Der Frieden

Rav Yehuda Ashlag

Eine wissenschaftliche Erforschung des Nutzens und der Notwendigkeit der Arbeit des Schöpfers auf empirischer Basis

„Da werden die Wölfe bei den Lämmern wohnen und die Panther bei den Böcken lagern. Ein Knabe wird Kälber und junge Löwen und Mastvieh miteinander treiben (…) Und es wird sein an jenem Tage, wenn der Schöpfer zum zweiten Mal seine Hand ausstrecken wird, um diejenigen aus Seinem Volk zurückzuführen, die in Assyrien und in Ägypten geblieben sind, in Pathros und in Kush, in Ejlam und Shinear, in Chamat und auf den Inseln der Meere“ (Jesaja, 6.11)

Es sagte Rabbi Shimon ben Chalafta: „Der Schöpfer hielt es nicht für notwendig, Israel einen anderen Segen zu geben als den Frieden, wie es heißt: ‚Und Gott gab Seinem Volk Kraft, indem Er es mit Frieden segnete.‘“

(Babylonischer Talmud, Traktat Ukzin).

Ich erklärte in den vorausgehenden Artikeln die allgemeine Form des Dienstes für den Schöpfer, dessen Wesen nichts anderes als die Nächstenliebe ist, was man praktisch als das „Geben an den Nächsten“ definieren kann.

Und man kann sagen, dass „dem Nächsten Gutes zu tun“ der praktische Teil der Äußerung der Liebe zu ihm ist. Daher kann man die Nächstenliebe als das „Geben an den Nächsten“ definieren, was ihrem Inhalt am nächsten kommt und dazu auffordert, nicht von dieser Absicht abzulassen.

Nachdem wir uns von der Richtigkeit dieser Methode der Arbeit für den Schöpfer überzeugt haben, müssen wir prüfen, ob sich unsere Arbeit nur auf den Glauben gründet, ohne jegliche wissenschaftliche Basis, oder ob dafür auch eine empirische Basis existiert, was ich in diesem Artikel nachweisen möchte.

Zunächst sollte ich natürlich das Thema selbst gut darstellen. Wer ist Er, der unsere Arbeit entgegennimmt?

Ich bin kein Liebhaber formeller Philosophie und verabscheue alle Arten von Forschungen, die auf theoretischer Grundlage durchgeführt wurden. Und wie es bekannt ist, ist die Mehrheit der Menschen meiner Generation darin mit mir einer Meinung, weil wir zu viel in diesem Bereich ausprobiert haben. Und es ist bekannt, dass, wenn die Basis wackelig ist, das ganze Gebäude bei der kleinsten Bewegung zusammenstürzen wird. Daher schreibe ich hier kein einziges Wort, welches keine empirische Prüfung durchlaufen hätte – beginnend von einfacher Erkenntnis, hinsichtlich welcher es keine Differenzen gibt; anschließend fortschreitend und auf analytische Weise Beweise erlangend (mittels der Aufteilung in Komponenten), bis hin zur Erkenntnis erhabenster Objekte. Wir werden das in Betracht ziehen und den Weg der Synthese gehen (mittels der Verbindung und des Zusammenwirkens solcher Methoden wie der Analogie, des Vergleichs und der Praxis) und zeigen, auf welche Weise die einfache Erkenntnis es erlaubt, die Arbeit des Schöpfers in der Praxis zu bestätigen.

WIDERSPRÜCHE IN DER [GÖTTLICHEN] LENKUNG

Jeder vernünftige Mensch wird, wenn er die uns umgebende Wirklichkeit betrachtet, in ihr zwei Gegensätze finden. Wenn wir die Schöpfung hinsichtlich ihrer Existenz und ihrer Überlebensfähigkeit betrachten, dann springt uns die ständige Lenkung ins Auge und deren Tiefe der Weisheit, und es fasziniert uns deren Grad an Befähigung – sowohl hinsichtlich der ganzen Wirklichkeit selbst als auch ihrer Teile.

Nehmen wir die Schaffung eines Menschen als Beispiel. Die Liebe und der Genuss seiner Eltern sind die Hauptgründe, um mit Sicherheit ihre Verpflichtung zu erfüllen. Der Tropfen – Träger des Wesens des Vaters – wird von der Lenkung (Gott/Natur) an einen sicheren, mit großer Weisheit für die Entstehung des Lebens erschaffenen Ort gebracht, wo er tagaus tagein in exaktem Umfang alles Notwendige erhält. Die Vorsehung hat für die Erschaffung einer erstaunlichen Wiege im Schoß der Mutter gesorgt, wo keiner dem neuen Leben Schaden zufügen kann. Und sie kümmert sich um all dies mit dem Geschick eines Künstlers, ohne es auch nur für einen Augenblick unbeaufsichtigt zu lassen, bis das neue Leben endlich genug Kräfte sammeln wird, um in unsere Welt auszutreten. Und dann wird ihm die Vorsehung für eine kurze Zeit die Kräfte und den Mut geben, die ausreichen werden, um die Wände, die es umgeben, zu dehnen, und es überwindet das Hindernis wie ein erfahrener Held, der Kämpfe gewöhnt ist, und kommt auf die Welt.

Aber auch dann wendet ihm die Vorsehung nicht den Rücken zu, sondern wie eine barmherzige Mutter übergibt sie es an die treu liebende Mutter und den Vater, denen man nun die Sorge um das neue Leben anvertrauen kann und die es all die Zeit bevormunden werden, solange es noch schwach ist, bis es schließlich heranwächst und sich schlussendlich um sich selbst kümmern kann und mit den eigenen Kräften auskommen wird.

Genauso wie um den Menschen, kümmert sich die Natur um alle Arten der Schöpfung: Tiere, Pflanzen und die bewegungslose Stufe der Schöpfung. Und das tut sie vernünftig und barmherzig, um sowohl ihre Existenz selbst als auch die Fortpflanzung zu garantieren.

Wenn man aber alles unter dem Blickwinkel der Bewahrung des Notwendigen für die Existenz und der Anpassung dieser Existenz an die Realität betrachtet, dann springt die Unordnung und das große Durcheinander ins Auge – als gäbe es gar keinen Lenkenden, keine Überwachung, und jeder würde das tun, was er möchte; und als würde jeder sein Wohlergehen auf dem Unglück eines anderen aufbauen; und als hätten die Sünder Kraft angesammelt, und die Gerechten würden ohne Mitleid verschmäht.

Und wisse, dass dieser Widerspruch, den jeder gebildete und fühlende Mensch bemerkt, die Menschheit schon zu antiken Zeiten beschäftigte. Es gab unterschiedliche Methoden, welche diese zwei offensichtlichen Gegensätze in der Lenkung der Vorsehung, die gemeinsam in dieser Welt existieren, rechtfertigten.

ERSTE METHODE: DIE NATUR

Dies ist eine sehr antike Theorie. Man ging von diesen zwei ins Auge springenden Widersprüchen aus, und da man keine Wege fand, sie irgendwie zu glätten, gelangte man zur allgemeinen Vermutung, dass der Schöpfer die Existenz des von Ihm Erschaffenen unbarmherzig lenkt, sodass Ihm zwar nichts entgeht, Er aber weder Verstand noch Gefühle zeigt.

Daher konzipiert und lenkt Er die Existenz der Wirklichkeit mit großer Weisheit, die jeder Bewunderung würdig ist, aber Er selbst hat keinen Verstand und tut das nicht nach Verstand, denn wenn Er Verstand und Gefühle hätte, dann würde er nicht solch eine Unordnung in der Erlangung der Mittel zur Existenz in unserer Wirklichkeit zulassen – ohne Barmherzigkeit und Mitleid mit den Leidenden. Demgemäß bezeichnete man diese Theorie als „Natur“, was eine Lenkung ohne Verstand und Gefühle bedeutet. Daher gibt es niemanden, auf den man zornig sein sollte; niemanden, zu dem man beten sollte oder vor dem man sich rechtfertigen sollte.

ZWEITE METHODE: ZWEI HERRSCHAFTEN

Es gibt solche, die weiter gegangen sind, weil es ihnen schwer fiel, sich mit der Vermutung einverstanden zu erklären, dass die Natur alles lenkt, da sie sahen, dass die Lenkung der Realität, um die Existenz zu sichern, mit großer Weisheit verwirklicht wird, die jede Höhe des menschlichen Verstandes übersteigt. Deshalb konnten sie sich nicht damit einverstanden erklären, dass derjenige, der das lenkt, selbst nicht vernünftig wäre. Denn wie kann jemand etwas geben, was er selbst nicht besitzt? Und kann jemand einem anderen etwas beibringen, wenn er selbst ein Narr ist?

Und wie kann man über denjenigen, der all das auf wunderbare Weise organisierte, sagen, er wüsste nicht, was er täte und es wäre ihm alles zufällig gelungen, während es bekannt ist, dass der Zufall keine vernünftigen Handlungen ausführen kann und, mehr als das, eine ewige Ordnung der Existenz nicht gewährleistet.

Daher kam man zur zweiten Annahme, dass zwei Lenkende existieren: Der Eine – der Schöpfer, der Gutes tut und es erhält, und der Andere – der Schöpfer, der Schlechtes tut und es erhält.

Und man hat diese Methode sehr entwickelt, indem man sie auf unterschiedliche Beweise und Beispiele stützte.

DRITTE METHODE: VIELGÖTTEREI

Diese Methode entstand aus dem zweiten System der „Zwei Herrschaften“, als man aus den allgemeinen Handlungen jede Handlung für sich abspaltete und aussonderte, wie Kraft, Reichtum, Macht, Schönheit, Hunger, Tod, Unglück usw., und über jede von ihnen einen besonderen Schöpfer und Regenten stellte. Und man erweiterte das System nach eigenem Wunsch.

FÜNFTE METHODE: STELLTE SEINE FÜRSORGE EIN

In letzter Zeit, als die Menschen Weisheit erlangten und eine stärkere Verbindung zwischen allen Teilen der Schöpfung sahen, verzichteten sie vollkommen auf die Idee der Vielgötterei, und daher stellte sich wieder die Frage nach den Gegensätzen, welche in der Höchsten Lenkung wahrgenommen werden.

Und dann wurde eine neue Theorie aufgestellt, die darin besteht, dass in Wirklichkeit der Schöpfer und Regent tatsächlich weise ist und die Gefühle Ihm nicht fremd sind. Von dem Maße seiner Größe aus jedoch, mit welcher sich nichts vergleichen kann, betrachtet er unsere Welt als ein Sandkorn, das in seinen Augen nichts wert ist. Und es zahlt sich für Ihn nicht aus, sich mit unseren kleinen Angelegenheiten zu beschäftigen, und daher ist unsere Lebenshaltung so chaotisch, und jeder tut, was er will.

Gleichzeitig mit den oben beschriebenen Theorien existierten auch religiöse Lehren über die Göttliche Einzigkeit, die ich hier nicht betrachte, da ich nur die Quellen unterschiedlicher, falscher Theorien und erstaunlicher Vermutungen aufzeigen wollte, die bekannterweise vorherrschten und in unterschiedlichen Zeiten an unterschiedlichen Orten weit verbreitet waren.

Somit sehen wir, dass die Grundlage, auf welcher alle oben genannten Methoden aufgebaut waren und aus der Gegensätzlichkeit und dem Widerspruch zwischen den zwei Arten der Lenkung, die in unserer Welt wahrgenommen werden, und dass alle diese Methoden, zu nichts anderem bestimmt sind, als zur Überwindung dieses tiefen Spalts [und zur Vereinigung der Teile zu einem Ganzen].

Die Welt existiert aber dennoch wie gehabt, und dieser riesige und unheimliche Spalt verkleinert sich nicht nur nicht, sondern er verwandelt sich umgekehrt in einen schrecklichen Abgrund, ohne dass ein Ausweg daraus sichtbar wäre und ohne die Hoffnung auf eine Rettung. Während ich die oben beschriebenen, erfolglosen Versuche betrachte, auf welche die Menschheit im Verlauf einiger Jahrtausende bis zur heutigen Zeit zurückgriff und die keinen Nutzen brachten, stelle ich mir die Frage, ob es vielleicht gar keinen Sinn macht, vom Schöpfer die Korrektur dieses Spalts zu erbitten, sondern vielmehr zu akzeptieren, dass diese große Korrektur in unseren eigenen Händen liegt.

DIE VERPFLICHTUNG ZU EINEM VORSICHTIGEN UMGANG MIT DEN GESETZEN DER NATUR

Wir alle verstehen und werden uns sogar auf der einfachen Stufe dessen bewusst, dass der Mensch in einer Gesellschaft leben muss. Mit anderen Worten kann er nicht ohne eine Gesellschaft existieren und sich Mittel zur Existenz besorgen.

Dementsprechend stelle dir einen Fall vor, dass wir zum Beispiel sehen, dass ein Einzelgänger sich von der Gesellschaft an einen öden Ort entfernt und dort ein Leben voller Leid und Miseren führt, da er aufgrund seiner Schwäche nicht selbst seine Bedürfnisse befriedigen kann. Denn er hat kein Recht, auf sein Schicksal oder auf die Höchste Lenkung zornig zu sein. Und wenn er das doch tut, das heißt sich empört und sein bitteres Los verflucht, dann stellt er dadurch nur die eigene Torheit heraus und proklamiert sie. Denn während die Höchste Lenkung für ihn einen bequemen und wünschenswerten Ort in der Gesellschaft bereitet hat, gibt es keine Rechtfertigung für seine Flucht an einen menschenleeren Ort. Und ein solcher Mensch ist keines Mitleids würdig, da er gegen die Natur des Geschöpfes vorgeht, obwohl er eine Anweisung hat, so zu leben, wie es ihm die Höchste Lenkung befiehlt. Und daher gibt es kein Mitleid mit ihm. Und damit ist die ganze Menschheit ohne Ausnahme einverstanden.

Ich kann das ergänzen und, indem ich es auf eine religiöse Grundlage stelle, so formulieren: Da die Lenkung des Geschöpfes vom Schöpfer ausgeht und ohne Zweifel in allen Seinen Handlungen ein Ziel vorhanden ist (denn es gibt niemanden, der ziellos handeln würde), so schadet jeder, der gegen eines der Gesetze der Natur verstößt, die uns gegeben wurden, dem Ziel, zu welchem wir voranschreiten. Denn zweifellos ist das Ziel auf allen Gesetzen der Natur ohne Ausnahme aufgebaut. Und für einen klugen Arbeiter geziemt es sich nicht, in seinen Handlungen etwas auch nur von Haaresbreite wegzunehmen oder hinzuzufügen, was für das Erreichen des Ziels vonnöten ist.

Daher wird von der Natur bestraft werden, wer auch nur gegen ein Gesetz verstößt, da dieser Verstoß dem ganzen, vom Schöpfer gesetzten Ziel schadet. Daher sollten auch wir, die wir vom Schöpfer erschaffen wurden, den nicht bemitleiden, der die Gesetze der Natur beschmutzt und das Ziel des Schöpfers herabwürdigt. So ist meine Meinung.

Ich glaube, dass niemand über die Form streiten sollte, in welche ich meine Worte hüllte, da das Wesen des Gesetzes eins ist. Denn worin besteht die Kontroverse? Ob man den Lenkenden als die Natur bezeichnet und ihm das Vorhandensein von Wissen und Ziel abspricht oder sagt, dass Er ein unglaublicher Weiser ist, der weiß und fühlt, und dass es ein Ziel in Seinen Handlungen gibt? Im Endeffekt akzeptieren alle und sind alle damit einverstanden, dass uns diese Verpflichtung auferlegt wurde – die Gebote der Höchsten Lenkung auszuführen, mit anderen Worten: die Naturgesetze. Und alle geben zu, dass derjenige, der gegen das Gebot der Höchsten Lenkung verstößt, eine Bestrafung verdient, die ihm von der Natur auferlegt wird; und die Bestrafung ist für ihn sogar wünschenswert, und es darf niemand einen solchen bemitleiden. Das heißt, das Wesen des Gesetzes ist eins, und es gibt deswegen zwischen uns keine Differenzen, außer im Motiv – die einen nehmen es als ein verpflichtendes wahr, und meiner Meinung nach ist es ein zielgerichtetes.

Und damit es für uns nicht vonnöten sein wird, im Weiteren diese zwei Begriffe zu benutzen, Natur und Lenkender, weil, wie ich bereits sagte, kein Unterschied in der Ausführung ihrer Gesetze existiert, so ist es für uns besser, zu einer tieferen Gegenüberstellung überzugehen und die Meinung der Kabbalisten darüber anzunehmen, dass der Zahlenwert der Worte „Natur“ und „Elokim“ (einer der Namen des Schöpfers) gleich ist und 86 beträgt. Und dann kann man die Gesetze des Schöpfers als die Gebote der Natur bezeichnen und umgekehrt, weil dies ein und dasselbe ist. Und wir sollten nicht weiter unnützes Zeug reden.

Nun ist es für uns sehr wichtig, uns die Gebote der Natur anzuschauen, um zu erfahren, was sie von uns fordert, um nicht gnadenlos von ihr bestraft zu werden. Wir sprachen bereits davon, dass die Natur den Menschen dazu verpflichtet, das Leben der Gesellschaft zu leben, und dies ist einfach. Wir sollten uns aber einmal die Gebote anschauen, welche uns die Natur in dieser Hinsicht auszuführen verpflichtet, das heißt hinsichtlich des Lebens in der Gesellschaft. Wenn wir es im Ganzen betrachten, so ist uns in der Gesellschaft nur die Ausführung zweier Gebote auferlegt, die man als „Kabbala“ (Empfangen) und „Hashpaa“ (Geben) bestimmen kann. Das heißt: Jedes Mitglied der Gesellschaft wird von der Natur dazu verpflichtet, alles Notwendige von der Gesellschaft zu empfangen, verpflichtet sich aber auch, der Gesellschaft zu geben, indem es für ihr Wohl arbeitet. Und wenn es (das Mitglied) wenigstens eines dieser Gebote nicht ausführt, dann wird es gnadenlos bestraft.

Hinsichtlich des Gebots des Empfangens brauchen wir keine zahlreichen Beobachtungen. Weil hier die Bestrafung unmittelbar folgt, können wir uns nicht nachlässig dazu verhalten. Was aber das zweite Gebot des „Gebens an die Gesellschaft“ angeht, wenn die Bestrafung nicht nur nicht unmittelbar erfolgt, sondern auch nicht auf direkte, sondern auf indirekte Weise auf uns wirkt, so wird dieses Gebot nicht auf die gebührende Art und Weise erfüllt.

Daher brät die Menschheit in einem höllischen Feuer, und Zerstörungen, Hunger und ihre Folgen haben bis zum heutigen Tage nicht von ihr abgelassen. Und es ist erstaunlich, dass die Natur uns wie ein professioneller Richter entsprechend unserer Entwicklung bestraft, weil offensichtlich ist, dass im Maße der Entwicklung der Menschheit und der Erreichung des wirtschaftlichen und technischen Fortschritts die Leiden und das Unglück sich anhäufen werden.

Dies ist die wissenschaftliche – praktische – Basis dafür, dass wir durch die Lenkung des Schöpfers in unserem ganzen Naturell dazu bestimmt wurden, das Gebot des „Gebens an den Nächsten“ in ganzer Präzision zu erfüllen. Und zwar so, dass jeder von uns keine Bemühungen scheuen und in vollem Umfang arbeiten sollte, wie es für den Wohlstand und die Wohlfahrt der Gesellschaft notwendig ist. Und solange wir hadern, dies in vollem Umfang auszuführen, wird die Natur nicht aufhören, uns dafür zu bestrafen, und sich an uns rächen.

Ausgehend von den Schlägen, die wir in unserer Zeit erhalten, müssen wir das Schwert erahnen, das zukünftig über uns schwebt, und die richtige Schlussfolgerung ziehen, dass die Natur uns besiegen wird und wir verpflichtet sein müssen, alle gemeinsam, wie ein Mensch, ihre Gebote in vollem Umfang zu erfüllen, wie es von uns gefordert wird.

BEWEIS DER ARBEIT DES SCHÖPFERS AUF DER GRUNDLAGE DER ERFAHRUNG

Jedoch bleibt für einen Menschen, der meine Worte kritisch auffasst, dennoch eine Frage offen. Denn bislang habe ich nur die Notwendigkeit der Arbeit für die Menschen bewiesen, aber wo liegt der praktische Beweis dafür, dass man die Gebote für den Schöpfer erfüllen muss?

Darum hat sich aber die Natur selbst gekümmert und uns unwiderlegbare Tatsachen gegeben, die uns durchaus zu einer vollen Bewertung und zu Schlussfolgerungen ausreichen, die keinerlei Zweifel hervorrufen. Denn wir alle sehen, wie eine riesige, millionenstarke Gesellschaft in einem Land wie Russland, welches eine Fläche einnimmt, die jene ganz Europas übertrifft, und das über eine Fülle von Bodenschätzen verfügt, die in der ganzen Welt nicht seinesgleichen kennt, entschied, kollektive Wirtschaft ins Leben zu rufen, und praktisch das gesamte Privateigentum liquidierte.

Und da niemand eine andere Sorge als die um das Wohl der Gesellschaft hatte, haben sie auf den ersten Blick bereits das ganze Heil des Gebots des „Gebens an seinen Nächsten“ in seinem vollen Sinne erkannt, soweit es der menschliche Verstand erkennen kann. Und gleichzeitig, schaut, was es sie gekostet hat! Anstatt sich zu erheben und die bürgerlichen Länder zu überholen, senkten sie sich immer tiefer herab, bis sie schließlich unfähig wurden, für ihre Arbeiter sogar den Lebensstandard der Arbeiter bürgerlicher Länder zu gewährleisten. Sie konnten ihnen noch nicht einmal ihr täglich Brot versprechen oder die Möglichkeit, ihre Blöße irgendwie zu bedecken. Und tatsächlich verwundert diese Tatsache, denn auf den ersten Blick, wenn man den Reichtum dieses Landes und die riesige Bevölkerung in Betracht zieht, dürften sie nach menschlichem Verstand nicht so tief fallen.

Es hat diese Nation aber eine Sünde begangen, und der Schöpfer hat es ihnen nicht vergeben. Und zwar sollte die ihnen auferlegte edle Arbeit, die „das Geben an den Nächsten“ ist und die sie zu erfüllen begannen, für den Schöpfer sein und nicht für die Menschheit. Weil sie ihre Arbeit aber nicht für den Schöpfer ausführten, hatten sie aus der Sicht der Natur selbst kein Existenzrecht.

Wenn man sich allerdings vorstellt, dass jeder aus dieser Gesellschaft versuchen würde, das Gebot des Schöpfers auszuführen, wie es geschrieben steht: „Du sollst den Ewigen lieben mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Wesen“, und sich dementsprechend um die Befriedigung der Bedürfnisse und Interessen seines Nächsten in gleichem Maße kümmern würde, genauso, wie er sich um seine eigenen Bedürfnisse kümmert (wie es geschrieben steht: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“); und wenn das Ziel eines jeden während seiner Arbeit für das Wohl der Gesellschaft der Schöpfer selbst wäre (das heißt, der Arbeitende würde von seiner Arbeit für die Gesellschaft erhoffen, dass er dadurch der Vereinigung mit dem Schöpfer gewürdigt wird, der Quelle aller Wahrheit und allen Heils, aller Freude und Zärtlichkeit), dann würden sie sich ohne jeden Zweifel im Laufe weniger Jahre in ihrem Wohlstand über alle Länder der Welt erheben. Denn dann hätten sie die Möglichkeit, die natürlichen Ressourcen zu nutzen, an welchen ihr Land doch so reich ist, und würden tatsächlich zu einem Beispiel für alle Länder werden und würden von Gott gesegnet genannt werden.

Wenn jedoch die ganze Arbeit im Geben an den Nächsten nur im Namen der Gesellschaft ausgeführt wird, dann ist das ein wackeliger Boden: Denn wer und was wird das Individuum dazu bringen, alles für die Gesellschaft zu investieren?

Man kann unmöglich hoffen, dass ein lebloses Prinzip Motivation geben könnte, Kraft, um sich vorwärts zu bewegen, sogar für ausreichend entwickelte Menschen, um nicht von den weniger Entwickelten zu sprechen. Und es entsteht die Frage: Woher wird ein Arbeiter oder Bauer ausreichend Kraft erhalten, die ihn zum Arbeiten veranlasst? Denn die Menge an seinem täglichen Brot wird sich nicht dadurch verkleinern oder vergrößern, dass er seine Kräfte verausgabt – er sieht vor sich kein Ziel und keine Belohnung. Denjenigen, welche die Natur studieren, ist bekannt, dass der Mensch nicht die kleinste Bewegung ohne Bewegkraft ausführen kann – das heißt, ohne dadurch seine Situation zu verbessern. Wenn der Mensch zum Beispiel die Hände von einem Stuhl auf den Tisch legt, dann geschieht das, weil es ihm erscheint, dass er sich, indem er seine Hände auf dem Tisch abstützt, bequemer fühlen wird; und wenn es ihm nicht so erschiene, dann würde er seine Hände alle siebzig Jahre seines Lebens auf dem Stuhl lassen, um nicht von einer größeren Anstrengung zu sprechen.

Wenn du Aufseher einsetzen würdest, damit diese jeden bestrafen würden, der bei der Arbeit faul wäre, und ihm dafür sein tägliches Brot wegnähmen – woher nähmen dann die Aufseher selbst die Bewegkraft für diese Arbeit? Denn das Befinden an einem bestimmten Ort und die Bewachung der Menschen mit dem Ziel, sie zum Arbeiten zu zwingen, ist an sich eine große Anstrengung, vielleicht eine noch größere als die Arbeit selbst. Das gleicht einem, der sich ein Auto ohne Brennstoff anschaffen möchte.

Daher sind die Beschlüsse zur Vernichtung schon durch die Natur selbst veranlagt, weil die Gesetze der Natur die Menschen bestrafen werden. Denn sie selbst werden die Bestimmungen der Natur nicht ausführen können – dem Nächsten um des Schöpfers willen zu geben –, um in dieser Arbeit zum Schöpfungsziel zu gelangen, zur Verschmelzung mit dem Schöpfer, was im Artikel „Gabe der Tora“ (Punkt 6) beschrieben wurde. Diese Verschmelzung kommt zum Arbeitenden in Form eines immer größer werdenden, riesigen Genusses, der sich bis zum begehrten Grad des Aufstiegs in der Erkenntnis der Wahrheit des Schöpfers vermehrt und entwickelt, bis das Individuum endlich des großen Wunders gewürdigt wird, dessen Andeutung in der Schrift enthalten ist: „Außer dir wird niemand den Schöpfer erblicken.“

Stellt euch nun vor, dass ein Bauer oder ein Arbeiter dieses Ziel während seiner Arbeit für das Wohl der Gesellschaft spüren würde, dann würde er natürlich keines Aufsehers bedürfen, weil er bereits über ausreichend Bewegkraft für riesige Anstrengungen verfügen würde, um die Gesellschaft auf den Höhepunkt des Glücks zu erheben.

In der Tat bedarf das Verständnis dafür riesiger Anstrengungen in der richtigen Richtung. Es sehen aber alle, dass sie kein Existenzrecht haben außer nach den Gesetzen der sturen Natur, die keine Zugeständnisse kennt. Und das ist alles, was ich hier beweisen wollte.

Wie ich bereits oben bewiesen habe, indem ich mich auf empirische Daten stützte – die historischen Ereignisse, die sich unseren Augen darstellten –, gibt es für die Menschheit kein anderes Heilmittel in der Welt, außer das Gesetz der Höchsten Lenkung anzunehmen, des „Gebens an den Nächsten um des Schöpfers willen (für den Schöpfer)“, welches, wie es geschrieben steht, zwei Aspekte einschließt.

Einer von ihnen ist „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ – dies ist das Wesen dieser Arbeit, und es bedeutet, dass der Grad der Anstrengungen für das Geben an den Nächsten im Namen des Glücks der Gesellschaft nicht geringer sein darf als der Grad des natürlichen Bedürfnisses des Menschen, sich um seine eigenen Belange zu kümmern. Mehr als das, sollte die Sorge um das Wohlergehen des Nächsten der Sorge um das eigene Wohlergehen zuvorkommen, wie es im Artikel „Gabe der Tora“ beschrieben ist.

Und der zweite Aspekt: „Du sollst Gott lieben mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Wesen“, dessen Ziel jeden dazu verpflichtet, zu der Zeit, zu der er sich um das Wohlergehen seines Nächsten kümmert, dies nur zu tun, um Wohlgefallen in den Augen des Schöpfers zu finden, damit er sagen kann, dass er Seinen Wunsch ausführt.

„Wollt ihr Mir gehorchen, so sollt ihr des Landes Gut genießen“ (Jesaja, 1:19), und es wird jeder Bedürftige und Gequälte von der Erde verschwinden und auch der Versklavte, und das Glück eines jeden wird jedes Maß übersteigen. Solange ihr euch aber weigert und euch nicht wünscht, einen Bund zur Ausführung der Arbeit des Schöpfers zu schließen – in dem Grade, wie es zuvor beschrieben wurde –, werden sich die Natur und ihre Gesetze an uns rächen, und sie werden uns keine Ruhe geben, wie es oben bewiesen wurde, bis sie uns schließlich besiegt haben und wir uns zu guter Letzt ihrer Herrschaft in allem unterwerfen werden, worauf sie [die Weisen] uns hinweisen.

Auf diese Weise lieferte ich dem Leser eine wissenschaftliche und praktische Erforschung, die auf einer Analyse von empirischen Daten basiert und die absolute Notwendigkeit für alle Menschen beweist, die Arbeit des Schöpfers „mit dem ganzen Herzen, mit der ganzen Seele und mit dem ganzen Wesen“ auf sich zu nehmen.

DEUTUNG DER MISHNA: „ALLES IST VERPFÄNDET, UND DIE FALLE WURDE FÜR DAS GANZE LEBEN GESTELLT.“

Erst nach all dem, was wir zuvor erfahren haben, werden wir die Unklarheiten der Mishna im „Traktat der Väter“ (Awot) verstehen können: „Er (Rabbi Akiva) sagte, dass das ganze Leben verpfändet ist und die Falle für alle Lebenden [oder: „für das ganze Leben“] gestellt ist. Der Laden steht offen, und der Ladeninhaber gibt auf Leihe [oder: ist allumfassend]. Und das Buch ist offen, und die Hand schreibt. Und jeder, der borgen will, soll kommen und sich nehmen. Doch die Eintreiber der Steuer kommen jeden Tag zurück, und vom Menschen wird die Bezahlung eingefordert, ob er sich dessen bewusst wird oder nicht. Und sie haben, worauf sie sich stützen können. Und das Gericht ist ein gerechtes, und alles ist für das Mahl zubereitet.“

Diese Mishna blieb nicht umsonst vor uns verborgen, ohne uns auch nur den Hinweis auf eine Lösung zu geben; was uns darauf verweist, dass es in ihr eine bodenlose Tiefe gibt, die uns noch zu erkennen bevorsteht. Sie wird aber wunderbar anhand der Kenntnisse erklärt, die wir zuvor erlangten.

DER KREISLAUF DER VERÄNDERUNG DER FORM

Zunächst werde ich das von den Weisen über den Abstieg der Generationen Gesagte darlegen. Wenn wir Körper sehen, die sich abwechseln und von einer Generation in die andere übergehen, dann betrifft das nur die Körper. Die Seelen aber, welche das Wesen des Körpers ausmachen, verschwinden nicht im Prozess des Austauschs des Körpers, sondern versetzen sich und gehen aus einem Körper in den anderen über, aus einer Generation in die andere. Und die Seelen, die es in der Generation der Flut gab, versetzten sich und gingen in die Generation der Erbauer des Turms von Babylon über, dann ins ägyptische Exil, dann in die Generation derjenigen, die aus Ägypten zogen, usw. bis zu unserer Generation und so bis zur Endkorrektur.

Somit gibt es in unserer Welt keinerlei neue Seelen, die sich ähnlich den Körpern erneuern würden, sondern es gibt nur eine bestimmte Anzahl von Seelen, die im Kreislauf der Veränderung der Form reinkarnieren, indem sie sich in jeder neuen Generation immer wieder in einen neuen Körper kleiden. Wenn man es also aus dem Blickwinkel der Seelen betrachtet, dann werden alle Generationen vom Beginn der Schöpfung bis zur Endkorrektur als eine einzige Generation definiert, die einige Tausende von Jahren weiterlebte, bis sie sich schließlich entwickelte und zu dem nötigen Zustand gelangte. Aus dieser Sicht ist es nicht von Bedeutung, dass in dieser Zeit jeder seinen Körper einige Tausend Mal tauschte, weil die Seele – das Wesen des Körpers – nicht an diesen Wechseln litt.

Dafür gibt es zahlreiche Beweise und eine tiefgründige Weisheit, welche „das Geheimnis des Kreislaufs der Seelen“ heißt, zu deren Erklärung hier kein Raum ist. Es ist aber notwendig anzumerken, dass sich das Geheimnis des Kreislaufs der Seelen auch auf die kleinsten wahrnehmbaren Teilchen der Wirklichkeit erstreckt, von welchen jedes sich auf seinem Weg des ewigen Lebens bewegt. Und ungeachtet der Tatsache, dass gemäß unserer Sinnesorgane alles Existierende verschwindet, ist das nur unsere Sichtweise. In Wirklichkeit aber existieren nur Kreisläufe (Reinkarnationen), und jegliches Teilchen hat keine Sekunde Ruhe, während es in ständiger Bewegung im Kreislauf der Veränderung der Form begriffen ist und nichts von seinem Wesen auf diesem Weg verliert, wie es die Wissenschaftler (Physiker) #bestätigten.

Und nun gehen wir zur Aufklärung dessen über, was in der Mishna steht, dass „alles verpfändet ist“. Das gleicht dem, wenn jemand seinem Freund eine bestimmte Summe an Geld für ein eigenes Geschäft leiht, um Mitinhaber bei dem Erhalt des Gewinns zu sein. Um sicher zu sein, dass er sein Geld nicht verliert, gibt er es gegen Pfand, was ihn von allen Befürchtungen befreit.

So auch bei der Erschaffung der Welt und ihrer Existenz. Der Schöpfer schuf sie für die Menschen, damit sie mit ihrer Hilfe dieses erhabene Ziel der Verschmelzung mit dem Schöpfer erreichen, wie es im Artikel „Gabe der Tora“ steht. Man sollte aber klären: Wer wird die Menschheit dazu bringen, die Arbeit des Schöpfers auszuführen, um im Endeffekt dieses erhabene und majestätische Ziel zu erreichen? Darüber sagt uns Rabbi Akiva: „Alles ist verpfändet.“ Das heißt alles, was der Schöpfer in der Schöpfung vorherbestimmte und den Menschen gab, wurde nicht als herrenloses Eigentum gegeben. Er sicherte sich durch ein Pfand ab. Wenn man aber fragt, welches Pfand ist Ihm gegeben?

Die Antwort darauf ist: „(…) und die Falle wurde für das ganze Leben gestellt“. Das bedeutet, dass der Schöpfer der Menschheit eine solch wunderbare Falle bereitet hat, dass niemand ihr entkommen wird und sein ganzes Leben in dieser Falle verbringen müssen wird und gezwungen sein wird, die Arbeit des Schöpfers auf sich zu nehmen, bis er endlich das majestätische Ziel erreicht. Das ist dasjenige Pfand des Schöpfers, welches Ihm garantiert, dass Er nicht durch das Geschöpf betrogen wird.

Und weiter wird ausführlicher erklärt: „Der Laden steht offen“ bedeutet, dass, obwohl diese Welt in unseren Augen wie ein offener Laden ohne Herren aussieht, aus dem jeder Passant sich die Ware und alles, was seine Seele begehrt, kostenlos und ohne Rücksicht nehmen kann – Rabbi Akiva darauf besteht und uns warnt, dass der „Ladeninhaber auf Leihe gibt“. Das heißt: Obwohl du hier keinen Herren siehst, sollst du wissen, dass es einen Herrn gibt, und der Grund, weshalb er keine Bezahlung fordert, ist, weil er dir borgt. Und du wirst fragen: Woher ist meine Rechnung bekannt? Darauf ist die Antwort: „Das Buch steht offen, und die Hand schreibt.“ Das heißt, es existiert ein allgemeines Buch, in welches jede Handlung hineingeschrieben wird, ohne Ausnahme. Der Sinn dessen besteht darin, dass ein vom Schöpfer in der Menschheit eingemeißeltes (eingeprägtes) Gesetz der Entwicklung existiert, welches uns vorwärts stößt.

Das bedeutet, dass falsche Handlungen im Verhalten, die für die Menschheit üblich sind, selbst die Ursache guter Zustände sind, das heißt, diese selbst kreieren. Und jeder gute Zustand ist nichts anderes als das Ergebnis der Arbeit eines vorangehenden schlechten Zustands.

Tatsächlich muss die Bewertung des Guten und des Bösen nicht nach der Bewertung des Zustands als solchem gegeben werden, sondern in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Schöpfungsziel, wenn jeder Zustand, welcher die Menschheit an das Ziel annähert, als gut gilt, und jeder vom Ziel sich entfernende als schlecht. Nur darauf basiert das „Gesetz der Entwicklung“; in Übereinstimmung mit dem Grad an Unkorrigiertheit und Sünde, die in einem Zustand eingeschlossen sind und Ursache für die Entstehung und den Prozess des Aufbaus eines guten Zustandes sind.

Die Existenz eines jeden Zustands dauert dabei eine streng bestimmte Zeit, welche für das Heranwachsen des Umfangs des in einem Zustand eingeschlossenen Bösen vonnöten ist, und zwar bis zu einem solchen Grad, dass sich die Menschheit nicht mehr in ihm befinden können wird. Dann wird die Gesellschaft zusammenrücken, ihn zerstören und in einen besseren Zustand hinsichtlich der Korrektur der gegebenen Generation übergehen müssen. Dabei dauert die Zeit der Existenz des neuen Zustands ebenfalls solange an, bis sich endlich die Funken des Bösen in ihm emporheben und zu einem solchen Grad heranreifen, dass es unmöglich wird, ihn zu erdulden. Und dann wird man wieder diesen Zustand zerstören und an seiner Stelle einen bequemeren aufbauen müssen.

Und so folgen Zustände aufeinander und werden einer nach dem anderen geprüft, Stufe für Stufe, bis schließlich ein Zustand eintritt, der soweit korrigiert ist, dass in ihm keinerlei Funken des Bösen vorhanden sind.

Somit finden wir vor, dass das Wesen aller Körner und Samen, aus welchen gute Zustände erwachsen und ihren Anfang nehmen, nichts anderes ist, als die unkorrigierten Zustände selbst. Das bedeutet, dass alle Greuel, die sich offenbaren und unter den Händen der Sünder der Generation hervorsprießen, sich versammeln, eines zum anderen, und gewogen werden, bis sie endlich ein solches Gewicht erlangen, welches die Gesellschaft nicht mehr verkraften kann. Und dann erheben sich die Menschen, zerstören diesen Zustand und kreieren einen wünschenswerteren. Daraus wird ersichtlich, dass jedes einzelne Böse zu einer Bedingung [der Entstehung] einer Widerstandskraft wird, durch welche sich ein gerechter Zustand entwickelt.

Und hier sind die Worte von Rabbi Akiva: „Das Buch steht offen, und die Hand schreibt.“ Sie bedeuten, dass jeder Zustand, in welchem sich diese oder jene Generation befindet, einem Buch ähnelt, und jeder, der Böses vollbringt, der schreibenden Hand gleicht. Da jedes Böse eingemeißelt und im Buch aufgeschrieben wird, bis es sich endlich zu einem solchen Maße anhäuft, dass sich die Menschheit nicht mehr darin befinden kann. Und dann zerstört man diesen schlechten Zustand und geht, wie gesagt wurde, in einen wünschenswerteren Zustand über. Und jede Tat wird in Betracht gezogen und im Buch niedergeschrieben, das heißt in dem Zustand, wie es bereits gesagt wurde.

Es steht geschrieben: „Jeder, der sich borgen will, soll kommen und sich nehmen.“ Das heißt: Jeder, der glaubt, dass die Welt kein offener, herrenloser Laden ohne einen Besitzer ist, sondern dass es in ihm einen Herren (Ladeninhaber) gibt, der in seinem Laden steht und von jedem Nehmenden fordert, dass dieser ihm den gewünschten Preis für die Ware bezahle, welche er aus dem Laden nimmt. Was bedeutet, dass er sich bemühen soll, die Arbeit des Schöpfers während der Zeit, in der er sich dieses Ladens bedient, zu verrichten, wie es sich geziemt, um die Erreichung des Schöpfungsziels zu garantieren, wie es der Schöpfer selbst begehrt. Ein solcher Mensch gilt als „jemand, der sich borgen will“, weil er, noch bevor er seine Hand danach ausstreckt, um sich etwas in diesem Welt*Laden zu nehmen, sich daran erinnern muss, den festgelegten Preis zu bezahlen.

Dies bedeutet, dass er die Verpflichtung auf sich nimmt, zu arbeiten und das Ziel des Schöpfers im Laufe der Zeit, in der er sich des Ladens bedient, zu erreichen; und dass er garantiert, seine Schuld zu begleichen, indem er sie durch das Erreichen des erwünschten Ziels bezahlt. Daher wird er als jemand bezeichnet, der sich borgen will, weil er sich durch das Versprechen bindet, die Schuld zu begleichen und zu bezahlen.

Rabbi Akiva beschreibt uns zwei Typen von Menschen. Der erste Typ: diejenigen, die meinen, dass der „Laden offen steht“ und sich zu dieser Welt wie zu einem offenen Laden ohne einen Herren (Ladeninhaber) verhalten. Und über sie sagt er: „Das Buch liegt offen, und die Hand schreibt.“ Das heißt, obwohl sie keinerlei Rechnungsführung sehen, werden dennoch ihre Taten in ein Buch eingeschrieben, wie oben gesagt wurde. So wirkt das Gesetz der Entwicklung, welches in der Schöpfung entgegen dem Willen der Menschheit eingemeißelt ist, wenn Taten der Sünder gezwungenermaßen gute Taten erzeugen.

Der zweite Typ heißt: „diejenigen, die sich etwas borgen wollen“. Das sind diejenigen, die auf den Besitzer Rücksicht nehmen, und wenn sie etwas im Laden nehmen, dann nehmen sie nicht einfach, sondern borgen und versprechen dabei dem Besitzer, den festgesetzten Preis zu bezahlen, das heißt, mithilfe des Geborgten das Endziel zu erreichen. Und über sie sagt er: „Jeder, der sich etwas borgen will, soll kommen und sich nehmen.“

Und es kommt die Frage auf, worin der Unterschied liegt zwischen dem ersten Typ, zu welchem das Endziel durch das Gesetz der Entwicklung mit Zwang kommt, und dem zweiten Typ, zu welchem das Endziel durch die Eigenknechtung in der Arbeit des Schöpfers kommt. Sind die zwei Typen nicht etwa in der Erreichung des Ziels gleich?

Und Rabbi Akiva fährt fort: „Doch die Steuereintreiber kommen jeden Tag zurück, und vom Menschen wird die Bezahlung eingezogen, ob er sich dessen bewusst wird oder nicht.“ Die Wahrheit besteht darin, dass sowohl die einen als auch die anderen ihre Schulden gemäß dem Genommenen jeden Tag bezahlen. Und wie besondere Kräfte, die während der Arbeit des Schöpfers auftauchen, als treue Steuereintreiber definiert werden, die täglich die Schuld in genauer Höhe bis zu ihrer vollkommenen Erlöschung erheben, so gelten auch die festen, unerschütterlichen Kräfte, die im Entwicklungsgesetz eingemeißelt sind, als sichere Steuereintreiber, welche die Schuld täglich und in konstanter Höhe einkassieren, bis sie schließlich vollständig bezahlt sein wird, und davon handeln seine Worte: „Doch die Steuereintreiber kommen jeden Tag zurück, und vom Menschen wird die Bezahlung eingefordert.“

Es gibt allerdings einen Unterschied zwischen ihnen und einen riesigen Abstand, der sich im Begriff von „bewusst“ und „unbewusst“ äußert. Menschen des ersten Typs, deren Schulden von Steuereintreibern von Seiten des Gesetzes der Entwicklung einkassiert werden, geben ihre Schulden „unbewusst“ zurück. Tosende Wellen, die vom Sturmwind des Gesetzes der Entwicklung erhoben werden, ereilen sie, stoßen sie von hinten an, und zwingen die Geschöpfe, vorwärts zu schreiten. Somit wird die Bezahlung der Schuld durch Zwang erhoben, durch übermäßige Leiden an der Offenbarung der Kräfte des Bösen, welche von hinten Druck auf sie ausüben.

Die Menschen des zweiten Typs aber bezahlen ihre Schuld zurück, welche die Erreichung des Ziels ist, „bewusst“, nach eigenem Wunsch, dadurch, dass sie immer wieder besondere Arbeiten ausführen, welche die Entwicklung des Gefühls der Erkenntnis des Bösen beschleunigen. Indem sie diese Arbeit ausführen, gewinnen sie doppelt.

Der erste Gewinn besteht darin, dass diese Kräfte, die aus der Arbeit des Schöpfers zutage treten, ihnen in Form von anziehender Kraft erscheinen, ähnlich der magnetischen Leidenschaft, und sie beeilen sich und drängen zu Ihm nach eigenem Wunsch, bewegt vom Gefühl der Liebe, und man muss nicht erwähnen, dass dabei alle Trübsal und alles Leid verschwinden, die dem ersten Typ eigen sind.

Der zweite Gewinn besteht darin, dass sie für sich das erwünschte Ziel beschleunigen. Und gerade sie sind die Gerechten und Propheten, die in jeder Generation gewürdigt werden und das Ziel erreichen.

Und der riesige Unterschied zwischen denjenigen, die bewusst zahlen, und denen, welche dies unbewusst tun, besteht im Vorteil des Lichts des Genusses und der Freude im Gegensatz zur Finsternis von Leiden und schmerzvollen Schlägen. Es steht auch geschrieben: „Und sie haben eine Hoffnung, und das Gericht ist ein gerechtes.“ Das heißt, denjenigen, die bewusst und nach eigenem Wunsch zahlen, verspricht er, dass sie „eine Hoffnung haben“. In der Arbeit des Schöpfers ist eine große Kraft eingeschlossen, die fähig ist, zum erhabenen Ziel zu führen. Und sie sollten das Joch Seiner Arbeit auf sich laden. Und von denjenigen, die ihre Schulden unbewusst begleichen, sagt er: „Und das Gericht ist ein gerechtes.“ Auf den ersten Blick erscheint die Lenkung des Schöpfers merkwürdig, dass Er all die Ungerechtigkeit und das Leiden, die sich in der Welt offenbaren, zulässt und ihnen Macht gibt und die Menschheit ohne Gnade in ihnen schmort. Doch es heißt, dass dieses Gericht „ein gerechtes“ sei, weil alles korrigiert und für das Mahl bereitet ist, gemäß dem gerechten Endziel.

Der höchste Genuss wird sich in der Zukunft offenbaren, gemeinsam mit der Erreichung des Endziels des Schöpfers durch die Geschöpfe, wenn jede Arbeit, jede Anstrengung und alle Leiden, die einen Kreislauf in den Generationen und in der Zeit durchlaufen, uns an die Gestalt des Hausherren (Gastgebers) erinnern, der sich bemüht und riesige Anstrengungen unternimmt, um ein fürstliches Mahl für die eingeladenen Gäste zuzubereiten. Das erwartete Ziel, welches im Endeffekt erreicht werden muss, gleicht einem Mahl, welches die Gäste mit riesiger Lust genießen. Es heißt: „Das Gericht ist ein gerechtes, und alles ist korrigiert und für das Mahl bereit.“

Ähnliches kann man in Bereshit Rabba finden, wo die Rede von der Erschaffung des Menschen ist. „Und die Engel fragten den Schöpfer: ‚Wozu brauchst du den Menschen, was ist seine Rolle? Wozu brauchst du dieses Unglück?‘ Und es antwortete ihnen der Schöpfer mit einer Fabel über den König, der ein Schloss voll von allem Guten, aber keine Gäste hatte. Und was hat der König von all dem Guten? Und sie sagten Ihm: ‚Herr der Welt! Unser Herr und Gebieter! Wie groß ist Dein Name auf der Erde! Tue, wie es Dir bequem ist!‘“

Engel, die sahen, welcher Schmerz und welches Leid in der Zukunft über die Menschheit hereinbrechen werden, wunderten sich und fragten: Wozu braucht der Schöpfer dieses Unglück? Und es antwortete ihnen der Schöpfer, dass, obwohl Er ein Schloss voll von allem Guten hat, Er keine anderen eingeladenen Gäste außer dieser Menschheit hat. Und natürlich erwogen die Engel all die Genüsse, die es in diesem Schloss gibt, welches auf seine Eingeladenen wartet, und verglichen sie mit den Leiden und dem Ärger, welche der Menschheit in der Zukunft widerfahren werden, und sahen, dass es sich für die Menschheit lohnt, sie für das sie zu erwartende Heil zu erdulden; und sie gaben sich mit der Erschaffung des Menschen einverstanden, in genauer Übereinstimmung mit den Worten von Rabbi Akiva: „Das Gericht ist ein gerechtes, und alles ist korrigiert und für ein Mahl zubereitet.“ Seit Anbeginn der Schöpfung sind alle Menschen in der Gästeliste eingetragen. Der Plan des Schöpfers verpflichtet sie dazu, zu dem Mahl zu kommen, bewusst oder unbewusst.

Im Gesagten werden sich in ganzer Wahrheit die Worte des Propheten offenbaren (Jesaja, 11): „Da werden die Wölfe bei den Lämmern wohnen und die Panther bei den Böcken lagern“ usw. Und erklärt das: „Denn voll ist die Erde von der Erkenntnis des Ewigen, so wie Wasser die Meerestiefe bedecken.“ Das bedeutet, dass der Prophet den Frieden in der ganzen Welt in Abhängigkeit von der Erfüllung der Welt mit dem Wissen über den Schöpfer stellt.

Wie wir bereits oben sagten, verschärft die egoistische Konfrontation zwischen dem Menschen und seinem Nächsten die nationalen Beziehungen. Und all das wird nicht von sich aus verklingen, und es werden der Menschheit keine Ratschläge und Tricks helfen – es wird das sein, was sein muss. Denn man sieht, wie sich der Unglückliche vor unerträglichem Schmerz, der ihm von allen Seiten zugefügt wird, dreht und windet. Und die Menschheit neigte sich bereits zu den extrem Rechten wie in Deutschland und zu den extrem Linken wie in Russland, und nicht nur, dass es ihre Situation nicht verbessert hat, sondern es hat die Krankheit und den Schmerz nur noch verschlimmert. Und wie wir wissen, erhebt sich das Gestöhn zum Himmel.

Es gibt für sie keinen anderen Rat als das Joch des Schöpfers auf sich zu nehmen, indem sie Ihn anerkennen. Das heißt, ihre Handlungen auf den Wunsch des Schöpfers und auf Sein Ziel auszurichten, wie Er sie vor der Erschaffung plante. Und sobald sie dies tun werden, ist offensichtlich, dass bei der Menschheit in der Arbeit des Schöpfers sogar die Erinnerung an Neid und Hass erlöschen wird, wie ich dies in dem, was bis jetzt gesagt wurde, klar zeigte. Denn dann wird sich die ganze Menschheit zu einem einzigen Ganzen mit einem Herzen vereinigen, welches mit der Kenntnis des Schöpfers gefüllt ist. Denn Frieden in der Welt und Erkenntnis des Schöpfers sind eins.

Unmittelbar darauf sagt der Prophet: „Und es wird sein an jenem Tag, wenn der Schöpfer zum zweiten Mal Seine Hand ausstrecken wird, um den Rest Seines Volkes zurückzubringen. Und Er wird die aus Judäa Vertriebenen aus den vier Enden der Welt nach Hause holen.“ Somit geht Frieden in der Welt der Vereinigung Vertriebener voraus.

Nun kann man die Worte der Weisen verstehen: „Der Schöpfer fand kein anderes Gefäß (Kli), welches fähig wäre, Seinen Segen an das Volk Israel zu fassen, als den Frieden.“ Wie es heißt: „Der Schöpfer wird Seinem Volk Kraft geben und es mit Frieden segnen.“ Und auf den ersten Blick erscheint der Ausdruck merkwürdig: „Gefäß, welches fähig wäre, seinen Segen an Israel zu fassen“. Und tatsächlich, wie kann man hier eine Erklärung in der Schrift finden? Das Geschriebene wird aber durch die Prophezeiung von Jesaja erklärt, in welcher es heißt, dass der Frieden in der ganzen Welt der Vereinigung Vertriebener vorausgeht. Und die Worte „Der Schöpfer wird Seinem Volk Kraft geben“ bedeuten, dass, wenn der Schöpfer Israel – Seinem Volk – Kraft geben wird, das heißt ewige Vereinigung, er dadurch „Sein Volk mit Frieden segnen“ wird; mit anderen Worten: Er wird zuerst das Volk Israel mit dem Segen des Friedens in der ganzen Welt segnen. Erst danach wird der Schöpfer zum zweiten Mal Seine Hand ausstrecken, um den Rest Seines Volkes zu vereinigen.

Es sagten die Weisen: „Der Segen der ganzen Welt ging der Befreiung voraus“, weil „der Schöpfer kein anderes Kli fand, welches fähig wäre, Seinen Segen an Israel zu fassen, als den Frieden.“ Das heißt, solange Selbstliebe und Egoismus unter den Völkern herrschen, werden auch die Söhne Israels nicht die Arbeit des Schöpfers zur Reinigung und zum Geben an den Nächsten ausführen können, wie es geschrieben steht: „(…) und ihr werdet mir ein Volk der Hohepriester sein.“ Das sehen wir in der Praxis, denn der Einzug in das Land Israel und der Aufbau des Tempels hätten sich ohne den Schwur des Schöpfers an unsere Vorväter nicht verwirklichen und einen Segen erhalten können.

Es heißt: „Es fand der Schöpfer kein Gefäß, welches fähig wäre, Seinen Segen zu fassen.“ Mit anderen Worten hatten die Söhne Israels bis heute kein Kli, welches den Segen der Vorväter enthalten würde, und der Schwur hat sich noch nicht verwirklicht, damit sie das Land auf ewig segnen könnten. Denn nur der Frieden in der ganzen Welt ist jenes einzige Kli, welches es uns erlaubt, den Segen der Vorväter zu erhalten, wie es in der Prophezeiung von Jesaja heißt.

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