Tu B’Aw (15. Aw)
Tu B’Aw ist ein kleiner jüdischer Feiertag, der immer in der Nacht zwischen dem 14. und 15. Tag des Monats Aw beginnt. Tu B’Aw ist ein fröhliches Fest, er wird auch ein Fest der Liebe genannt. In der Nacht zu Tu B’Aw wird gefeiert, getanzt und gesungen.
Worüber freuen wir uns und wen lieben wir?
Der 15. Aw ist laut der Überlieferung ein gutes Omen. Er ermutigt zur Annäherung zwischen den Menschen. Dieser Tag ist ein guter Tag, um zu heiraten, einen Heiratsantrag zu machen, oder zumindest einen Blumenstrauß oder eine Tafel Schokolade zu verschenken. Es wird oft eine gewisse Analogie zum Valentinstag dargestellt.
Aber nein, er ist keine Analogie. Vielmehr ist dieser Tag ein großer Fortschritt, der einen direkten Einfluss auf jeden einzelnen von uns hat. Dieser Feiertag hat seine Wurzeln in den Ursprüngen des jüdischen Volkes.
Aus dem Hass heraus…
Dabei war es anfangs gar nicht so einfach. Am Ende des Tora-Abschnitts Schoftim wird von einem Mann aus dem Stamm Levi berichtet, der mit seiner Geliebten auf dem Heimweg war. Der Tag neigte sich dem Ende, die Sonne ging unter, und die Reisenden verbrachten die Nacht in der Stadt des Stammes Benjamin.
Ein paar böse Männer, die in der Stadt wohlbekannt waren, kamen in das Haus, in dem die Gäste wohnten, nahmen die Geliebte und verhöhnten sie die ganze Nacht. Am nächsten Morgen war sie tot.
Der entsetzte Mann alarmierte alle Stämme Israels, die sich über diese grausame Tat empörten und die sofortige Auslieferung der Verbrecher forderten. Nach der Verweigerung brach ein Krieg zwischen den Brüdern aus, in dem der Stamm Benjamin fast vollständig ausgelöscht wurde. Die Überlebenden wurden zu Verbannten, da die Israeliten schworen, ihnen ihre Töchter nicht zur Frau zu geben.
Nachdem der Stamm Benjamin jedoch kurz vor dem Aussterben stand, bereuten die Israeliten den „Boykott“. Am fünfzehnten des Monats Aw erlaubten sie den Verbannten, sich Frauen aus der Stadt Silo zu nehmen.
Durch die Dornen…
Dieses Kapitel, unserer Geschichte, beendete die Kämpfe um die Vorherrschaft und die Macht. Und der 15. Aw wurde zu einem Symbol der Versöhnung und Einheit zwischen den Menschen. Im Buch Tiferet Schlomo heißt es, dass es, für Israel, keinen besseren Tag als diesen gab, als die Stämme in gegenseitiger Unterstützung zusammenkamen.
Die nachfolgenden Ereignisse enthüllten jedoch erneut die Trennung. Es ist wahr, dass die ursprüngliche Trennung des jüdisches Volkes in zwölf Stämme der Vergangenheit angehört. Heute sind wir in zahlreiche „Stämme“ unterschiedlicher ethnischer und kultureller Herkunft, mit völlig verschiedenen Weltanschauungen, aufgeteilt, mit einem bunten Strauß von Weltbildern, fast ohne überschneidenden Meinungen, Einstellungen und Interessen.
Was verbindet uns eigentlich zu einem Volk? Mehr noch – zu einer Menschheit? Ist das überhaupt möglich? Sind wir in der Lage, Frieden zwischen uns zu schließen? Können wir zu Brüdern werden und nicht zu Nachbarn, die sich im Grunde nicht umeinander kümmern?
Das ist keineswegs eine rhetorische Frage, und die Antwort steht noch aus.
Zur brüderlichen Liebe…
In der Natur und in der Menschheit herrschen zwei Kräfte: Liebe und Hass.
Angeborener Egoismus ist eine negative Kraft, die immer größer wird. Obwohl wir aufeinander angewiesen sind, kümmern wir uns nicht um andere. Oft versuchen wir, uns auf ihre Kosten zu bereichern, manchmal verachten wir sie, oder wir ignorieren sie und ein anderes Mal hassen wir sie; sei es am Arbeitsplatz, im Straßenverkehr, Internet, während rücksichtsloser politischer Auseinandersetzungen und sogar in der Familie…Selbst wenn wir jemanden lieben, lieben wir ihn nur, weil er uns ein gutes Gefühl gibt. Sobald sie aufhören, uns Vergnügen zu bereiten, verschwindet der Reiz und die Liebe verblasst. Lässt sich dieses vergängliche Gefühl „Liebe“ nennen?
Wirklich zu lieben bedeutet, dem anderen Menschen alles Gute zu wünschen; sogar mehr als das, um ihnen Gutes zu tun.
„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Wie dich selbst heißt, ohne Unterschiede, ohne Trennungen, ohne Täuschungen und Betrug – wahrhaftig wie dich selbst. “ (RAMHAL – Rabbi Moshe Chaim Lutsatto, Mesilat Yasharim. Kapitel 11)
Wenn wir jemanden lieben, spüren wir, was ihm fehlt, und suchen nach Wegen, ihn zu erfreuen. Es ist wie ein Mutterinstinkt in seinem erweiterten Sinn. Das ist Liebe. Alles beruht auf ihr, sagt das Buch Zohar. Und danach müssen wir streben, wenn der Hass in uns erweckt wird, wie es einst die Stämme Israels verstanden.
…über der Zwietracht
In der Tat ist dies das Gesetz der Dualität: Wahre Liebe kann nur über Hass aufgebaut werden. Diese beiden Gefühle, die beiden Pole unseres Lebens, bilden das Feld, in dem ihr Puls schlägt. Einatmen – ausatmen, Schritt links – Schritt rechts. Alles unterliegt dem Spannungsfeld zwischen den beiden entgegengesetzten Polen und der ständigen Suche nach dem Gleichgewicht zwischen ihnen. Aber nur ein bestimmtes Gleichgewicht, in dem „alle Vergehen durch Liebe gedeckt werden“.
Auf jeder Stufe, mit jedem Schritt, entsteht in uns eine neue Schicht des Egoismus, begleitet von Entfremdung, Missgunst, gegenseitiger Ablehnung und Feindseligkeit. Es ist zwecklos, diese Kluft zwischen uns zu ignorieren oder zu verschleiern. Sie ist ganz natürlich, sie ist sogar notwendig, damit wir über sie die positive Kraft der Verbindung setzen können. Es ist dieselbe Kraft, aber mit entgegengesetztem Sinn. Und dabei geht es nicht darum, welche dieser Kräfte gewinnt, sondern dass wir sie selbst kontrollieren. Hier liegt unsere Freiheit; mit allen möglichen Unterschieden zu spielen und uns gegenseitig zu stärken, je mehr wir voneinander getrennt und in verschiedene Richtungen gezogen werden. Der Ruhezustand ist für uns ein dynamisches Gleichgewicht enormer innerer Kräfte, die im Einklang zur Vertiefung sozialer Bindungen genutzt werden.
Wenn wir dies lernen, werden alle anderen Probleme letztendlich eine echte, ganzheitliche Lösung haben. Schließlich hängt alles von unseren guten Verbindungen zwischen uns ab. Alles basiert auf Liebe. Mit anderen Worten: alles beruht auf den unveränderlichen Gesetzen eines einzigen Systems, in dem alle Teile harmonisch zusammenwirken.
Das ist die Bedeutung von Tu B’Aw, welches eine Woche nach der Trauer des 9. Aws kommt. Ihre zeitliche Nähe ist nicht zufällig, sie hebt das untrennbare Band der Pole heraus: Indem wir uns über das Trennende erheben, kommen wir uns näher und stärken unsere Verbindung.
Wahre Liebe entsteht in den Menschen, die sie wirklich brauchen.
UNBEKANNTES ÜBER DAS BEKANNTE
Liebe aus Abhängigkeit ist egoistische Liebe, mit dem Verlangen, für sich selbst zu empfangen.
Bedingungslose Liebe ist wahre Liebe, die nicht auf dem eigenen Nutzen basiert.
„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ ist eine große Regel der Tora. Diese Regel schließt alle Korrekturen der Gedanken und Wünsche eines Menschen ein.
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