Parasha Bereshit / Tora Abschnitt „Im Anfang“
1. Buch Mose, Genesis 1,1–6,8
Zusammenfassung
Bereshit (Im Anfang) ist der erste Abschnitt der Tora (Pentateuch oder die Fünf Bücher Moses). Darin wird die Erschaffung der Welt in sechs Tagen und die Ruhe am siebten Tag geschildert. Es wird beschrieben, wie der „Mann“ erschaffen wird und im Garten in Eden ankommt. Auch die Erschaffung der „Frau“ und die darauf folgende Sünde am Baum der Erkenntnis, sowie die Geburten von Kain und Abel werden geschildert. Danach werden die Generationen von Kain bis Lamech, sowie die zehn Generationen von Adam bis Noah und deren Verderben beschrieben. Der Abschnitt endet mit der neuen Hoffnung durch die Geburt Noahs.
Kommentar von Rav Michael Laitman
Im Abschnitt Bereshit beschreibt mehr Vorkommnisse als jeder anderen Abschnitt der Tora. Er ist vielerlei Hinsicht der tiefgründigste Abschnitt, da er die Grundlage der Existenz des Menschen, die Erschaffung der „einen Seele“ beschreibt.
Die Seele ist das Verlangen Freude und Genuss zu empfangen, oder anders ausgedrückt „der Wille zu empfangen“.Dieser Wille ist die Essenz der Seele, welcher von sechs Eigenschaften beeinflusst wird: Chessed, Gwura, Tiferet, Nezach, Hod, und Jessod. Diese Eigenschaften durchdringen den Willen zu empfangen, die gesamte Materie, und formen sie in Übereinstimmung mit der Höheren Kraft, dem Schöpfer. Der Mensch wird Adam genannt. Das Wort stammt vom hebräischen Wort Adama, entnommen dem Vers Adame la Elyon: „Ich will emporfahren auf Wolkenhöhen, dem Allerhöchsten mich gleich machen!“(Jesaja, 14:14) Adam ist dem „Allerhöchsten“ ähnlich, dem erhabenen Geben und der Liebe, jener Höheren Kraft, die ihn erschaffen hat.
Adam ist die Struktur der Seele. Sie ist in ihrer Form dem Schöpfer ähnlich und befindet sich in Dwekut (Anhaftung) mit Ihm im Garten in Eden. „Garten“ bedeutet kabbalistisch gesehen „Verlangen“. Der „Garten“ ist Teil des Geschöpfes, Adams Substanz, der Wille zu empfangen. „Eden“ bezeichnet die Stufe des Gebens, die Stufe von Bina. Daraus folgt, dass Adam sich auf der Stufe von Bina im Garten Eden befindet.
Nichts in der Tora Beschriebenes bezieht sich auf die materielle Welt oder das Universum, sondern auf die „eine, gesamte Seele“, die von der Höheren Kraft erschaffen wurde. Bei ihrer Entstehung ist sie an die Höhere Kraft gebunden. Das bedeutet, dass sie weder eigene Kraft, noch einen eigenen Namen, noch Sinn für eine unabhängige Existenz hat. Sie gleicht einem Embryo im Schoße seiner Mutter. Einerseits existiert die Seele, andererseits ist sie ein Teil ihrer Mutter und die Mutter bestimmt jede Handlungen der Seele.
Durch die „Sünde am Baum der Erkenntnis“ durchläuft die Seele einen genau definierten Prozess, um unabhängig zu werden und sich dadurch, an die Form der Höhere Kraft anzugleichen. Anfangs befindet sich die Seele im Garten Eden, doch an diesem Ort ist sie von der Höheren Kraft abhängig. Um unabhängig zu werden, muss Adam sich der Kontrolle seines Schöpfer entziehen. So kann er den Zustand, über sich selbst zu herrschen, erreichen.
Das Wort Niwra (Geschöpf) kommt vom hebräischen Wort bar (außerhalb). Damit aus der Seele überhaupt ein Geschöpf werden kann, muss sie herausgelöst, also von ihrem Erschaffer getrennt werden. Das bedeutet, dass sie der Höheren Kraft entgegengesetzt sein muss. Diese Gegensätzlichkeit erhält sie durch die „Sünde am Baum der Erkenntnis“.
Bedeutung der Sünde
Laut Tora besteht die Seele aus zwei Kräften: Kain und Abel. Die Kraft Abel will existieren, indem sie den Hewel (Atem/Dampf), was das reflektierte Licht oder das Geben meint, über alles erhebt. Kain ist die gegenteilige Kraft. Sie will alle Freuden, alle Lichter empfangen. Und sie will das Licht für sich selbst und nicht um der Höheren Kraft willen erhalten. Die Kraft Kain ist stärker und absorbiert das Licht so heftig, bis dass Abel, das Verlangen zu geben, verschwindet. Dieser Zustand wird „Totschlag Abels durch Kain“ genannt.
Das Kli (Gefäß) der Seele, welches das Licht nicht um des Gebens willen empfängt, zerbricht dadurch in die vielen Teile des egoistischen Verlangens. Dies bedeutet der Abstieg der Seele in die unteren Welten. Jedes dieser egoistischen Verlangen wird zu einer „individuelle Seele“, die von einer Hülle – einer Klipa (Schale) – umschlossen wird. Dieses Zerbrechen der Seele führt zum Absteigen auf den spirituellen Stufen, bis zu dem Punkt, an dem sich die „individuelle Seele“ als Mensch in dieser Welt befindet. Jeder Mensch besitzt also einen Teil der „einen gemeinsamen Seele“, welche am Anfang erschaffen wurde.
Nun haben die Menschen, gerade weil sie durch ihre eigenen, egoistischen Verlangen für sich selbst zu empfangen, voneinander getrennt und nicht im Willen zu geben verbunden sind, die Möglichkeit zur Korrektur. Weil sich diese Seelen bereits seit langer Zeit im Prozess der Korrektur vorwärts bewegen, haben die heute lebenden Menschen die Möglichkeit, das Zerbrechen der Seele vollständig zu korrigieren. Obschon diese Menschen nicht selbst die Sünde begangen haben, befindet sie sich in ihnen, in ihrem Teil der Seele. Die Menschen sind nun vorbereitet und können die endgültige Korrektur erlangen.
Diese Korrektur wird als „Umkehr“ bezeichnet. Sie bedeutet ein Richtungswechsel hin zum höchsten Zustand, als sich der Mensch im Garten Eden befand. Der Mensch muss vorwärts streben und diesen Richtungswechsel durchführen, denn die ganze Welt befindet sich heute bereits im unterbewussten Verlangen nach Verbindung. Dieser Prozess bzw. die Evolution, die die Welt durchläuft, drängt alle Menschen zur Verbindung und zur Wahrnehmung ihrer selbst als eine „einzige Seele“, als Einheit. Richtet sich die gesamte Menschheit darauf aus, sich gegenseitig zu geben, was „den Nächsten lieben“ bedeutet, wird es ihr gelingen, zu einem noch höheren Zustand, als jener vor der Sünde, zu gelangen.
Mit großem Interesse habe ich diesen Kommentar von Rav Michael Laitman gelesen. Absolut neu ist für mich, die Anfangsgeschichte der Tora, die Genesis, als „Erschaffung der e i n e n Seele“ zu lesen, die sich ablöst vom Ursprung und hinabsteigt ins Menschsein, ins Individuum, sich dort – jenseits von Eden – in ihrem Verlangen egoistisch gebärdet; eine Seele, die die Chance und Möglichkeit hat, sich zu korrigieren, um sich mit dem Ursprung und so sich mit der e i n e n Seele ( der Weltseele?) zu verbinden. Und die Seele hat auf ihrem Weg der Korrektur eines gelernt und daran gearbeitet: alles zu geben, den Kain in sich selbst zu entdecken und zu überwinden. Das ist eine faszinierende Vorstellung gerade für unsere Zeit und passt so gut in unsere Situation, da stimme ich Dieter zu. Viele Menschen heute spüren, dass sich etwas verändern muss, bzw. dass es so nicht weitergehen kann. Das Verbindende liegt in unserer Seele verborgen.
„Das Verbindende liegt in unserer Seele verborgen.“- Goldene Worte! Danke Günter für dein Kommentar!
Das ist aber sehr verständlich, so kommt es mir heute vor. Es macht Sinn.