Baal HaSulam, Brief 7, Einfachheit der Sprache
1921, Chanukka, Jerusalem
An meinen Freund, mein Herz und meinen Punkt, die Ehre seines Namens ist meine Herrlichkeit…möge seine Kerze brennen und für alle Ewigkeit leuchten, Amen, so möge es sein.
Seit dem neunten Elul (letzter Monat im jüdischen Kalender) bis zum zweiten Tag von Chanukka, seit ungefähr vier Monaten, wartete ich in freudiger Erwartung auf eines deiner geschriebenen Worte. Doch schlussendlich liegt vor mir ein langer Brief, voller poetischer Phrasen und Andeutungen, die keiner versteht, so wie der Staub, den der Fuchs mit seinem Schwanz aufwirbelt, der im gepflügten Feld umherläuft.
Welche Schuld hast du in mir gefunden, mich für unwürdig zu halten, etwas über deine Zustände zu erfahren, obwohl du doch weißt wieviel mir das bedeutet?
Es überrascht mich auch, dass du nicht auf das geachtet hast, was wir sagten, dass du mir nicht in poetische Phrasen gehüllte Briefe schreiben solltest, vor welchen ich auf ewig entfliehe, und [du tatest dies] dennoch in solch einem Ausmaß, dass ich dich nicht einmal in einem von ihnen finden kann.
Ich bitte dich, um Gottes Willen, wenn du mir einige Informationen schickst, dass du von jetzt an mit Vorsicht vorgehst, und sicherstellst, dass du in Einfachheit interpretierst – so wie ein Mensch, der kein Prophet ist, mit seinem Freund spricht. Und dass du damit sicherstellst, dass dieser weder abschweifen oder gar Kalkulationen anstellen kann, er soll nicht auf die Schönheit des Gesprochenen achten, sondern darauf wie gut die Leichtigkeit deiner Erklärung ist. Und am allerwichtigsten ist es, in deine Worte keine poetischen Phrasen oder Andeutungen unterzumischen, da es hier überhaupt keine Angst vor fremden Blicken geben muss…da es in meinem Haus keinen Zutritt für Fremde gibt.
Wenn du mir Neuheiten aus der Tora schreibst, kläre sie für mich ohne irgendwelche Namen oder Parzufim, welche in Büchern vorzufinden sind, sondern in einfachen, menschlichen Begriffen. Ich selbst nehme mich auch in Acht, meine Punkte in einer einfachen Sprache darzustellen, und so stellen sie sich mir auch in völliger Einfachheit vor meine Sinne, durch und durch, da es so eine nahe und wahre Art ist, etwas vollkommen zu erklären.
Wenn ich aber meine Angelegenheiten mit den Namen aus Büchern einkleide, erscheint in mir zu dieser Zeit das Verlangen, die Gedanken dieses Buches zu verstehen. So schweift mein Verstand vom Ziel meines Weges ab – und das habe ich ausprobiert und geprüft. Noch mehr: Wenn ich für meinen Weg eine Ausrichtung aus den poetischen Phrasen der Bücher erhalte, vermehrt sich sogar die Freude, das Unwahre mit dem Wahren zu vermischen. Daher, wenn ich dazu komme, etwas zu untersuchen, was ich untersuchen muss, verhalte ich mich vorsichtig, in Bücher zu schauen, sowohl davor als auch danach. Und so ist es auch beim Schreiben; ich benutze bei diesen Untersuchungen keine poetischen Phrasen, so dass ich mir sicher bin immer in Reinheit bereit zu stehen, ein Wort der Wahrheit in ihnen zu erschaffen, und das ohne Beimengung oder Unterstützung von etwas Äußerlichem. Nur dann wird der Gaumen es schmecken…
Yehuda Leib
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