Rabash, Brief 2, Der Einfluss der Umgebung auf einen Menschen

Rav Baruch Shalom HaLevi Ashlag, Brief 2 aus dem Jahr 1967

Es ist das Gesetz bekannt, welches in der ganzen Welt wirkt: Es ist schlecht, wenn ein Spezialist in seiner Sache in die Umgebung von Unprofessionellen (Laien) gerät und von ihnen lernt. Das heißt, wenn er ein wahrer Spezialist ist, zum Beispiel ein Schuhmacher, der zu unprofessionellen Schuhmachern lernen kommt, und sie ihm zu verstehen geben, dass es sich nicht lohnt, qualitativ gute Schuhe herzustellen, sondern er solle tun, wie es geht, (und man sagt ihm,) es würde sich nicht lohnen, bequeme und schöne Schuhe herzustellen.

Oder nehmen wir einen Schneider, sogar einen, der ein Spezialist in seiner Sache ist – wenn er in eine Gruppe von unprofessionellen Schneidern gerät und diese ihm zu verstehen geben, dass man sich nicht anstrengen und keine Mühen unternehmen solle, um Kleider schön und sauber zu nähen, damit sie den Käufern gefallen würden, so soll er sich vor ihnen hüten und sich von ihnen entfernen.

Wenn aber ein Baumeister in eine Gruppe von Schneidern kommt, dann kann er von ihnen nichts Schlechtes lernen, weil es zwischen ihnen keine Verbindung gibt. Doch im gleichen Beruf muss sich jeder hüten und nur mit Menschen zu tun haben, die reinen Herzens sind.

Und gemäß dem Gesagten sollst du dich im Bezug auf jeden, den du für einen Diener des Schöpfers hältst, hüten und sehen, ob er ein wahrer Spezialist ist, das heißt, ob er danach strebt, dass sein Weg rein und heilig in Richtung des Schöpfers ist. Und jedes Mal, wenn er sieht, dass er etwas nicht weiß oder dass er nicht gut arbeitet, soll er nach Wegen suchen, um ein Spezialist zu werden, und nicht einfach so und nur, um für die Belohnung zu arbeiten.

Als gut und professionell gilt derjenige Arbeiter, der sich nicht auf den Lohn verlässt, sondern die Arbeit selbst genießt – zum Beispiel, wenn ein professioneller Schneider sieht, dass seine Kleider hinsichtlich aller Parameter dem Kunden passen, und sein spiritueller Genuss darin größer ist als vom empfangenen Geld.

Wenn es aber dagegen nicht Menschen deines Berufes sind, ist es nicht schlimm für dich, mit ihnen zusammen zu sein, weil du ein Baumeister bist, und sie sich mit der Bearbeitung von Tierhäuten beschäftigen. Wenn sich jedoch Menschen mit der Tora und den Mizwot beschäftigen, aber nicht für eine Kleidung sorgen, die dem Besteller gebührt, dann heißt das, dass sie über einen Verstand verfügen, der gegen die Tora ist –der Ansicht der Tora entgegengesetzt, weil sie es nicht zulässt, nur um des Wissens willen studiert zu werden. Und hier musst du ständig auf der Hut sein […] und dich von solchen Menschen entfernen, wie ein Pfeil, den man von einem Bogen abschießt. Gegenüber gewöhnlichen Menschen ist dies aber nicht so.

  • Was die religiösen Zionisten (Anshei Misrachi) betrifft – wenn du keine Verbindung zu ihnen hast, dann musst du dich nicht zu sehr vor ihnen hüten.
  • Vor orthodoxen Juden (Agudat Israel) muss man sich schon in Acht nehmen.
  • Und vor Chassiden musst du dich noch mehr hüten.
  • Auf Menschen aber, die meinem Vater (Baal HaSulam) nahe standen, muss man ganz besonders Acht geben und mit offenen Augen sein.

Doch in Wirklichkeit gibt es in alledem noch einen zusätzlichen Sinn, der vom heiligen ARI besonders betont wurde und von Baal HaSulam in seinem Buch „Lehre der Zehn Sefirot“ erläutert wurde. Warum fiel in der Welt Nekudim der Melech (König) haDaat, der sich auf der Stufe Keter befand und der erste Parzuf war, der hervorgekommen ist, während des Zerbrechens der Gefäße unter alle Melachim (Könige), die nach ihm zerbrachen? Das ist deshalb so, weil jener, der gröber ist, zu der Zeit, zu der er einen Massach (Schirm) hat, auch höher steht. Doch sobald bei ihm der Massach schwindet, wird er schlimmer als alle und fällt unter alle anderen Parzufim.

Und das kann man so erklären, dass bei denjenigen, die den Weg des Schöpfers gehen, der Wunsch nach Genüssen sowohl im Bezug auf das Materielle als auch im Bezug auf das Spirituelle verdoppelt ist. Daher hatten diejenigen, die Baal HaSulam nahe standen, zu der Zeit, als sie sich auf ihn stützten, einen Massach und Awiut (Grobheit). Und nun haben sie niemanden, dem sie sich beugen können, und es gibt nichts, was sie bändigt, und sie haben keinerlei Interesse, einen Massach zu machen, und ihre ganze Arbeit besteht nur darin, in der ganzen Welt wie gute Juden auszusehen oder zu großen „Rebbes“ (Rabbinern) zu werden.

Also dies ist Awiut ohne einen Massach. Und es kam von allein, dass sie alles verloren, was sie hatten. Und bei mir rufen sie in allem Misstrauen hervor, und es gibt niemanden, der sie am Arm greifen könnte. Und es reicht dazu. Ich fasse mich kurz, weil ich nicht will, dass sie in meinen Gedanken sind, so wie dir die Regel bekannt ist: „Wo sich die Gedanken des Menschen befinden, dort ist auch er selbst!“

Doch weil du mir als ein Mensch bekannt bist, der die Wahrheit zu kennen mag, war ich verpflichtet, in meine Gedanken Awiut ohne Massachim (Mehrzahl von Massach) einzuschließen, was zum Zerbrechen der Gefäße gehört, weil sie sich noch nicht auf den Weg erhoben, der es erlaubt, sie aufzulesen und zu sortieren.

Und damit das klarer wird, werde ich dir ein kurzes Beispiel anfügen. Bekanntlich existiert zwischen jeglichen zwei Stufen eine Zwischenstufe, welche beide zusammen in sich einschließt:

  • Zwischen der bewegungslosen und der pflanzlichen Stufe gibt es eine Zwischenstufe, die „Korallen“ heißt.
  • Zwischen der pflanzlichen und der tierischen Stufe gibt es die „Feldsteine“, welche lebendige Geschöpfe darstellen, die sich durch ihren Bauchnabel an der Erde festsaugen und daraus saugen.
  • Und zwischen dem Tier und dem Menschen gibt es den Affen.

Und daher muss man fragen: Was ist die Zwischenstufe zwischen Wahrheit und Lüge, und wo ist jener Punkt, der diese beiden Eigenschaften gleichzeitig in sich einschließt?

Und bevor ich das erkläre, werde ich noch eine Regel hinzufügen: Bekanntlich ist es unmöglich, eine kleine Sache zu sehen, während es dagegen einfacher ist, eine große Sache zu sehen. Wenn daher der Mensch in einer kleinen Lüge steckt, ist er nicht in der Lage, die Wahrheit darüber zu sehen, dass er den Irrweg beschreitet, und sagt dabei, dass er den Weg der Wahrheit geht. Und es gibt keine größere Lüge und Täuschung als das. Und alles, weil seine Lüge nicht groß genug ist, dass er die Wahrheit sehen kann.

Dem ist aber nicht so, wenn der Mensch bereits viel Lüge erwirbt und folglich das Maß an Lüge in ihm wächst, und wenn er sehen wollen wird, kann er sie bereits sehen. Und daraus folgt, dass er jetzt, das heißt, wenn er diese Lüge sieht und versteht, dass er den Irrweg beschreitet, den wahren Zustand sieht, das heißt, er sieht die Wahrheit in seiner Seele, wie er sich auf den richtigen Weg erheben kann.

Dieser Punkt, nämlich der Punkt der Wahrheit, dass er den Irrweg, den Weg der Lüge geht, ist also der Zwischenpunkt zwischen Wahrheit und Lüge. Und es gibt eine Brücke, die Wahrheit und Lüge miteinander verbindet, und dieser Punkt ist der Endpunkt der Lüge. Und von diesem Punkt an beginnt bereits der Weg der Wahrheit.

Und über diesen Weg ist uns aus dem, was mein Vater und Lehrer schrieb, klar, dass um liShma (für den Schöpfer) würdig zu werden, man zunächst das größte lo liShma (für sich) vorbereiten muss, und erst danach können wir liShma erlangen.

Deshalb kann man sagen, dass lo liShma als „Lüge“ und liShma als „Wahrheit“ bezeichnet werden kann. Wenn die Lüge klein ist, das heißt, wenn Mizwot und gute Taten geringfügig sind, verfügt der Mensch über eine kleine Absicht lo liShma und ist daher nicht in der Lage, die Wahrheit zu sehen, und sagt deswegen, dass er den guten und wahren Weg geht, das heißt, er glaubt, dass er sich mit liShma beschäftigt – alles für den Schöpfer tut.

Wenn er sich aber Tag und Nacht mit der Tora und den Mizwot [im Sinne von] lo liShma (für sich) befasst, dann ist er in der Lage, die Lüge zu sehen, weil durch die Vermehrung der Täuschung die Lüge riesig wird. Und es ergibt sich, dass er wahrhaftig sieht, dass er den Weg der Lüge sieht, und dann beginnt er, seine Taten zu korrigieren, das heißt, er fühlt, dass alles, was er tut, nur für ihn und nicht für den Schöpfer ist.

Und von diesem Punkt geht man auf den Weg der Wahrheit über, das heißt zu liShma. Und nur hier, in diesem Punkt, beginnt, dass man „von lo liShma zu liShma kommt“, aber nicht zuvor, solange der Mensch vorgibt, sich mit liShma zu befassen. Wie könnte er seinen Zustand und Weg ändern, solange er so denkt?

Wenn also der Mensch faul bei der Arbeit ist, ist er nicht in der Lage, die Wahrheit darüber zu sehen, wie er in der Lüge versinkt. Und nur wenn wir unsere Bemühungen in der Tora und den Mizwot mehren, um unserem Erschaffer Freude zu bereiten, nur dann können wir die Wahrheit sehen, wie wir den Irrweg (den Weg der Lüge) gehen, der als lo liShma bezeichnet wird. Und das ist der Zwischenpunkt zwischen der Wahrheit und der Lüge.

Daher sollten wir uns auf dem Weg des Schöpfers festigen, wie mein Vater und Lehrer uns beauftragte, und mögen wir uns in fester Überzeugung bekräftigen, damit jeder Tag für uns wie ein neuer Beginn ist, indem man ständig die Grundlage erneuert. Dadurch werden wir eines Fundaments würdig werden, das niemals einstürzen wird, und werden vorwärts schreiten.

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