschmäcker“ der Tora die Rede ist (zwischen diesen zwei Herangehensweisen gibt es keinen Widerspruch; es spricht einfach die eine von Geheimnissen der Tora und die andere von „Geschmäckern“ der Tora). Sowohl die eine als auch die andere nehmen aber an, dass es notwendig ist, die Geheimnisse der Tora zu verbergen und die „Geschmäcker“ der Tora zu enthüllen.

30. Hier hast du eine klare Antwort auf die vierte und die fünfte Frage, die zu Anfang dieses Vorworts angeführt wurden. In den Reden der Weisen und in heiligen Büchern wirst du Aussprüche darüber finden, dass man die Tora nur an diejenigen weitergibt, deren Herz unruhig ist. Die Rede ist von demjenigen Teil, der als die „Geheimnisse der Tora“ bezeichnet wird und die ersten drei Sefirot und den Rosh [Kopf] darstellt. Man übergibt ihn nur an die Bescheidenen und unter bekannten Bedingungen; und in allen Büchern zur Kabbala, die verfasst und abgedruckt sind, wirst du sie noch nicht einmal erwähnt finden, weil dies das ist, was Atik verbarg, wie es in der Gemara geschrieben steht.

Mehr als das: Sage selbst, ob man an den Gerechten zweifeln kann, welche die größten Männer der Nation sind, die Auserwählten unter Auserwählten – solche wie die Verfasser der Bücher „Yezira“ und „Sohar“ und Rabbi Ishmael, der Verfasser des Buches „Barajta“, und Rav Chaj Gaon und Rabbi Chamaj Gaon und der Rabbi aus Garmiza und andere Rishonim bis hin zu RAMBAN und Baal Turim und Baal Shulchan Aruch, bis zum Gaon aus Vilna und Gaon aus Liadi und anderen Gerechten (seligen Andenkens), von welchen für uns die ganze offene Tora ausgeht, aus dem Munde welcher wir leben und von den Taten erfahren, die dazu aufgerufen sind, Gnade in den Augen des Schöpfers zu finden. Denn sie alle schrieben und gaben Bücher über die Wissenschaft der Kabbala heraus, weil es keine größere Offenbarung als das Verfassen eines Buches gibt. Derjenige, der ein Buch schreibt, weiß nicht, welche Menschen es studieren werden. Vielleicht werden ausgemachte Sünder hineinschauen – und in diesem Fall gibt es keine größere Offenbarung der Geheimnisse der Tora.

Kann man sich aber etwa vorstellen, diese reinen Weisen würden sogar gegen eine Kleinigkeit von dem verstoßen, was Mishna und Gemara eindeutig zu offenbaren verbieten, wie es im Traktat „Chagiga“ in „Ejn Dorschin“ heißt?

Umgekehrt gilt unumstößlich, dass alle verfassten und abgedruckten Bücher in ihrem Wesen die „Geschmäcker“ der Tora sind, die Atik ursprünglich verbarg und dann offenbarte, wie es heißt: „Der Gaumen wird das Essen schmecken.“ Und es ist nicht nur nicht verboten, diese Geheimnisse zu offenbaren, sondern ganz im Gegenteil ist es eine große Mizwa, sie zu offenbaren (wie es weiter oben im Traktat Pssachim, S. 119, gesagt wurde). Die Belohnung desjenigen, der sie zu offenbaren vermag und sie offenbart, ist sehr groß. Denn von der Offenbarung dieses Lichts an viele hängt die Ankunft des gerechten Erlösers ab, bald, in unseren Tagen, Amen.

31. Es existiert eine große Notwendigkeit zu erklären, warum die Ankunft des gerechten Erlösers von der Verbreitung der Kenntnisse der Kabbala in den Massen abhängig ist, was so gut aus dem Sohar und allen Büchern zur Kabbala bekannt ist. Die Massen selbst vernachlässigen das aber auf unerträgliche Weise.

Und die Klärung dieser Frage wird in Tikunej Sohar (30:5, Nativ Tinjana) angeführt. Es heißt dort: „Der zweite Pfad: ‚Und der Geist Gottes schwebte über den Wassern.‘ Was ist ‚der Geist‘? Sicherlich, zu der Zeit, wenn die Shechina ins Exil absteigt, weht dieser Geist über denjenigen, die sich mit der Tora beschäftigen, weil die Shechina unter ihnen weilt. Alle Menschen gleichen dem Vieh, das Gras frisst. Und all ihre Barmherzigkeit ist wie eine Blume des Feldes (Jesaja 40). Alle Barmherzigkeit, die sie tun, tun sie für sich selbst. Und sogar diejenigen, die Tora studieren, tun alle Barmherzigkeit für sich.

Zu dieser Zeit weicht der Geist und kehrt nicht in die Welt zurück. Und das ist der Geist des Messias. Wehe jenen, wegen welcher der Geist des Messias aus der Welt weicht und nicht in die Welt zurückkehrt. Sie machen die Tora trocken und möchten keine Bemühungen in der Wissenschaft der Kabbala unternehmen. Diese Menschen führen dazu, dass die Quelle der Weisheit versiegt, das heißt so wie der Buchstabe Yud im Namen HaWaYaH. Und es wird sich der Geist des Messias entfernen, der Geist der Weisheit (Chochma) und des Verständnisses (Bina), der Geist des Gedankens und der Tapferkeit (Gwura), der Geist des Wissens (Daat) und der Ehrfurcht vor dem Schöpfer.

Das zweite Gebot: „Und der Schöpfer sagte: ‚Es werde Licht‘“ – das ist das Licht der Liebe, der Liebe der Barmherzigkeit. Wie es geschrieben steht: „Mit ewiger Liebe liebte ich dich.“ (Jeremia, 31:2) Und davon steht geschrieben: „Weckt die Liebe nicht auf und stört sie nicht, bis es ihr selbst gefällt […]“ (Hohelied, 3:5) Liebe und Furcht, das ist ihr Kern, sei es im Guten oder im Bösen. Und darum wird diese Liebe als Furcht und Liebe bezeichnet, um Belohnung zu empfangen. Und deshalb sagte der Schöpfer: ‚Ich habe euch beschworen, Töchter Jerusalems, bei den Heerscharen oder bei den Hirschen des Feldes, weckt nicht die Liebe, bis sie es will.‘ Das bedeutet Liebe ohne Belohnung, und nicht um eine Belohnung zu empfangen. Denn Furcht und Liebe, die um Belohnung empfangen werden, sind die der Magd. Unter drei Dingen erzittert die Erde …: unter einem Diener, der herrscht, und einer Magd, die ihre Herrin beerbt.“

Dieser Text verdeutlicht, dass die spirituelle Erlösung der Menschheit und die Ankunft des Messias durch das Verstehen und Verbreiten der inneren Weisheit der Kabbala ermöglicht werden. Wenn die Menschen nur die äußerliche Tora ohne die tiefe innere Weisheit studieren, wird die spirituelle Quelle des Wissens blockiert, und der Geist des Messias kann nicht zurückkehren.

32. Beginnen wir „Tikunej Sohar” vom Ende bis zum Anfang zu erklären. Es wird gesagt, dass Ehrfurcht und Liebe, die der Mensch in den Beschäftigungen mit der Tora und den Geboten empfindet, als Ziel den Erhalt der Belohnung verfolgen. Mit anderen Worten hofft der Mensch, dass er dank der Tora und dank der Arbeit ein gewisses Wohl erlangt. Darin besteht die Bedeutung der „Magd“, von der geschrieben steht: „Eine Magd, die ihre Herrin beerbt.“

Auf den ersten Blick ist das schwer zu verstehen. Denn es steht geschrieben: „Es soll sich der Mensch immerzu mit der Tora und den Geboten beschäftigen, selbst wenn er das lo liShma tut.“ Warum aber „wird das Land unruhig“? Und man sollte noch fragen, warum die Beschäftigungen in lo liShma eben zur Kategorie „Magd“ gehören. Aber auch der Ausdruck „beerbt ihre Herrin“ – von welchem Erbe kann hier die Rede sein?

33. Diese Frage kann man verstehen, wenn man sie mit all dem verbindet, was oben erklärt wurde. Denn die Weisen erlaubten die Studien in lo liShma nur aus dem Grunde, dass der Mensch von lo liShma zu liShma gelangt, weil „das Licht, welches sich in der Tora verbirgt, ihn zur Quelle zurückführt“. Und daher wird das Studium in lo liShma als eine helfende Magd gelten, die niedere Arbeit für ihre Herrin – die Shechina – ausführt. Denn im Endeffekt wird der Mensch zu liShma gelangen und des Leuchtens der Shechina würdig. In diesem Fall gilt auch die „Magd“, das heißt das Studium in lo liShma, als eine „gerechte Magd“, weil sie hilft und das Spirituelle vorbereitet, und wird als die „reine“ Welt Assija bezeichnet.

Wenn aber der Glaube des Menschen unvollkommen ist und er sich mit der Tora und der Arbeit nur aus dem Grunde beschäftigt, weil der Schöpfer es ihm aufgetragen hat zu studieren, dann wird sich in solch einer Tora überhaupt nicht das darin eingeschlossene Licht offenbaren, weil die Augen des Menschen beschädigt sind und das Licht in Dunkelheit verwandeln, wie bei einer Fledermaus. Ein solches Studium tritt bereits aus der Macht der „gerechten Magd“ heraus, weil der Mensch mit ihrer Hilfe nicht dessen würdig ist. Daher geht er in die Herrschaft der Klipa über, der „unreinen Magd“, die diese Tora und die Arbeit beerbt und sie für sich wegnimmt. Daher „wird das Land unruhig“ (bebt), denn bekannterweise wird die Shechina als das Land bezeichnet, und diejenige Tora und Arbeit, die in die Macht der Shechina hätten übergehen müssen, werden von der „schlechten Magd“ geraubt, indem sie diese nach unten in die Herrschaft der Klipot absenkt. Folglich beerbt die Magd die Herrin.

34. Auf diese Weise wurde in „ Tikunej Sohar” das Geheimnis des Schwures erklärt: „Weckt die Liebe nicht auf und stört sie nicht, bis es ihr selbst gefällt.“ Es ist wichtig, dass das Volk Israel das Höchste Licht der Barmherzigkeit anzieht, welches auch als die „Liebe der Barmherzigkeit“ bezeichnet wird. Denn das ist jenes „Erwünschte“, was gerade mittels der Arbeit in der Tora und den Geboten nicht für eine Belohnung herangezogen wird. Durch das Licht der Barmherzigkeit im Volk Israel wird das Licht der Höchsten Weisheit (Chochma) angezogen, welches sich im Licht der Barmherzigkeit offenbart, welches Israel angezogen hat. Dieses Licht Chochma ist das Geheimnis des Gesagten: „Und es ruht auf ihm der Geist des Schöpfers; der Geist der Weisheit und des Verständnisses, der Geist des Gedankens und der Tapferkeit, der Geist des Wissens und der Ehrfurcht vor dem Schöpfer.“ (Jesaja, 11:2) Es heißt über den König Messias: „Und er wird den Völkern ein Zeichen bringen und die Vertriebenen Israels versammeln und die aus Judäa Zerstreuten von den vier Enden der Erde einsammeln.“ Denn nachdem das Volk Israel mithilfe des Lichts Chessed das Licht Chochma angezogen hat, offenbart sich der Messias und versammelt alle Vertriebenen Israels.

Es hängt alles von den Studien der Tora und der Arbeit in liShma ab. Dadurch ist der Mensch fähig, ein großes Licht Chessed heranzuziehen, in welches sich das darauf folgende Licht Chochma einkleidet. Und das ist das Geheimnis der Beschwörung: „Weckt nicht auf und stört nicht“. Denn das vollbrachte Exil und die Versammlung der Vertriebenen sind ohne das nicht möglich, weil so die Reihenfolge der Kanäle des Spirituellen ist.

35. Die Weisen deuteten auch den folgenden Vers: „[…] und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser.“ (Genesis, 1:2). Was ist der „Geist Gottes“? Während des Exils, wenn Israel noch mit der Tora und den Geboten lo liShma beschäftigt ist – wenn sie sich so verhalten, denn von lo liShma kommt man zu lishma –, dann verweilt die Shechina unter ihnen, obwohl noch im Stadium des Exils, da sie liShma noch nicht erreicht haben.

Davon heißt es: Die Shechina befindet sich in der Verhüllung, aber am Ende werden sie der Offenbarung der Shechina würdig. Dann schwebt der Geist des Königs – Mashiach (Messias) – über jenen, die sich mit der Tora und den Geboten beschäftigen und erweckt sie dazu, zu liShma zu gelangen durch das Geheimnis des Gesagten: „Das Licht, welches die Tora birgt, führt sie zur Quelle zurück.“ Die Tora hilft und bereitet auf das Strahlen der Shechina, ihrer Herrin, vor.

Wenn jedoch diese Studien in lo liShma nicht würdig sind, zu liShma zu führen, dann jammert die Shechina und sagt, dass es in denen, die sich mit der Tora beschäftigen, keinen Geist des Menschen gibt, der nach oben emporsteigt, sondern sie geben sich mit dem Geist eines Tieres zufrieden, welcher nach unten hinabsteigt, und alle ihre Beschäftigungen mit der Tora und den Geboten dienen ihrem eigenen Gewinn und Genuss. Und solche Studien der Tora können sie nicht zu liShma führen, denn es weht nicht über ihnen der Geist des Messias, sondern er weicht unwiderruflich von ihnen, weil die unreine Magd ihre Tora wegnimmt und die Herrin beerbt – denn sie gehen nicht den Weg, der sie von lo liShma zu liShma führt.

Obwohl sie keinen Erfolg durch die Studien der offenen Tora haben, weil es in ihr kein Licht gibt und sie trocken ist – wegen der Begrenztheit ihres Verstandes –, können sie doch mittels des Studiums der Kabbala Erfolg erlangen, weil das Licht, welches sich in ihr birgt, in die Kleider des Schöpfers gekleidet ist, das heißt in seinen Namen und Sefirot. Dann könnten sie mit Leichtigkeit zu lo liShma gelangen, welches sie zu liShma führt, und der Geist des Schöpfers wird über ihnen schweben, was der Sinn des Gesagten ist: „Das Licht der Tora führt sie zur Quelle zurück.“

Dennoch wollen sie in keinerlei Form das Studium der Kabbala. Und daher bewirken sie Armut, Erniedrigung, Zerstörung, Mord und Vernichtung in der Welt, weil der Geist des Messias weicht, der Geist von Chochma und Bina.

36. Aus den Worten von „Tikunej Sohar” wird Folgendes geklärt: Es gibt einen Schwur darauf, dass das Licht der Gnade und Liebe in der Welt nicht erwachen wird, bevor nicht die Taten des Volkes Israel in der Tora und in den Geboten statt mit der Absicht, eine Belohnung zu erhalten, endlich mit der Absicht, dem Schöpfer Genuss zu schenken, erfolgen, was das Geheimnis der Beschwörung ist: „Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems.“ (Hohelied, 5:8). Somit hängen die andauernden Exile und Leiden, die wir erdulden, von uns ab und warten auf unsere Entscheidung, bis wir letztlich der Arbeit in der Tora und den Geboten liShma gewürdigt werden. Und nur wenn wir das verdienen, wird dieses Licht der Liebe und Gnade erwachen, durch dessen wunderbare Eigenschaft die Worte verwirklicht werden: „Und es ruht auf ihm der Geist der Weisheit und des Verständnisses.“ Und dann werden wir der vollkommenen Erlösung würdig.

Das ganze Volk Israel wird zu dieser großen Reinigung nicht anders als durch das Studium der Kabbala gelangen, die den leichtesten Weg darstellt, der auch für die Unvernünftigen zureichend ist. Andererseits werden nur Einzelne, die mit verwunderlicher Kraft ausgestattet sind, allein dank der Beschäftigung mit der offenen Tora dessen würdig, und zwar mittels großer Leiden – nicht aber die Mehrheit des Volkes (aus Gründen, die in Punkt 22 erläutert wurden). Dadurch hat sich eindeutig die Nichtigkeit der vierten und fünften Frage geklärt, die zu Beginn dieses Vorworts angeführt wurden.

37. Was aber die dritte Frage anbelangt, die in der Furcht besteht, etwas auszulassen, so gibt es hier nichts zu befürchten, weil die Menschen einst vom Weg des Schöpfers aus zweierlei Gründen abwichen: Entweder verstießen sie gegen die Worte der Weisen in den Dingen, die zu enthüllen verboten sind, oder, sie verstanden die Worte der Kabbala in ihrer äußeren Bedeutung, das heißt entsprechend materiellen Anweisungen, und verstießen gegen das Gebot: „Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen.“ (Tora, Exodus, 20:4).

Daher umgab bis heute tatsächlich eine unüberwindbare Mauer diese Wissenschaft. Viele unternahmen Versuche, traten an das Studium heran und konnten es nicht fortsetzen wegen des Missverständnisses oder wegen materieller Termini. Deswegen habe ich mich in den Kommentaren zum Buch „Panim Meirot uMasbirot“ darum gekümmert, das große Buch von ARI, „Baum des Lebens“, zu erklären, indem ich materielle Formen abstrahierte und sie in Entsprechung zu spirituellen Gesetzen setzte, über Raum und Zeit – so, dass jeder Anfänger den Sinn und die Begründung dieser Dinge verstehen und dabei die Klarheit des Verstandes auch in der einfachsten Form behalten könnte, nicht schwerer, als die Gemara mittels der Deutungen von Rashi verstanden wird.

38. Lasst uns den Begriff der Verpflichtung zur Beschäftigung mit der Tora und den Geboten liShma erweitern. Man muss den Terminus selbst verstehen: „Tora liShma“. Warum wird die erwünschte, vollkommene Arbeit als liShma definiert (wörtlich: „um ihrer Willen“) und unerwünschte Arbeit als „lo liShma“ (wörtlich: „nicht um ihrer Willen“)? Denn im einfachen Verständnis, wenn ein Mensch, der sich mit der Tora und den Geboten beschäftigt, sich verpflichtet, sein Herz auf den Genuss des Schöpfers auszurichten und nicht auf den eigenen Gewinn, dann müsste man das mit dem Begriff „Tora liShmo“ definieren („Tora für Ihn/um Seinetwillen“) und im entgegengesetzten Fall mit „Tora lo liShmo“ („Tora nicht für Ihn“), was den Schöpfer meint. Warum wird das aber mit den Begriffen von „liShma“ und „lo liShma“ definiert, welche die Tora meinen?

Natürlich liegt darin ein tieferer Sinn, als man aus dem Gesagten heraushört, denn dieser Ausspruch bescheinigt, dass die Tora für Ihn (liShmo), das heißt, um dem Schöpfer Genuss zu bereiten, immer noch nicht genügt und auch Studien für sie (liShma) notwendig sind, das heißt für die Tora. Und das erfordert eine Erklärung.

39. Die Tora wird bekannterweise als „Tora des Lebens” bezeichnet. Es steht geschrieben: „Ein Leben für denjenigen, der sie fand“ (Mishlej, 4:22), „denn es ist kein leeres Wort für euch, sondern euer Leben“ (Deuteronomium, 32:37). Daher besteht der Sinn des Begriffs „Tora liShma“ darin, dass die Beschäftigung mit der Tora und den Geboten dem Menschen Leben und Verlängerung der Tage bringt, weil dann die Tora ihrem Namen entspricht.

Folglich bringt die Beschäftigung mit der Tora und den Geboten einem Menschen, der sein Herz und seinen Verstand nicht auf das oben Gesagte ausrichtet, das Gegenteil von Leben und der Verlängerung der Tage, das heißt, sie entspricht überhaupt nicht dem Namen der Tora; denn diese wird als „Tora des Lebens“ bezeichnet. Verstehe das. Diese Worte werden von den Weisen gedeutet (Traktat Taanit, 7, S. 1): „Für jeden, der sich mit der Tora lo liShma beschäftigt, wird sie zu einem tödlichen Gift. Und für jeden, der sich mit der Tora liShma beschäftigt, wird sie zum Lebenselixier.“

Diese Worte bedürfen jedoch einer Klärung: Man muss verstehen, wie und worin die Tora für den Menschen zu einem tödlichen Gift wird. Er bemüht sich nicht nur vergebens und hat keinen Nutzen aus seinen Sorgen und Bemühungen – auch die Tora selbst und die Arbeit verwandeln sich für ihn in ein tödliches Gift. Das ist sehr merkwürdig.

40. Zunächst bedenken wir die Worte der Weisen (Traktat Megila, 6, S. 2): „Bemühte sich und fand – sollst du glauben, bemühte sich nicht und fand – sollst du nicht glauben.“ Was bedeutet der Ausdruck „bemühte sich und fand“, der in sich widersprüchlich erscheint? Denn das Wort „bemühte“ zeugt von der Arbeit und von den Sorgen, mit denen man das Erwünschte bezahlt; und zwar zahlt man für etwas Wichtiges mit einer großen Anstrengung und für etwas weniger Wichtiges mit einer kleinen.

„Fand“ steht aber dazu im Gegensatz. Dieses kommt normalerweise zu einem Menschen, wenn seine Aufmerksamkeit vollkommen abgelenkt ist, ohne jegliche vorbereitende Sorgen, Anstrengungen und Bezahlung. Wie kannst du daher sagen: „Bemühte sich und fand”? Denn wenn Arbeit investiert worden wäre, könnte man sagen: „Bemühte sich und erwarb“ oder „Bemühte sich und verdiente“ usw., aber nicht „Bemühte sich und fand“.

41. Es steht geschrieben: „Die Mich suchen, finden Mich.“ (Sprüche, 8:17). Das wird im Sohar hinterfragt: „Wo findet man den Schöpfer?“ Und es sagten die Weisen, dass man Ihn nur in der Tora findet. Auch über die Worte: „Fürwahr, Du bist ein verborgener Gott“ (Jesaja, 45:16) sagten sie, dass der Schöpfer sich in der Tora verhülle. Man muss ihre Worte richtig verstehen. Denn auf den ersten Blick ist der Schöpfer nur im Materiellen verhüllt, in den vergänglichen Werten dieser Welt, die sich außerhalb der Tora befinden. Wie kannst du das Gegenteil behaupten: dass Er sich nur in der Tora verhülle? Aber auch was die allgemeine Meinung betrifft, entsprechend welcher der Schöpfer sich auf so eine Weise verhüllt, dass man ihn begehren müsse – wozu braucht Er diese Verhüllung? Außerdem resultiert aus den Worten „Die mich suchen“ Folgendes: „Alle, die Ihn begehren, werden Ihn finden.“ Und man muss gut das Wesen dieses Wunsches und das Wesen dieses Fundes verstehen: Was sind sie und wozu?

42. Du musst aber wissen, worin der Grund dieser ganzen Entferntheit besteht. Dass wir vom Schöpfer so fern sind und in einem solchen Grad gegen Seinen Wunsch verstoßen können, ist von einer einzigen Ursache hervorgerufen, die zur Quelle aller Leiden und Qualen wurde, die wir erdulden, sowie aller böswilligen Verbrechen und Unachtsamkeitsverstöße, über welche wir stolpern.

Gleichzeitig ist klar, dass wir uns sofort von allem Kummer und Leid befreien werden und sofort der Verschmelzung mit dem Schöpfer mit dem ganzen Herzen und der ganzen Seele würdig werden, sobald dieser Grund beseitig ist. Hier werde ich dir sagen, dass dieser ursprüngliche Grund in nichts anderem als im „Fehlen unseres Verständnisses Seiner Lenkung Seiner Geschöpfe“ besteht. Wir verstehen Ihn nicht so, wie es sich gehört.

43. Nehmen wir an, der Schöpfer würde Seine Geschöpfe in klarer Form lenken, so, dass zum Beispiel jeder, der etwas Verbotenes äße, sofort auf der Stelle ersticken und jeder, der ein Gebot ausführen würde, darin einen wunderbaren Genuss finden würde, der den wundervollsten Genüssen dieser materiellen Welt gleicht. Dann würde kein einziger Narr daran denken, etwas Verbotenes zu kosten, wohl wissend, dass er sofort deswegen sein Leben verlieren würde – genauso, wie er nicht darüber nachdenkt, in die Flammen zu springen.

Und was für ein Narr würde ein Gebot lassen, ohne es sofort mit aller Flinkheit auszuführen – wie er nicht zögern oder einen großen materiellen Genuss lassen kann, der in seine Hände gelangt, ohne ihn unmittelbar mit allergrößter Flinkheit zu empfangen. Wenn wir daher die klare Lenkung vor Augen hätten, wären alle Menschen vollkommene Gerechte.

44. Daraus wird klar, dass es uns in der Welt nur an klarer Lenkung mangelt. Denn bei klarer Lenkung wären alle Menschen vollkommene Gerechte und würden mit dem Schöpfer in vollkommener Liebe verschmelzen. Denn natürlich wäre es eine große Ehre für jeden von uns, sich dem Schöpfer anzunähern, Ihn mit dem ganzen Herzen und der ganzen Seele zu lieben und mit Ihm immer zu verschmelzen, ohne einen einzigen Augenblick zu zögern.

Dem ist aber nicht so, und es gibt keine Belohnung für ein Gebot in dieser Welt. Diejenigen, die gegen Seinen Wunsch verstoßen, werden durchaus nicht vor unseren Augen bestraft, sondern der Schöpfer ist geduldig mit ihnen. Mehr als das erscheint es uns manchmal, es wäre alles umgekehrt, wie es geschrieben steht (Psalmen, 73:12): „Siehe, das sind die Gottlosen: Sie sind glücklich in der Welt und werden reich.“ Und daher wird sich nicht jeder, der sich dem Schöpfer nähern möchte, sich Ihm nähern können, sondern wir stolpern bei jedem Schritt bis hin zu dem, was von den Weisen gesagt wurde (WaYikra Rabba, 2): „Einen Mann von Tausend fand ich (Prediger, 7:28). Eintausend gehen in den Raum, und einer geht hinaus, um zu lehren.“

Daher ist das Verständnis der Lenkung des Schöpfers der Grund für alles Gute und das Unverständnis der Grund für alles Böse. Folglich ist das ein Pol, um welchen sich alle Menschen drehen, zur Bestrafung oder zur Gnade.

45. Wenn wir aufmerksam auf die Erkenntnis der Lenkung schauen, die von den Menschen wahrgenommen wird, werden wir herausfinden, dass sie sich in vier Arten aufteilt. Eigentlich gibt es nur zwei: die Verhüllung des Angesichts und die Offenbarung des Angesichts, aber sie unterteilen sich in vier, weil es

• zwei Stufen in der Lenkung durch die Verhüllung des Angesichts gibt, und das ist die einfache Verhüllung sowie eine Verhüllung innerhalb der Verhüllung,

• zwei Stufen in der Lenkung durch die offenbarung des Angesichts, und das sind die Lenkung durch Belohnung und Strafe und die Lenkung durch Ewigkeit.

46. Es steht geschrieben (Deuteronomium, 31:17): „Da wird mein Zorn entbrennen über sie zur selben Zeit, und ich werde sie verlassen und mein Antlitz vor ihnen verbergen, sodass sie völlig verzehrt werden. Und wenn sie dann viel Unglück und Angst treffen wird, werden sie sagen: Hat mich nicht dies Übel alles getroffen, weil mein Gott nicht mit mir ist? Ich aber werde mein Antlitz verhüllt halten zu der Zeit um all des Bösen willen, das sie getan haben, weil sie sich an andere Götter wandten.“

Wenn du diese Worte betrachtest, wirst du herausfinden, dass zu Beginn steht: „Und mein Zorn wird entbrennen […] und ich werde Mein Angesicht verbergen“ – was die einfache Verhüllung bedeutet. Und dann steht: „Und es werden sie viel Unglück und Angst treffen […]. Ich aber werde mein Antlitz verhüllt halten (…)“, was eine doppelte Verhüllung bedeutet. Was ist diese doppelte Verhüllung?

47. Zuerst sollten wir nachvollziehen, was das „ Antlitz“ des Schöpfers bedeutet, von dem geschrieben steht: „Ich werde Mein Antlitz verhüllen.“ Du wirst das am Beispiel des Menschen verstehen: Wenn er das Gesicht seines Freundes sieht, erkennt er ihn sofort. Wenn er aber seinen Freund von hinten sieht, ist er sich nicht sicher und zweifelt: Vielleicht ist das jemand anderes und nicht mein Freund?

Gleiches gilt für Folgendes: Alle erkennen und spüren den Schöpfer als gut, und dem Guten gebührt es, Gutes zu tun. Wenn daher der Schöpfer Seinen Geschöpfen Gutes bringt, die Er mit freigiebiger Hand erschuf, dann bedeutet das, dass sein Antlitz den Geschöpfen enthüllt ist, denn dann kennen Ihn alle, weil Er so handelt, wie das seinem Namen gebührt, wie es weiter oben hinsichtlich der offenen Lenkung erläutert wurde.

48. Wenn aber der Schöpfer Seinen Geschöpfen gegenüber entgegengesetzt dem oben Beschriebenen handelt, das heißt, wenn Menschen Leiden und Schmerz in Seiner Welt empfinden, dann wird das als die Umkehrseite des Schöpfers definiert. Denn Sein Angesicht, das heißt das vollkommene Maß Seiner Güte, ist absolut vor ihnen verhüllt, und ein solches Verhalten entspricht nicht Seinem Namen. Das gleicht einem Menschen, der seinen Freund von hinten sieht und zweifelt: „Vielleicht ist das jemand anderes?“

Darüber heißt es: „Und mein Zorn wird entbrennen […] und ich werde Mein Antlitz vor ihnen verhüllen.“ Denn zu Zeiten des Zorns, wenn die Geschöpfe Leiden und Qualen empfinden, läuft es darauf hinaus, dass der Schöpfer Sein Antlitz verhüllt, welches das vollkommene Maß Seiner Güte ist, und nur Seine Umkehrseite ist enthüllt. Dann ist eine große Stärke des Glaubens an den Schöpfer notwendig, um sich vor verbrecherischen Überlegungen zu bewahren, weil es schwer ist, Ihn von hinten zu erkennen. Und das wird als „einfache Verhüllung“ bezeichnet.

49. Wenn aber die Leiden und die Qualen maximal anwachsen, ruft das eine doppelte Verhüllung hervor, die in den Büchern als „Verhüllung innerhalb einer Verhüllung“ bezeichnet wird. Das bedeutet, dass sogar Seine Umkehrseite unsichtbar ist; die Menschen glauben nicht daran, dass der Schöpfer zornig auf sie ist und sie bestraft, sondern führen das auf den Zufall und die Natur zurück, wobei sie zur Verneinung seiner Lenkung durch Belohnung und Strafe gelangen. Darüber steht geschrieben: „Und Ich werde mein Antlitz verhüllt halten […], weil sie sich an andere Götter wandten.“ Das heißt, man gelangt zur Verneinung und wendet sich dem Götzendienst zu.

50. Wenn die Rede lediglich von der einfachen Verhüllung ist, wird der Ausspruch mit folgenden Worten abgeschlossen: „Und dann werden sie sagen: Hat mich nicht all dieses Übel getroffen, weil mein Gott nicht mit mir ist?“ Mit anderen Worten glauben die Menschen noch an Belohnung und Strafe, und sie behaupten, dass Misere und Leiden zu ihnen kommen, weil sie nicht mit dem Schöpfer verschmolzen sind: „Hat mich nicht all dieses Übel getroffen, weil mein Gott nicht mit mir ist?“ Sie sehen den Schöpfer zwar noch, aber von Seiner Umkehrseite. Daher wird das als „einfache Verhüllung“ bezeichnet, das heißt nur eine Verhüllung des Angesichts.

51. Dadurch haben sich die zwei Stufen der Wahrnehmung der verhüllten Lenkung geklärt, die von den Geschöpfen verspürt werden: die einfache Verhüllung und eine Verhüllung innerhalb der Verhüllung.

Die einfache Verhüllung bedeutet lediglich die Verhüllung des Angesichts, wenn die Umkehrseite den Menschen offenbart ist. Mit anderen Worten glauben sie, dass der Schöpfer ihnen als Strafe die Leiden auferlegte. Und es fällt ihnen schwer, den Schöpfer ständig von der Umkehrseite zu erkennen, und sie begehen deswegen Verstöße – sie werden dann als „Unvollendete Sünder“ bezeichnet. Das heißt, diese Verbrechen gleichen Verstößen aus Unachtsamkeit, weil sie durch große Leiden geschahen, und im Ganzen glauben die Menschen an Belohnung und Strafe.

52. Die Verhüllung innerhalb der Verhüllung bedeutet, dass sich vor ihnen sogar die Umkehrseite des Schöpfers verbirgt, weil sie nicht an Belohnung und Strafe glauben. Und die Verbrechen, die sie begehen, werden als böswillige definiert. Jene werden als „Vollendete Sünder“ bezeichnet, weil sie rebellieren, indem sie behaupten, dass der Schöpfer seine Geschöpfe gar nicht lenkt. Und sie widmen sich dem Götzendienst, wie es heißt: „Weil sie sich an andere Götter wandten.“

53. Man muss wissen, dass die ganze Arbeit, die in der Erfüllung der Tora und der Gebote mittels der Wahl durchgeführt wird, hauptsächlich in den zwei oben genannten Stadien der verhüllten Lenkung durchgeführt wird. Und über diesen Zeitraum heißt es: „Gemäß dem Leiden erfolgt die Belohnung” (Traktat Awot, 5:23). Denn die Lenkung des Schöpfers ist nicht klar, und es ist nicht möglich, Ihn anders als in der Verhüllung des Angesichts zu sehen, das heißt nur von Seiner Umkehrseite nach dem Beispiel des Menschen, der seinen Freund von hinten sieht und deswegen in Zweifel gerät, indem er sich denkt: „Möglicherweise ist das doch jemand anders?“ Dabei liegt die Wahl immer in den Händen des Menschen: den Wunsch des Schöpfers auszuführen oder gegen Seinen Wunsch zu verstoßen.

Denn die Leiden und der Schmerz des Menschen lassen ihn an der Realität der Lenkung des Schöpfers zweifeln, sei es im ersten Stadium – das sind Verstöße aus Unachtsamkeit – oder im zweiten – das sind böswillige Verbrechen. So oder so verharrt der Mensch in großem Leid und unternimmt riesige Anstrengungen. Über diesen Zeitraum steht geschrieben: „Alles, was dir in die Hände kommt, es mit deiner Kraft zu tun, das tu“ (Prediger, 9:10), weil ein Mensch nicht der Offenbarung des Angesichts würdig wird, welche das vollkommene Maß der Güte des Schöpfers bedeutet, bevor er sich nicht bemüht und alles tut, was nur in seinen Kräften liegt. Und gemäß dem Leiden erfolgt die Belohnung.

54. Nachdem der Mensch das Maß seiner Anstrengungen abgeschlossen und alles vollendet hat, was er kraft seiner Wahl und Stärke des Glaubens an den Schöpfer zu vollbringen hatte, hilft ihm der Schöpfer, und der Mensch wird die klare Lenkung erkennen und der Offenbarung des Angesichts würdig. Ebenso der vollkommenen Reue, die bedeutet, dass er zurückkehrt und mit ganzem Herzen und ganzer Seele mit dem Schöpfer verschmilzt, wie es auf natürliche Weise aus der Erkenntnis der klaren Lenkung resultiert.

55. Die oben erwähnte Erkenntnis und Reue des Menschen verläuft in zwei Etappen: Die erste ist die Erkenntnis der Lenkung durch Belohnung und Strafe. Außer, dass der Mensch die Belohnung für jedes Gebot in der zukünftigen Welt klar erkennt, wird er durch die Ausführung des Gebots sofort den wunderbaren Genuss auch in dieser Welt erkennen. Und außer, dass er die bittere Bestrafung erkennt, die aus jedem Verstoß nach seinem Tod resultiert, wird er auch würdig, den bitteren Geschmack jedes Verstoßes noch im Leben zu verspüren. Ein Mensch, der diese Lenkung klar erkennt, ist überzeugt, dass er nicht mehr sündigen wird, genauso wie sich ein Mensch nicht seine Glieder abschlagen und sich schreckliche Leiden zufügen wird. Auch wird er kein Gebot vernachlässigen und es sofort ausführen, genauso wie er keinen einzigen Genuss oder großen Gewinn in der Welt ablehnen wird, den er in Aussicht hat.

56. Hier sollst du die Worte der Weisen verstehen: „Was bedeutet ‚Reue‘? – Bis der die Geheimnisse Kennende vom Menschen bezeugt, dass er nicht mehr zu seiner Narrheit zurückkehren wird.“ Auf den ersten Blick sind diese Worte merkwürdig. Denn wenn dem so ist, wer wird dann in den Himmel aufsteigen, um das Zeugnis des Schöpfers zu hören? Und vor wem muss der Schöpfer dieses Zeugnis ablegen? Ist es etwa unzureichend, dass der Schöpfer selbst weiß, dass der Mensch mit seinem ganzen Herzen zurückkehrte und nicht mehr sündigen wird?

Aus dem, was ich erklärte, ist das aber vollkommen einfach zu verstehen. Denn der Mensch kann sich wirklich nicht absolut sicher sein, dass er nicht mehr sündigen wird, bevor er nicht der Erkenntnis der Lenkung durch Belohnung und Strafe gewürdigt wird, das heißt der Offenbarung des Angesichts. Die Offenbarung des Angesichts ist jedoch das, was hinsichtlich der Erlösung des Schöpfers als „Zeugnis“ bezeichnet wird; denn gerade die vom Schöpfer selbst vollbrachte Erlösung, die den Menschen zur Erkenntnis von Belohnung und Bestrafung führt, verspricht ihm, dass er nicht wieder sündigen wird.

Auf diese Weise wird klar, dass der Schöpfer für den Menschen zeugt. Und davon steht geschrieben: „Was bedeutet ‚Reue?“ Wann wird der Mensch also sicher sein, dass er der vollkommenen Rückkehr würdig wurde? Dazu gab man ihm ein klares Zeichen: Wenn von ihm Derjenige, der die Geheimnisse kennt, bezeugt, dass er nicht mehr zu seiner Narrheit zurückkehren wird. Er wird der Offenbarung des Angesichts würdig, wenn der Schöpfer selbst ihn erlöst und dadurch bezeugt, dass er nicht mehr zu seiner Narrheit zurückkehren wird.

57. Diese bereits genannte Rückkehr heißt „Rückkehr aus Furcht“. Man kehrt zurück zum Schöpfer mit seinem Herzen und seiner Seele, bis Er, der alle Geheimnisse kennt, bezeugt, dass der Mensch nicht wieder in Narrheit zurückfällt. Diese Sicherheit jedoch, dass man nicht wieder sündigen wird, kommt aus der Erkenntnis und der Empfindung schrecklicher Bestrafung und schlimmer Qualen, die vom Sündigen herrühren. Aus diesen Gründen ist man sicher, dass man sich fortan keine schrecklichen Seelenqualen mehr antut.

Schließlich kommen diese Reue und Sicherheit jedoch nur durch die Angst vor Bestrafung, die der Übertretung folgt. Es folgt, dass man die Reue nur aufgrund der Angst vor Bestrafung empfindet. Daher heißt es „Reue (Rückkehr) aus Furcht“.

58. Nun können wir die Worte unserer Weisen verstehen: „Einer, der aus Furcht bereut, dessen Sünden werden zu Fehlern.“ Wir müssen begreifen, wie das geschehen kann. Wie oben ausgeführt (Punkt 52), haben wir gründlich verstanden, dass die Sünden, die ein Mensch tut, daher rühren, dass er sich im Herrschaftszustand der doppelten Verhüllung – also Verhüllung in der Verhüllung – befindet. Das heißt, dass man nicht an die Lenkung durch Belohnung und Strafe glaubt.

Einfache Verhüllung bedeutet, dass man an die Lenkung durch Belohnung und Strafe glaubt, aber trotzdem aufgrund der Anhäufung an Leiden manchmal in sündhafte Gedanken verfällt. Obwohl man glaubt, dass die Leiden als Strafe kommen, verhält man sich weiterhin wie eine Person, die ihren Freund von hinten sieht und zweifelt, ob das nicht vielleicht jemand anderer ist. Diese Sünden sind Fehler, da man doch insgesamt an die Lenkung durch Belohnung und Strafe glaubt.

59. Wenn man daher der Reue aus Furcht gewürdigt wird, das heißt einer klaren Erkenntnis von Belohnung und Strafe, bis man sicher weiß, dass man fortan nicht mehr sündigen wird, ist die Verhüllung innerhalb der Verhüllung vollständig in einem korrigiert. Das ist so, da man nun überzeugt ist, dass es die Lenkung durch Belohnung und Strafe wirklich gibt. Es ist für einen nun klar, dass alle Leiden, die man jemals erlebt hat, Bestrafungen durch Seine Lenkung aufgrund der begangenen Sünden waren. Rückblickend hat man schwere Fehler gemacht.

Auf diese Weise entwurzelt man diese böswilligen Vergehen, wenn auch nicht ganz. Sondern sie werden für den Menschen zu unbeabsichtigten Fehlern, gleich den Übertretungen, die er in der einfachen Verhüllung beging. Das geschah aufgrund der eigenen Verwirrung, und man verfehlte aufgrund der Vielzahl von Qualen, die einem den Verstand rauben. Diese Übertretungen werden nur als Fehler betrachtet.

60. In dieser seiner Rückkehr hat der Mensch allerdings noch nicht die erste Verhüllung des Angesichts, durch die er vorher regiert wurde, korrigiert, sondern das geschieht erst, nachdem er die Offenbarung des Angesichts erlangt hat. In der Vergangenheit jedoch, bevor er der Rückkehr gewürdigt wurde, blieben die Verhüllung des Antlitzes und die Fehler ohne jede Änderung oder Korrektur. Weil der Mensch auch glaubt, dass die Schwierigkeiten und Leiden aus Strafe geschahen, wie geschrieben steht „Kommt dieses Übel nicht daher auf uns, da unser Gott nicht unter uns ist?“

61. Daher wird er von dort an als vollkommen Gerechter betrachtet, wenn er mit der Offenbarung des Antlitzes belohnt wurde, also dem vollkommenen Maß Seiner Güte, und er heißt dann „Gerechter“ (Punkt 55). Denn er rechtfertigt Seine Lenkung wie sie wirklich ist, das heißt, dass Er absolut gut und gütig mit Seinen Geschöpfen umgeht, dass Er gut ist zum Guten wie auch zum Bösen.

Da er der Enthüllung des Antlitzes gewürdigt wurde, verdient er von hier an den Namen „Gerechter“. Er vollendete jedoch noch nicht die Korrektur, sondern nur die Verhüllung innerhalb der Verhüllung, und korrigierte nicht die erste Verhüllung, aber nur von hier an, bevor er mit Reue belohnt wurde, und er verdient daher nicht die Bezeichnung „Gerechter“. Der Grund dafür ist, dass er noch wie vorher in der Verhüllung des Antlitzes ist. Aus diesem Grund wird er „unvollkommener Gerechter“ genannt, das heißt, er muss noch seine Vergangenheit korrigieren.

62. Er heißt „Der-dazwischen-Stehende“ (Bejnoni – בינוני), denn, nachdem er die Rückkehr aus Furcht erlangt hat, ist er nun auch dazu fähig, Rückkehr aus Liebe durch die gesunde Beschäftigung mit der Tora und gute Taten zu erlangen. Dann erlangt man den Zustand „vollkommen Gerechter“. Da der Mensch sich nun im Zwischenzustand befindet, zwischen Angst und Liebe, heißt er „Der-dazwischen-Stehende“. Davor war man jedoch nicht einmal dazu qualifiziert, sich auf die Rückkehr aus Liebe vorzubereiten.

63. Das erklärt ausführlich den ersten Grad des Erlangens der Gesichtsenthüllung. Das bedeutet das Erlangen und die Empfindung der Lenkung des Schöpfers durch Belohnung und Strafe in einer Weise, dass Er alle Geheimnisse kennt und überzeugt ist, dass der Mensch nicht in die Narrheit zurückfällt. Das bedeutet „Rückkehr aus Furcht“, wenn die Sünden zu Fehlern werden. Das bedeutet „unvollkommener Gerechter“ und auch „Der-dazwischen-Stehende“.

64. Nun wollen wir den zweiten Grad des Erlangens der Enthüllung des Angesichts erklären, die dem Erreichen der vollkommenen Lenkung entspricht, wahr und ewig. Es bedeutet, dass der Schöpfer über Seine Geschöpfe in der Form „der Gute, der Gutes tut, sowohl Guten als auch Bösen“ herrscht. Nun wird man als „vollkommen Gerechter“ betrachtet, sowie der „Rückkehr aus Liebe“ gewürdigt, wenn der Mensch dessen gewürdigt wird, dass sich seine böswilligen Sünden in Verdienste verwandeln.

Das erklärt alle vier Aspekte der Wahrnehmung der Lenkung über die Geschöpfe. Die ersten drei, also doppelte Verhüllung, einfache Verhüllung und Erkenntnis der Lenkung durch Belohnung und Strafe dienen lediglich der Vorbereitung, um den vierten Aspekt – das Erlangen der wahren, ewigen Lenkung – zu erreichen.

65. Wir müssen verstehen, weshalb der dritte Aspekt nicht ausreichend ist, nämlich die Lenkung durch Belohnung und Strafe. Wir sagten doch, dass man bereits dadurch belohnt wurde, dass Er, der alle Geheimnisse kennt, überzeugt ist, dass man nicht mehr sündigen wird. Warum wird man dann als „Der-dazwischen-Stehende“ oder „unvollkommen Gerechte“ bezeichnet, was darauf hinweist, dass in den Augen des Schöpfers unsere Arbeit immer noch nicht wünschenswert ist und sie immer noch Mängel und Fehler aufweist?

66. Zuerst wollen wir genau überprüfen, was die Kommentatoren über die Mizwa der Liebe zu Gott sagten. Wie konnte die Heilige Tora uns eine Mizwa auferlegen, die wir nicht erfüllen können? Man kann sich zu allem zwingen und versklaven, aber kein Zwang oder keine Versklavung der Welt wird helfen zu lieben.

Sie erklären, dass sich durch das korrekte Einhalten aller 612 Mizwot die Gottesliebe von selbst ausbreitet. Daher wird es für möglich gehalten, dadurch zur Gottesliebe zu kommen, dass man sich versklaven und zwingen kann, die 612 Mizwot korrekt einzuhalten.

67. In Wahrheit bedürfen ihre Worte eines ausführlichen Kommentars. Schließlich sollte die Gottesliebe zu uns nicht als eine Mizwa kommen, da wir uns nicht zur Gottesliebe zwingen können. Sie kommt vielmehr von selbst – nach der vollständigen Erfüllung der 612 Mizwot. Daher sind die 612 Mizwot für uns eigentlich ausreichend; warum wurde diese Mizwa der Gottesliebe dann geschrieben?

68. Um dies begreifen zu können, müssen wir zuerst ein echtes Verständnis in der Natur der Gottesliebe selbst erlangen. Wir sollten wissen, dass alle Neigungen, Tendenzen und Eigenschaften, die anerzogen sind, um dem Freund zu dienen, auch bei der Arbeit für Gott benötigt werden.

Zuerst wurden sie nur aufgrund ihrer endgültigen Funktion, als endgültiger Zweck des Menschen erschaffen und eingeprägt, wie geschrieben steht: „Er, der vertrieben wurde, sollte kein Ausgestoßener von Ihm sein.“ Man benötigt sie alle, um sich auf dem Weg des Empfangens der Fülle zu vervollkommnen und den Willen Gottes zu erfüllen.

Das ist gemeint mit „jeder, der bei Meinem Namen genannt ist und den ich um Meiner Ehre erschaffen habe“ (Jesaja, 43:7), und auch mit „der Herr hat alle Dinge für Seine Zwecke gemacht“ (Sprüche, 16:4). In der Zwischenzeit ist es dem Menschen jedoch gegeben, eine ganze Welt zu entwickeln und alle diese natürlichen Neigungen und Attribute zu entwickeln und zu vervollständigen, indem er sich in ihnen mit anderen Menschen beschäftigt und er sie auf diese Weise für ihren Zweck reif werden läßt.

Es steht geschrieben: „Man muss sagen: Die Welt wurde für mich erschaffen.“ Für einen Menschen ist die ganze Gesellschaft erforderlich, da er dadurch Eigenschaften und Neigungen entwickelt, die ihn dafür qualifizieren, ein geeignetes Werkzeug für Seine Arbeit zu werden.

69. Daher müssen wir das Wesen der Gottesliebe aus den Eigenschaften der Liebe verstehen, durch welche man mit anderen verbunden ist. Die Liebe Gottes zeigt sich notwendigerweise in diesen Eigenschaften, da sie zuerst aufgrund Seines Namens im Menschen eingeprägt sind. Wenn wir die Attribute der Liebe zwischen Menschen beobachten, finden wir darin vier Attribute der Liebe, eines über dem anderen, also zwei, die vier sind.

70. Das erste ist „bedingte Liebe“. Das bedeutet, dass man die eigene Seele wegen der großen Güte, Freude und dem Nutzen, die man vom Freund erhält, mit dem Freund in wunderbarer Liebe verbindet.

Es beinhaltet zwei Schritte: Der erste ist, dass, bevor sie sich trafen und begannen, sich zu lieben, sie sich gegenseitig schadeten. Nun jedoch wollen sie sich daran nicht mehr erinnern, denn „Liebe überdeckt alle Sünden“. Der zweite Schritt ist, dass sie sich von nun an Gefallen tun und einander helfen, und es gibt keine Spur von Schaden und Nachteil zwischen ihnen.

72. Das zweite Stadium ist „bedingungslose Liebe“. Das bedeutet, dass der Mensch die Tugend seines Freundes erkannte, die erhaben ist und alles Denkbare und Vorstellbare übersteigt, und infolgedessen seine Seele mit seinem Freund in unendlich großer Liebe verschmilzt.

Hier sind ebenfalls zwei Stufen möglich: Die erste ist die, dass, bevor man nicht jede Handlung und jedes Verhalten seines Freundes anderen gegenüber kennt, diese Liebe als „nicht absolute Liebe“ bezeichnet wird.

Das liegt daran, dass der Freund sich anderen gegenüber so verhält, dass es, oberflächlich gesehen, aufgrund von Unwissenheit zerstörerisch erscheint. Wenn der Liebende den Freund so sehen könnte, würde der Vorzug des Freundes vollkommen befleckt und die Liebe zwischen ihnen wäre beschädigt. Da er aber bislang diesen Umgang nicht gesehen hat, ist seine Liebe immer noch vollkommen, großartig und wundervoll.

73. Das zweite Attribut der bedingungslosen Liebe ist das vierte Attribut der generellen Liebe, welches ebenfalls vom Wissen um die Verdienste des Freundes herrührt. Jetzt kennt man endlich in Ergänzung hierzu all sein Handeln und Betragen jedermann gegenüber, niemanden ausschließend. Man hat ergründet und gefunden, dass da nicht nur keine Spur an Übel in ihm vorhanden ist, sondern dass seine Tugend größer als alles Vorstellbare ist. Nun handelt es sich um „ewige, vollständige Liebe“.

74. Beachte, dass diese vier Attribute der Liebe zwischen Mensch und Mensch ebenfalls zwischen Mensch und Gott Anwendung finden. Überdies entwickeln sie sich hier, in der Liebe Gottes, zu Stufen in Form von Ursache und Wirkung.

Es ist unmöglich, auch nur eine von ihnen zu erlangen, bevor nicht das erste Attribut der bedingten Liebe erlangt wurde. Nachdem es vollständig erlangt wurde, bewirkt das erste Attribut die Erlangung des zweiten Attributes. Nachdem man das zweite Attribut vollständig erlangt hat, führt dieses zur Erlangung des dritten Attributes. Schließlich vom dritten Attribut zum vierten Attribut, der ewigen Liebe.

75. Daraus stellt sich die Frage: Wie kann man die erste Stufe der Liebe zu Gott als erste Stufe der bedingten Liebe erlangen, welche die Liebe ist, die sich durch die vielfache Güte darstellt, die man vom Geliebten erhält, wenn es doch in dieser Welt keine Belohnung für eine Mizwa gibt?

Ferner hat man gemäß dem oben Gesagten zuerst die zwei Formen der Vorsehung mittels der Verbergung des Angesichts zu durchlaufen. Mit anderen Worten ist Sein Grad der Güte zu diesem Zeitpunkt verborgen (Punkt 47), weshalb man in dieser Zeit Schmerz und Leid erfährt.

Wir haben jedoch gelernt, dass die Beschäftigung mit der Tora und die Arbeit aus der Wahl heraus vorrangig während der Zeit der Verbergung des Angesichts vonstatten gehen. Wenn dies so ist, wie kann es sein, dass einem das zweite Attribut der bedingten Liebe zuerkannt wird, das darin besteht, dass der Geliebte jedes Mal nur wundersame und reichlich gute Dinge getan hat und niemals irgendein Leid verursachte – und noch mehr bei der Erreichung des dritten und vierten Grades?

76. Tatsächlich tauchen wir hier in tiefe Gewässer. Zumindest müssen wir hieraus einen kostbaren Edelstein angeln. Lasst uns zu diesem Zweck die Worte unserer Weisen untersuchen: „Du sollst deine Welt in deinem Leben sehen und dein Ende des Lebens in der nächsten Welt.“

Wir müssen begreifen, warum sie nicht sagten: „Du wirst deine Welt in deinem Leben erhalten“, sondern nur „sehen“. Wenn sie hätten segnen wollen, dann hätten sie es vollständig getan, nämlich um die eigene Welt im eigenen Leben zu erreichen und zu erhalten. Wir müssen auch verstehen, warum ein Mensch die nächste Welt in seinem Leben sehen sollte; wenigstens wird sein Ende des Lebens in der nächsten Welt sein. Warum haben sie darüber hinaus diesen Segen vorangestellt?

77. Wir müssen zuerst verstehen: Was ist das Sehen der nächsten Welt in jemandes Leben? Mit Sicherheit können wir mit unseren körperlichen Augen nichts Spirituelles sehen. Es liegt sicher nicht im Verhalten des Schöpfers, die Gesetze der Natur zu verändern. Dies ist so, weil der Schöpfer diese Zusammenhänge ursprünglich in einer Art und Weise arrangierte, damit sie am erfolgreichsten ihren Zweck erfüllen. Durch sie kommt man zu einer Verbindung mit Ihm, wie geschrieben steht: „Der Herr hat alle Dinge zu Seinem Zweck gemacht.” Wir müssen daher verstehen, wie man die eigene Welt im eigenen Leben sieht.

78. Ich sollte euch erzählen, dass das Sehen zu einem Menschen über das Öffnen der Augen für die heilige Tora kommt, wie geschrieben steht: „Öffne Du mir meine Augen, auf dass ich wundersame Dinge aus Deinem Gesetz zu erblicken vermag.“ Hierzu hat die Seele ihren Schwur gegeben, bevor sie in den Körper eintrat (Nida, S. 30), und „selbst wenn die ganze Welt sagt, du seiest rechtschaffen, sieh dich in den eigenen Augen als boshaft“, besonders in deinen eigenen AugenDies bedeutet, dass man sich selbst als boshaft betrachten soll, solange einem nicht die Öffnung der Augen für die Tora zuerkannt wurde. Mache dich nicht selbst zum Narren, indem du dich in der gesamten Welt als rechtschaffen darstellst.

Nun verstehen wir auch, warum sie den Segen „Du wirst deine Welt in deinem Leben sehen” an den Anfang aller Segnungen stellten. Es rührt daher, dass man davor nicht einmal die Eigenschaft eines „unvollkommenen Gerechten” zuerkannt bekommt.

79. Wir haben noch nicht verstanden, weshalb es, wenn jemand im Inneren weiß, dass er bereits die gesamte Tora eingehalten hat und dass die ganze Welt mit ihm darin übereinstimmt, noch nicht genug ist? Stattdessen hat er sich geschworen, sich selbst als böse anzusehen. Liegt es daran, dass diese erstaunliche Stufe des Öffnens der Augen für die Tora in ihm fehlt, sodass man ihn mit einem Bösen vergleichen könnte?

80. In der Tat wurden bereits die vier Maße der Erkenntnis der Lenkung des Schöpfers durch die Menschen erklärt, und zwar zwei in der Verhüllung des Angesichts und zwei in der Offenbarung des Angesichts.

Auch der Grund der Verhüllung des Angesichts vor den Geschöpfen wurde erklärt; es geschieht absichtlich, um den Menschen Raum zu geben, sich zu bemühen und sich mit der Arbeit für den Schöpfer in der Tora und den Mizwot aus freier Wahl zu beschäftigen. Dies erhöht die Zufriedenheit des Schöpfers bei ihrer Arbeit mit Seiner Tora und den Mizwot – mehr als Seine Zufriedenheit mit den hohen Engeln, die keine Wahl haben und gezwungen sind zu arbeiten.

81. Trotz des ganzen obigen Lobs für die Verhüllung des Angesichts wird diese dennoch nicht als Vollkommenheit betrachtet, sondern lediglich als „Übergang“. Das ist der Ort, von dem aus die Vollkommenheit erreicht wird.

Das bedeutet, dass jede Belohnung für eine Mizwa, die für jemanden vorbereitet wurde, nur durch seine Arbeit in der Tora und in guten Taten erworben wird – zur Zeit der Verhüllung des Angesichts, wenn man sich „aus freier Wahl“ damit beschäftigt. Denn dann verspürt der Mensch Kummer während der Festigung des Glaubens an den Schöpfer bei der Erfüllung Seines Wunsches. Und jede Belohnung des Menschen wird nur anhand der Leiden gemessen, die er durch die Erfüllung der Tora und der Gebote erduldet, wie es heißt: „Gemäß dem Leiden ist die Bezahlung.“

82. Daher ist jeder Mensch verpflichtet, diese „Übergangsphase“ der Verhüllung des Angesichts zu passieren. Und wenn er diese abschließt, wird er der Erkenntnis der klaren Lenkung gewürdigt, das heißt der Offenbarung des Angesichts. Bevor er jedoch der Offenbarung des Angesichts würdig wird, sieht der Mensch zwar die Umkehrseite; es kann aber nicht sein, dass er nicht wenigstens einmal einen Verstoß begeht.

Nicht nur liegt es nicht in seiner Kraft, alle 613 Gebote auszuführen, weil Liebe nicht auf dem Wege von Zwang und Gewalt kommt, sondern er ist auch in den 612 Geboten nicht vollkommen. Denn sogar seine Ehrfurcht ist nicht stetig, wie sie sein sollte.

Das ist die Bedeutung davon, dass der Zahlenwert des Wortes Tora nach der Gematria 611 beträgt (und jede Gematria weist auf die Umkehrseite hin). Mit anderen Worten: Sogar 612 Gebote kann der Mensch nicht korrekt ausführen. Das ist die Bedeutung von „Du wirst nicht immer streiten“ („wirst streiten“ – nach der Gematria 612). Im Endeffekt wird aber der Mensch mit der Offenbarung des Angesichts beehrt.

83. Der erste Grad der Offenbarung des Angesichts, welcher eine absolut klare Erkenntnis der Lenkung durch Belohnung und Strafe darstellt, kommt zum Menschen nur mittels der Erlösung vonseiten des Schöpfers, wenn er mittels einer herrlichen Erkenntnis mit der Einsicht in die Tora beehrt wird und „wie eine sprudelnde Quelle wird“ (Sprüche der Väter, 86). Und nachdem der Mensch die Mizwa durch aus eigener Wahl investierte Mühen bereits erfüllt hat, wird er damit beehrt, in jeder Mizwa der Tora den für ihn in der kommenden Welt bestimmten Lohn für die Mizwa zu sehen, und auch den großen Verlust, der im Verstoß eingeschlossen ist.

84. Und obwohl er noch keine Belohnung erhielt, weil es keine Belohnung für eine Mizwa in dieser Welt gibt, reicht dem Menschen diese klare und nicht mehr schwindende Erkenntnis aus, um großen Genuss beim Ausführen einer jeden Mizwa zu empfinden, weil „alles, was eingesammelt werden soll, dem bereits Eingesammelten gleicht“. Nehmen wir uns als Beispiel einen Verkäufer, der einen Vertrag abschließt, bei dem er eine große Summe Geld verdienen wird. Es mag sein, dass er den Gewinn erst nach langer Zeit erhalten wird, aber in jedem Fall, wenn er ohne jeden Hauch von Zweifel sicher ist, dass er den Gewinn zur richtigen Zeit erhalten wird, ist seine Freude so, als hätte er den Gewinn bereits erhalten.

85. Selbstverständlich zeigt eine solche offensichtliche Lenkung dem Menschen, dass er von diesem Moment an mit der Tora und den Geboten mit seinem ganzen Herzen und seiner ganzen Seele verschmelzen und gleichzeitig versuchen wird, sich genauso von Verstößen fernzuhalten und sie zu vermeiden, wie er vor Feuer flieht. Und obwohl er noch kein vollendeter Gerechter ist, weil er noch keiner Rückkehr aus Liebe würdig wurde, helfen dem Menschen jedoch die enge Verbindung zur Tora und gute Taten, allmählich auch mit der Rückkehr aus Liebe beehrt zu werden, das heißt mit der zweiten Stufe der „Offenbarung des Angesichts“. Dann wird er fähig, alle 613 Gebote in Perfektion auszuführen, und wird zu einem vollkommenen Gerechten.

86. Nun klärt sich für uns offensichtlich die Frage hinsichtlich des Schwurs, welchen die Seele ablegen muss, bevor sie in diese Welt kommt: „Sogar wenn die ganze Welt dir sagt, du seiest ein Gerechter, verbleibe in deinen Augen ein Sünder.“ Wir fragten: Wenn die ganze Welt einverstanden ist, dass der Mensch ein Gerechter ist, warum sollte er sich dann für einen Sünder halten und der ganzen Welt nicht trauen?

Was bedeutet dieses Zeugnis der ganzen Welt: „Sogar wenn die ganze Welt sagt“? Weiß der Mensch etwa nicht selbst besser Bescheid als die ganze Welt? Und dann müsste man seinen Schwur so formulieren: „Sogar wenn du selbst weißt, dass du ein Gerechter bist (…)“.

Und schließlich das Komplizierteste: Die Gemara sagt ausdrücklich (Brachot, 61), dass der Mensch in der Seele wissen muss, ob er ein vollendeter Gerechter ist oder nicht. Denn es existieren Verpflichtung und Möglichkeit, wahrlich ein vollendeter Gerechter zu sein.

Mehr als das muss der Mensch selbst diese Wahrheit erlernen und erkennen. Wie lässt man dann die Seele einen Schwur ablegen, in ihren Augen immer sündhaft zu bleiben und niemals selbst die Wahrheit zu kennen, wenn die Weisen zum Gegenteil verpflichteten?

87. Nichtsdestotrotz sind diese Worte sehr präzise, denn solange der Mensch nicht durch herrliche Erkenntnis einer Einsicht in die Tora würdig wurde, welche für offensichtliche Erkenntnis der Lenkung durch Lohn und Strafe ausreichen würde, wird er sich natürlich nicht in Selbstbetrug begeben und sich für einen Gerechten halten, weil er notwendigerweise fühlt, dass es ihm an den zwei umfassendsten Geboten der Tora mangelt: „Liebe und Ehrfurcht“.

Möge es auch nur darum gehen, einer vollkommenen Ehrfurcht aufgrund großer Angst vor Bestrafung und vor Verlusten wegen des Verstoßes würdig zu werden, wenn „Derjenige, Welcher die Geheimnisse kennt, bezeugt, dass der Mensch nicht mehr zu seiner Narrheit zurückkehren wird“. Der Mensch kann sich das nicht vorstellen, bevor er nicht einer vollen, klaren und absoluten Erkenntnis der Lenkung durch Belohnung und Bestrafung würdig wird, das heißt, bevor er nicht die erste Stufe der Offenbarung des Angesichtes erlangt, die er dank der Einsicht in die Tora verdient. Um nicht von der Liebe zu sprechen, die vollkommen über den Rahmen seiner Möglichkeiten hinausgeht, weil sie vom Verständnis des Herzens abhängt, und keine Anstrengung und kein Zwang dem Menschen hier helfen werden.

88. Daher lautet der Schwur: „Sogar wenn die ganze Welt dir sagt, du seiest ein Gerechter (…).“ Denn diese zwei Gebote – „Liebe und Ehrfurcht“ – wurden nur dem Individuum aufgetragen, und kein anderer in der Welt außer ihm selbst kann sie unterscheiden und erkennen. Wenn man daher sieht, dass der Mensch in 611 Geboten vollkommen ist, sagt man sofort, dass er sicherlich auch die Gebote von Liebe und Ehrfurcht hat. Und weil die Natur des Menschen ihn dazu zwingt, der Welt zu glauben, kann er durchaus einem bitteren Fehler verfallen. Daher beschwört man die Seele, noch bevor sie in diese Welt kommt: Und möge es der Wille des Schöpfers sein, dass es uns hilft. Das Individuum ist aber natürlich verpflichtet, selbst zu hinterfragen und in der Seele zu erkennen, ob es ein vollendeter Gerechter sei; darüber sprachen wir oben.

89. Wir verstehen nun auch, was wir zuvor hinterfragten: Wie kann man sogar der ersten Stufe der Liebe würdig werden, wenn es keinen Lohn für eine Mizwa in dieser Welt gibt? Nun ist es durchaus klar, dass der Mensch den Lohn für eine Mizwa eigentlich gar nicht in diesem Leben erhalten muss. Denn in dieser Hinsicht präzisierten die Weisen: „Du sollst deine Welt in deinem Leben und dein Ende im nächsten Leben sehen.“ Sie weisen darauf hin, dass der Lohn für ein Gebot nicht in dieser Welt, sondern in der kommenden ist.

Um jedoch die zukünftige Belohnung für ein Gebot in der kommenden Welt zu sehen, zu kennen und zu verspüren, muss es der Mensch wirklich noch in diesem Leben absolut genau wissen, das heißt mittels seiner herrlichen Erkenntnis in der Tora. Denn so oder anders wird er dann des Stadiums der bedingten Liebe gewürdigt, welches der ersten Stufe des Austritts aus der Verhüllung des Angesichts und des Übergangs zur Offenbarung des Angesichts entspricht. Das braucht der Mensch, um die Tora und die Gebote korrekt zu erfüllen, damit „Derjenige, Welcher die Geheimnisse kennt, vom Menschen bezeugt, dass er nicht mehr zu seiner Narrheit zurückkehren wird“.

90. Von nun an unternimmt der Mensch Anstrengungen im Erfüllen der Tora und der Gebote auf der Stufe bedingter (abhängiger) Liebe. Diese erlangt er dank der Erkenntnis des Lohnes, welcher ihn in der kommenden Welt erwartet, wie es heißt: „Alles, was eingesammelt werden soll, gleicht dem bereits Eingesammelten.“ Dann wird er der zweiten Stufe der Offenbarung des Angesichts gewürdigt. Dies meint die Lenkung der Welt durch den Schöpfer aus Seiner Ewigkeit und Wahrhaftigkeit heraus, das heißt aus der Tatsache, dass Er gut ist und Guten und Schlechten Gutes tut.

In diesem Zustand wird der Mensch bedingungsloser Liebe gewürdigt, wenn seine Sünden zu Verdiensten für ihn werden. Von diesem Moment an wird er als „vollendeter Gerechter“ bezeichnet, weil er die Tora und die Gebote in Liebe und Ehrfurcht erfüllen kann. Und „vollkommen“ heißt er aus dem Grunde, da er nun alle 613 Gebote in Perfektion erlangte.

91. Damit klärt sich die Frage, die wir stellten: Wird derjenige, der des dritten Stadiums der Lenkung, das heißt der Lenkung durch Lohn und Strafe würdig wird, wenn bereits der Geheimnisse Wissende von ihm bezeugt, dass er nicht mehr zu seiner Narrheit zurückkehren wird, dennoch als ein „unvollkommener Gerechter“ bezeichnet? Nun ist vollkommen klar, dass es ihm im Endeffekt an „einem Gebot“ mangelt, nämlich am Gebot der Liebe. Er ist natürlich unvollkommen – denn er muss unbedingt 613 Gebote erfüllen, die unvermeidlich den ersten Schritt auf die Schwelle der Perfektion darstellen.

92. Aus allem oben Gesagten werden wir verstehen, was die Weisen erfragten: Wie verpflichtete uns die Tora zum Gebot der Liebe, wenn es doch überhaupt nicht in unserer Macht steht, uns mit diesem Gebot zu beschäftigen oder es irgendwie zu berühren? Nun wirst du verstehen, dass uns davor die Weisen warnten: „Ich habe mich angestrengt und nicht gefunden – sollst du nicht glauben.“ Und auch: „Immer sollte sich der Mensch mit der Tora und den Mizwot lo liShma beschäftigen, denn aus lo liShma kommt liShma“ (Pssachim, 59). Und auch zeugen die Worte davon: „Diejenigen, die Mich suchen, werden Mich finden“ (Mishlej, 8).

93. Dies sind die Worte unserer Weisen (Megila, 6): „Rabbi Izchak sagte: ‚Wenn jemand dir sagt: ‚Ich bemühte mich und fand nicht‘, so glaube das nicht. ‚Ich bemühte mich nicht und fand‘ – glaube nicht. ‚Ich bemühte mich und fand‘ – dies glaube!‘“

Wir hinterfragten aber den Ausdruck „Ich bemühte mich und fand – sollst du glauben“, denn auf den ersten Blick widerspricht sich dies. Denn die Bemühung weist auf Erwerb hin, und Fund – auf etwas, was zum Menschen ohne jegliche Sorge und unerwartet kommt. Daher sollte es heißen: „Ich bemühte mich und bekam.“

Wisse aber, dass mit dem „Fund“, von dem hier die Rede ist, der folgende Ausdruck gemeint ist: „Diejenigen, die Mich suchen, werden Mich finden.“ Gemeint ist das Finden des Angesichts des Schöpfers entsprechend den Worten des Buches Sohar, dass man den Schöpfer nur in der Tora findet. Das heißt, mittels der Bemühungen in der Tora werden wir dessen gewürdigt, das offenbarte Angesicht des Schöpfers zu finden. Daher waren die Weisen in ihren Worten präzise, als sie sagten: „Ich bemühte mich und fand – sollst du glauben.“ Denn die Bemühungen werden in der Tora unternommen, und der Fund besteht in der Offenbarung des Angesichts der Lenkung durch den Schöpfer.

Absichtlich sagten die Weisen nicht: „Ich bemühte mich und wurde gewürdigt“ oder „Ich bemühte mich und erwarb“. Denn dann könnten wir uns diesbezüglich irren und beschließen, dass der Erhalt oder Erwerb allein die Erlangung der Tora bedeutet. Daher waren sie im Ausdruck „fand“ präzise, um darauf hinzuweisen, dass etwas über die Erlangung der Tora hinaus gemeint ist, das heißt: das Finden des offenbarten Angesichts der Lenkung durch den Schöpfer.

94. Das erklärt uns den Vers: „Ich bemühte mich nicht und fand – sollst du nicht glauben.“ Denn auf den ersten Blick erscheint das merkwürdig: Wem könnte in den Sinn kommen, dass man die Tora erwerben könne, ohne für sie zu arbeiten. Diese Worte beziehen sich aber auf den Vers: „Diejenigen, die Mich suchen, werden Mich finden“ (Sprüche, 8:17). Das bedeutet, dass jeder Mensch der Ihn sucht – von klein bis groß – Ihn sofort findet. Darauf weist der Ausdruck „Diejenigen, die Mich suchen“ hin. Denn man könnte sich denken, dass hier keine besonderen Anstrengungen nötig wären, und sogar ein kleiner Mensch, der nicht bereit wäre, dazu irgendwelche Anstrengungen zu unternehmen, ebenfalls den Schöpfer finden würde. Davor warnten uns die Weisen, damit wir einer solchen Deutung nicht trauen würden, denn hier ist die Anstrengung unbedingt notwendig, und „ich bemühte mich nicht und fand – sollst du nicht glauben“.

95. Nun verstehst du, warum Tora „Leben“ genannt wird. Wie es heißt: „Siehe, ich habe dir heute das Leben und das Gute vorgelegt“ (Deuteronomium, 30:15). Und auch: „Wähle das Leben.“ Und auch: „Denn sie ist das Leben denen, die sie finden“ (Sprüche, 4:22). Das entspringt dem Vers: „Im Lichte des Angesichts des Königs ist das Leben“ (Sprüche, 16), denn der Schöpfer ist die Quelle von allem Leben und allem Wohl.

Daher zieht sich das Leben zu denjenigen Zweigen, die mit ihrer Quelle verschmelzen. Die Rede ist von denjenigen Menschen, die Anstrengungen unternahmen und das Licht des Angesichts des Schöpfers in der Tora fanden, das heißt, sie wurden durch herrliche Erkenntnis der Einsicht in die Tora würdig. Im Endeffekt wurden sie mit der Offenbarung des Angesichts beehrt, welche die Erkenntnis der wahren Lenkung bedeutet, die des Namens des Schöpfers, „dem Guten“, würdig ist, denn dem Guten gebührt es, Gutes zu tun.

96. Diejenigen, denen das bereits gegönnt wurde, können sich nicht mehr vom korrekten Ausführen der Mizwa zurückziehen – gleich einem Menschen, der nicht fähig ist, sich von einem wunderbaren Genuss zurückzuziehen, welcher in seine Hände fällt. Vor einem Verstoß laufen sie dagegen weg wie vor einem Feuer. Über sie heißt es: „Ihr aber, die ihr mit eurem Schöpfer verschmolzen seid, ihr seid heute alle am Leben.“ Denn die Liebe des Schöpfers kommt zu ihnen und wird ihnen gegeben als natürliche Liebe entlang natürlicher Kanäle, die dem Menschen von der Natur der Schöpfung bereitet wurden. Und nun ist der Zweig mit seiner Wurzel verschmolzen, wie es sich gehört, und das Leben fließt in ihn unaufhörlich aus seiner Quelle in großer Fülle. Daher wird die Tora „Leben“ genannt.

97. Daher warnten uns die Weisen vielerorts bezüglich der notwendigen Bedingung im Studium der Tora: dass dieses Studium eben liShma sein möge. Das heißt, dass es so sein möge, dass einem dank der Tora Leben gegönnt würde, denn es ist doch die Tora des Lebens. Zu diesem Zweck wurde sie uns gegeben, wie es heißt: „Und du sollst das Leben wählen.“

Deswegen ist jeder Mensch verpflichtet, während seines Studiums der Tora in ihr Anstrengungen zu unternehmen und den Verstand und das Herz darauf einzustellen, in ihr das Licht des „Angesichts des Königs des Lebens“ zu finden. Gemeint ist die Erkenntnis der offensichtlichen Lenkung, genannt „Licht des Angesichts“.

Jeder Mensch eignet sich dafür, wie es heißt: „Diejenigen, die Mich suchen, werden Mich finden“, und auch „Bemühte sich und fand nicht – sollst du nicht glauben“. Dazu bedarf es für den Menschen nichts außer Arbeit allein. Und darüber heißt es: „Für jeden, der sich mit der Tora liShma befasst, wird sie zum Lebenselixier“ (Taanit, 7:71). Das bedeutet, dass der Mensch lediglich seinen Verstand und sein Herz darauf einstimmen soll, dass ihm Leben gegönnt wird, worin eben der Sinn von liShma besteht.

98. Nun wirst du verstehen, wie sich die Frage der Ausleger der Mizwa der Liebe klärt. Sie sagten, dass diese Mizwa nicht in unseren Händen liegt, da Liebe nicht mittels Zwang und Unterwerfung kommt. Hier gibt es gar kein Problem, da dies gänzlich in unseren Händen liegt. Denn jeder Mensch kann Anstrengungen in der Tora unternehmen, bis er schließlich die Erkenntnis der offensichtlichen Lenkung des Schöpfers findet, wie es heißt: „Ich bemühte mich und fand – sollst du glauben.“

Und wenn dem Menschen die Ehre der offensichtlichen Lenkung zuteil wird, kommt die Liebe bereits automatisch zu ihm entlang natürlicher Kanäle. Wenn er aber aus irgendeinem erdenklichen Grunde nicht glaubt, dass man diese Ehre durch eigene Bemühungen verdienen kann, dann glaubt er zweifellos nicht den Worten der Weisen und stellt sich vor, dass nicht alle Bemühungen ausreichen. Das widerspricht außerdem dem Ausspruch: „Ich bemühte mich und fand nicht – sollst du nicht glauben“, und auch den Worten: „Diejenigen, die Mich suchen, werden Mich finden.“ Die Weisen sagten ausdrücklich: „Diejenigen, die Mich suchen“ – das heißt, wer immer sie sein mögen, von Klein bis Groß. Beim Menschen ist aber natürlich Anstrengung vonnöten.

99. Und aus dem oben Geklärten wirst du den Sinn der Worte verstehen: „Für jeden, der sich mit der Tora lo liShma beschäftigt, wird sie zu einem tödlichen Gift“ (Taanit, 7:71). Es heißt auch: „Wahrlich bist du ein Dich verbergender Gott“ – der Schöpfer verbirgt sich in der Tora. Und wir fragten: Leitet der Verstand nicht etwa zum Schluss, der Schöpfer sei eben in den Dingen dieser Welt verborgen, die außerhalb der Tora liegen, und nicht in der Tora selbst, die doch der alleinige Ort der Offenbarung sei? Und wir fragten auch: Diese Verhüllung, durch welche sich der Schöpfer verhüllt, damit die Menschen Ihn suchen und Ihn finden – wozu brauche ich sie?

100. Daraus wirst du gut verstehen, dass die Verhüllung, durch welche sich der Schöpfer verhüllt, damit die Menschen Ihn begehren, die Verhüllung des Angesichts meint, bei welcher Er mit Seinen Geschöpfen auf zwei Wegen vorgeht: dem Weg der einfachen Verhüllung und der Verhüllung innerhalb der Verhüllung.

Der Sohar sagt uns: Niemandem soll auch nur der Gedanke kommen, der Schöpfer wünsche es, auf einem solchen Stadium der Lenkung zu verharren, wenn Sein Angesicht vor Seinen Geschöpfen verhüllt ist. Im Gegenteil gleicht das einem Menschen, der sich absichtlich verbirgt, damit sein Freund ihn sucht und findet.

So auch der Schöpfer. Wenn er mit Seinen Geschöpfen auf diese Weise vorgeht und in der Verhüllung des Angesichts verharrt, so besteht der Grund dafür nur darin, dass Er will, dass die Geschöpfe die Offenbarung Seines Angesichts begehren und Ihn finden. Denn die Geschöpfe hätten keinen Weg und Zutritt dazu, dass ihnen das Licht des Angesichts des Königs des Lebens zuteil wird, wenn der Schöpfer mit ihnen nicht zu Beginn anders verführe, nämlich in der Verhüllung des Angesichts verharrend. Also ist die ganze Verhüllung lediglich eine Vorbereitung auf die Offenbarung des Angesichts.

101. Daher steht geschrieben: Der Schöpfer verhüllt Sich in der Tora. Denn hinsichtlich der Leiden und Torturen, die in der Phase der Verhüllung des Angesichts erfahren werden, unterscheidet sich der Mensch, der gegen die Tora und die Mizwot verstößt und sich wenig mit ihnen beschäftigt, von einem, der seine Bemühungen in der Tora und in guten Taten vermehrt. Der Erstere von ihnen ist eher darauf vorbereitet, seinen Herren zu rechtfertigen, das heißt zu beschließen, dass diese Leiden zu ihm aufgrund der Verstöße und des geringen Eifers in der Tora seinerseits kamen.

Dem Zweiten fällt es dagegen viel schwerer, seinen Herrn zu rechtfertigen, denn nach seinem Verstand hat er solch schwere Bestrafungen nicht verdient. Und mehr als das – er sieht, dass seine Freunde, die schlimmer sind als er, nicht in solchem Maße leiden. Wie es heißt: „Siehe, das sind die Gottlosen; sie sind glücklich in der Welt und werden reich“ (Psalmen, 73:12), und auch: „Soll es denn umsonst sein, dass mein Herz unsträflich lebt und ich meine Hände in Unschuld wasche?“ (Psalmen, 73:13).

Hieraus wirst du auch sehen, dass, solange der Mensch noch nicht mit der Lenkung durch die Offenbarung des Angesichts gewürdigt wurde, ihm die Tora und die Mizwot, in welchen er seine Anstrengungen vermehrte, die Verhüllung des Angesichts in noch größerem Maße erschweren. Daher heißt es eben auch, der Schöpfer verhülle sich in der Tora. Und tatsächlich ist jene ganze Schwere, die der Mensch am stärksten mittels der Tora verspürt, nichts anderes als Rufe, durch welche die Tora selbst an ihn appelliert und ihn dazu erweckt, sich so sehr es geht zu beeilen und zu hasten, die von ihm erforderliche Summe an Anstrengungen zu unternehmen, um den Menschen sofort mit der Offenbarung des Angesichts entsprechend dem Willen des Schöpfers zu belohnen.

102. Deswegen heißt es, dass für jeden, der lo liShma studiert, die Tora zum tödlichen Gift wird. Denn nicht nur tritt er nicht aus der Verhüllung des Angesichts in die Offenbarung heraus, weil er seinen Verstand nicht darauf einstellte, Anstrengungen zu unternehmen und dessen würdig zu werden – die Tora, mit welcher er sich viel beschäftigt, fügt ihm noch die Verhüllung des Angesichts in riesigem Maße hinzu, bis der Mensch in die Verhüllung innerhalb der Verhüllung fällt, die der Tod ist, weil er vollkommen von seiner Wurzel losgelöst ist. Also läuft es darauf hinaus, dass die Tora für ihn zu einem tödlichen Gift wird.

103. Das erklärt die zwei Namen, bei welchen die Tora genannt wird: „enthüllt“ und „verhüllt“. Man muss verstehen, wozu wir die verhüllte Tora brauchen. Und warum nicht die ganze Tora enthüllt (offenbart) ist. Hier ist aber eine tiefe innere Absicht vorhanden, da die „verhüllte“ Tora darauf hindeutet, dass sich der Schöpfer „in der Tora verhüllt“. Deswegen wird sie als die „verhüllte Tora“ bezeichnet.

Als „enthüllt“ oder „offenbart“ wird sie dagegen bezeichnet, weil sich der Schöpfer mittels der Tora offenbart. Daher sagten die Kabbalisten, und das steht auch im Gebetbuch des Gaon aus Vilna, dass die Reihenfolge der Erkenntnis der Tora beim Geheimnis beginnt und beim einfachen Sinn (Pshat) endet. Mit anderen Worten wird dem Menschen, wie es heißt, dank der erforderlichen Mühen, die er sich zu Beginn in der verhüllten Tora gibt, die Ehre der enthüllten Tora zuteil, die Pshat (der einfache/wörtliche Sinn) ist. Somit beginnt der Mensch beim Verhüllten, welches Sod (Geheimnis) genannt wird, und wenn er gewürdigt wird, endet er beim einfachen Sinn (Pshat).

104. Nun hat sich ausreichend geklärt, wie man die erste Stufe der Liebe verdienen kann, welche die an Bedingungen geknüpfte (abhängige) Liebe darstellt. Jetzt ist uns bekannt, dass, obwohl es keine Belohnung für eine Mizwa in dieser Welt gibt, die Erkenntnis der Belohnung für eine Mizwa auch im Leben dieser Welt vorhanden ist. Sie gelangt zum Menschen mittels der Einsicht (Öffnung der Augen) in die Tora. Diese klare Erkenntnis gleicht für den Menschen vollkommen dem unmittelbaren Erhalt der Belohnung für eine Mizwa.

Deswegen verspürt der Mensch die herrliche Güte des Schöpfers, die im Schöpfungsplan eingeschlossen ist, welche darin besteht, Seine Geschöpfe mit voller, guter und großzügiger Hand mit Genuss zu erfüllen. Wegen des großen Segens, welchen der Mensch erkennt, erscheint zwischen ihm und dem Schöpfer eine herrliche Liebe, die den Menschen ununterbrochen auf den gleichen Wegen und Kanälen beschenkt, auf welchen auch die natürliche Liebe zutage tritt.

105. All das gelangt jedoch zum Menschen vom Moment seiner Erkenntnis an. Es bleibt aber noch das Stadium der Leiden, die von der Lenkung in der Verhüllung des Angesichts bedingt waren und die der Mensch erleiden musste, bevor er der erwähnten Offenbarung des Angesichts würdig wurde. Und obwohl er sich nicht an sie erinnern möchte, weil „die Liebe alle Verstöße überdeckt“, gelten sie natürlich als ein großer Mangel, sogar in Hinsicht auf die Liebe zwischen Menschen und umso mehr hinsichtlich der wahren Lenkung des Schöpfers, weil Er gut ist und Schlechten und Guten Gutes tut.

Daher sollte man verstehen, wie der Mensch der Liebe zum Schöpfer in solch einem Maße würdig werden kann, dass er fühlen und wissen wird, dass der Schöpfer ihm immer wunderbare Segen brachte, vom Moment seiner Geburt an, und ihm in seinem ganzen Leben kein Gramm Böses tat. Das ist das zweite Stadium der Liebe.

106. Um das zu verstehen, brauchen wir die Worte unserer Weisen, die sagten „Für denjenigen, der eine Rückkehr aus Liebe vollzieht, werden seine Verstöße zu Verdiensten.“ Nicht nur vergibt also der Schöpfer dem Menschen seine Sünden, sondern jede von ihm begangene Sünde und jeden Verstoß verwandelt der Schöpfer in eine Mizwa.

107. Der Mensch wird so weit des Lichts des Angesichts gewürdigt, dass jeder von ihm begangene Verstoß – einschließlich sogar derjenigen von ihnen, die er böswillig beging – sich für ihn in eine Mizwa verwandelt. Dank dieser Tatsache wird er froh und glücklich über alle erlittenen Plagen und bitteren Leiden und die zahlreichen Sorgen sein, die er in seinem Leben seit der Zeit durchlitt, als er den zwei Stadien der Verhüllung des Angesichts unterlag. Denn gerade sie brachten ihm all die böswilligen Verstöße, die sich nun aufgrund des wundersam herrlichen Lichts des Angesichts des Schöpfers für ihn in Mizwot verwandelten.

Und jede Pein oder Sorge, die den Menschen des Verstandes beraubten, als er Misserfolge bei Unachtsamkeitsfehlern in einfacher Verhüllung oder bei böswilligen Verstößen in doppelter Verhüllung erlitt, verwandeln sich für ihn in einen Faktor der Kausalität und einfachen Vorbereitung auf die Ausführung der Mizwa und den Erhalt einer großen und herrlichen Belohnung für sie – auf ewig. Daher verwandelt sich für den Menschen jedes Leid in eine große Freude und jedes Böse in herrliches Heil.

108. Das gleicht einer Geschichte, welche die Menschen von einem Juden erzählen, der ergeben im Hause eines Herren diente, der ihn liebte wie sich selbst. Einmal kam es so, dass der Herr wegfuhr und seine Geschäfte den Händen eines Vertreters überließ. Und dieser Mensch war ein Hasser Israels.

Also tat er Folgendes: Er beschuldigte den Juden und schlug ihn als Strafe fünf Mal vor den Augen aller, um ihn gut zu erniedrigen. Als der Hausherr zurückkehrte, kam der Jude zu ihm und berichtete von allem, was mit ihm geschehen war. Der Hausherr wurde sehr wütend, rief den Vertreter und befahl ihm, dem Juden sofort tausend Münzen für jeden Schlag, den dieser ihm erteilt hatte, in die Hände zu geben. Der Jude nahm sie und kehrte zu sich nach Hause zurück. Dort fand ihn seine Frau weinend vor. In großer Sorge fragte sie ihn: „Was ist dir mit dem Hausherren zugestoßen?“ Er erzählte es ihr. Dann fragte sie: „Warum weinst du dann?“ Und er antwortete: „Ich weine, weil er mich nur fünf Mal geschlagen hat. Hätte er mich wenigstens zehn Mal geschlagen, hätte ich jetzt zehntausend Münzen.“

109. Nun ist klar zu sehen, dass, nachdem dem Menschen die Vergebung der Sünden gegönnt worden ist, nachdem die böswilligen Sünden sich für ihn in Verdienste verwandelt haben, es ihm gegönnt wird, mit dem Schöpfer zur zweiten Stufe der Liebe überzugehen. Das bedeutet, dass der Geliebte demjenigen, den er liebt, niemals etwas Böses oder auch nur einen Schatten von Bösem angetan hat, ihm aber dagegen unverändert seit der Geburt großen und herrlichen Segen bringt. Somit erscheinen die Rückkehr aus Liebe und die Verwandlung der böswilligen Verstöße in Verdienste als Einheit.

110. Bisher haben wir nur die bedingte (abhängige) Liebe auf ihren zwei Stufen erklärt. Man muss aber immer noch nachvollziehen, wie dem Menschen die Ehre zuteil wird, mit seinem Schöpfer zu den zwei Stadien unabhängiger (nicht an Bedingungen geknüpfter) Liebe zu kommen.

In dieser Frage müssen wir gut verstehen, was geschrieben steht (Kidushin, 40): „Der Mensch soll sich immer so betrachten, als wäre er halb schuldig und halb freigesprochen. Vollzog er eine Mizwa, ist das Glück sein, weil er seine Waage der Seite der Verdienste zugeneigt hat. Beging er eine Sünde – wehe ihm, weil er seine Waage der Seite der Schuld zugeneigt hat.“ Rabbi Elasar, der Sohn von Rabbi Shimon, sagt: „Die ganze Welt wird nach der Mehrheit gerichtet, und das Individuum wird nach der Mehrheit gerichtet. Wenn daher der Mensch eine Mizwa erfüllte, ist das Glück sein, da er die Waage für sich selbst und für die ganze Welt der Seite des Guten zuneigte. Wenn er aber ein Vergehen beging, wehe ihm, da er die Waage für sich selbst und für die ganze Welt der Seite der Schuld zuneigte. Denn wegen einer einzigen von ihm begangenen Sünde ging für ihn selbst und für die ganze Welt ein großer Segen verloren.“

111. Auf den ersten Blick sind diese Worte vom Anfang bis zum Ende kompliziert. Denn er sagt, dass ein Mensch, der eine Mizwa ausführt, die Waage unmittelbar dem Verdienst zuneigt, weil nach der Mehrheit gerichtet wird. Bezieht sich das etwa nicht nur auf diejenigen, die halb schuldig und halb im Recht sind? Davon spricht Rabbi Elasar, der Sohn von Rabbi Shimon, überhaupt nicht. Somit bleibt das Wichtigste unklar. Rashi deutete seine Worte als sich auf den Vers beziehend: „Der Mensch soll sich immer so betrachten, als wäre er halb schuldig und halb im Recht.“ Und Rabbi Elasar, der Sohn von Rabbi Shimon, fügt hinzu, dass der Mensch auch die ganze Welt so betrachten solle, als wären alle halb schuldig und halb gerecht. Das Wichtigste bleibt jedoch unklar. Und wozu veränderte er seine Worte, wenn der Sinn derselbe bleibt?

112. Die größte Schwierigkeit ist im Wesen der Sache selbst eingeschlossen, das heißt darin, dass der Mensch sich so betrachten solle, als wäre er nur zur Hälfte schuldig. Das ist verwunderlich, denn wenn der Mensch seine zahlreichen Sünden kennt, wie kann er dann lügen und sagen, dass er in Hälften geteilt sei? Sagte die Tora nicht etwa: „Entferne dich von der Lüge“? Und auch heißt es doch: „Ein Sünder wird viel Gutes vernichten.“ Das heißt, wegen einer Sünde neigt er sich selbst und die ganze Welt dem Schuldspruch zu. Denn die Rede ist von der wahren Realität und nicht von einer trügerischen Illusion, als deren Teil sich der Mensch sich selbst und die ganze Welt einbilden soll.

113. Auch ist unklar, ob es denn möglich ist, dass es in jeder Generation nicht viele Individuen gibt, die eine Mizwa erfüllen. Und wie neigt sich die Welt dann dem Freispruch zu? Läuft es darauf hinaus, dass sich der Zustand gar nicht verändert und die Welt so funktioniert, wie sie in Funktion gesetzt wurde? Hier ist eine zusätzliche Tiefe erforderlich, weil man diese Worte durch den oberflächlichen Blick nicht verstehen kann.

Die Rede ist überhaupt nicht von einem Menschen, der weiß, dass seine Sünden zahlreich sind. Man braucht ihm nicht die Lüge einzuprägen, dass er zweigeteilt sei, und ihn damit zu verführen, dass es ihm nur an einem Gebot mangeln würde. Eine solche Herangehensweise gehört überhaupt nicht zum Weg der Weisen. Die Rede ist hingegen von einem Menschen, der sich wie ein vollkommen Gerechter fühlt und vorstellt und glaubt, in vollkommener Perfektion zu verweilen. Das kommt daher, dass ihm bereits die Ehre der ersten Stufe der Liebe mittels der Einsicht in die Tora zuteil wurde, wenn Derjenige, der die Geheimnisse kennt, von ihm bezeugt, dass er nicht mehr zu seiner Narrheit zurückkehren würde.

Von einem solchen Menschen handeln die oben angeführten Worte. Sie klären für ihn den Weg und beweisen ihm, dass er noch immer kein Gerechter, sondern ein Bejnoni (Mittlerer) ist, das heißt halb schuldig und halb freigesprochen. Das, weil es ihm noch an „einer Mizwa“ von den 613 Mizwot der Tora mangelt – der Mizwa der Liebe. Denn das Zeugnis Desjenigen, der die Geheimnisse kennt, dass er nicht mehr sündigen wird, gründet sich nur auf der Klarheit, mit welcher der Mensch den großen Verlust durch einen Verstoß erkennt. Das wird als Ehrfurcht vor einer Bestrafung betrachtet und daher als „Rückkehr aus Furcht“ bezeichnet.

114. Oben klärte sich auch, dass diese Stufe der „Rückkehr aus Furcht“ den Menschen nur ab dem Moment der Reue und weiter korrigiert. All jene Leiden und Pein aber, die er ertrug, bevor ihm die Ehre der Offenbarung des Angesichts zuteil wurde, bleiben wie sie waren – ohne jegliche Korrektur. Die vom Menschen begangenen Verstöße sind ebenfalls nicht komplett korrigiert, sondern verbleiben in der Kategorie der Unachtsamkeitsverstöße.

115. Daher heißt es, dass ein Mensch, dem es immer noch an „einer Mizwa“ mangelt, sich so sehen solle, als wäre er zur Hälfte schuldig und zur Hälfte freigesprochen. Das heißt, er solle sich vorstellen, dass die Zeit der Rückkehr in der Mitte seiner Jahre liege und er damit „zur Hälfte schuldig“ sei. Anders gesprochen, ist der Mensch für die Hälfte der Jahre, die er vor der Rückkehr gelebt hatte, natürlich schuldig, weil die „Rückkehr aus Furcht“ diese Jahre nicht korrigiert.

Folglich ist er auch „zur Hälfte freigesprochen“. Das heißt, für die Hälfte der Jahre ab dem Moment der Reue (Rückkehr) ist der Mensch natürlich freigesprochen, weil er sich dessen sicher ist, dass er nicht wieder sündigen wird. Somit ist er in der ersten Hälfte seiner Jahre schuldig und in der zweiten Hälfte freigesprochen.

116. Dem Menschen wurde gesagt, so von sich zu denken: Wenn er „eine Mizwa“ erfüllt, das heißt diejenige Mizwa, an welcher es ihm aus der Zahl von 613 mangelt, sollte er glücklich sein, weil er die Waage für sich selbst dem Freispruch zuneigte. Denn derjenige, der dank der „Rückkehr aus Liebe“ der Mizwa der Liebe gewürdigt wurde, verdient dadurch, dass sich seine böswilligen Verstöße für ihn in Verdienste verwandeln. Dann verwandeln sich jedes Leid und jede Sorge, die der Mensch in seinem Leben erlitt, bevor er der Rückkehr gewürdigt wurde, in unendlich herrliche Genüsse für ihn; soweit, dass er selbst bereut, an ihnen nicht um vieles mehr gelitten zu haben. Wie im Gleichnis von dem Herrn und dem ihn liebenden Juden. Das wird eben als „Neigung zum Freispruch“ bezeichnet. Denn alle Empfindungen des Menschen, die mit Unachtsamkeitsverstößen und böswillig begangenen Verstößen zu tun hatten, verwandelten sich für ihn in „Verdienste“. Das ist die Neigung zur „Waagschale des Freispruchs“, denn eine Waagschale voller Schuld verwandelte sich in eine Waagschale voller Verdienste. Diese Verwandlung wird in der Sprache der Weisen als „Neigung“ bezeichnet.

117. Außerdem warnt Rav den Menschen, dass, solange er ein Mittlerer ist und nicht „einer Mizwa“ gewürdigt wurde, an welcher es ihm aus der Zahl von 613 mangelt, er sich selbst bis zum Tag seines Todes nicht trauen solle. Er soll sich auch nicht auf der Grundlage des Zeugnisses von Demjenigen, Der die Geheimnisse kennt, darauf verlassen, dass er nicht mehr zu seiner Narrheit zurückkehren wird. Denn der Mensch ist noch immer dazu fähig, einen Verstoß zu begehen. Er sollte von sich denken, dass er sich dem Schuldspruch zuneigt, sobald er einen Verstoß begeht.

Denn dadurch wird sofort seine ganze herrliche Erkenntnis in der Tora und die Offenbarung des Angesichts, welcher er gewürdigt wurde, verloren sein; und er wird zum Stadium der Verhüllung des Angesichts zurückkehren. In der Folge wird sich der Mensch dem Schuldspruch zuneigen, da alle seine Verdienste und sein Segen verloren gegangen sind, auch für die zweite Hälfte seiner Jahre. Als Beweis dafür führt ihm Rav die Worte an: „Ein Sünder wird viel Gutes zerstören.“

118. Nun wirst du verstehen, was Rabbi Elasar, Sohn des Rabbi Shimon, ergänzte, und warum er nicht die Wendung „halb schuldig und halb rein“ anführte. Dies deshalb, weil darin von dem zweiten und dem dritten Stadium der Liebe gesprochen wird, während Rabbi Elasar vom vierten Stadium der Liebe spricht, also von der ewigen Liebe, das heißt von der Offenbarung des Angesichts des Schöpfers, wie Er wirklich ist: gütig und Guten und Schlechten Gutes bescherend.

119. Auf diese Weise hat sich geklärt, dass der Mensch nur dann des vierten Stadiums würdig werden kann, wenn er ausnahmslos jedes Verhalten seines Geliebten in seiner Beziehung zu allen anderen kennt. Aus dem gleichen Grund reicht ihm der große Verdienst darin, dass er sich der Seite des Freispruchs zuneigte, noch nicht aus, um der vollkommenen Liebe und damit des vierten Stadiums würdig zu werden. Denn nun erkennt der Mensch die Rechtschaffenheit des Schöpfers, der Guten Gutes und Schlechten Gutes tut, indem er nur von Seiner Lenkung im Bezug auf sich selbst ausgeht.

Doch er erkennt die ebenso erhabene und wundervolle Vorsehung des Schöpfers hinsichtlich der übrigen Geschöpfe auf der Welt noch immer nicht. Daher lernen wir aus dem vorher Gesagten, dass die Liebe nicht ewig ist, solange man das Verhalten des Geliebten anderen gegenüber nicht vollständig kennt. Der Mensch muss auch die ganze Welt dem Freispruch zuneigen. Nur dann erscheint die ewige Liebe vor ihm.

120. Davon spricht Rabbi Elasar, der Sohn von Rabbi Shimon, wenn er sagt: „Die ganze Welt wird anhand der Mehrheit bewertet, und der Einzelne wird anhand der Mehrheit bewertet.“ Da er von der gesamten Welt spricht, kann er nicht, wie geschrieben steht, sagen, dass der Mensch alle als halb schuldig und halb freigesprochen betrachten solle. Diese Stufe erreicht der Mensch erst, wenn ihm die Enthüllung des Angesichts und die „Rückkehr aus Furcht“ zuerkannt werden.

Wie kann dies von der gesamten Welt behauptet werden, wenn ihnen diese Rückkehr nicht gewährt wurde? Daher sagt man nur, dass die Welt anhand der Mehrheit und der Einzelne anhand der Mehrheit beurteilt wird.

Denn man könnte doch denken, dass der Mensch nur dann des Stadiums eines vollkommenen Gerechten würdig wird, wenn er keine Übertritte zu verzeichnen hat und niemals in seinem Leben eine Sünde begangen hat; und diejenigen, die Misserfolg in Sünden und böswilligen Vergehen hatten, wären nicht mehr des Stadiums vollkommener Gerechter würdig.

Aus diesem Grunde lehrt uns Rabbi Elasar, Sohn des Rabbi Shimon, dass es sich nicht so verhält. Vielmehr wird die Welt anhand ihrer Mehrheit beurteilt und ebenso das Individuum. Nachdem der Mensch aus Furcht zurückgekehrt ist, wird er sofort der 613 Gebote gewürdigt und als „Mittlerer“ bezeichnet, das heißt, für die Hälfte seiner Jahre ist er schuldig und für die anderen freigesprochen. Und nun, nachdem er aus dem Stadium des Mittleren ausgetreten ist, wenn er nur ein einziges Gebot hinzufügt, also das Gebot der Liebe, dann gilt, dass er nach der Mehrheit freigesprochen ist und alles dem Freispruch zuneigt. Das heißt, die Schale der Verbrechen verwandelt sich ebenfalls in Verdienste.

Wenn der Mensch also sogar eine volle Schale von Sünden und böswilligen Vergehen in seiner Hand hält, verwandeln sie sich alle in Verdienste. Und natürlich gleicht er dann einem Menschen, der niemals gesündigt hat, und gilt als vollkommener Gerechter. Das bedeutet eben, dass die Welt und auch das Individuum anhand der Mehrheit beurteilt werden. Die Verbrechen, die der Mensch vor seiner Reue begangen hatte, werden also überhaupt nicht in Betracht gezogen, denn sie verwandelten sich in Verdienste. Selbst vollkommene Sünder, die der Rückkehr aus Liebe würdig wurden, gelten als vollkommene Gerechte.

121. Daher sagt Rav, dass, wenn das Individuum nach der „Rückkehr aus Furcht“ eine Mizwa ausgeführt hat, weil es ihm nur an einer Mizwa mangelte, „das Glück sein (ist), weil er sich selbst und die ganze Welt dem Freispruch zuneigte“. Nicht nur wird ihm mittels der von ihm ausgeführten „Rückkehr aus Liebe“ die Ehre zuteil, sich selbst dem Freispruch zuzuneigen, sondern er wird auch dessen gewürdigt, die ganze Welt dem Freispruch zuzuneigen.

Es wird ihm gegönnt, in der wunderbaren Erkenntnis der heiligen Tora emporzusteigen, bis sich ihm offenbart, wie am Ende die gesamte Menschheit der „Rückkehr aus Liebe“ gewürdigt wird. Dann wird sich auch für sie jene herrliche Lenkung offenbaren, und sie wird für sie zu sehen sein, und sie alle werden sich dem Freispruch zuneigen. Die Sünden werden von der Erde verschwinden, und Sünder wird es nicht mehr geben.

Die Menschheit selbst wurde bisweilen noch nicht einmal der „Reue aus Furcht“ würdig. In jedem Fall aber, wenn ein Individuum die Neigung zur Seite des Freispruchs erlangt, die allen in Zukunft in klarer und absoluter Erkenntnis bevorsteht, dann gleicht das dem Stadium: „Deine Welt wirst du in deinem Leben sehen“, wie es in Bezug auf einen Menschen heißt, der „Reue aus Furcht“ erfährt. Wie wir bereits sagten, dass es für denjenigen, der sich darüber freut und genießt, so ist, als würde er unmittelbar die Erkenntnis erlangen. Denn „alles, was eingesammelt werden soll, gleicht dem bereits Eingesammelten.“

So auch hier. Sobald der einzelne Mensch die Rückkehr der ganzen Welt erkennt, dann ist es in Bezug auf ihn so, als würde den Menschen tatsächlich bereits die Rückkehr aus Liebe gewährt. So, als würde jeder von ihnen seine Verstöße dem Freispruch zuneigen, ausreichend, um die Beziehung des Schöpfers zu jedem Menschen der Welt zu kennen. Und das ist es, was Rabbi Elasar, der Sohn von Rabbi Shimon, sagt: Der Mensch ist glücklich, weil er sich selbst und die ganze Welt dem Freispruch zuneigte. Von diesem Moment an gilt, dass er alle Wege der Lenkung des Schöpfers in Bezug auf jedes Geschöpf in der Offenbarung des wahren Angesichts kennt; nämlich, dass der Schöpfer gut ist und Guten und Schlechten Gutes tut. Weil der Mensch das weiß, bedeutet es, dass er des vierten Stadiums der Liebe – der ewigen Liebe – würdig wurde.

So warnt auch Rabbi Elasar, der Sohn von Rabbi Shimon, den Menschen, dass, sogar nachdem es ihm gegönnt wurde, die ganze Welt dem Freispruch zuzuneigen, er sich in jedem Fall bis zum Tag seines Todes nicht trauen dürfe. Sollte er mit einem Verstoß Misserfolg erleben, ginge sogleich seine ganze Erkenntnis und das herrliche Heil verloren, wie es in einem Vers heißt: „Ein Sünder wird viel Gutes vernichten.“

Das erklärt, wodurch sich die Worte von Rabbi Elasar, des Sohns von Rabbi Shimon, von den Aussprüchen unterscheiden, die lediglich von dem zweiten und dem dritten Stadium der Liebe handeln und daher nicht die Neigung der ganzen Welt zum Freispruch erwähnen. Im Unterschied dazu spricht Rabbi Elasar, der Sohn von Rabbi Shimon, lediglich vom vierten Stadium der Liebe, welches man sich nur vorstellen kann, nachdem man die Neigung der ganzen Welt zur Seite des Freispruchs hin erkannte. Wir müssen aber noch verstehen, wodurch man dieser wunderbaren Erkenntnis würdig wird, welche die ganze Welt dem Freispruch zuneigt.

122. Wir müssen verstehen, was gesagt wurde (Taanit, 11, S. 1): „Zu einer Zeit, wenn die Gesellschaft in Trauer ist, soll der Einzelne nicht sagen: ‚Ich werde nach Hause gehen und werde essen und trinken, und Frieden soll mit dir sein, meine Seele.‘ Und wenn er dies tut, dann heißt es über ihn (Jesaja, 22:13): ‚Aber siehe da, lauter Freude und Wonne, Rinder töten, Schafe schlachten, Fleisch essen, Wein trinken — Lasset uns essen und trinken; wir sterben doch morgen!’ Was wird darüber gesagt? ‚Und es enthüllte der Herr der Heerscharen meinem Ohr: Diese Sünde soll euch bis zu eurem Tode nicht vergeben werden.‘

Soweit zu dem Maß der Mittleren. Von dem Maß der Sünder heißt es aber: ‚Kommt, ich werde Wein nehmen, und wir werden uns mit Hopfen betrinken, und der morgige Tag soll genauso sein wie dieser.‘ Wie es darüber heißt: ‚Der Gerechte ist gekommen, und niemand ist da, der es zu Herzen nimmt, und fromme Leute sind hingerafft, und niemand achtet darauf“ (Jesaja, 57:1). Wenn aber der Mensch mit der Gesellschaft leiden wird, wird es ihm gegönnt werden, den Trost der Gesellschaft zu sehen.

123. Auf den ersten Blick sind diese Worte vollkommen irrelevant. Denn er will durch das Gesagte beweisen, dass der Mensch mit der Gesellschaft leiden soll. Wenn dem aber so ist, warum müssen wir einen Unterschied und eine Grenze zwischen dem Maß der Mittleren und dem Maß der Sünder ziehen? Und was ist das für eine Präzision: „Maß der Mittleren“ und „Maß der Sünder“? Warum sagt er nicht einfach „Mittlere“ und „Sünder“? Wozu die Maße? Woraus folgt weiterhin, dass es sich um eine Sünde handelt, wenn der Mensch nicht mit der Gesellschaft leidet? Außerdem sehen wir hier keinerlei Bestrafung hinsichtlich des Maßes der Sünder, sondern es heißt: „Fromme Leute sind hingerafft, und niemand achtet darauf.“ Und wenn die Sünder sündigten, wofür wird der Gerechte bestraft? Und warum kümmert es die Sünder, wenn ein Gerechter stirbt?

124. Wisse, dass alle diese Maße der Mittleren, Sünder und Gerechten nicht in besonderen Menschen vorhanden sind, sondern in jedem Menschen der Welt. In jedem Menschen sollte man die drei oben beschriebenen Maße unterscheiden. Denn während der Phase der Verhüllung des Angesichts für das Individuum, bevor es wenigstens der „Rückkehr aus Furcht“ würdig wurde, gehört es noch zum Maß der Sünder.

Wenn ihm die „Rückkehr aus Furcht“ gegönnt wird, gilt, dass der Mensch zum Maß der Mittleren gehört. Wenn ihm danach auch die Ehre der „Rückkehr aus Liebe“ in ihrem vierten Stadium zuteil wird, das heißt die ewige Liebe, gilt er als vollendeter Gerechter. Daher heißt es nicht einfach „Mittlere“ und „Gerechte“, sondern „das Maß der Mittleren“ und „das Maß der Gerechten“.

125. Wir sollten auch darauf bedacht sein, dass es unmöglich ist, des vierten Stadiums der Liebe würdig zu werden, wenn der Mensch nicht zuvor der Erkenntnis des Stadiums der Offenbarung des Angesichts würdig wurde, die der ganzen Welt bevorsteht. Dadurch ist es ihm möglich, auch die ganze Welt dem Freispruch zuzuneigen, wie Rabbi Elasar, der Sohn von Rabbi Shimon, sagte. Und es klärte sich bereits, dass die Offenbarung des Angesichts unbedingt alle Leiden und Qualen der Phase der Verhüllung in herrliche Genüsse verwandelt, sodass der Mensch die geringe Anzahl an Leiden bereut, die er erduldet hat.

Deswegen sollten wir fragen: Ein Mensch, der sich selbst dem Freispruch zuneigt, erinnert sich doch sicherlich an alle Leiden und Qualen, die er in der Phase der Verhüllung des Angesichts erduldete. Daher ist es überhaupt möglich, dass die Leiden sich für ihn in herrliche Genüsse verwandeln. Wenn er aber die ganze Welt dem Freispruch zuneigt, woher kennt er das Maß der von allen Geschöpfen in der Welt erduldeten Leiden und Qualen? Wie kann er verstehen, wie sie sich in der gleichen Weise dem Freispruch zuneigen, wie ein Mensch, der sich selbst zuneigt?

Damit es der Waagschale der ganzen Welt nicht an Gewicht mangelt, hat der Einzelne, der beabsichtigt, die ganze Menschheit dem Freispruch zuzuneigen, gar keine andere Wahl, als mit der Gesellschaft auf gleiche Weise mitzuleiden wie er selbst leidet.

Denn dann wird die Waagschale der Schuld der ganzen Welt immer für den Menschen bereitstehen, wie auch seine eigene Waagschale der Schuld. Wenn er daher würdig wird, sich selbst dem Freispruch zuzuneigen, wird er auch die ganze Welt dem Freispruch zuneigen können und mit dem Stadium des vollkommenen Gerechten belohnt werden.

126. Wenn also der Mensch mit der Gesellschaft leidet, sogar, nachdem er der „Rückkehr aus Furcht“, das heißt des Maßes eines Mittleren, würdig wurde, heißt es über ihn: „Siehe da, Freude und Wonne.“ Das bedeutet, dass einer, dem der Segen „deine Welt wirst du in deinem Leben sehen“ vergönnt wurde, und der die ganze Belohnung für eine Mizwa sieht, die ihm in der zukünftigen Welt bereitet ist, natürlich „voller Freude und Wonne“ ist und sich sagt: „Aber siehe da, lauter Freude und Wonne, Rinder töten, Schafe schlachten, Fleisch essen, Wein trinken: Lasset uns essen und trinken; wir sterben doch morgen!“ Das heißt, er ist voller großer Freude wegen der Belohnung, die ihm in der zukünftigen Welt versprochen wurde. Und davon spricht er mit großer Freude: „Wir sterben doch morgen“, und ich werde von Dem, Der entlohnt, Leben in der zukünftigen Welt nach meinem Tode einsammeln.

Darüber steht aber Folgendes geschrieben: „Und es enthüllte der Herr der Heerscharen meinem Ohr: Diese Sünde soll euch bis zu eurem Tode nicht vergeben werden.“ Anders gesprochen, bezeugt dieser Text die Unachtsamkeitsverstöße des Menschen. Wir klärten, dass für denjenigen, der eine Umkehr aus Furcht vollzog, sich seine böswillig begangenen Sünden in Unachtsamkeitsverstöße verwandeln. In diesem Fall, da der Mensch nicht mit der Gesellschaft litt und nicht der „Rückkehr aus Liebe“ gewürdigt werden kann, bei welcher sich die böswillig begangenen Sünden in Verdienste verwandeln, folgt daraus unweigerlich, dass es für seine Unachtsamkeitsfehler keinerlei Sühne in seinem Leben geben wird. Wie kann sich der Mensch dann über sein Leben in der zukünftigen Welt freuen? Davon heißt es eben: „Diese Sünde soll euch nicht vergeben werden“ – das heißt Unachtsamkeitsverstöße – „bis zu eurem Tode.“ Mit anderen Worten hat der Mensch vor seinem Tode keine Möglichkeit zur Vergebung.

127. Und auch heißt es, das sei das „ Maß der Mittleren“. Die Rede ist vom Zeitraum ab der „Rückkehr aus Furcht“. In dieser Zeit wird der Mensch als ein „Mittlerer“ bezeichnet. Was steht da aber über das „Maß der Sünder“? Anders gesprochen, was bleibt von der Zeit, in der der Mensch in der Verhüllung des Angesichts verharrte und zum „Maß der Sünder“ gehörte? Und es klärte sich auf, dass die „Rückkehr aus Furcht“ das, was mit ihm zuvor war, nicht korrigiert.

Daher werden diesbezüglich andere Worte angeführt: „ Kommt, ich werde Wein nehmen, und wir werden uns mit Hopfen betrinken, und der morgige Tag soll genauso sein wie dieser.“ Das bedeutet, dass die gleichen Tage und Jahre, die der Mensch in der Verhüllung des Angesichts erlebte, und die er noch nicht korrigiert hatte, was als das „Maß der Sünder“ bezeichnet wird, dass diese nicht wollen, dass er stirbt. Denn weil sie das Maß der Sünder sind, haben sie nach dem Tod keinen Anteil an der zukünftigen Welt.

Zur Stunde also, wenn das Maß der Mittleren im Menschen jubelt und frohlockt, „wir sterben doch morgen“ und werden des Lebens in der zukünftigen Welt gewürdigt, sagt das Maß der Sünder im Menschen etwas anderes: „und der morgige Tag soll genauso sein wie dieser“. Das heißt, es will sich freuen und in dieser Welt ewig verharren, weil es keinerlei Anteil n der zukünftigen Welt hat. Denn der Mensch hat es noch nicht korrigiert, weil es dafür keine andere Korrektur als die „Rückkehr aus Liebe“ gibt.

128. Darüber sagt die Schrift: „ Der Fromme ist hingerafft.“ Das heißt, es verschwand für den Menschen das Stadium eines vollkommenen Gerechten, welches er verdienen muss. „Und keiner ist da, der es zu Herzen nimmt, dass der Gerechte wegen des Bösen hingerafft ist.“ Denn jener Mittlere litt nicht die Qual der Gesellschaft und kann daher nicht der „Rückkehr aus Liebe“ gewürdigt werden, welche böswillig begangene Verstöße in Verdienste und das Böse in herrliche Genüsse verwandelt. Im Gegenteil bleiben unterdessen alle Unachtsamkeitsverstöße und alles Unglück, das der Mensch erlitt, bevor er der Reue aus Furcht gewürdigt wurde, in Kraft in Bezug auf das Maß der Sünder, die durch die Lenkung des Schöpfers Böses empfinden. Und wegen dieses Bösen, welches sie bisweilen verspüren, kann er nicht zu einem vollkommenen Gerechten werden.

Deswegen heißt es: „Keiner ist da, der es zu Herzen nimmt.“ Mit anderen Worten nimmt es sich dieser Mensch nicht zu Herzen, „dass der Gerechte wegen des Bösen hingerafft ist“. Gemeint ist: wegen des „Bösen“, welches er immer noch aus der Zeit verspürt, die er in der Lenkung des Schöpfers verbrachte. Mit anderen Worten verschwand für den Menschen das Stadium des Gerechten. Und er wird sterben und wird von der Welt nur im Stadium des Mittleren scheiden. All das, weil ein Mensch, der nicht mit der Gesellschaft leidet, nicht würdig wird, den Trost der Gesellschaft zu erleben – weil er sie nicht dem Freispruch zuneigen und ihren Trost sehen kann. Daher wird ihm niemals das Stadium des Gerechten zuteil.

129. Aus allem oben Gesagten erfuhren wir, dass es niemanden gibt, der von einer Frau auf die Welt gebracht wird und der nicht die drei oben genannten Maße passieren muss:

• das Maß der Sünder;
• das Maß der Mittleren;
• und das Maß der Gerechten.

Sie werden als Maße bezeichnet, weil sie aus den Maßen der Erkenntnis des Schöpfers durch uns resultieren. Das entspricht dem, was die Weisen sagten: „Der Mensch wird mit dem Maß gemessen, mit dem er selbst misst“ (Sota, 8). Denn diejenigen, die das Maß der Lenkung des Schöpfers im Stadium der Verhüllung des Angesichts erkennen, gelten als „sich im Maß der Sünder befindend“; entweder der unvollendeten Sünder nach der einfachen Verhüllung oder der vollendeten Sünder nach der doppelten Verhüllung.

Nach ihrem Verstand und ihrer Empfindung untersteht die Welt einer unguten Lenkung, das heißt, sie „verurteilen“ sich selbst dadurch, dass sie durch die Lenkung des Schöpfers Leiden und Qualen bekommen und den ganzen Tag nur Böses erfahren. Dann „verurteilen“ sie noch mehr und denken, dass die gesamte Menschheit durch ungute Lenkung regiert wird.

Deswegen werden sie als die „Sünder“ bezeichnet. Aus den Tiefen ihrer Empfindung enthüllt sich in ihnen dieser Name und hängt vom Verständnis des Herzens ab. Ihre Worte und Gedanken, die die Lenkung des Schöpfers rechtfertigen, sind unwichtig, wenn ihr Körper das Gegenteil empfindet.

Solche, die sich in diesem Maß der Erkenntnis der Lenkung befinden, neigen sich selbst und die Welt dem Schuldspruch zu, wie es oben in den Worten von Rabbi Elasar, dem Sohn von Rabbi Shimon, hieß. Weil sie es sich vorstellen, dass alle Bewohner der Welt, genau wie sie selbst, nicht von der guten Lenkung regiert werden, welcher der Name des Schöpfers gebührt – gütig und Guten und Schlechten Gutes bescherend.

130. Diejenigen, die damit beehrt werden, die Lenkung des Schöpfers auf der ersten Stufe der Offenbarung des Angesichts zu erkennen und zu verspüren, die als „Rückkehr aus Furcht“ bezeichnet wird, gelten als das Maß der Mittleren, weil sich ihre Gefühle in zwei Teile aufspalten. Diese werden als die „zwei Waagschalen“ bezeichnet. Denn nun, nachdem ihnen die Offenbarung des Angesichts im Stadium „deine Welt wirst du bei deinem Leben sehen“ gegönnt wurde, haben sie zumindest von diesem Moment an bereits die gute Lenkung des Schöpfers erkannt, die Seinem guten Namen gebührt. Daher haben sie eine „Waagschale des Freispruchs“.

Die Sorgen und bitteren Leiden jedoch, die sich in ihren Gefühlen in jenen Tagen und Jahren der Vergangenheit eingeprägt haben, als sie von der Verhüllung des Angesichts gelenkt wurden, weil sie noch nicht der oben erwähnten Rückkehr würdig waren, bleiben in Kraft und werden als die „Waagschale der Schuld“ bezeichnet. Also haben sie nun diese zwei Waagschalen, die einander gegenüberstehen. Vom Moment ihrer Rückkehr an und nach hinten erstreckt sich die Waagschale der Schuld, und vom Moment ihrer Rückkehr an und nach vorn erstreckt und eröffnet sich ihnen die Waagschale des Freispruchs. Also liegt für sie die Zeit der Rückkehr „in der Mitte“ zwischen dem Schuldspruch und dem Freispruch. Daher werden sie als die „Mittleren“ bezeichnet.

131. Und für jene, denen die zweite Stufe der Offenbarung des Angesichts vergönnt wurde, die als „Rückkehr aus Liebe“ bezeichnet wird, bei welcher sich böswillig begangene Verstöße in Verdienste verwandeln, gilt, dass sie die „Waagschale der Schuld“ der „Waagschale des Freispruchs“ zuneigten. Alle Leiden und Qualen, die in ihre Knochen eingemeißelt wurden, als sie der Lenkung der Verhüllung des Angesichts unterstanden, werden jetzt bewertet und verwandeln sich in die „Waagschale der Rechtfertigung (des Freispruchs)“. Jedes Leid und jeder Kummer verwandelt sich daher in unendlich herrlichen Genuss. Und nun heißen sie „Gerechte“, weil sie die Lenkung des Schöpfers rechtfertigen.

132. Wir müssen wissen, dass das Maß der Mittleren sogar dann möglich ist, wenn der Mensch der Lenkung durch die Verhüllung des Angesichts unterliegt. Dank zusätzlichen Anstrengungen in der Verfestigung im Glauben an Belohnung und Strafe öffnet sich für sie das Licht großen Vertrauens in den Schöpfer. Zu ihrer Zeit werden sie der Stufe der Offenbarung des Angesichts des Schöpfers entsprechend dem Maß der Mittleren gewürdigt. Der Mangel besteht aber darin, dass sie nicht in ihren Eigenschaften ausharren können, um fortwährend so bleiben zu können. Denn fortwährend bleiben kann man nur mittels der „Rückkehr aus Furcht“.

133. Wir müssen auch Folgendes wissen: Wir sagten, dass die freie Wahl nur in der Zeit der Verhüllung des Angesichts vorhanden ist, was aber nicht bedeutet, dass, nachdem der Mensch der Lenkung durch die Offenbarung des Angesichts gewürdigt wurde, ihm keine Sorgen und Anstrengungen mehr in den Beschäftigungen mit der Tora und den Mizwot bevorstehen. Ganz im Gegenteil beginnt der Hauptteil der Arbeit in der Tora und den Mizwot erst, nachdem der Mensch der „Rückkehr aus Liebe“ gewürdigt wurde. Denn erst dann kann er sich mit der Tora und den Geboten (Mizwot) in Liebe und Ehrfurcht beschäftigen, wie es uns geboten wurde. „Die Welt wurde nur für vollendete Gerechte erschaffen“ (Brachot, 61).

Das gleicht einem König, der im Land alle seine treusten Untergebenen versammeln und sie in die Arbeit im Inneren seines Schlosses einführen wollte. Was tat er also? Er verschickte im ganzen Land einen offenen Befehl, dass jeder, der wollte, jung oder alt, in seinen Palast kommen und sich mit inneren Arbeiten im Palast beschäftigen möge. Er stellte aber viele Bedienstete am Eingang zum Schloss und auf allen Wegen, die zu ihm führen, zur Wache auf und befahl ihnen, mit List alle in die Irre zu führen, die sich dem Schloss näherten, und sie von dem Weg abzudrängen, der dorthin führt.

Natürlich strömten alle Bewohner des Landes zum Palast des Königs, wurden aber von der List eifriger Wachmänner in die Irre geführt. Und viele von ihnen überwältigten die Wachmänner so weit, dass sie sich dem Eingang des Schlosses nähern konnten. Die Wachmänner am Eingang waren aber die eifrigsten. Und jeden, der sich dem Eingang näherte, lenkten sie ab und drängten ihn ab mit großer Beflissenheit, bis er verzweifelt wegging. Sie kamen wieder und gingen wieder und bestärkten sich erneut und kamen wieder und gingen wieder. So wiederholte es sich einige Tage oder Jahre, bis sie endlich ihrer Versuche müde wurden. Und nur die Helden unter ihnen, deren Maß an Geduld ausreichte, überwältigten jene Wachmänner, öffneten das Tor und wurden sogleich des Antlitzes des Königs gewürdigt, der jeden auf den ihm passenden Posten einsetzte. Natürlich hatten sie von dem Augenblick an nichts mehr mit jenen Wachmännern zu tun, die sie ablenkten und abdrängten und ihr Leben mehrere Tage oder Jahre bitter machten, als sie zum Eingang kamen und wieder gingen. Denn sie wurden dessen gewürdigt, vor der Herrlichkeit des Lichts des Antlitzes des Königs im Inneren seines Schlosses zu arbeiten und zu dienen.

So ist es auch in der Arbeit vollendeter Gerechter. Die Wahl, die der Phase der Verhüllung des Angesichts eigen ist, findet natürlich ab dem Moment, in dem sie die Türen zur Erkenntnis der klaren Lenkung öffneten, nicht mehr statt. Zur hauptsächlichen Arbeit des Schöpfers schreitet man aber gerade im Stadium der Offenbarung des Angesichts und beginnt dann, die zahlreichen Stufen der Leiter zu erklimmen, deren Sockel auf der Erde steht und deren Spitze in den Himmel reicht. Wie es heißt: „Die Gerechten werden von Erfolg zu Erfolg schreiten“, und entsprechend der Deutung der Weisen beneidet jeder Gerechte den Ruhm seines Freundes. Diese Arbeit macht sie geeignet für die Ausführung des Willens des Schöpfers, damit sich in ihnen Sein Schöpfungsplan verwirklicht – „die Geschöpfe mit Genuss zu erfüllen“ mit Seiner gütigen und großzügigen Hand.

134. Und es ist wichtig, dieses höchste Gesetz zu kennen: Es gibt keine Offenbarung, außer dort, wo zuvor eine Verhüllung war. Dies gilt ebenso für die Dinge dieser Welt, wo das Nichtvorhandensein dem Sein vorausgeht. Denn das Wachstum des Weizens wird erst sichtbar, nachdem er gesät und verrottet ist.

Ebenso verhält es sich mit den höheren Dingen, bei denen Verhüllung und Offenbarung in einer Beziehung zueinander stehen wie der Docht zum Licht, das sich an ihm festhält. Denn jede Verhüllung, die zur Korrektur gelangt, bringt in ihrer Folge das Licht hervor, das dieser spezifischen Verhüllung entspricht. Und das enthüllte Licht hält sich an der Verhüllung fest, wie das Licht am Docht. Denke daran auf all deinen Wegen.

135. Jetzt sollst du auch die Worte unserer Weisen verstehen, dass die ganze Tora die Namen des Schöpfers darstellt. Auf den ersten Blick sind diese Worte unverständlich, weil man in der Tora viele grobe Worte finden kann, solche wie die Namen der Sünder, Pharao, Bilam und dergleichen, „Verbot“, „Unreinheit“, grausame Verwünschungen und dergleichen. Wie soll man begreifen, dass all das Namen des Schöpfers sind?

136. Um das zu verstehen, müssen wir wissen, dass unsere Wege nicht die Seinigen sind. Unsere Wege bestehen darin, aus dem Unvollkommenen zum Vollkommenen zu gelangen. Auf Seinem Wege kommen alle Offenbarungen von der Perfektion hin zum Unperfekten zu uns. Denn zu Beginn wird erschaffen (emaniert), und vollendete Perfektion tritt aus Ihm heraus, und diese Perfektion steigt herab von Seinem Angesicht und verbreitet sich Einschränkung für Einschränkung über einige Stufen, bis sie endlich zur letzten Stufe der größten Einschränkung gelangt, die unserer materiellen Welt entspricht. Dann erscheint das Materielle in unserer Welt.

137. Aus dem oben Gesagten wisse, dass die heilige Tora, deren Höhe an Güte keine Grenze gesetzt ist, nicht sofort so emanierte und vor den Schöpfer trat, wie sie sich uns hier in unserer Welt darstellt. Denn es ist bekannt, dass „die Tora und der Schöpfer eins sind“, und in der Tora unserer Welt ist dies ganz und gar unbemerkbar. Und mehr als das: Für denjenigen, der sich mit ihr lo liShma beschäftigt, wird die Tora zu einem tödlichen Gift.

Im Gegenteil: Wie wir sagten, wurde die Tora, als sie zu Beginn vom Schöpfer erschaffen wurde, in vollendeter Perfektion erschaffen und trat so heraus, das heißt wahrlich im Stadium „Tora und der Schöpfer sind eins“. Das ist es, was im Vorwort zu Tikunej Sohar (S. 3) als die Tora der Welt Azilut bezeichnet wird: „Der Schöpfer, das Licht und Seine Handlungen sind in ihr eins.“ Dann stieg sie von Seinem Angesicht herab und kontrahierte stufenweise durch viele Kontraktionen, bis sie endlich auf dem Berg Sinai gegeben wurde – in einer Fassung, wie sie sich uns hier in unserer Welt darstellt, eingekleidet in grobe Kleider der materiellen Welt.

138. Dennoch sollst du wissen, dass obwohl der Abstand zwischen den Hüllen der Tora in dieser Welt und den Hüllen in der Welt der Azilut unermesslich groß ist, wie oben beschrieben, sich die Tora selbst, das heißt das Licht, das in den Hüllen enthalten ist, in keiner Weise verändert – weder in der Tora der Azilut noch in der Tora dieser Welt. Dies entspricht dem Vers: „Ich, der Ewige, habe mich nicht geändert“ (Maleachi 3,6).

Mehr noch, diese groben Hüllen der Tora in der Welt Assija mindern keineswegs die Bedeutung des Lichts, das in ihnen enthalten ist. Im Gegenteil, ihre Bedeutung übertrifft die der reinen Hüllen in den oberen Welten, besonders im Hinblick auf das Ende der Korrektur.

Der Grund dafür ist, dass die Verhüllung die Ursache für die Offenbarung ist. Nach der Korrektur wird die Verhüllung selbst zur Offenbarung, wie ein Docht, der das Licht hält, wie oben erwähnt. Je größer die Verhüllung ist, desto größer ist auch das Licht, das durch ihre Korrektur enthüllt wird.

Daraus folgt, dass diese groben Hüllen, in die die Tora in dieser Welt gekleidet ist, keineswegs eine Herabsetzung des Lichts darstellen, sondern im Gegenteil, sie sind von noch größerer Bedeutung, wie oben erklärt.

139. Damit hat Moses die Engel besiegt, als er argumentierte: „Gibt es etwa Eifersucht unter euch? Gibt es einen Bösen Trieb unter euch?“ (Shabbat, 89a). Das bedeutet, wie oben erklärt, dass die größte Verhüllung das größte Licht offenbart. Er zeigte ihnen, dass durch die reinen Hüllen, in die die Tora in der Welt der Engel gekleidet ist, solche großen Lichter nicht offenbart werden können wie durch die Hüllen dieser Welt, wie bereits erläutert.

140. Somit ist klargestellt, dass es keinen Unterschied, nicht einmal den geringsten, zwischen der Tora der Azilut, in der „die Tora und der Schöpfer eins sind“, und der Tora dieser Welt gibt. Der einzige Unterschied liegt in den Hüllen. Denn die Hüllen dieser Welt verhüllen und verbergen den Schöpfer.

Du sollst wissen, dass der Schöpfer, wenn er sich in der Tora kleidet, als „Lehrer“ bezeichnet wird, um dir zu zeigen, dass selbst in Zeiten der Verhüllung, selbst bei der doppelten Verhüllung, der Schöpfer in der Tora weilt und in ihr verborgen ist. Denn Er ist „Lehrer“ und sie ist „Tora“.

Die groben Hüllen der Tora, wie sie uns erscheinen, sind wie Flügel, die den Lehrer, der in ihnen verborgen ist, bedecken und verbergen. Doch wenn der Mensch das Verdienst erlangt, das Angesicht zu sehen, durch Umkehr aus Liebe, in ihrer höchsten Stufe, wird über ihn gesagt: „Dein Lehrer wird sich nicht länger verbergen, und deine Augen werden deinen Lehrer sehen“ (Jesaja 30,20). Denn von da an verdecken und verbergen die Hüllen der Tora den „Lehrer“ nicht mehr. Und es wird ihm ewig offenbart, dass „die Tora und der Schöpfer eins sind“.

141. Daraus sollst du den Satz verstehen: „Mich verlasset, doch mein Gesetz haltet ein!“ Das bedeutet: „Ich wünschte, ihr würdet mich verlassen und meine Tora würdet ihr halten, denn das Licht, welches sich in ihr birgt, bringt zum Guten zurück“ (Jerusalemer Talmud, Chagiga, 1:7). Auf den ersten Blick ist dies merkwürdig. Gemeint ist aber, dass die Menschen fasteten und litten, um die Offenbarung des Angesichts des Schöpfers zu finden, wie es heißt: „Sie begehren, dass Gott sich nähert“ (Jesaja, 58:2).

Und es sagt die Schrift im Namen des Schöpfers: „Ich wünschte, ihr würdet mich verlassen, denn all eure Bemühungen sind vergebens und nutzlos, denn ich bin nirgends anders zu finden als in der Tora. Deswegen haltet die Tora, und dort suchet mich, und das Licht, welches sich in ihr birgt, wird euch zum Guten zurückführen, und ihr werdet mich finden“, wie es auch in den Worten geklärt wird: „Diejenigen, die Mich suchen, werden Mich finden.“

142. Nun kann man die Essenz der Weisheit der Kabbala in gewissem Maße erläutern. Dies soll ausreichen, um ein zuverlässiges Verständnis für die Natur dieser Weisheit zu vermitteln, damit man sich nicht durch falsche Vorstellungen täuscht, die viele Menschen darüber haben.

Man muss wissen, dass die Heilige Tora in vier Aspekte unterteilt ist, die die gesamte Realität umfassen:

  1. Drei Aspekte der Realität in dieser Welt, die „Welt“, „Jahr“ und „Seele“ genannt werden.
  2. Der vierte Aspekt betrifft die Existenzweise dieser drei Bestandteile der Realität, d. h. ihre Versorgung, Führung und ihre Ereignisse.

143. Erläuterung:

A. Die äußeren Elemente der Realität, wie Himmel, Firmament, Erde, Meere usw., die in der Heiligen Tora erwähnt werden, werden „Welt“ genannt.

B. Die inneren Elemente der Realität, d. h. Mensch, Tiere, Vögel und dergleichen, die in der Tora beschrieben sind und sich an diesen äußeren Orten befinden, werden „Seele“ genannt.

C. Die Entwicklung der Realität durch die Generationen wird als „Jahr“ bezeichnet, z. B. die Abfolge der Generationen von Adam bis zu Josua und Kaleb, wobei der Vater als „Ursache“ und der Sohn als „Wirkung“ betrachtet wird.

D. Die verschiedenen Existenzweisen dieser Realität, ob äußerlich oder innerlich, sowie ihre Führung und ihre Ereignisse, wie in der Tora beschrieben, werden „Erhaltung der Realität“ genannt.

144. Und du sollst wissen, dass die vier Welten, die in der Weisheit der Kabbala als „Azilut“, „Brija“, „Yezira“ und „Assija“ bezeichnet werden, bei ihrem Hervortritt in der Weise von Siegel und Abdruck entstanden sind. Das bedeutet, dass alles, was im Siegel enthalten ist, notwendigerweise und exakt im Abdruck erscheint, weder mehr noch weniger.

So geschah es bei der Entwicklung der Welten, dass alle vier Aspekte – Welt, Jahr, Seele und deren Erhaltungsweisen – die in der Welt Azilut existierten, sich genauso auch in der Welt Brija zeigten und dort enthüllt wurden.
Und so auch von der Welt Brija zur Welt Yezira und von dort weiter zur Welt Assija.

Daher wurden alle drei Aspekte der Realität, die in unserer Welt vor uns liegen und „Welt, Jahr, Seele“ genannt werden, zusammen mit ihren Erhaltungsweisen aus der Welt Yezira gezogen und dort enthüllt.
Die Welt Yezira selbst stammt wiederum aus der Welt darüber, und die Quelle aller vielfachen Details, die wir in unserer Welt sehen, ist die Welt Azilut.

Sogar die neuen Dinge, die in dieser Welt erscheinen, müssen sich zuerst in der Welt Azilut zeigen, von dort aus hinunterströmen und schließlich in unserer Welt enthüllt werden.

Davon sprachen die Weisen: „Es gibt keinen Grashalm unten, der kein Schicksal und keinen Wachmann oben hätte, der ihn schlägt und ihm sagt: ‚Wachse!‘“ (Bereshit Rabba, 10). Und das ist es, was geschrieben steht: „Der Mensch unten wird keinen Finger krümmen, bevor man das nicht oben verkündet“ (Chulin, S. 7).

145. Wisse, dass sich die Tora in den drei Aspekten der Existenz manifestiert: Welt, Jahr und Seele, sowie in deren materiellen Erscheinungsformen in dieser Welt. Hieraus entstehen die Verbote, die Unreinheit und die Unzulänglichkeiten, die in der offenbarten Tora erscheinen, in der, wie oben erklärt, der Schöpfer verhüllt ist, gemäß dem Geheimnis „Die Tora und der Heilige, gesegnet sei Er, sind eins“.

Diese Verhüllung geschieht durch große Verborgenheit, da diese materiellen Gewänder wie Flügel sind, die den Schöpfer verhüllen und verbergen.

Die Manifestation der Tora in den reinen Aspekten von Welt, Jahr und Seele und deren Existenz in den drei oberen Welten, die Azilut, Brija und Yezira genannt werden, wird insgesamt als „Weisheit der Kabbalah“ bezeichnet.

146. Daher sind die Weisheit der Kabbalah und die offenbarte Tora ein und dasselbe. Solange der Mensch jedoch unter der verborgenen Vorsehung steht, und der Schöpfer sich in der Tora verbirgt (wie oben erwähnt), wird gesagt, dass er sich mit der offenbarten Tora beschäftigt. Das bedeutet, er ist noch nicht fähig, Erleuchtung aus der Tora von Yezira zu empfangen, geschweige denn von dem, was sich über der Welt Yezira befindet.

Wenn der Mensch die Offenbarung des Angesichts erlangt, wie oben erwähnt, beginnt er sich mit der Weisheit der Kabbala zu beschäftigen. Die Gewänder der offenbarten Tora selbst werden für ihn geläutert und seine Tora wird zur Tora von Yezira, die „Weisheit der Kabbalah“ genannt wird.

Selbst wenn jemand die Tora von Azilut erlangt, bedeutet dies nicht, dass sich die Buchstaben der Tora für ihn ändern. Vielmehr werden dieselben Gewänder der offenbarten Tora für ihn geläutert und werden zu sehr reinen Gewändern, im Sinne von „dein Lehrer wird sich nicht mehr verhüllen, und deine Augen werden deinen Lehrer sehen.“ Wie oben erklärt wurde, wird dies dann als der Zustand beschrieben, in dem „Er, Sein Leben und Seine Werkzeuge eins sind.“

147. Um dies dem Verstand etwas näher zu bringen, gebe ich dir ein Beispiel: Solange der Mensch sich in der Zeit des verborgenen Angesichts befand, mussten die Buchstaben und Gewänder der Tora den Schöpfer verhüllen, weshalb er durch vorsätzliche und unbeabsichtigte Übertretungen versagte. Damals stand er unter der Rute der Strafe, unter den groben Gewändern der Tora, die Unreinheit, Verbot und Fehlerhaftigekit und dergleichen sind.

Wenn er jedoch zur offenbaren Vorsehung gelangt und zur Umkehr aus Liebe, wodurch die vorsätzlichen Übertretungen zu Verdiensten werden, dann werden all die vorsätzlichen und unbeabsichtigen Übertretungen, durch die er in der Zeit des verborgenen Angesichts sversagte, von ihren groben und sehr bitteren Gewändern befreit und kleiden sich in Gewänder des Lichts, der Gebote und der Verdienste. Denn diese groben Gewänder selbst verwandeln sich in Verdienste, wie oben erklärt. Sie sind nun Gewänder, die aus der Welt von Azilut oder Brija stammen, die den „Lehrer“, gepriesen sei Er, nicht mehr verhüllen und bedecken, sondern im Gegenteil: „deine Augen werden deinen Lehrer sehen“, wie oben erwähnt.

Es gibt also, Gott bewahre, keinen Unterschied zwischen der Tora der Welt Azilut und der Tora dieser Welt, das heißt zwischen der Weisheit der Kabbala und der offenbarte Tora. Der einzige Unterschied liegt allein im Zustand des Menschen, der sich mit der Tora beschäftigt. Zwei Menschen können sich mit der gleichen Tora, dem gleichen Gesetz und den gleichen Worten beschäftigen, und dennoch wird für den einen die Tora als Weisheit der Kabbala und als Tora der Welt Azilut erscheinen, während sie für den anderen als Tora der Welt Assija und als offenbarte Tora verbleibt. Verstehe dies gut.

148. Nun wirst du die Wahrhaftigkeit der Worte aus dem Gebetbuch des Gaon aus Vilna verstehen. Im Segensspruch für die Tora schrieb er, dass man mit der Tora bei Sod (Geheimnis) beginnt, das heißt bei der offenbarten Tora der Welt Assija, die zur Kategorie des Verhüllten gehört, weil sich der Schöpfer dort vollkommen verhüllt. Dann geht man zur Andeutung (Remes) über, was bedeutet, dass Er sich mehr in der Tora der Welt Yezira offenbart. So, bis der Mensch endlich des einfachen (enthüllten) Sinnes (Pshat) würdig wird – der Tora der Welt Azilut, die als der „einfache Sinn“ (Pshat) bezeichnet wird, weil sie alle Kleider abwirft, die den Schöpfer verhüllten.

149. Nun können wir uns einen gewissen Begriff und eine Vorstellung von den vier reinen Welten machen, die in der Wissenschaft der Kabbala unter den Namen Azilut, Brija, Yezira und Assija bekannt sind, und auch von den vier unreinen Welten ABYA, die den reinen Welten ABYA gegenüberstehen. Verstehe das aus den vier Stadien der Erkenntnis der Lenkung des Schöpfers und aus den vier Stufen der Liebe. Betrachten wir zunächst die vier reinen Welten ABYA. Dabei beginnen wir von unten, von der Welt Assija.

150. In den vorherigen Paragrafen klärten sich für uns die zwei ersten Stadien der Lenkung in der Verhüllung des Angesichts. Wisse, dass sie beide zur Welt Assija gehören. Daher steht im Buch „Baum des Lebens“, dass die Welt Assija zum größten Teil böse ist, und auch das geringe Gute in ihr ist mit dem Bösen bis zur Unkenntlichkeit vermischt. Aus der einfachen Verhüllung resultiert, dass der größte Teil böse ist. Gemeint sind Leiden und Schmerz, welche von denen empfunden werden, die diese Lenkung erhalten. Und aus der doppelten Verhüllung folgt, dass auch das Gute sich mit dem Bösen vermischt und dabei vollkommen unkenntlich bleibt.

Das erste Stadium der Offenbarung des Angesichts ist das Stadium „Welt Yezira“, und daher heißt es im Buch „Baum des Lebens“ (Tor 58, T. 3), dass die Welt Yezira zur Hälfte gut und zur Hälfte böse ist. Mit anderen Worten ist das erste Stadium der Offenbarung des Angesichts das erste Stadium bedingter Liebe, das lediglich „Rückkehr aus Furcht“ genannt wird; und derjenige, der sie erkennt, wird als ein „Mittlerer“ bezeichnet, weil er halb schuldig und halb freigesprochen ist.

Die Liebe im zweiten Stadium ist ebenfalls bedingt; es gibt aber zwischen dem Menschen und dem Schöpfer keine Spur (Erinnerung) des Schadens oder irgendwelches Bösen. Das gleiche bezieht sich auf das dritte Stadium der Liebe, welches das erste Stadium bedingungsloser Liebe ist. Beide Stadien gehören zur Kategorie der „Welt Brija“. Daher heißt es im Buch „Baum des Lebens“, dass der größere Teil der Welt Brija gut und der kleinere böse ist und dieser geringe Anteil des Bösen unerkennbar ist. Wie es oben gesagt wurde, neigt sich der Mittlere dem Freispruch zu, sobald er einer Mizwa gewürdigt wird, und wird daher als „größtenteils gut“ bezeichnet. Anders gesprochen, ist es das zweite Stadium der Liebe. Und die unerkennbare Kleinigkeit an Bösem, die in der Welt Brija existiert, resultiert aus dem dritten Stadium (der dritten Form) der bedingungslosen Liebe. Der Mensch neigte zwar sich selbst bereits dem Freispruch zu, aber noch nicht die ganze Welt, und daher ist ein geringer Anteil von ihm böse, weil seine Liebe noch nicht zu einer ewigen wurde. Diese Kleinigkeit ist aber unbemerkbar, weil der Mensch noch nichts Böses und keinen Schaden auch in Bezug auf andere verspürt hat.

Das vierte Stadium der Liebe, das heißt, bedingungslose und ewige Liebe, gehört zur Kategorie der Welt Azilut. Davon spricht das Buch „Baum des Lebens“: In der Welt Azilut gibt es nicht das geringste Böse. Dort gilt: „Böses bleibt nicht vor dir“ (Psalmen 5:5), weil, nachdem der Mensch auch die ganze Welt dem Freispruch zugeneigt hat, die Liebe zu einer ewigen und absoluten wird und es niemals mehr einen Begriff von jeglicher Bedeckung oder Verhüllung geben wird. Denn dort ist der Ort absoluter Offenbarung, wie es heißt: „Und dein Lehrer wird sich nicht mehr verbergen müssen, sondern deine Augen werden deinen Lehrer sehen.“ Denn der Mensch kennt bereits alle Beziehungen des Schöpfers zu allen Geschöpfen in der Kategorie wahrer Lenkung, die sich aus Seinem Namen offenbart: der Gütige, der Guten und Schlechten Güte Erweisende.

151. Nun wirst du auch die Kategorie der vier unreinen Welten (Klipot) ABYA verstehen, die den reinen Welten ABYA de Kedusha nach dem Prinzip gegenüberstehen: „Eines gegenüber dem Anderen schuf der Schöpfer.“ Das System (Merkawa) unreiner Kräfte (Klipot) der Welt Assija verweilt auf beiden Stufen der Verhüllung des Angesichts, und dieses System herrscht, um den Menschen dazu zu zwingen, alles der Waagschale der Schuld zuzuneigen.

Die Welt Yezira der Klipa (die unreine Welt Yezira) hält in ihren Händen die Waagschale der Schuld, die nicht in der (reinen) Welt Yezira de Kedusha korrigiert wurde. Davon werden die „Mittleren“ beherrscht, die von der Welt Yezira nach dem Prinzip „Eines gegenüber dem Anderen schuf der Schöpfer“ bekommen.

Dabei hält die Welt Brija der Klipa (die unreine Welt Brija) in ihren Händen eine Kraft, die ausreicht, um die bedingte Liebe aufzuheben, das heißt, lediglich das aufzuheben, wovon sie abhängt. Das ist die Unvollkommenheit der Liebe des zweiten Stadiums.

Die (unreine) Welt Azilut der Klipa hält in ihren Händen jene Kleinigkeit an Bösem, deren Anwesenheit in der Welt Brija aufgrund des dritten Stadiums der Liebe ununterscheidbar ist. Es ist zwar eine wahre Liebe, die vom Gütigen, den Schlechten und den Guten Güte Erweisenden schöpft und zur reinen Welt Azilut gehört – aber dadurch, dass der Mensch nicht dessen gewürdigt wurde, auf die gleiche Weise auch die ganze Welt dem Freispruch zuzuneigen, ist die Unreinheit fähig, die Liebe kraft des Faktors der Lenkung anderer scheitern zu lassen.

152. Davon heißt es im „Baum des Lebens“: Die unreine Welt Azilut steht gegenüber der Welt Brija und nicht gegenüber der Welt Azilut. Denn in der reinen Welt Azilut, welcher nur das vierte Stadium der Liebe entspringt, gibt es keinerlei Macht der Unreinheit (Klipa), denn ein Mensch, der bereits die ganze Welt dem Freispruch zuneigte, kennt alle Beziehungen des Schöpfers – sogar in dem, was die Lenkung aller Geschöpfe angeht, dank der Erkenntnis des Namens des Schöpfers: der Gütige, der Guten und Schlechten Güte Erweisende.

Der Welt Brija aber entspringt das dritte Stadium der Liebe, welches noch nicht die ganze Welt dem Freispruch zugeneigt hat. Daher gibt es dort noch einen Halt für die Klipa. Diese Unreinheit gilt jedoch als die unreine Welt Azilut, weil sie dem dritten Stadium gegenübersteht, welches die bedingungslose Liebe darstellt. Und bedingungslose Liebe gehört zur Kategorie der Welt Azilut

153. Nun haben sich die vier reinen Welten ABYA sowie die vier unreinen Welten ABYA geklärt, von welchen jede jeweils der reinen Welt gegenübersteht und den Mangel an der ihr gegenüberstehenden reinen Welt darstellt. Sie werden als die vier unreinen Welten ABYA bezeichnet.

154. Diese Worte reichen jedem Studierenden aus, um mit dem Verstand das Wesen der Wissenschaft der Kabbala wenigstens in verschwindend geringem Maße zu erfassen. Du sollst wissen, dass die Mehrheit der Autoren von Büchern über die Kabbala ihre Bücher nur an diejenigen Studierenden adressierten, die bereits der Offenbarung des Angesichts und allerhöchster Erkenntnisse gewürdigt wurden. Man sollte aber nicht fragen: Wenn sie bereits dessen gewürdigt wurden, dann wissen sie doch sicherlich alles aus eigener Erkenntnis? Wozu sollten sie dann noch kabbalistische Bücher anderer studieren?

Eine solche Frage zeugt nicht von Weisheit. Das gleicht einem Menschen, der sich mit der offenen Tora beschäftigt, ohne die geringste Vorstellung von den Dingen dieser Welt hinsichtlich der Kategorien „Welt“, „Jahr“ und „Seele“ zu haben. Er kennt keine Situationen, die sich mit Menschen ergeben können, kennt weder ihr Verhalten gegenüber sich noch ihr Verhalten gegenüber anderen. Er kennt weder Haus- und Wildtiere noch Vögel dieser Welt. Kannst du jemals annehmen, dass eine solche Person fähig wäre, irgendeine Frage in der Tora richtig zu verstehen? Denn so jemand würde doch alle Fragen der Tora von den Füßen auf den Kopf drehen, vom Bösen zum Guten und vom Guten zum Bösen und würde sich in nichts zurechtfinden.

Gleiches trifft auf die Frage zu, die vor uns steht. Der Mensch wird zwar der Erkenntnis gewürdigt, sei es sogar der Tora der Welt Azilut – in jedem Fall weiß er aber von dort nur das, was seine eigene Seele anbelangt. Er muss aber noch auf absolute Weise alle drei Kategorien erkennen – „Welt“, „Jahr“ und „Seele“ in allen ihren Arten und Verhaltensformen –, um eine Möglichkeit zu haben, alle Fragen der Tora zu verstehen, die sich auf die gegebene Welt beziehen. Diese Fragen werden in allen Details und Feinheiten im Buch Sohar und in wahrhaftigen Büchern zur Kabbala erklärt, die jeder Weise und jeder verstehende Mensch Tag und Nacht studieren muss.

155. Dementsprechend können wir uns fragen: Warum haben die Kabbalisten jeden Menschen verpflichtet, die Wissenschaft der Kabbala zu studieren? Tatsächlich verbirgt sich darin eine große Sache, die es wert ist, veröffentlicht zu werden, denn für diejenigen, die sich mit der Wissenschaft der Kabbala beschäftigen, existiert darin eine unschätzbar wunderbare Kostbarkeit; und auch wenn sie noch nicht verstehen, was sie lernen – aber dank einem starken Willen und dem Streben, das studierte Material zu verstehen –, erwecken sie auf sich Lichter, die ihre Seelen umgeben.

Das bedeutet, dass es jedem Menschen von Israel garantiert ist, am Ende alle wunderbaren Erkenntnisse zu erlangen, mit welchen der Schöpfer im Schöpfungsplan jedes Geschöpf zu beschenken beabsichtigte. Und derjenige, der dessen nicht in dieser Reinkarnation gewürdigt wurde, wird dessen in der zweiten gewürdigt usw., bis er endlich würdig wird, den Plan des Schöpfers zu vollenden. Und solange der Mensch nicht seiner Vollkommenheit würdig wurde, werden für ihn jene Lichter, die dazu vorherbestimmt sind, zu ihm zu kommen, als „umgebende Lichter“ definiert. Ihr Sinn besteht darin, für ihn bereit zu stehen, aber sie warten auf den Menschen, bis er sein Gefäß des Empfangens reinigt. Dann werden sich die Lichter in diese vorbereiteten Gefäße einkleiden.

Dementsprechend auch, wenn es einem Menschen an Gefäßen mangelt und er während seiner Beschäftigung mit dieser Wissenschaft dabei die Namen der Lichter und Gefäße erwähnt, die einen Bezug zu seiner Seele haben – so leuchten diese sogleich auf ihn in gewissem Maße. Sie leuchten ihm aber, ohne sich in den inneren Teil seiner Seele einzukleiden, weil es ihm an Gefäßen mangelt, die sich für deren Erhalt eignen würden. Das Leuchten aber, welches der Mensch wieder und wieder während des Studiums erhält, zieht die höchste Lieblichkeit an ihn heran und erfüllt ihn mit Heiligkeit und Reinheit, die ihn näher zur Erreichung seiner Vollkommenheit bringen.

156. Es gibt jedoch eine strenge Bedingung beim Studium dieser Weisheit: Man darf die Dinge nicht vermaterialisieren, indem man sie in imaginären oder materiellen Begriffen darstellt. Dadurch verstößt man gegen das Gebot „Du sollst dir kein Bildnis oder Gleichnis machen“, Gott bewahre. Denn in einem solchen Fall zieht man sich Schaden zu, anstatt Nutzen daraus zu ziehen. Deshalb warnten die Weisen, diese Weisheit nur unter bestimmten Voraussetzungen zu lernen, etwa nach dem vierzigsten Lebensjahr oder von einem Lehrer, und so weiter, um Vorsicht walten zu lassen. All dies geschah aus dem oben genannten Grund.

Aus diesem Grund habe ich, mit Gottes Hilfe, die Kommentare Panim Me’irot und Panim Masbirot zum Werk Ez Chaim verfasst, um die Leser vor jeglicher Vermaterialisierung zu bewahren.

Doch nachdem die ersten vier Teile dieser Kommentare gedruckt und unter den Lernenden verbreitet wurden, erkannte ich, dass ich meiner Pflicht, eine verständliche Erklärung zu liefern, nicht in dem Maße nachgekommen bin, wie ich es mir vorgestellt hatte. All die große Mühe, die ich aufgebracht habe, um die Themen ausführlich zu erklären und verständlich zu machen, blieb beinahe wirkungslos.

Dies lag daran, dass die Leser nicht das notwendige Bewusstsein für die große Pflicht haben, jedes Wort, das ihnen begegnet, sorgfältig zu studieren und es so oft zu wiederholen, bis sie es sich gut einprägen können. Dadurch vergessen sie ein Wort, und das führt dazu, dass die gesamte Materie verwirrend wird. Denn aufgrund der Feinheit des Themas genügt das Fehlen der Erklärung eines einzigen Wortes, um das gesamte Verständnis zu trüben.

Um dieses Problem zu lösen, begann ich, ein Glossar der Begriffe in alphabetischer Reihenfolge zu verfassen. Es umfasst alle Begriffe, die in den Büchern der Kabbala vorkommen und eine Erklärung erfordern. Ich sammelte die Erklärungen des ARI und der anderen frühen Kabbalisten zu jedem Begriff und erstellte eine prägnante Definition, die dem Leser helfen soll, den Begriff an jedem Ort, an dem er auftaucht, in allen authentischen kabbalistischen Werken zu verstehen. Dies tat ich für alle Begriffe, die in der Weisheit der Kabbala gebräuchlich sind.

Ich habe bereits, mit Gottes Hilfe, die Begriffe, die mit dem Buchstaben Alef beginnen, sowie einige Begriffe mit dem Buchstaben Bet gedruckt, und zwar nur einseitig. Diese umfassen bereits fast tausend Seiten. Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten musste ich die Arbeit jedoch am Anfang unterbrechen. Seit fast einem Jahr habe ich diese wichtige Arbeit nicht mehr fortgeführt, und nur Gott weiß, ob ich sie wieder aufnehmen kann, da die Kosten enorm hoch sind und ich derzeit keine Unterstützung habe.

Daher habe ich nun einen anderen Weg gewählt, gemäß dem Prinzip „Weniger ist mehr“. Es handelt sich um dieses Buch, Talmud Esser HaSefirot des ARI, in dem ich aus den Werken des ARI, insbesondere aus seinem Ez Chaim (Baum des Lebens), alle wesentlichen Artikel zusammengestellt habe, die die zehn Sefirot erklären. Diese Artikel habe ich an den Anfang jeder Seite gestellt. Dazu habe ich zwei ausführliche Kommentare verfasst: den einen nenne ich Or Pnimi (Inneres Licht) und den anderen Histaklut Pnimit (Innerer Blick). Sie erklären jedes Wort und jede Angelegenheit in den Texten des ARI an der Spitze der Seite so einfach und verständlich wie möglich.

Ich habe das Buch in sechzehn Teile unterteilt, wobei jeder Teil eine bestimmte Lektion zu einem Aspekt der zehn Sefirot behandelt. Der Kommentar Or Pnimi konzentriert sich hauptsächlich auf die Worte des ARI in der jeweiligen Lektion, während Histaklut Pnimit das Thema im allgemeinen Umfang erklärt. Außerdem habe ich Fragebögen und Antworttabellen zu allen Begriffen und Themen dieses Teils zusammengestellt.

Nachdem der Leser einen Teil beendet hat, sollte er sich selbst testen, ob er jede Frage im Fragebogen korrekt beantworten kann. Nachdem er eine Antwort gegeben hat, sollte er in der Antworttabelle nachsehen, ob seine Antwort korrekt ist. Selbst wenn er alle Fragen auswendig beantworten kann, sollte er sie immer wiederholen, bis sie ihm so vertraut sind, dass sie wie „in einer Schublade“ abgelegt sind. Nur dann wird er in der Lage sein, sich an die Begriffe zu erinnern, wenn er sie braucht, oder zumindest ihren Ort, um sie nachzuschlagen. „Und der Wille des Herrn wird durch seine Hand Erfolg haben.“

Lernmethode

Lies zunächst den „Text“, also die Worte des ARI, die am Anfang der Seiten gedruckt sind, bis zum Ende des Buches. Auch wenn du sie nicht verstehst, wiederhole sie mehrmals, gemäß dem Prinzip „Zuerst lernen, dann erklären“. Danach studiere den Kommentar Or Pnimi. Bemühe dich, den „Text“ auch ohne den Kommentar gut zu verstehen. Danach studiere den Kommentar Histaklut Pnimit, bis du ihn vollständig verstehst und im Gedächtnis behalten kannst. Schließlich teste dich selbst anhand des Fragebogens. Nachdem du die Frage beantwortet hast, schau in die Antwort, die mit demselben Buchstaben wie die Frage gekennzeichnet ist. So verfahre bei jeder einzelnen Frage. Studiere, wiederhole und arbeite sie mehrfach durch, bis du sie dir gut eingeprägt hast, wie Dinge, die in einer Schublade abgelegt sind.

Denn jedes einzelne Wort im dritten Teil erfordert die vollständige Kenntnis der ersten beiden Teile. Kein einziger Begriff darf unklar bleiben. Das Schlimmste ist, dass der Leser nicht einmal merkt, was er vergessen hat, was dazu führt, dass ihm entweder die Dinge verschwimmen oder er falsche Erklärungen erhält. Natürlich zieht ein Fehler zehn weitere nach sich, bis der Leser völlig verwirrt ist und das Lernen ganz aufgeben muss.

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