1989/05 Was bedeutet es, dass die Welt aus Großzügigkeit erschaffen wurde?
Rabash, 1989/05, korrigiert, EY, 10.11.2023
Die ersten Gelehrten erklärten, dass die Welt nicht aufgrund eines Mangels erschaffen wurde, denn man kann vom Schöpfer nicht sagen, dass Er einen Mangel hat. Vielmehr wurde die Welt aus Großzügigkeit heraus erschaffen.
So heißt es (im Midrash Rabba, BeReshit): „Als der Schöpfer Adam haRishon erschaffen wollte, sagten die Engel: ‚Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst?'“ Der Schöpfer antwortete ihnen: „Womit ist dies vergleichbar? Mit einem König, der alles Gute in Fülle hat, aber keine Gäste.“ Das ist kein Mangel, sondern Er will einfach reichlich geben, damit die Geschöpfe sich freuen können. Ein Mangel ist das, was ein Mensch empfangen muss, aber nicht empfangen kann. Das wird als Mangel angesehen. Aber Geben wird nicht als Mangel angesehen. Deshalb lernen wir, dass die Erschaffung der Welt aufgrund Seines Verlangens, seinen Geschöpfen Gutes zu tun, aus Großzügigkeit heraus geschah und nicht aus einem Mangel.
Aber wer etwas empfängt, muss einen Mangel haben. Das heißt, wenn der Empfänger das, was er empfängt, genießen will, darf er nur die Dinge auswählen, nach denen er sich sehnt. Sonst wird er keinen Genuss daraus ziehen. Er will genießen, aber es ist unmöglich. Das sehen wir an unserer Natur. Außerdem hängt das Ausmaß des Genusses, den er empfängt, davon ab, wie groß die Sehnsucht ist. Die Sehnsucht nach etwas bestimmt also das Ausmaß des Genusses daran, ob er groß oder klein ist.
Aus Seinem Verlangen heraus, Gutes zu tun – damit die Geschöpfe also Freude und Vergnügen genießen können –, erschuf Er in den Geschöpfen das Verlangen und die Sehnsucht, immer in dem Verlangen zu sein, Freude zu empfangen. Wenn sie den Mangel an dem, wonach sie sich sehnen, nicht stillen können, leiden sie, und das Ausmaß des Leidens aufgrund des Mangels, den sie nicht stillen können, hängt auch davon ab, wie groß die Sehnsucht danach ist.
Manchmal geht das Leiden so weit, dass ein Mensch sagt: „Wenn ich meinen Mangel nicht stillen kann, würde ich lieber sterben als leben“. Das liegt aber an dem Leid, das er durch seinen Mangel erleidet. Wenn er dann die Befriedigung seines Bedarfs empfängt, von dem er sagte: „Ich würde lieber sterben als leben“ –, was für einen Genuss empfindet er dann, wenn er die Erfüllung empfängt!
Wenn es um die Arbeit in der Spiritualität geht, muss ein Mensch zu einem solchen Mangel an Dwekut [Anhaftung] an den Schöpfer kommen, dass er sagt: „Wenn ich Dwekut an den Schöpfer nicht erreichen kann, bereitet mir dieser Mangel solche Qualen, dass ich sage: ‚Ich würde lieber sterben als leben.'“
Das nennt man ein „echtes Verlangen“, und dieses Verlangen ist es wert, befriedigt zu werden. Die Ordnung der Arbeit besteht darin, dass jedes Mal eine Sehnsucht nach Dwekut in einem Menschen erweckt wird, und wenn er auf dem Weg zu Dwekut an den Schöpfer wandelt, prüft er immer, ob ihm die Annäherung an den Schöpfer gewährt wurde. Das bedeutet, wenn es heißt: „Und du sollst den Herrn, deinen Gott, von ganzem Herzen lieben“ – liebt er schon wirklich den Schöpfer oder liebt er auch sich selbst?
Das ist so, wie unsere Weisen sagten (Sukka 45): „Wer um Seinetwillen arbeitet und sich dabei mit einer anderen Sache verbindet, wird von der Welt entwurzelt.“ Das bedeutet, dass er den Schöpfer darum bittet, ihm zu helfen, alles um des Schöpfers willen zu tun, mit anderen Worten, dass seine einzige Ausrichtung das Geben sein wird – er fügt aber auch ein wenig in der Ausrichtung für sich selbst hinzu, was etwas anderes ist als einzig „um des Schöpfers willen“ zu geben. Denn „Um des Schöpfers willen“ heißt, zu geben, während er mit dem Gebet, dass der Schöpfer ihm helfen wird, auch etwas um seiner selbst willen will, was etwas anderes ist als das Verlangen, zu geben; es ist das vollkommene Gegenteil.
Deshalb wird er „von der Welt entwurzelt“. Das heißt, der Schöpfer hat die Welt erschaffen, um seinen Geschöpfen Gutes zu tun, und aus dieser Welt wird er entwurzelt, weil ihm die Gleichheit der Form fehlt. Deshalb prüft er sich jedes Mal selbst, um zu sehen, ob er auf dem richtigen Weg wandelt. Wenn er sieht, dass er es nicht tut, schmerzt ihn das. Aber das Leiden muss ein großes Ausmaß haben, das heißt, dass das Leiden das Ergebnis des Bedarfs ist.
Das heißt nicht, dass er leiden soll, sondern er muss einen Bedarf haben, und der Bedarf verursacht das Leiden. Mit anderen Worten: Das Leid, das er erleidet, zeugt von dem Ausmaß seines Bedarfs.
Daraus folgt, dass die Geburt der Geschöpfe mit einem Verlangen zu empfangen notwendig war, denn ohne das Verlangen und die Sehnsucht, Genuss zu empfangen, hätten wir keinen Begriff von Genuss. Warum empfinden wir also keinen Genuss, wenn wir bereits ein Verlangen und eine Sehnsucht nach dem Genuss haben und müssen uns dafür anstrengen, sonst werden uns keine leiblichen oder spirituellen Freuden zuteil?
Die Antwort liegt in der oben erwähnten Absicht, Seinen Geschöpfen Gutes zu tun, wie es am Anfang des Buches “Baum des Lebens” geschrieben steht: „Der Zimzum [Einschränkung] diente dazu, die Vollkommenheit Seiner Taten ans Licht zu bringen.“ Dort wird erklärt (Das Studium der Zehn Sefirot, Teil 1), dass es bedeutet: „Da es eine Angelegenheit [in der Arbeit] ist, dass jeder Zweig der Wurzel ähneln will, werden die Geschöpfe, wenn sie die Güte und den Genuss des Schöpfers empfangen, Scham empfinden. Daher gab es eine Korrektur zugunsten der Geschöpfe, dass es keine Scham beim Empfangen der Genüsse geben wird, wenn sie empfangen, um zu geben.“
Wenn wir also sagen, dass der Schöpfer seinen Geschöpfen aus Großzügigkeit Gutes tun will, woher kommen dann die Bösen? Das deutet darauf hin, dass derjenige, der die Freude und den Genuss nicht empfangen will, „böse“ genannt wird. Aber warum wird er „böse“ genannt, wenn er die Fülle nicht empfangen will, und derjenige, der die Güte und den Genuss empfängt, wird „gerecht“ genannt?
Die Angelegenheit des Einhaltens von Tora und Mizwot [Gebote/Gute Taten] ist so, wie unsere Weisen sagten: „Ich habe den Bösen Trieb erschaffen; ich habe die Tora als Gewürz erschaffen.“ Durch Tora und Mizwot soll das Böse korrigiert werden. Aber was ist das Böse? Es ist, dass wir wegen der Ungleichheit keine Güte und keinen Genuss empfangen können, was uns Scham einbringt. Aufgrund der Scham kann uns nichts gegeben werden, denn die Scham verhindert die Vollständigkeit der Freude und des Genusses. Deshalb werden uns die Güte und der Genuss nicht geschenkt. So wird ihnen nicht nur keine Freude und kein Genuss zuteil, sondern sie bekommen auch einen Namen: „böse“.
Wir sollten verstehen, warum sie „böse“ genannt werden, wenn sie keine Güte und keinen Genuss empfangen können. Da der Schöpfer die Welt aus Großzügigkeit erschaffen hat, ist es wie bei einem reichen Menschen, der alles hat und dem es an nichts mangelt. Er möchte den Armen ein Almosen geben, und da er möchte, dass die Armen sich freuen, wenn sie das Almosen empfangen, und keine Unannehmlichkeiten empfinden, sagte der reiche Mensch: „Ich werde das Almosen geben, ob groß oder klein, aber nur unter einer Bedingung.“ Das heißt, die Almosengabe, ob groß oder klein, hängt nicht vom Gebenden, sondern vom Empfänger ab.
Denn aus der Perspektive des Gebenden kann er viel mehr geben, als der Empfangende empfangen kann. Das heißt, der Empfangende kann nicht wissen, wie viel Freude und Genuss der Gebende ihm schenken kann, da der Empfangende nicht weiß, was der Gebende besitzt. Stattdessen prüft er, inwieweit er die Güte und den Genuss einfordern kann, je nachdem, wie er es einschätzt und versteht, dass der Gebende es ihm geben kann. Und in der Tat, was der Gebende ihm zu geben hat, liegt auch über dem Verstand des Menschen, und er kann nichts über seinen Verstand bewerten.
Deshalb muss er glauben, dass es Dinge gibt, die wertvoller und wichtiger sind als das, was sich der Empfangende vorstellen kann, denn alle Erlangungen des Unteren sind auf einem körperlichen, äußeren Verstand aufgebaut, während Spiritualität auf einem inneren Verstand aufgebaut ist. So steht es in den Einführungen [von Baal HaSulam] geschrieben: „Jede untere Welt ist in Bezug auf die darüber liegende Welt wie ein Senfkorn im Vergleich zu einer ganzen Welt.“ Aus diesem Grund hängt alles Geben des Höheren, von dem wir sagen, es sei ein großes oder kleines Geben, nicht vom Höheren ab, sondern von der Fähigkeit des Unteren, die Bedingungen des Gebenden zu erfüllen. Nur in dem Maße, in dem der Untere versucht, die Bedingungen zu erfüllen, empfängt der Untere. Wenn also der Untere eine Ausrichtung auf große Gaben hat, empfängt er große Gaben.
Und was sind die Bedingungen, die der Gebende erfüllt sehen will und die der Untere erfüllen soll? Denn der Schöpfer hat die Welt aus Großzügigkeit erschaffen! Das heißt, Er hat keinen Mangel, warum also braucht Er den Unteren, um Seinen Willen auszuführen? Es scheint so, als wolle der Gebende nicht geben, wenn er nicht von dem Empfangenden eine Gegenleistung empfängt.
Die Antwort ist, dass der Schöpfer beim Geben die folgende Bedingung gestellt hat; dass der Empfangende die Gabe nicht aufgrund seiner eigenen Sehnsucht empfängt, trotz der Sehnsucht des Gebenden, etwas zu geben. Stattdessen will der Gebende, dass er aus diesem Grund auf das Empfangen verzichtet und stattdessen die Gabe einzig und alleine aufgrund des Genusses empfängt, den der Gebende beim Geben empfindet. Unsere Weisen nannten dies: „Alle deine Handlungen sollen um des Himmels willen sein und nicht um deiner selbst willen.“
Wir müssen jedoch wissen, dass diese Bedingung, dass der Schöpfer will, dass jeder nur für Ihn und nicht um seiner selbst willen arbeitet, nicht dazu dient, dem Schöpfer einen Nutzen zu bringen, als ob er das bräuchte. Vielmehr ist die Tatsache, dass die Geschöpfe um des Schöpfers willen arbeiten, zum Nutzen der Geschöpfe! Das ist so, damit sich die Geschöpfe nicht unwohl fühlen, wenn sie die Gabe vom Gebenden empfangen. Deshalb hat der Gebende die Bedingung gestellt, dass sie alles um des Schöpfers willen tun müssen und nicht um ihrer selbst willen.
Jetzt können wir verstehen, was wir gefragt haben: Warum werden diejenigen, die das Einhalten von Tora und Mizwot nicht befolgen wollen, als „böse“ bezeichnet? Schließlich wurden die Tora und die Mizwot gegeben, um Israel damit zu reinigen, wie Rabbi Chanania Ben Akashia sagt. Daraus folgt, dass jemand, der das Einhalten von Tora und Mizwot nicht befolgt, weder das Gute noch Genuss empfängt.
Aber warum werden sie „böse“ genannt? Das gleicht einem großen Arzt, der in ein Krankenhaus kommt, in dem Krebspatienten operiert werden, die unheilbar krank sind. Er sagt, dass er ein Heilmittel hat, und wenn sie das Mittel nehmen, werden sie alle am Leben bleiben. Zudem werden alle sagen, dass sie jetzt das Leben genießen. Das heißt, sie werden sagen, dass sie jetzt sehen, dass es sich gelohnt hat, geboren zu werden, um diese Genüsse zu empfangen. Und danach werden alle von ganzem Herzen sagen: „Gesegnet sei Er, der gesagt hat: ‚Es werde die Welt'“, denn sie werden in einer Welt leben, in der alles gut ist.
Es gibt jedoch eine Gruppe von Menschen, die den Arzt nicht in das Krankenhaus lassen. Und als der Arzt nach mehreren Bitten endlich eintritt und den Kranken sein Heilmittel gibt, mischt sich diese Gruppe ein und besteht darauf, dass sie das Heilmittel des Arztes nicht nehmen dürfen. Die Frage ist: Wie soll man diese Gruppe nennen, die die Kranken nicht heilen lässt, weil sie unter ihrer Herrschaft stehen? Denn solange sie krank sind, wird diese Gruppe finanziell versorgt, aber wenn sie von ihrer Krankheit geheilt würden, hätte diese Gruppe keinen Unterhalt mehr. Sicherlich werden sie als böse angesehen!
Wenn der Arzt sie dafür bestrafen kann, dass sie ihre Kranken nicht heilen lassen, sollte er das auf jeden Fall tun. Niemand wird auf die Idee kommen zu sagen, dass der Arzt auf diese Bösen wütend ist, weil sie ihm nicht gehorchen, sondern der Arzt bestraft sie um der Kranken willen. Das heißt, der Arzt will die Kranken aus Großzügigkeit heilen und braucht keine Belohnung, denn der Arzt braucht nichts, was die Kranken ihm geben sollen, sondern er kommt nur, um die Kranken zu heilen, damit sie sich gut fühlen und das Leben genießen können. Wer sieht, was der Arzt tut, wird gewiss nicht von ihm sagen, dass er etwas um seiner selbst willen tut.
Aus diesem Grund wird der Arzt, wenn er sagt, dass diese Gruppe, die die Kranken daran hindern, die Medizin zu nehmen, böse ist und Bestrafung verdient, so dass sie durch die Strafen, die sie erleiden werden, diese Leiden, die die Bösen empfinden werden, dazu führen, dass sie aufhören, die Kranken zu behindern, damit sie das Heilmittel nehmen können, denn jeder versteht, dass dies um der Kranken willen geschieht und nicht um des Arztes willen.
Darunter ist zu verstehen, dass der Schöpfer die Welt zwar aus Großzügigkeit erschaffen hat und es ihm nicht an etwas mangelt, das die Geschöpfe Ihm als Ergänzung geben könnten, denn der Schöpfer ist vollkommen und hat keinen Mangel. Dennoch stellt Er, weil Er möchte, dass die Geschöpfe das Leben genießen, die Bedingung auf, dass die Geschöpfe alles empfangen, denn der Schöpfer möchte, dass sie das Gute und Genuss empfangen, denn dadurch werden die Güte und Genuss ohne jede Scham sein. Das nennt man „die Vollständigkeit Seiner Handlungen“.
Das ist das Heilmittel, das der Arzt den Kranken geben will, die dem Tode nahe sind, genannt „die Bösen in ihrem Leben werden ‚tot‘ genannt“. Durch das Heilmittel, das „Verlangen zu geben“ genannt wird, werden sie Dwekut erreichen und am Leben der Lebenden festhalten. Deshalb lassen diejenigen, die nicht wollen, dass die Kranken empfangen, sie nicht mit Tora und Mizwot beschäftigen, durch die sie mit dem Heilmittel namens „Verlangen zu geben“ belohnt werden können. In diese Kelim [Gefäße] kann der Schöpfer das Gute und den Genuss legen, denn wenn sie das Gute und den Genuss in diesen Kelim empfangen, werden sie die Dwekut, die „Gleichheit der Form“, nicht verlieren. Dwekut bedeutet, dass sie aus dem Zustand herauskommen, in dem „die Bösen ‚tot‘ genannt werden“, und mit dem Leben belohnt werden.
Was bedeutet es also, dass diese Gruppe das Empfangen des Heilmittels nicht will und sich einmischt? Womit mischen sie sich ein? Indem sie das Einhalten von Tora und Mizwot nicht zulassen, denn dadurch empfangen sie das Heilmittel, das die Absicht um zu geben ist. Es ist natürlich klar, warum sie als böse gelten, wenn sie das Empfangen des Heilmittels behindern. Das heißt, das Heilmittel, durch das sie mit dem Leben belohnt werden, heißt „Verlangen zu geben“. Die Kräfte, die sich einmischen, lassen sie das Heilmittel, das „Tora und Mizwot“ heißt, nicht nehmen, wie unsere Weisen sagten: „Ich habe den Bösen Trieb erschaffen; Ich habe die Tora als Gewürz erschaffen.“
Aus diesem Grund verdienen diejenigen, die sich einmischen und als böse bezeichnet werden, Strafen. Durch das Leid, das sie empfinden werden, werden sie aufhören, sich in das Empfangen des Heilmittels einzumischen. Daraus folgt, dass alles, was der Schöpfer tut, also auch die Bestrafungen, nur um der Geschöpfe willen geschieht.
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