Baal HaSulam, Brief 27
16. Tewet 5687 (21. Dezember 1926), London
An den ehrenwerten Schüler … Möge seine Kerze leuchten:
… Natürlich möchte ich mich mit euch vereinen, körperlich und seelisch, in dieser Welt und in der kommenden. Aber ich kann nur in der Spiritualität und der Seele wirken, denn ich kenne eure Seelen und kann mich mit ihnen vereinen. Ihr jedoch habt nicht die Fähigkeit im Herzen, anders als im Körper zu wirken, da ihr meine Spiritualität nicht kennt, um euch damit zu vereinen. Wenn ihr dies versteht, versteht ihr auch, dass ich keinen Abstand zu euch spüre. Aber ihr benötigt natürlich die Nähe des Körpers und des Ortes, doch das ist für euch selbst und für eure Arbeit nötig, jedoch nicht für mich und meine Arbeit. Damit beantworte ich im Voraus viele Fragen.
Ich bete jedoch zum Schöpfer, dass Er euch auf dem Weg der Wahrheit führt und euch vor allen Hindernissen bewahrt, die auf eurem Weg liegen. Möge der Schöpfer alle Taten eurer Hände gelingen lassen.
Was euch betrifft, so solltet ihr gewissenhaft den Wegen folgen, die ich euch in Bezug auf Moach (Verstand) und Lev (Herz), Sehnsucht und Gebet gezeigt habe. Dann wird der Schöpfer uns sicher Erfolg gewähren, und wir werden uns bald in Leib und Seele vereinen, sowohl in dieser als auch in der kommenden Welt.
In deinem Brief vom 26. Kislew, dem zweiten Tag von Chanukka, hast du geschrieben, dass die Welt für die Arbeit erschaffen wurde und dass Er die Finsternis zum Zweck der Arbeit erschaffen hat, um Material zum arbeiten zu haben, denn im Licht gibt es Genuss, aber keine Arbeit. Dementsprechend hast du gefragt: „Was ist der Zweck der Klipa (Hülle) der rechten Seite, die die Finsternis als Licht wahrnimmt, während das Geschöpf die Finsternis als etwas von sich Getrenntes wahrnimmt? Wie kann ein solcher Mensch siebzig Jahre lang so leben? Warum wurde ein solcher Mensch erschaffen?“ Du verlangst eine vollkommene Antwort darauf, und es sind nicht die großen Lichter, die du suchst, sondern einzig und allein die Beseitigung der Schande der Heuchelei, die so tief wie die Seele reicht. Du schließt mit: „Die Wahrheit zeigt ihren Weg“ und „Es ist bereits das fünfte Jahr“ usw.
In Wahrheit sind deine Worte verworren, daher verstehe ich nicht, was du mit dieser Wahrheit meinst. Du hast gesagt, dass die Welt für die Arbeit erschaffen wurde. Sollte die Arbeit dann ewig dauern? Aber es ist bekannt, dass die Ewigkeit im Geheimnis der Ruhe liegt! Zu deiner Frage über das Geschöpf, das Finsternis durch Licht ersetzt, ohne die Finsternis in seinem Inneren zu erkennen: Der Mensch muss lernen, zwischen rechts und links zu unterscheiden, und du hast es noch nicht verdient, die Finsternis zu sehen. Denn Finsternis und Licht sind wie der Docht und das Licht; deshalb muss man die Kerze sehen und sich an ihrem Licht erfreuen, und dann wirst du rechts von links unterscheiden können.
Warum aber wunderst du dich, dass der Schöpfer der Klipa große Kräfte gegeben hat – das habe ich dir bereits ausführlich erklärt. Das Wichtigste ist, dass der Schöpfer sich selbst schützt, damit derjenige, der sich an Ihn klammert, keinen Zweifel an Ihm hat, und das wird niemals geschehen, denn Er ist allmächtig. – Ich möchte hier nicht weiter ausholen.
Aber ich schätze deine Worte als Gebet eines armen Menschen (Tefilla le’Ani), das ein Gebet der Klage ist, das schneller erhört wird als alle anderen Gebete. Schlage im Sohar den Vers „Gebet eines armen Mannes“ nach usw.: „War David arm? Vielmehr ist das Gebet eines armen Mannes ein Gebet der Klage usw.“
Was deine Sorge um ein gutes Zeichen angeht, so scheint es, als würdest du die Vollkommenheit in Bezug auf ein einfaches Zeichen anstreben, und das ist ein gutes Zeichen, denn vor fünf Jahren hast du dich nicht darüber beschwert. Ich habe dir bereits gesagt, dass von „Und sie zogen von Refidim“ bis zum Empfangen der Tora nur eine Reise ist. Aber wisse, dass meine Worte nicht dazu gedacht sind, deine Sorgen zu beruhigen oder dich zu trösten, denn am Ende des ersten Jahres warst du auf einer höheren Stufe als jetzt. Doch verzweifle nicht an der Barmherzigkeit.
Und was du als Beweis für das Ziel der Schöpfung anführst, dass es die Arbeit ist, aus dem Vers: „Was fordert der Herr, dein Gott, von dir, außer Ehrfurcht … und Ihm zu dienen“ usw. Es gibt in der Tat zwei Ziele: eines, das für die Augen des Menschen bestimmt ist, und eines, das für den Schöpfer selbst bestimmt ist. Der Vers spricht von dem, was für die Augen des Geschöpfes bestimmt ist.
Die Sache ist so, wie in den Sprüchen der Väter (Pirkei Awot) geschrieben steht: „Es liegt nicht an dir, die Arbeit zu vollenden, und du bist auch nicht frei, dich davon zu entbinden.“ Das bedeutet, dass die Vollkommenheit das Ziel der Arbeit und deren Vollendung ist und eine offene Seite für die Sitra Achra (die andere Seite) übrig bleibt, wodurch sie dem Menschen sein Unvermögen zu verstehen gibt und ihn zur Verzweiflung bringt. Denn der Mensch muss wissen, dass das Ende der Arbeit gar nicht in seinen Händen liegt, sondern in den Händen des Schöpfers. Wie kann man also den Schöpfer erkennen und beurteilen, ob Er Seine Arbeit zu Ende bringt oder nicht? Das wäre doch Anmaßung und Ketzerei!
„Und es steht dir nicht frei, müßig zu sein“, auch wenn der Schöpfer will, dass du arbeitest, ohne die Arbeit zu beenden. Das ist die Bedeutung des Verses: „Was verlangt der Ewige, dein Gott, von dir?“ Das Geschöpf muss einzig und allein wissen, dass der Schöpfer Arbeit verlangt und deshalb Seinen Willen mit ganzem Herzen ausführen, so wie gesagt wird: „Öffne mir eine Öffnung der Umkehr, so klein wie ein Nadelöhr.“ So wird er vor der Sitra Achra geschützt, dass er sich ihr nie nähern kann. Wenn ein Mensch darin vollkommen ist, kann er sicher sein, dass der Schöpfer Seine Arbeit an Seinem Ende vollenden wird: „Und ich werde euch Tore öffnen, durch die Karren und Wagen einziehen werden.“
Wenn er jedoch nicht bereit ist, Ihm zu dienen, auch wenn er nicht mit der Vollendung der Arbeit und der Öffnung der Halle belohnt wird, dann werden ihm weder Schmeicheleien noch Lügen helfen. So habe ich bereits erklärt, dass der Sohar sagt: „Aufgrund zweier Zeugen … wird der Tote getötet”, das ist SaM (Engel des Todes), der von Anfang an tot ist, und es ist nicht schwer, den Toten zu töten, auch wenn der Tote die rechte Klipa hat. Denn die härteste Klipa wird durch die Zunahme der Dankbarkeit vor dem Schöpfer und durch die Zunahme der Arbeit aufgehoben.
Ich weiß nicht, ob meine Worte dich zufrieden stellen, aber lass es mich wissen und ich werde dir zu gegebener Zeit antworten, denn die Frage „Was ist das Zeugnis?“ ist eine weise Frage – wenn du ein Mensch der Arbeit bist.
Yehuda
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