1984/9 Man sollte immer die Balken seines Hauses verkaufen

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“Rabbi Yehuda sagte, ‘Rav sagte: Man sollte immer die Balken seines Hauses verkaufen und Schuhe an den Füßen tragen‘“ (Shabbat, 129). Wir müssen die Genauigkeit über die Dachbalken des eigenen Hauses und die große Bedeutung der Schuhe verstehen bis hin zu dem Punkt, dass letztere den Verkauf der Dachbalken wert sind, sodass man Schuhe an den Füßen tragen kann.

Wir müssen das in Bezug auf die Arbeit interpretieren. Die Korot (Balken) des Hauses stammen vom Wort Mikre (Vorfall/Ereignis) ab, das alles beinhaltet, was ein Mensch in seinem Haus erfährt. Wir nehmen den Menschen durch zwei Unterscheidungen wahr: Durch das Wissen bzw. den Verstand und durch die Gefühle, die wir in unseren Herzen tragen, ob wir nun glücklich oder unglücklich sind.

Diese erlebten Vorfälle werfen Fragen in unserem Alltagsleben auf. Man kann sie auf die Beziehung zwischen dem Menschen und Schöpfer anwenden und auf die Beziehung zwischen dem Menschen und seinem Freund.

Bezogen auf den Schöpfer hat der Mensch Klagen, dass der Schöpfer nicht alle seine Bedürfnisse erfüllt. Anders gesagt sollte der Schöpfer all das erfüllen, von dem der Mensch denkt, dass er es braucht, denn es gibt die Regel, dass die Lenkung des Schöpfers gut ist. Und manchmal beklagt er sich, als spürte er genau das Gegenteil: Dass seine Situation immer schlechter sei als jene der anderen, die auf einer höheren Stufe stehen als er selbst.

Daraus folgt, dass er sich in einem Zustand befindet, der „Spitzel“ genannt wird; er lästert über die Vorsehung, da er weder Wonne noch Vergnügen in seinem Leben spürt. Und es fällt ihm schwer zu sagen, „Nur Güte und Gnade verfolgen mich an allen Tagen meines Lebens.“ Daher ist er zu dieser Zeit in einem Zustand des „Spitzels“.

Unsere Weisen sagten darüber (Brachot, 54), „Man muss das Üble genauso wie das Gute segnen“, da sich die Basis des Judaismus auf dem Glauben über dem Verstand gründet. Das bedeutet, dass man sich nicht darauf verlässt, was einem der Verstand zu denken, sagen und zu tun gebietet, sondern auf den Glauben an eine wohlwollende höhere Vorsehung. Und im gleichen Maß, wie man die Vorsehung rechtfertigt, wird man später mit dem Gefühl der Wonne und des Vergnügens belohnt.

Baal HaSulam gibt uns das Beispiel über einen Menschen, der sich beklagte und Ansprüche erhob, dass der Schöpfer ihm nicht all seine Wünsche erfüllte. Es gleicht einem Menschen, der mit einem kleinen Kind, das bitterlich weint, auf der Straße geht. Alle Menschen auf der Straße sehen den Vater mit dem Kind und denken sich: „Wie grausam ist ein Mann, der seinem weinenden Sohn nicht die geringste Aufmerksamkeit schenkt? Das Kind weint so herzzerreißend, dass es selbst Unbeteiligten leidtut – nur dem Vater nicht. Und es gilt die Regel ,Wie ein Vater mit seinem Kind Mitgefühl hegt‘“.

Das laute Weinen des Kindes brachte die Menschen dazu, den Vater zu fragen, „Wo ist deine Barmherzigkeit?“. Da antwortet der Vater, „Was kann ich tun, wenn mein Sohn, der mir so lieb ist wie mein Augapfel, von mir verlangt, dass ich ihm eine Nadel gebe, damit er sich damit im Auge kratzen kann, weil es ihn juckt? Kann man mich „grausam“ nennen, weil ich ihm seinen Wunsch nicht erfülle? Oder ist es eher Gnade, dass ich ihm seinen Wunsch verwehre, sodass er nicht in seinem Auge stochert und vielleicht für immer erblindet?“

Daher müssen wir daran glauben, dass alles, was uns der Schöpfer gibt, ausschließlich zu unserem Besten ist, obwohl wir darum beten sollten, dass der Schöpfer alle Qualen von uns nimmt. Trotzdem müssen wir wissen, dass das Gebet und die Erhörung des Gebetes zwei verschiedene Dinge sind. Anders gesagt: Wenn wir tun, was wir tun sollen, wird der Schöpfer uns Gutes tun – genau wie im Beispiel oben. Darüber wird gesagt: Und der Herr wird tun, was Ihm gut erscheint.“

Das gleiche Prinzip ist auf den Menschen und seinen Freund anzuwenden, was bedeutet, dass er die Dachbalken seines Hauses verkaufen soll, um Schuhe an den Füßen zu tragen. Anders gesagt soll ein Mensch die Dachbalken seines Hauses verkaufen, das heißt alle Ereignisse, die sein Haus in Bezug zur Liebe zu Freunden erfahren hat.

Er könnte Fragen und Klagen über seinen Freund haben, da er hingebungsvoll an der Liebe zu Freunden arbeitet, und dennoch seitens der Freunde keine Gegenreaktion sieht, die ihm irgendwie behilflich ist. Sie alle benehmen sich nicht entsprechend seinem Verständnis der Liebe zu Freunden. Das heißt, dass jeder zu seinen Freunden auf respektvolle Art spricht, wie es sich von vornehmen Individuen erwarten ließe.

Auch bei den Taten sieht er keinerlei Aktivitäten bei den Freunden, die auf Liebe zu Freunden schließen ließe. Stattdessen ist alles normal wie unter gewöhnlichen Menschen, die keinerlei Interesse daran haben, zusammenzukommen und eine Gesellschaft zu gründen, in der es Liebe zu Freunden gibt und in der jeder sich um das Wohlsein des anderen kümmert. Daher sieht er, dass es keinen gibt, der sich in Liebe zu Freunden engagiert. Und da er glaubt, dass er der einzige ist, der sich auf dem rechten Weg befindet, und er alle mit Missachtung und Spott betrachtet, wird dies „Spitzel“ genannt. Das heißt, er bespitzelt seine Freunde, um zu sehen, ob sie sich ihm gegenüber in Bezug auf Nächstenliebe angemessen verhalten. Und da er immerfort hört, wie seine Freunde den ganzen Tag predigen, dass Liebe zu Freunden das Wichtigste sei, will er sehen, ob sie tun, was sie sagen.

Doch dann sieht er, dass alles nur Lippenbekenntnisse sind. Er sieht, dass selbst beim Reden keine Liebe zu Freunden ist, und das ist das Geringste in der Liebe zu Freunden. Anders gesagt, wenn er jemandem eine Frage stellt, antwortet man ihm leichthin und gleichgültig und nicht auf die Art, wie ein Freund dem Freund antworten sollte. Vielmehr ist alles kalt, als würde man ihn gerne loswerden wollen.

Und frag mich nicht „Wenn du an Liebe zu Freunden denkst, warum prüfst du kritisch, ob dein Freund dich liebt, als wäre Liebe zu Freunden auf Basis der Selbstliebe begründet, und dass ich deshalb sehen möchte, was meine Selbstliebe von diesem Engagement hat.“ Das sind nicht meine Gedanken. Vielmehr will ich wirkliche Nächstenliebe.

Daher war ich an dieser Gesellschaft interessiert, die gegründet wurde, damit ich erkenne, dass sich jeder in der Liebe zu Freunden engagiert, damit die winzige Kraft, die ich in der Nächstenliebe habe, wachsen wird und ich mich noch mehr in der Freundesliebe anstrengen könnte, als ich es alleine zu tun vermag. Doch nun merke ich, dass es mir nichts gebracht hat, denn ich sehe keinen Einzigen Gutes tun. Daher wäre es besser, wenn ich nicht mit ihnen zusammen wäre und ich nichts von ihren Handlungen lerne.

Darauf gibt es die Antwort, dass wenn eine Gesellschaft mit bestimmten Menschen gebildet wird und diese sich versammeln, es jemanden gegeben haben muss, der speziell diese Gemeinschaft zu gründen wünschte.

Daher sortierte er diese Menschen aus, um zu sehen, ob sie für einander geeignet wären. Anders gesagt hatte jeder von ihnen einen Funken der Liebe zu Freunden, doch dieser Funke konnte das Licht der Liebe, das in jedem scheinen sollte, nicht entzünden, worauf sie sich zur Verbindung entschlossen, damit die Funken zu einer großen Flamme würden.

Daher soll er sich auch jetzt überwinden, wenn er sie bespitzelt, und sagen: „Da sie alle darin zustimmten, den Weg der Nächstenliebe zu beschreiten, als die Gesellschaft gegründet wurde, ist es auch jetzt noch so.“ Und wenn jeder seinen Freund positiv beurteilt, werden sich alle Funken erneut entzünden und wieder werden sie zu einer großen Flamme.“

Das ist so, wie Baal HaSulam einst sagte, als er zu dem Bündnis befragt wurde, das zwei Freunde miteinander eingehen, wie wir es in der Tora finden (Gen 21:27): „Und Abraham nahm Schafe und Ochsen und gab sie Abimelech; und sie beiden gingen ein Bündnis ein.“ Er fragte, „Wenn diese beiden sich lieben, tun sie einander selbstverständlich Gutes. Und klarerweise tun sie einander nicht Gutes, wenn es keine Liebe zwischen ihnen gibt, weil die Liebe aus irgendwelchen Gründen abflaute. Wie kann also ein Bündnis zwischen ihnen helfen?“

Er antwortete, dass sich das Bündnis nicht auf die gegenwärtige Situation bezieht, da es nun, da Liebe zwischen ihnen gefühlt wird, keinerlei Bündnisses bedarf. Vielmehr wird das Bündnis für die Zukunft geschlossen. Es ist nämlich möglich, dass sie nach einer gewissen Zeit die Liebe nicht mehr so spüren wie jetzt, sie jedoch ihre Beziehung zueinander aufrechterhalten werden. Dafür machen sie das Bündnis.

Wir können auch sehen, dass alle, obwohl sie die Liebe nicht mehr so spüren wie zu Anfang, als die Gesellschaft gegründet wurde, ihre Meinung überwinden und über den Verstand gehen müssen. Dadurch wird alles korrigiert und jeder wird seinen Freund wohlwollend beurteilen.

Nun können wir die Worte unserer Weisen verstehen, die sagten: „Man sollte immer die Balken seines Hauses verkaufen und Schuhe an den Füßen tragen.“ Min’alim (Schuhe) kommt vom Wort Ne’ilat Delet – eine Tür verschließen. Wenn ein Mensch seinen Freund bespitzelt – und Rigel (bespitzelte) kommt vom Wort Raglaim (Füße) – so soll er „die Balken seines Daches verkaufen“, was bedeutet, dass er all das, was in seinem Haus in der Verbindung zwischen ihm und seinen Freund geschah, also die Spitzel, die er hat und die seinen Freund verleumden, verkaufen.

Dann bedeutet „alles zu verkaufen“, alle Erlebnisse, die die Spitzel ihm zugetragen hatten, zu entfernen und stattdessen Schuhe an den Füßen zu tragen. Die Bedeutung ist weiter, dass er alle Spitzel wegsperren soll, als würden sie nicht länger im Land existieren, und dass er alle Fragen und Ansprüche wegsperren soll, die er über sie hatte. Und dann wird alles in Frieden zu seinem richtigen Platz gelangen.

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