Parasha Lech Lecha /Tora Abschnitt „Gehe für dich“
1. Buch Mose, Genesis 12:1 – 17:27
Zusammenfassung
Der Abschnitt Lech Lecha, „Gehe für dich“ beginnt damit, dass Abram befohlen wird, in das Land Kanaan auszuziehen. Als Abram das Land Kanaan erreicht, zwingt Hunger ihn und seine Sippe, nach Ägypten hinabzusteigen. Dort entführen die Diener des Pharaos seine Frau, die schöne Sarai. Abram gibt sie im Haus des Pharaos als seine Schwester aus, weil er um sein Leben fürchtet. Der Schöpfer bestraft den Pharao mit Plagen und er ist gezwungen, Sarai Abram zurückzubringen.
Als Abram nach Kanaan zurückkehrt, kommt es zu einem Kampf zwischen den Hirten von Lots Vieh und den Hirten von Abrams Vieh. Daraufhin trennen sich die Wege Abrams und Lots.
Danach entsteht ein Krieg zwischen den vier Königen den Reihen der babylonischen Herrscher und fünf Königen aus dem Land Kanaan. Lot wird gefangen genommen, und Abram macht sich auf, ihn zu retten.
Der Schöpfer schließt mit Abram einen Bund, den „Bund der Teile“ (oder „Bund zwischen den Teilen“). Der Bund beinhaltet auch die Verheißung des Fortbestands seiner Nachkommenschaft und das Versprechen des Landes Kanaan.
Sarai kann keine Kinder bekommen, also bietet sie Abram ihre Magd Hagar an, und sie bekommen ein Kind namens Ismael.
Abram schließt den Bund der Beschneidung mit dem Schöpfer. Er erhält den Befehl, sich selbst und alle männlichen Mitglieder seines Haushalts zu beschneiden. Sein Name ändert sich daraufhin von Abram zu Abraham, und der Name seiner Frau von Sarai zu Sarah.
Am Ende des Abschnitts sagt der Schöpfer Sarah voraus, dass sie nun doch einen Sohn, der Isaak heißen soll, gebären wird.
Kommentar von Rav Michael Laitman
Alle Vorkommnisse, welche im Abschnitt beschrieben werden, spielen sich im Menschen ab. In Wirklichkeit existiert die vom Menschen wahrgenommene Realität nicht, also auch nicht die Geschichte oder Geographie, oder die Handlungen in diesem Abschnitt. Alles sind Ereignisse, die der Mensch in sich, durch sein Ego wahrnimmt.
Die Weisheit der Kabbala erklärt, dass die Wahrnehmung der Realität eine tiefgründige Angelegenheit ist, welche mit der innersten Psychologie, den Sinnen und der physischen Struktur des Menschen zusammenhängt.
In der Tora wird die wahre Entwicklung des Menschen beschrieben. All die Personen und Ereignisse, welche darin vorkommen, beschreiben die spirituellen Kräfte des Menschen. Abram zum Beispiel, ist die Absicht, sich hin zur Spiritualität zu entwickeln, das Verlangen, sich der Höheren Kraft anzunähern und sie zu erkennen.
Die Geschichte von Abram beschreibt die Offenbarung, dass in Wirklichkeit nur die eine, weltlenkende Kraft und jenes Verlangen, welches diese Kraft enthüllen will existiert. Jeder Mensch, der dieses Verlangen verspürt, herauszufinden, wer sein Schicksal lenkt und sich fragt, was der Sinn seines Lebens ist, befindet sich am selben Punkt wie Abram. Dann wirkt die Kraft Abrams in diesem Menschen.
Während Abram darüber nachdenkt, was zu tun ist, spürte er, dass er in den nächsten Zustand übergehen muss. Die Natur, die Höhere Kraft treibt ihn vorwärts, indem sie ihm sagt: „Geh für dich, aus deinem Land, aus deiner Verwandtschaft und aus dem Haus deines Vaters in das Land, das ich dir zeigen werde!“ Wohin soll er gehen? Dorthin, wohin ihn die Höhere Kraft hinführen wird. Dort wird der Mensch das Gleichgewicht finden, und sich selbst verwirklichen können.
Es steht geschrieben, dass Abram dies tatsächlich tut und mit seinem gesamten Hausstand und Tausenden von Menschen, Babylon verläßt. Er zieht mit ihnen in das Land Kanaan und gründet dort das „Haus Abrams“. Dadurch erlangt er auch ein neues Verlangen, welches „Kanaan“ genannt wird.
Das hebräische Wort Erez (Land) wird vom Wort Razon (Verlangen) abgeleitet. Abram stellte fest, dass dieses Verlangen ihn nicht ausreichend voranbringt. Er verspürt Hunger und weiß nicht, was ihn an diesem Punkt in der Erzählung im Land Kanaan ernähren und halten könnte. Da das Land Kanaan ein gebender Zustand ist, entsteht dadurch, dass Abram noch nicht gebend sein kann, eine neue Situation. Diese drängte ihn dazu, sich an den Willen zu empfangen zu klammern, was dazu führt, dass er nach Ägypten absteigt.
Hier erwacht ein großes, neues Verlangen. Der Mensch fühlt, dass weitere Schritte notwendig werden um dem immer größer werdenden Ego, welches sich vom Zustand „Babylon ist nicht genug“ entfernt, entgegenzuhalten. Das wachsende Ego verlangt nach mehr Erfüllung. Das erweckt in einem Menschen die Angst, dass wenn er mit der Absicht um zu geben, „Abram“, handelt, er sein größer werdendes Ego nicht befriedigen und dadurch seine Absicht nicht aufrecht erhalten kann.
Deshalb möchte der Mensch nicht mit dem Ego, dem Hindernis, das in ihm entsteht, arbeiten. Ein kleines Verlangen in ihm lässt diesem Menschen sagen: „Das ist meine Schwester, nicht meine Frau“. Er ist also bereit, sich vom ganzen Verlangen, Sarai, zu trennen und nur in der Absicht zu geben zu verbleiben, welche Abram genannt wird.
Aufgrund des wachsenden Egos fehlt dem Menschen das Gefühl der Erfüllung. Sondern im Gegenteil, er fühlt sich zunehmend unvollkommen und leer. Der Pharao in ihm fragt: „Was habe ich davon?“ Der gegenwärtige Zustand erscheint ihm schlimmer als jener vorher. Dies ist der Zustand, als der Pharao Abram auffordert, das Verlangen, Sarai, zurückzunehmen, weil er mit ihm nicht umgehen kann. Der Pharao will in der Körperlichkeit verbleiben, im Zustand wie vorher. Das Verlangen, Sarai, dehnt sich jedoch von der Spiritualität her aus.
Diese beiden Kräfte befinden sich in einem ständigen Kampf. Sie wechseln sich ab. Abram erhebt sich und fällt, und dann erhebt sich der Pharao und fällt wieder. Wie beim Gehen, einmal geht man mit dem rechten, einmal mit dem linken Fuß vorwärts. Dabei ist es nicht wichtig, wie man diese Kräfte nennt, denn sie haben, je nach Stufe, unterschiedliche Namen.
Als Abram und sein Gefolge in das Land Kanaan zurückkehren, kommt es zu einem Streit zwischen den Hirten von Lots Vieh und jenen von Abrams Vieh. Das Wort Lot bedeutet im Hebräischen „Fluch“. In diesem Zustand entsteht die Frage, welchen Weg – den des Empfangens oder den des Gebens – man einschlagen soll. Wieder wird der Mensch verwirrt und weiß nicht, was er tun soll. Trotz allem entscheidet er sich dafür, zwischen den beiden Kräften – dem Empfangen und dem Geben – zu wählen.
Während der spirituellen Entwicklung des Menschen gibt es viele Ereignisse, bei denen ein Mensch sein Ego betrachten muss, um zu erkennen, dass es sich in ihm erhebt. Dann darf er mit der Lenkung des Bösen, seines Verlangens, nicht einverstanden sein. Zerstören darf er es aber auch nicht. Vielmehr muss er sich von ihm lossagen, so wie Abram sich von Lot trennte. Später rettet er ihn aber wieder aus Sodom.
Dies sind die beiden Veränderungen, die im Menschen erfolgen. Er benutzt seine bösen Kelim (Gefäße) und Eigenschaften ebenso wie seine guten. Auch all seine Gedanken braucht er, um aus ihnen zu lernen.
Als Abram den Streit mit den Hirten über Lots Vieh beendet, führt er Krieg gegen die vier Könige, die in diesem Land leben. Wieder zeigt sich, dass der Mensch sich, während seiner Entwicklung, in einem ständigen Kampf befindet. Obwohl die Könige, die großen Verlangen des Menschen nicht erlauben, das Land Kanaan zu betreten, möchte der Mensch diese spirituelle Stufe erreichen. Denn auf dieser kann er beginnen, die Höhere Kraft, die Ewigkeit und Vollkommenheit der Natur zu erfassen. Im jetzigen Zustand ist ihm das noch nicht möglich, denn diese Malchujot (Könige) versperren den Weg.
Nach diesem Krieg erscheint der Schöpfer Abram und sagt ihm, dass er einen Bund mit ihm schließt, sodass dieses Land ihm, der Eigenschaft Abrams, gehören wird, welche durch die Eigenschaft des Pharaos, die Kämpfe mit den Königen und durch die Eigenschaft Lots wächst und sich entwickelt. Jetzt ist die Eigenschaft Abrams groß und stark genug, um mit in das Land Kanaan einzuziehen. Diese Eigenschaft ermöglicht es nun, den Sinn der Schöpfung, die Offenbarung der Höheren Kraft und Dwekut (Anhaftung) an Sie zu erreichen.
Um tatsächlich die nächste Stufe zu erreichen, den Kontakt mit der Höheren Kraft, braucht ein Mensch eine Eigenschaft, welche die nächste Stufe (er)zeugt. Der Mensch schafft diese neuen Zustände, aber Sarai, der Wille zu empfangen, kann noch nicht diese Kraft sein, welche unter der Eigenschaft von Abram gebiert. Die Eigenschaft Abrams ist in ihrer Absicht zu geben noch zu schwach und kann sich nicht von Sarai, dem Willen zu empfangen, befreien. Mit der Kraft des Guten, der „rechten Linie“, mit dem Teil, der Hagar heißt, ist dies aber möglich. Der Nachkomme der daraus entsteht ist Ismael, eine Kraft, die zur „rechten Linie“ von Bina (Verständnis, 3. Sefira) gehört. Sie wird die Klipa (Hülle, Schale) der „rechten Linie“ genannt.
Am Ende, nach dem Bund und den zahlreichen Korrekturen, erreicht Abram einen Zustand, in dem er auch mit Sarai, dem ganzen Willen zu empfangen, arbeiten kann. Das ist der Zeitpunkt, an dem Sarai gebiert, und zu Sarah wird und Abram zu Abraham. Dies ist der Grund für die große Freude am Ende dieses Abschnitts.
Fragen und Antworten
Abram wird aufgefordert, von Babylon nach Kanaan zu ziehen. Was bedeutet es, von einem Verlangen zum nächsten zu ziehen, und wie fühlt es sich das Land Kanaan an?
Der Mensch befindet sich in einem Prozess ständiger Veränderung, nur ist er sich dessen nicht bewusst. Die Tora spricht von den Veränderungen, die ein Mensch, nachdem er sich entschieden hat, seine Verlangen wirklich zu ändern, bewusst durchläuft. Der Wille zu empfangen ist die Substanz des Menschen. Er wechselt von einem Verlangen zum nächsten, von Land zu Land. Es gibt eine Regel, die besagt: „Wechsel des Ortes, Wechsel des Glücks“. Ein „Ort“ ist das Verlangen, von dem aus der Mensch die Welt betrachtet. Das Verlangen ist alles, es ist die Grundlage, von der aus ein Mensch jede Handlung beginnt.
Jeder Name oder jedes Wort, das in der Tora erwähnt wird, bezeichnet ein Verlangen. In der Weisheit der Kabbala spricht man von Awiut (Grobheit), Massach (Schirm) und Reshimot (Erinnerungen), die den Zustand von Neshama (Seele) bestimmen. Auch in diesem Tora Abschnitt geht es um diese Veränderungen, welche ein Mensch durchläuft, nur ihre Bezeichnung ist eine andere.
„Gehe für dich“ bedeutet, dass ein Mensch immer das Gefühl haben sollte, dass der Anfang des Pfades Jessod, das Fundament ist, und dass er gerade dadurch vorankommt, dass er von einem Zustand zum nächsten wechselt. Der Mensch muss die in der Tora beschrieben Anweisungen befolgen und sich von Zustand zu Zustand bewegen, bis zum Ende seiner Korrektur. Daher meint „gehe für dich“ die Handlung, welche die Höhere Kraft von einem Menschen erwartet.
Das bedeutet, dass der Mensch nur dann vorankommen kann, wenn er versteht, dass Veränderung nur durch Verbindung geschehen kann. Der Unterschied zwischen den spirituellen Stufen besteht nur darin, dass alles immer mehr miteinander verbunden wird. Um das Ziel zu erreichen, müssen alle Teile miteinander verbunden werden. Nichts wird ohne Grund erschaffen. Der Mensch braucht alle spirituellen Kräfte: Pharao, Lot, das Vieh Abrams, Lots Vieh, die Könige im Land, Bileam, Balak, Haman, die Bösen, sowie die Gerechten. Das was die Tora lehrt ist, wie die Menschen all ihre spirituellen Kräfte miteinander verbinden und so ein vollständiges Individuum werden können.
Welche Bedeutung hat das Land Kanaan in Bezug auf die Verlangen?
Kanaan ist das Land, das dem Land Israel vorausgeht. Es ist eine Stufe, die sich vor dem Land Israel befindet.
Ist ein Mensch bereits auf dem Weg zur Spiritualität, wenn der Punkt in seinem Herzen erwacht?
Ja. Wenn der Punkt im Herzen eines Menschen erwacht, kann er nicht weiter in „Babylon“ verbleiben. Er muss Babylon verlassen um auf die Stufe des Landes Kanaan aufzusteigen. Mit Hilfe anderer Menschen, die sich ihm anschließen, also den Verlangen, mit denen er zusammenarbeitet, kommt er voran. So steigt er zur nächsten Stufe auf, wo er in Richtung des Gebens und Chessed (Barmherzigkeit) denkt. In jene Richtung, die Abram symbolisiert.
Sohar für Alle, Lech Lecha (Gehe für dich), Punkt 28
Gehe für dich, um dich selbst zu korrigieren
Da der Schöpfer sein Erwachen und sein Verlangen sah, offenbarte Er sich ihm sofort und sagte zu ihm: „Gehe für dich, um dich selbst zu erkennen und dich zu korrigieren.“ Das heißt, der Mensch sollte aufhören, die Höheren Kräfte abzuwägen. Stattdessen soll er MAN erheben und einen starken Siwug (Kopplung) auf dem Massach (Schirm), der ihm erschienen ist, machen. Dadurch wird er mit der Vergrößerung von Daat (Wissen) für sich selbst belohnt und korrigiert sich selbst.
Das Erreichen einer höheren Stufe geschieht durch Awiut (Grobheit) des neuen Verlangens und die Absicht sich über dieses Verlangen zu erheben. Wenn ein Mensch einen Siwug de Hakaa (Kopplung des Schlagens) durchführt, erreicht er die Offenbarung des Höheren Lichts im selben Maße, in dem der Siwug (Kopplung) erfolgte.
Was bedeutet es, dass „der Schöpfer sein Erwachen sah“?
Der Mensch empfängt das „Erwachen“, weil es so im Schöpfungsplan vorgesehen ist. Für jeden Menschen ist eine Zeit vorbestimmt, in der er zu erwachen beginnt. Die Kraft, die alle Seelen antreibt, dreht sich wie ein Zahnrad und zwingt jeden Menschen sich fortzubewegen. Plötzlich erwacht der Mensch und will von der Kraft geführt werden. Ein Mensch wird ein-, zwei- oder dreimal im Leben zur Spiritualität hingeführt. Er muss darauf reagieren, die Initiative ergreifen und sich so selbst weiterentwickeln.
Was geschieht, wenn ein Mensch feststellt, dass er nicht mehr vorankommt?
Wenn der Mensch spürt, dass er im Spirituellen nicht vorankommt, bedeutet das, dass er wieder in das egoistische Verlangen, zum Pharao, zurückgefallen ist. Er steigt wieder nach Ägypten ab.
Dies ist nicht schlimm, das muss so sein. Sein Ego wird größer und nur so kann er vorankommen. Das ist seine einzige Aufgabe. Die Substanz der Schöpfung ist der große Wille zu empfangen. Ohne ihn, ohne Pharao, würde er den Berg Sinai (Hass) nie erreichen.
Ein Mensch braucht den „Berg“ des Bösen, des Hasses, den er vom Pharao bekommt. Das ganze Verlangen im Menschen, wird zu einem Berg, an dessen Fuss er sich seinen ganzen Hass anderen gegenüber spürt. An diesem Punkt sagt er: „Ich brauche die Tora, ich habe keine andere Wahl. Ich brauche die Hilfe der Kraft, die ‚das korrigierende Licht‘ genannt wird, damit ich mich korrigieren kann.“ Ein Aufstieg erfolgt immer von zwei Seiten: auf der einen Seite wächst das egoistische Verlangen; auf der anderen Seite muss der Mensch die Absicht zu geben aufbringen.
Was ist die Klipa (Hülle, Schale) der rechten Linie, und wie kommt es, dass Abram, die Eigenschaft von Chessed (Güte, Barmherzigkeit) eine Klipa zeugte?
Abrams Eigenschaft von Chessed beginnt erst an diesem Punkt. Er ist noch nicht vollständig korrigiert. Das heißt, dies ist das erste Verlangen eines Menschen, welches rein, ohne Awiut (Grobheit), ist. Wenn der Mensch sich mit der Awiut verbindet, um voranzukommen, verbinden sich durch die Prüfungen seiner Verlangen, die rechte und die linke Linie. Der Mensch muss prüfen und aussortieren, mit welchen Verlangen er arbeiten kann und mit welchen nicht. Dies Arbeit muss er auch später immer wieder tun, um weitere Stufen zu korrigieren. Zum Beispiel wenn sich die Bedingungen ändern, als er mit Hagar, einem Teil seines Verlangens, einen Sohn zeugt.
Aus Sarai wird Sarah, und aus Abram wird Abraham. Dies sind nicht nur andere Namen. Durch die Korrekturen erreicht ein Mensch einen Zustand, in dem er mit einem neuen, anderen Verlangen, Sarah, und einer neuen, anderen Absicht, Abraham, handelt. Der Beginn des „Volkes“ wird gezeugt.
Ist Isaak der Anfang des Volkes Israel?
Nicht nur Isaak. Es gibt insgesamt drei Linien: die linke, die rechte und die mittlere Linie, welche für Israel stehen. Außerdem gibt es zwei Klipot (Hüllen/Schalen): Ismael auf der rechten und Esau auf der linken Seite. Diese sind nicht unvollkommen, sondern müssen zu gegebener Zeit korrigiert werden.
Die Klipa (Hülle, Schale) der rechten Linie, Ismael, muss bis heute immer noch gegen die Verlangen kämpfen?
Dies wird bis zum Ende der Korrektur so bleiben. Bis alle Menschen sich miteinander vereinen und sich zu „einem Menschen mit einem Herz“ verbinden.
Bedeutet Beschneidung das „Einschneiden“ des Verlangens?
Ja, doch die Beschneidung umfasst mehr als eine Einschneidung. Sie steht auch für die Klipot (Hüllen, Schalen), die Verlangen, mit denen ein Mensch noch nicht arbeiten kann. Für den Moment sind es noch Klipot, bis sie korrigiert und zur Kedusha (Heiligkeit) werden. Das Problem ist, dass der Mensch mit diesen großen Verlangen nicht arbeiten kann. Wenn er durch das Erfüllen dieser Verlangen Freude empfängt, nutzt er diese für sich selbst, anstatt sie zu geben.
Was bedeutet, „einen Bund mit dem Schöpfer zu schließen“?
Einen Bund mit der Höheren Kraft, dem Schöpfer, zu schließen, bedeutet, dass ein Mensch das erforderliche Versprechen gibt. Der Bund ist eine besondere innere Ausrichtung. Sie erlaubt es dem Menschen, sich mit seinen Kräften in eine Position zu bringen, durch die er – sofern er den Bund einhält – auf den zukünftigen Stufen keine Fehler machen wird.
Hilft die Höhere Kraft dem Menschen durch diesen Bund?
Ein Bund bedeutet, dass die Höhere Kraft dem Menschen hilft. Es ist die Natur, der Schöpfer. „Ich, der Herr, ändere mich nicht“ bedeutet, dass der Mensch nun das Prinzip realisiert. Wenn er sich daran hält, kann er dadurch jeden Fehler, jede Abweichung vom Weg und jede Sünde vermeiden.
Der spirituelle Fortschritt führt immer zu einer Stufe, welche der Mensch noch nicht kennt. Deshalb musst er überzeugt sein, dass er dabei nicht scheitert und dadurch vorankommt. Der Bund ist die Kraft, die ihn sicher von einer Stufe zur nächsten bringt.
Es gibt zwei Bünde: den „Bund der Teile“ und den „Bund der Beschneidung“. Was ist die spirituelle Wurzel der Beschneidung?
Die Wurzel liegt im Verlangen, den Willen zu empfangen zu überwinden, der nicht korrigiert werden kann. Das geschieht ständig, wie z.B. im Abschnitt bei Sarah oder Hagar beschrieben. Jedes Mal hinterfragt der Mensch den Willen zu empfangen, der sich einerseits vergrößert und andererseits muss etwas von ihm „abgeschnitten“ werden. Dies ist das Ende eines Parzuf (Gesicht). Der Mensch muss sich entscheiden, dass er mit diesem Teil im Moment nicht arbeiten kann. Davon sprechen auch die positiven („tun“) und negativen („nicht tun“) Mizwot (Gebote). Warum etwas „nicht tun“? Weil es ein Teil des Willens zu empfangen ist, den der Mensch noch nicht nutzen kann.
Deshalb muss er in jeder Situation wählen, welches Verlangen er benutzt, und welches er nicht benutzen kann. Der Ort der Prüfung wird „Rosh (Kopf) des Parzufs“ genannt und dies ist die wichtigste Prüfung, die ein Mensch vor jeder Entscheidung durchführen muss.
Ist die „Vorhaut“ das Verlangen, das ein Mensch nicht nutzen kann?
Ja, die „Vorhaut“, das „Aufdecken“ und der „Blutstropfen“. Das sind alles Korrekturen, die in die Intensität des Verlangens und dessen Natur eingreifen. Mit ihnen kann der Mensch weder zum Wohl anderer, noch zu seinem eigenen Nutzen handeln wenn er sich in der Spiritualität befindet. Er benutzt sie deshalb nicht. Die Entscheidung, sie nicht zu benutzen, wird „Beschneidung“ genannt.
In der Erzählung wird Lot gefangen genommen. Wer hat ihn gefangen genommen und was ist mit Gefangenschaft gemeint?
Er wurde vom egoistischen Verlangen, von Sodom, gefangen genommen. Sodom ist im Vergleich zu dem Zustand, in dem die Welt sich heute befindet, ein Zustand großer Rechtschaffenheit. Die „Sodomitische Regel“ ist die Rechtschaffenheit.
Sie meinen, die Menschheit befindet in einem schlimmeren Zustand als wen sie die „Regel der Sodomiten“ einhalten würden?
Ja. Die „Regel der Sodomiten“ lautet: „Meins ist meins und deins ist deins. Ich lasse dich in Ruhe, und du mich.“ Das würde heissen, selbst wenn ein Mensch etwas von einem anderen stehlen könnte, würde er es nicht tun. Auch wenn er ihn ausnutzen könnte, würde er dies vermeiden. Er würde ihm nichts Schlechtes verkaufen, oder ihn nicht durch Werbung beeinflussen. Kurz gesagt, keiner würde den anderen ausbeuten.
Die „Regel der Sodomiten“ scheint gar nicht so schlecht zu sein.
Gewiss. Wenn die Menschheit heute unter der „Regel der Sodomiten“ leben würde, wäre das ein Fortschritt für sie. Nicht umsonst erscheint Lot in der Erzählung. Er steht Abram nahe, die zwei Eigenschaften sind nicht so weit voneinander entfernt. Abram kam, um ihn zu retten, weil die „Eigenschaft von Sodom“ notwendig ist, um eine Korrektur zu erreichen. Deshalb prüft Abram, als er nach Sodom kommt, welche Verlangen gerettet werden können, während der Rest, der nicht geprüft werden kann, durch das Verderben von Sodom gehen muss.
Essenz des Abschnitts Lech Lecha
„Gehe für dich“, das bedeutet ein Mensch entwickelt sich nur durch die Veränderung seiner Verlangen, von Zustand zu Zustand. Jeden Augenblick prüft und hinterfragt er seine Verlangen, um zu entscheiden, welche Verlangen er brauchen kann und welche nicht, welche er „töten“ und welche er von sich „abschneiden“ muss.
Der Mensch muss immer prüfen, was ihn zur Liebe zum Nächsten und zur Liebe zur Höheren Kraft bringen kann. „Gehe für dich“ ist der Weg, der ihm führt. Es ist der einzige Weg, welcher der Mensch gehen kann.
Lexikon Parasha Lech Lecha
Gehe für dich: Ein Mensch muss sich von seinem Verlangen lösen, gleichgültig wie unangenehm es für ihn erscheinen mag. Er muss einen neuen Zustand, eine neue Stufe erreichen. „Geh für dich“ bedeutet immer, dass der Mensch sich auf dem Weg nach Oben befindet.
Kanaan: Mit Land Kanaan ist das Land Israel, welches noch nicht vollständig korrigiert ist, gemeint.
Hunger: Dafür gibt es zwei Bedeutungen: Einmal bedeutet es, dass ein Mensch, wenn er ein Ägypter (Ungläubiger) ist, seinen Willen zu empfangen nicht befriedigen kann. Oder, wenn er ein Jude (Gläubiger) ist, bedeutete es, dass er sein Verlangen zu geben nicht erfüllen kann, er aber die Verschmelzung mit der Höheren Kraft anstrebt.
Schwester: Es gibt mehrere Bezeichnungen, die für den Willen zu empfangen verwendet werden. Neben den Begriffen „Frau“ und „Magd“ gehört auch „Schwester“ dazu. Ausgehend vom Geschriebenen: „Sprich zur Weisheit: ‚Du bist meine Schwester’“(Sprüche, 7:4), bezeichnet das Wort „Schwester“ den Willen zu empfangen, welcher der Mensch mit der Füllung von Chochma (Weisheit) verwenden kann.
Fruchtbarkeit, Geburt: Beide Worte beziehen sich auf den Zeitpunkt, zu welchem ein Mensch die nächste Stufe, den nächsten Zustand zeugen, also hervorbringen kann.
Bund: Ein Bund besteht dann, wenn der Mensch Willenskraft, Erkenntnis, das Gefühl und die Unterstützung erhält, welche er braucht, um von seinem aktuellen Zustand, ohne zu versagen, in den nächsten zu wechseln. Im weltlichen schliessen Menschen, wenn Liebe zwischen ihnen besteht, einen Bund, um auch in Zukunft, in einem anderen Zustand, in Verbundenheit zu verbleiben. Wenn der Mensch dies im Spirituellen wirklich will, hilft der Bund dabei. Der Bund ist die Kraft der Natur, die hilft, im Zustand der Verbundenheit zu verbleiben.
Eine Magd und eine Frau: Eine „Magd“ beschreibt einen Menschen, der das Verlangen zu geben nutzt, um zu geben. Eine „Frau“ meint einen Menschen, der durch das Geben bereits eine Erfüllung findet, wodurch es möglich wird, Kinder, weitere Eigenschaften, zu gebären.
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