Covid wird die Änderung unserer Bildungssysteme auslösen

Von Dr. M. Laitman

Einerseits möchten wir, dass unsere Kinder wieder zur Schule gehen, damit wir arbeiten und zur Normalität zurückkehren können. Andererseits können Schulen zu Orten der Masseninfektion werden, da es für Kinder unnatürlich ist, soziale Distanz einzuhalten. Es ist emotional schädlich für sie, physisch getrennt zu sein. 

Das Ergebnis der Diskrepanz zwischen dem Fortführen des Schulbetriebs, dem erneuten Ankurbeln der Wirtschaft und der Schließung der Schulen zum Schutz der Kinder und ihrer Familien ohne Rücksicht auf die Wirtschaft, wird zur längst überfälligen Änderung des uns bekannten Bildungssystems führen.

Wir alle wissen oder ahnen, dass die Schulsysteme, wie wir sie bis heute kennen, nicht weiter tragbar sind. Doch ein Umgestalten dieses Systems ist, während es weiter in Betrieb ist, aufwändig und erfordert Zeit. Covid-19 tat uns deshalb einen großen Gefallen damit, dass wir das Bildungssystem vorübergehend schliessen mussten, und es gibt uns die Gelegenheit, neue Wege in Richtung Bildung zu beschreiten.

Wir müssen herausfinden, welche sozialen Rahmenbedingungen wir aufbauen sollen und welche Art von Bildung wirklich wichtig für unsere Kinder ist, damit sie zu Menschen einer empathischen und fürsorglichen Gesellschaft werden. Es liegt deshalb an uns selbst, wie bereit wir dazu sind, diese komplett neue Ausrichtung  in der Bildung zu entwickeln. 

Die gesunde Entwicklung unserer Kinder hängt von ihrem Kontakt zu einander ab. Berühren, zusammen spielen, Objekte austauschen, teilen und sich anfreunden sind für ihre gesunde Entwicklung notwendig. Kinder brauchen engen Kontakt zu Freunden und Gleichaltrigen, um soziale Menschen zu werden. Für sie ist dies genauso wichtig wie Essen. Unser gesunder elterlicher Instinkt lässt uns unsere Kinder zu Kontakten zu anderen animieren, nett zu anderen Menschen und vorsichtig gegenüber asozialen Menschen zu sein. Wir möchten, dass sie zu empathischen Individuen heranwachsen.

Besonders schlimm ist deshalb die Wirkung unserer Botschaft an die Kinder, dass sie getrennt bleiben und soziale Distanz einhalten sollen. “Haltet euch von allen Menschen fern! Teilt mit niemandem etwas und nehmt von niemandem etwas an. Jeder kann euch mit dem Virus anstecken!” Dies wird sie prägen. Sie werden soziale Nähe als “nicht gut” empfinden und sich dadurch entfremden.

Was erwarten wir? Welche Art von Menschen werden in so einer Umgebung heranwachsen? Unter solchen Bedingungen ist es besser, die Kinder zu Hause zu behalten und sie online zu unterrichten, dabei kann die Kommunikation zwischen ihnen begleitet werden. Die Verbindungen, die sie zu Gleichaltrigen online aufbauen können, werden positiver und weniger stessbehaftet sein als der tägliche Unterricht, dem sie heute ausgesetzt sind. Sie werden ihr Bedürfnis nach sozialen Kontakten mit der Familie und mit einigen engen Freunden erfüllen können. Sie lernen dort, wo sie sich wohl und sicher fühlen. Und das Infektionsrisiko bleibt so auch gering.

Online-Lernen ist für Kinder heute genauso selbstverständlich wie es physisches Lernen für uns war. Eigentlich ist physisches Lernen und die obligatorische Teilnahme am Unterricht für sie unnatürlich. Was sie in den Schulen an Wissen mitbekommen, können sie durch Online- oder aufgezeichnete Klassenunterrichte auch weiterhin lernen. 

Die Kinder zu Hause zu behalten bleibt jedoch nicht ohne finanzielle Auswirkungen. Die Kinder müssen von jemandem betreut werden. In Haushalten mit zwei Elternteilen muss jemand bei den Kindern bleiben, dafür sorgen, dass sie Essen bekommen und Pausen einlegen und dass sie tatsächlich während des Unterrichts lernen. Es wird schwierig, mit einem Gehalt auszukommen und für Alleinerziehende wird es noch viel schwieriger. Dafür müssen entweder durch staatliche Unterstützung, mit Hilfe von NGOs oder durch andere Vereinbarungen Lösungen angeboten werden. 

Je schneller wir die Notwendigkeit erkennen, uns an die neue Realität anzupassen, desto leichter werden wir den Übergang dahin durchlaufen.

Als ich vor Monaten schrieb, dass die Hoffnungen der Menschen, in die Zeit vor Covid zurückzukehren, unrealistisch seien, wollten die Menschen dies nicht hören. Jetzt hoffe ich, dass sie bereits erkennen, dass wir nie dorthin zurückkehren werden. Je früher wir unsere Rahmenbedingungen und Institutionen an die Tatsache anpassen, dass das Virus nicht verschwinden wird, desto besser können wir unsere Bildung, Wirtschaft und alle anderen Aspekte unseres Lebens an die neue Welt, die scheinbar über Nacht entstanden ist, anpassen.

2 Kommentare
  1. Manfred Welzel
    Manfred Welzel sagte:

    Die eigenen Wahrnehmungen und vehemente Forderung nach Erfüllung gewohnter Bedürfnisse zeigen in der Covid 19-Pandemie, wo die Versäumnisse unseres bisherigen Bildungssystems liegen. Grundlegend für häufiges Fehlverhalten ist wohl die Annahme, der Mensch sei die Krönung der Schöpfung und nicht Teil der Natur. Wir werden die Symbiosen der Biodiversität nie entschlüsselnn können, wenn unsere Sinne nur von unserem Ego gesteuert werden. Lange habe ich nach einem Forum gesucht, wo die Fragen unseres DASEINS in der hier gezeigten Art erörtert werden.

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