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Rabash, Brief 70

Korr, EY, 12.7.24

An meinen Freund, der mir unter den Menschen der Liebste ist…

Wie geht es dir… möge der Ewige dir in allen Fragen deines Herzens zum Guten helfen, und möge dir alles, was du tust, gelingen.

Der Heilige Sohar schreibt in WaJishlach 19,20 und im Sulam ebd. wie folgt: „Wer gering ist und wartet des Seinen, der ist besser, denn der groß sein will und des Brotes mangelt.“[1] Im Vers „Wer gering ist usw.“ geht es um Jakob, der sich vor Esau erniedrigte, damit sich später [die Versprechung] erfüllt, dass dieser später sein Knecht sein würde, und von ihm beherrscht und in ihm weiterleben würde: „Völker müssen dir dienen und Nationen sich vor dir neigen.“[2]

Komme und siehe: Da Jakob wusste, dass er (Esau) ihn im Moment braucht, stellte er sich ihm als unwürdig dar. Und dabei hat er mit mehr Klugheit und Schläue gehandelt, als je zuvor in allem, was er gegen Esau tat, und wenn Esau dies gespürt hätte, dann hätte er sich [eher] umgebracht, als dass dies dazu gekommen wäre.

Und hier muss man nachvollziehen, was daran, dass er sich nun Esau unterwarf, so klug war, dass der Sohar sagt, dass wenn Esau davon wüsste, er sich umbringen würde.

Das muss man nach meinem Vater und Lehrer, seligen Andenkens, so erklären, dass dies ethische Praxis ist, also damit der Mensch wisse, wie er sich in der Arbeit des Schöpfers zu verhalten habe. Bei Esau sehen wir, dass Jakob sich ihm unterwarf und ihm Geschenke brachte, Esau aber nicht annehmen wollte und ihm antwortete: „Ich habe genug“[3], bis Jakob ihn schließlich anflehte, er möge seine Geschenke annehmen. Bei Laban sehen wir dagegen, dass Laban ihm das Gegenteil sagte: „Die Töchter sind meine Töchter, und die Kinder sind meine Kinder, und die Herden sind meine Herden, und alles, was du siehst, ist mein.“[4]

Und man muss wissen, dass es im Bösen Trieb zwei Arten gibt, genannt zwei Arten von Klipot (Schalen).

Vor der Tat, wenn der Mensch eine Mizwa erfüllen oder etwas studieren möchte, kommt er (der Böse Trieb) und sagt zu ihm: Es ist nicht lohnenswert für dich, das zu tun, denn du tust es ja nicht um des Himmels Willen, sondern du tust es nur für mich, also für den Bösen Trieb.

„Die Töchter sind meine Töchter“[5], d. h., alle Einsichten[6], die du im Dienst für den Schöpfer hast, sind nur von mir eingegeben, und du besitzt keinerlei Wissen (oder Erkenntnis) der Tora. „Und alles, was du siehst, ist mein“[7], d. h., alles, was du siehst, wenn du auf die Tora und die Gebote schaust, all das geht auf meine Rechnung, und das ist „Böser Trieb“. Und wenn dem so ist, warum solltest du dich dann so sehr um die Tora und um gute Taten bemühen, wenn es doch nicht um des Himmels Willen sind und dieser Dienst vom Schöpfer nicht angenommen wird? Du wirst sowieso keinen Lohn dadurch verdienen, und wenn dem so ist, dann musst du nichts Gutes tun.

Dann muss der Mensch ihn überwinden und ihm sagen: Was du sagst, stimmt nicht, denn ich tue alles um des Himmels Willen, und alles, was ich tue, wird vom Schöpfer angenommen, und der Schöpfer hat Freude daran. Und es sollte dir reichen, dass ich für dich arbeite, also dass ich dir zu essen und zu trinken und Ähnliches gebe, doch was den Dienst für den Schöpfer betrifft, so hast du kein Recht, dich in diese Dinge einzumischen.

Aber nachdem der Mensch gute Taten vollbracht hat, gilt das Gegenteil: Dann muss er zu seinem Bösen Trieb (der dann „Esau“ heißt, da die Sache bereits vollbracht ist[8], also nach der Tat) sagen, ich gebe dir alles, d. h., alles, was ich getan habe, war für dich, also lo liShma. Und das heißt, dass er ihm Geschenke gibt, was die Tora und die Gebote meint, dass er also behauptet, dass dies zu Esau gehört.

Dann behauptet Esau das Gegenteil: „Ich habe genug“[9], und ich will deine Tora und deine Gebote nicht. Esau sagt zu ihm also, du hast alles um des Himmels Willen getan, und sowieso bist du ein großer Jehudi (Jude), und du musst es allen deinen Freunden stolz vorzeigen, dass sie es nicht um des Schöpfers Willen tun und du doch. Das heißt, er (der Böse Trieb) möchte, dass er sich mit Stolz erfüllt.

Wer sich aber im Aspekt des Jakob befindet, behauptet andersherum: Die Tora und die Gebote gehören dir, und ich muss nun Tshuwa (Rückkehr) tun, da ich dem Schöpfer Freude schenken möchte und ich meine Unwürdigkeit spüre, dass ich noch weit von der Wahrheit entfernt bin, also davon, alle meine Taten an den Schöpfer zu richten. Das ist es, was zwischen Jakob und Esau stattfindet.

Möge der Schöpfer uns helfen, uns von Laban und von Esau zu erretten, und mögen wir der vollkommenen Erlösung bald, in unseren Tagen, würdig werden.

Von deinem Freund, der dir und deiner Familie alles Gute wünscht, Sela.

Baruch HaLevi Ashlag

 

[1] Sprüche, 12,9

[2] 1. Buch Moses 27,29

[3] 1. Buch Moses 33,9

[4] 1. Buch Moses 31,43

[5] Ebd.

[6] „Die Töchter“ und „Einsichten“ buchstabieren sich im Hebräischen gleich

[7] Ebd.

[8] Im Hebräischen gleiche Schreibweise: „Esau“ und „Asuj“ (getan)

[9] 1. Buch Mose 33,9

Rabash, Brief 15

Wie kann es sein, dass Jakob Rachel mehr liebte als Lea, weil sie sehr schön war usw., ist denn nicht der Ausspruch der Weisen über den Mann bekannt, der „eine Frau wegen ihrer Schönheit heiratet“? [1]

Antwort: Die Tora lehrt uns die Wege des Schöpfers. Und zwar, dass es zwei Aspekte in der (spirituellen) Arbeit gibt: 1. Den Aspekt von Chochma und 2. den Aspekt von Chassadim. Chochma heißt der Aspekt des Sehens und des Wissens, und sie heißt auch Alma de Itgalja (offenbarte Welt). Und es gibt den Aspekt von Alma de Itkassja (der verborgenen Welt), genannt Lea, und das ist der verborgene Sinn des Verses „Die Augen von Lea waren matt“ [2], denn das ist der Aspekt von Chassadim und vom Glauben über dem Verstand.

Und das ist das Konzept von Jakob und Lavan. Jakob heißt der Diener des Schöpfers und Lavan heißt der Heilige, gelobt sei Er, der ein Gebender und ein Schenkender ist (der heilige ARI erklärt in Ez Chaim in Shaar Akudim, dass Lavan (wörtl. weiß) das Höhere Weiß meint, und das ist der Gebende). Und Lavan hat zwei Töchter, also zwei Stufen: Der Aspekt von Lea heißt verborgene Welt, und Rachel heißt offenbarte Welt.

Nun bezieht sich das Ziel der Schöpfung, den Geschöpfen Gutes zu schenken, auf den Aspekt der offenbarten Welt. Und Alma de Itkasja (verborgene Welt) heißt Aspekt von Lea, und diese heißt Licht der Anhaftung (Dwekut).

„Und Jakob liebte die Rachel“ [3], d. h. er wollte das Licht des Zieles der Schöpfung heranziehen. Lavan jedoch sagte, dass er erst den Aspekt von Lea empfangen soll, die in der verborgenen Bedeutung das Licht der Anhaftung meint, genannt Or de Chassadim.

„Da aber der Ewige sah, dass Lea missfällig war“ [4], also dass Jakob mit Lea nicht zufrieden war, da gab ihm der Schöpfer Vermehrung und Nachkommen gerade von Lea, um ihm zu zeigen, dass man gerade mithilfe des Lichts der Anhaftung der Vermehrung [Fortpflanzung] in der Tora und in der Arbeit würdig wird.

Doch damit einher bedarf man auch der Korrektur von Rachel, d. h. der Anziehung des Lichts vom Ziel der Schöpfung, definiert als der Aspekt von Chochma. Und hierfür sagte Rachel zu ihm: „Schaffe mir Kinder, wo nicht, so sterbe ich.“ [5], Das heißt Jakob muss zusehen, dass er alle Korrekturen vorbereitet, die für den Aspekt von Rachel nötig sind, damit er Vermehrung und Nachkommen auch auf der Stufe von Alma de Itgalja (offenbarter Welt) hat, denn sonst wird er keine Vermehrung und Fortpflanzung haben, wird er keine Lebenskraft in dieser Arbeit spüren, und dann wird er diese Stufe verlassen müssen, und das ist im Vers definiert: „…wo nicht, so sterbe ich.“ [6] Also musste er den Aspekt von Chassadim in den Aspekt von Chochma hereinziehen.

Und das ist das Konzept von „ und Gott dachte an Rachel und Gott hörte auf sie.“ [7] Und die Erklärung dazu: „an“ meint, durch das Verdienst von Lea [8]. Erklärung: dadurch, dass er den Aspekt von Chassadim in Chochma hereingezogen hat. Das heißt auf der Basis von Chassadim kann man den Aspekt von Alma de Itgalja (offenbarte Welt) heranziehen.

Möge der Schöpfer uns helfen, im Glauben auf den Wegen des Schöpfers zu wandeln.

[1] Jebamot 109a, „Wenn jemand sie wegen ihrer Schönheit nimmt, so ist es gleich wie wenn er eine Inzestuöse nehmen würde…“

[2] 1. Buch Moses 29,17

[3] 1. Buch Moses 29,18

[4] 1. Buch Moses 29,31

[5] 1. Buch Moses 30,1

[6] Ebd.

[7] 1. Buch Moses 30,22

[8] BeReshit Raba 73,3