1987/15 Zwei Unterscheidungen in der Heiligkeit

Rabash, 1987/15, korrigiert, EY, 31.10.2023

Es gibt Kedusha [Heiligkeit] oben und es gibt Kedusha unten, denn es steht geschrieben: „Ihr sollt heilig sein.“ Es gibt also Kedusha unten, was bedeutet, dass die Geschöpfe heilig sein sollen. Danach steht geschrieben: „Denn Ich, der Ewige, euer Gott, bin heilig.“ Das ist die Kedusha oben.

Das ist der Grund, warum es Kedusha von unten geben soll. Weil Er oben heilig ist, will Er auch, dass unten Heiligkeit herrscht. Unsere Weisen sagten (Torat Kohanim): „Ihr sollt heilig sein; ihr sollt abgesondert sein, denn ich, der Herr, bin heilig.“ Das heißt: „Wenn ihr euch selbst heiligt, werde Ich euch so ansehen, als ob ihr Mich geheiligt hättet.“

Auf den ersten Blick ist das schwer zu verstehen. Es scheint, als gäbe es keine Kedusha von oben. Wenn der Schöpfer heilig ist, warum sagt Er: „Wenn ihr euch heiligt, werde Ich euch ansehen, als hättet ihr Mich geheiligt“? Das sollten wir verstehen. Die wörtliche Bedeutung scheint zu bedeuten, dass der Schöpfer – da Er heilig ist –, sagt, dass auch die Geschöpfe heilig sein sollen, wie es geschrieben steht: „Ihr sollt heilig sein, denn Ich, der Ewige, euer Gott, bin heilig.“

Die Worte unserer Weisen deuten an, dass die Unteren sich heiligen sollen, damit sie den Schöpfer heiligen, wie geschrieben steht: „Denn Ich bin der Ewige, euer Gott, heilig.“ Das heißt: „Wenn ihr euch heiligt, werde Ich euch ansehen, als ob ihr Mich geheiligt hättet.“ Es ist, als ob der Grund, warum wir heilig sein sollen, der ist, damit es Kedusha oben gibt.

Unsere Weisen sagten auch (Kedoshim Rabba 24,9): „Heilig sollt ihr sein. Man könnte denken, [ihr sollt] wie Ich sein. Die Lehre sagt uns jedoch: Denn ich bin heilig. Meine Heiligkeit ist über eurer Heiligkeit.“ Das ist der Wortlaut. Auch das ist schwer zu verstehen. Kann es sein, dass Israel wie der Schöpfer sein soll? Ist das überhaupt denkbar?

Und um das oben Gesagte zu verstehen, muss man verstehen, was es bedeutet, dass [die Weisen] „heilig sollt ihr sein“ als „abgesondert sollt ihr sein“ erklärt haben. Das heißt, wovon soll man sich absondern? Wir sollten auch verstehen, warum sich ein Mensch absondern soll. Der Text scheint zu bedeuten, dass ein Mensch sich absondern soll, weil „Ich heilig bin.“

Aber auch das sollten wir verstehen: Wir können verstehen, dass der Schöpfer heilig ist, aber warum ist die Tatsache, dass der Schöpfer heilig ist, ein Grund für einen Menschen, ebenfalls heilig zu sein? Kann ein Mensch dem Schöpfer ähneln? Ist das möglich? Und wenn ja, müssen wir verstehen, was es bedeutet, dass ein Mensch verpflichtet wird, so heilig zu sein wie der Schöpfer.

Außerdem scheint es so, als ob dies das Wichtigste ist, was ein Mensch sein muss. Andernfalls scheint es, als sei er das Gegenteil von Kedusha Tuma’a [Unreinheit], als gäbe es nichts dazwischen, eine Mitte zwischen Kedusha und Tuma’a. Und wir sollten auch verstehen, was Tuma’a in der Arbeit ist und was Kedusha in der Arbeit ist.

Wir sollten all diese Angelegenheiten in eine Richtung hin auslegen, also zum Schöpfungszweck zurückkehren. Was ist die Wurzel der Verderbnis? Was sind ihre Korrekturen, die wir vornehmen müssen, um den Schöpfungszweck vollständig zu verwirklichen – damit die Geschöpfe die Freude und den Genuss empfangen, die der Schöpfer ihnen schenken will? Denn Sein Verlangen ist es, Seinen Geschöpfen Gutes zu tun.

Es ist bekannt, dass Sein Verlangen, Gutes zu tun, ein Verlangen zu empfangen und eine Sehnsucht erschaffen hat, das Gute zu empfangen, das Er geben will. Dieses Verlangen zu empfangen wird die „Wurzel der Geschöpfe“ genannt. Aus diesem Verlangen entwickelten sich später viele Unterscheidungen in dem Verlangen zu empfangen. Als das Verlangen zum ersten Mal auftauchte, sich offenbarte und empfangen wurde, nannte man diesen Zustand die „Welt von Ejn Sof [Unendlichkeit]“.

 

Das bedeutet, dass das Verlangen, Gutes zu empfangen, noch keine endgültige Form auf der höchsten göttlichen Lichtstufe angenommen hatte. Es hatte nur das Gute und die Freude in seinem Kli [Gefäß] empfangen. Aus diesem Grund wurde die Korrektur vorgenommen, die Fülle nicht egoistisch zu empfangen, sondern um sie zu geben. Auf diese Weise sollten die Geschöpfe sich beim Empfangen der Genüsse nicht schämen.

Deshalb gab es in der Welt von Ein Sof nur ein einziges Verlangen. Erst nach der Korrektur des Zimzum [Einschränkung] – durch das etwas nur in dem Maße empfangen werden sollte, in dem es möglich ist, das Empfangene zu geben –, teilte sich dieses Verlangen in viele Unterscheidungen. Das ist deshalb so, weil Malchut mit dem Kli empfing, das wir dem Schöpfer zuschreiben – denn Er hat etwas Neues geschaffen, die Existenz aus der Abwesenheit, genannt „Verlangen, Genuss zu empfangen“ –, konnte Malchut alles empfangen, was der Schöpfer geben wollte. Denn Er hat ein Verlangen erschaffen, genau in dem Maße zu empfangen, wie Er zu geben wünschte.

Natürlich könnte Malchut die ganze Fülle empfangen, die der Schöpfer geben möchte. Deshalb wird dies dem einen Verlangen zugeschrieben. Es ist bekannt, dass das Licht unteilbar ist, und alle Unterteilungen, die wir in den Lichtern wahrnehmen, entstehen einzig aus der Perspektive der empfangenden Gefäße. Aus diesem Grund wird dies nicht dem einen Licht zugeschrieben, sondern dem empfangenden Kli. Ein einzelnes Gefäß wird dem einen Verlangen zugeschrieben.

Doch nach der Korrektur des Zimzum müssen wir über den Willen zum Empfangen die Absicht des Gebens stellen. Da wir die Angelegenheit des Gebens den Geschöpfen zuschreiben, können die Kelim, die die Geschöpfe erschaffen müssen, sicherlich nicht auf einmal vollendet werden. Aus diesem Grund sollten wir jedes Mal einen Teil des Willens zum Empfangen nehmen und ihn durch die Arbeit zum Geben korrigieren. 

Daher wird der allgemeine Schöpfungswille, der geschaffen wurde, in mehrere Teile aufgeteilt. Je nach dem Maß der Absicht zu geben, das auf diese Teile gelegt wird, erhält das Verlangen in dem Maße das Licht, das zu diesem Verlangen passt, das mit der Absicht zu geben korrigiert wird.

Deshalb haben wir bei der Auslegung von „Ihr sollt heilig sein; ihr sollt abgesondert sein“ gefragt: Wovon soll man sich absondern? Wir müssen sagen, dass man sich von der Eigenliebe, also dem egoistischen Empfangen, absondern und sich nur mit dem Geben beschäftigen soll, denn „Ich bin heilig.“

 

Das bedeutet, dass ihr geheiligt werdet, um in der Lage zu sein, das Gute und die Freude zu empfangen. Der Vorteil, den ihr empfangen werdet, wird ohne Scham sein, sofern ihr in der Form des „Verlangens zu geben“ seid. Das wird euch die Gleichheit der Form bringen, wie unsere Weisen sagten: “ Wie Er barmherzig ist, so sei auch du barmherzig.“ Das ist die Bedeutung von „Ihr sollt heilig sein“. Ihr sollt sein, wie ein Verlangen zu geben. „Denn Ich bin heilig“, denn auch Ich gebe nur. Deshalb brauchen wir die Gleichheit der Form, die wir Dwekut [Anhaftung] nennen.

Jetzt können wir verstehen, was wir gefragt haben. Hier wird angedeutet, dass der Grund für „Ihr sollt heilig sein“ darin liegt, dass der Schöpfer heilig ist. Was bedeutet es deshalb, dass unsere Weisen sagten: „Denn Ich bin heilig“, was bedeutet: „Wenn ihr euch heiligt, werde Ich euch ansehen, als ob ihr Mich geheiligt hättet.“ Das deutet auf das Gegenteil hin, nämlich dass ihr heilig sein müsst, damit ihr Mich geheiligt zu haben scheint. Allgemein ist es schwer zu begreifen, dass das Volk Israel den Schöpfer heiligen soll. Was soll das bedeuten?

Wir sagen immer: „Gesegnet seist Du, Ewiger, der Israel und die Zeiten heiligt“, „Gesegnet seist Du, Ewiger, der Israel und den Tag des Gedenkens heiligt“. Wir sagen auch im Kiddusch [Segensspruch zu Beginn des Shabbat]: „Denn Du hast uns erwählt und geheiligt aus allen Völkern.“ Was bedeutet es also, „als ob ihr Mich geheiligt hättet“?

Es bedeutet, dass der Schöpfer uns braucht, um Ihm etwas zu Seinem Nutzen zu geben, denn Er braucht anscheinend unsere Kedusha, und die kann Er nur durch uns erhalten. Kann man sagen, dass Er die Geschöpfe braucht, um Ihm etwas zu geben?

Wie wir bereits erklärt haben, bedeutet „heilig“ geben. Damit die Geschöpfe Kelim haben, um Seine Fülle zu empfangen, muss es eine Gleichheit der Form geben. Das heißt, auch die Geschöpfe müssen nur geben und nichts empfangen wollen. Andernfalls kann man nicht sagen, dass der Schöpfer ihnen etwas gibt.

Deshalb hat der Schöpfer gesagt: „Wenn ihr euch heiligt“, d. h. euch des Empfangens enthaltet und euch nur mit der Arbeit des Gebens beschäftigt, die Kedusha genannt wird, „werde ich euch ansehen, als hättet ihr Mich geheiligt.“ Das heißt, indem ihr euch mit dem Geben beschäftigt habt, habt ihr mich in die Lage versetzt, euch alle Fülle zu geben.

Deshalb folgt daraus, dass der Bedarf des Schöpfers, dass die Geschöpfe Ihn heiligen, indem sie sich selbst heiligen, auf die Offenbarung hinweist, dass der Schöpfer der Gebende ist. Andernfalls müsste Er den Geschöpfen gegenüber verhüllt bleiben. Er kann ihnen dann keine Fülle geben, weil sie durch das Empfangen der Fülle in ein Kli des egoistischen Empfangens, einen Exzess des Empfangens, verfallen.

Mit anderen Worten: Vorher haben sie körperliche Freude und Genuss in den Gefäßen des Empfangens empfangen. Doch wenn Er ihnen den Höheren Genuss gibt, der der wahre Genuss ist, werden sie mit Sicherheit zu wahren Empfängern, denn wir wissen, dass das Licht das Kli macht. Das heißt, der Genuss verursacht Begehrlichkeiten, wie unsere Weisen sagten: „Das Auge sieht und das Herz begehrt.“

Jetzt können wir verstehen, dass der Bedarf des Schöpfers an der Heiligung der Geschöpfe dem Nutzen der Geschöpfe dient. Das heißt, wenn sie die Absicht zu egeb erlangen, kann Er ihnen Fülle geben und sie bleiben im Geben und nicht in der Selbstliebe, die eine Trennung im Spirituellen erschafft.

Das ist die Bedeutung der Worte: „Ich werde euch ansehen, als hättet ihr Mich geheiligt.“ Mit anderen Worten: Ihr habt damit allen offenbart, dass Ich heilig bin und der ganzen Welt Freude und Genuss gebe, denn geben bedeutet heiligen.

Jetzt können wir verstehen, was wir gefragt haben, was unsere Weisen gesagt haben: „Ihr sollt heilig sein. Kann man so sein wie ich? Der Text erklärt: „Denn Ich bin heilig. Meine Heiligkeit ist höher als eure Heiligkeit.“ Wir fragten: Kann jemand denken, dass die Heiligkeit Israels der Heiligkeit des Schöpfers gleicht?

Und nach dem oben Gesagten sollten wir interpretieren, dass, da der Schöpfer sagte: „Ihr sollt heilig sein“, bedeutet, dass ihr euch von Gefäßen des Empfangens enthalten und nur mit Gefäßen des Gebens arbeiten sollt. „Kann man sein wie Ich?“, das heißt, wie der Schöpfer, der keine Gefäße des Empfangens benutzt, denn von wem sollte Er empfangen? Stattdessen ist alles, was wir über den Schöpfer sagen können, nur das, was wir von Ihm empfangen, wie es geschrieben steht: „An Deinen Taten erkennen wir Dich.“

Aus diesem Grund sagt der Schöpfer: „Denkt nicht daran, so zu sein wie Ich“, also dass ihr Gebende bleiben würdet, um zu geben, was die Bedeutung von „Kann man so sein wie Ich?“ ist. Mit anderen Worten: So wie ich gebe und nichts empfange, würdet auch ihr ein Gebender bleiben, um zu geben.

Er sagte dazu: „Nein! Ihr solltet einen Zustand des Empfangens, des tatsächlichen Empfangens erreichen! Ihr müsst eure Gefäße des Empfangens benutzen. Nur die Absicht sollte sein, um zu geben, denn der Schöpfungszweck war, Seinen Geschöpfen Gutes zu tun, damit die Geschöpfe Freude und Genuss empfangen.“ Das ist die Bedeutung dessen, was geschrieben steht: „Meine Heiligkeit ist höher als eure Heiligkeit.“

Deshalb sollten wir zwischen der Kedusha von oben und der Kedusha von unten unterscheiden. Es steht zwar geschrieben: „Ihr sollt heilig sein, denn Ich, der Ewige, euer Gott, bin heilig“, was wir so interpretiert haben, dass ihr nur arbeiten sollt, um zu geben, so wie Ich der Gebende bin, aber es ist so, wie unsere Weisen schrieben: „Wie Er barmherzig ist, so seid auch ihr barmherzig.“

Dennoch gibt es einen Unterschied zwischen der Kedusha von oben und der Kedusha von unten. Bei der Kedusha von oben geht es nur ums Geben. Dort gibt es überhaupt kein Empfangen. Aber die Kedusha von unten ist nicht so. Vielmehr ist die Vollkommenheit genau dann gegeben, wenn ihr die Gefäße des Empfangens benutzt. Die Kedusha liegt über der Absicht! Mit anderen Worten: Die Forderung an die Geschöpfe, heilig zu sein, d. h. zu geben und nicht zu empfangen, bezieht sich in erster Linie auf die Absicht, zu geben und zu empfangen.

In der Ordnung der Arbeit sollten wir jedoch zwischen Katnut [Kleinheit] von Kedusha und Gadlut [Erwachsensein/Größe] von Kedusha unterscheiden. Die Reihenfolge in der Arbeit ist, dass wir vom Leichten zum Schweren gehen. Deshalb müssen wir in der Arbeit damit beginnen, dass die Handlungen im Geben, um zu geben sein werden. Das ist Sein Wille, denn alle Mizwot [Gebote], die er ausführt, sollten die Ausrichtung haben, keine Belohnung oder Gegenleistung für das Einhalten der Tora und der Mizwot zu empfangen. Vielmehr soll alles liShma [um Ihretwillen] sein und nicht um seines eigenen Willen. Das nennt man „Geben, um zu geben“.

Danach kommt Gadlut, wenn wir anfangen, mit Gefäßen des Empfangens zu arbeiten, um zu geben. Das wird als die Geschöpfe angesehen, die sagen: „Wir wollen Freude und Genuss empfangen, denn das ist Sein Wille, denn Er hat die Welt erschaffen, um Seine Geschöpfe zu erfreuen.“ Daraus folgt, dass wir zwei Aspekte von Kedusha unterscheiden sollten: 

1) Kedusha von oben, bei der es nur darum geht, zu geben und nichts zu empfangen, 

2) Kedusha von unten, bei der es darum geht, durch Handeln zu empfangen, aber die Absicht ist, zu geben.

 

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