Vorwort zum Buch „Mund des Weisen“
Rav Yehuda Ashlag
Die Kabbalisten sprechen in ihren Büchern davon, dass jeder Mensch verpflichtet sei, Kabbala zu studieren. Und selbst, wenn ein Mensch bis in die Einzelheiten Tora studiert hat und über Eigenschaften verfügt, die alle Gerechten der Welt übertreffen, aber keine Kabbala studiert hat, wird er gezwungen sein, wieder einen Lebenskreislauf zu durchlaufen und nochmals in diese Welt zu kommen, um die Geheimnisse der Tora und der Kabbala zu studieren.
Im Buch Sohar, im Lied der Lieder ist davon die Rede, dass die Seele nach dem Tod des Menschen sich vor den Schöpfer stellt, und der Schöpfer ihr sagt: „Du bist die Schönste der Frauen und bist des Verweilens im Himmel mehr als alle anderen Seelen würdig, doch nichtsdestotrotz: da du über keine Kenntnisse der Kabbala verfügst, wirst du in diese Welt zurückkehren. Dort wirst du zu Weisen gehen und die Geheimnisse der Kabbala studieren.“
Man muss verstehen, warum die Vollkommenheit des Menschen vom Studium der Kabbala abhängt. Welchen Unterschied macht das auf den ersten Blick? Wodurch unterscheidet sich das Studium der Kabbala vom Studium der offenen Tora? Denn nirgends steht geschrieben, dass der Mensch verpflichtet sei, in der Tora alles ausnahmslos zu verstehen. Umgekehrt steht geschrieben, dass nicht das Studium, sondern die Tat wichtig sei. Und weiter, dass der eine mehr und der andere weniger tut, doch dass es das Wichtigste sei, dass das Herz auf den Schöpfer ausgerichtet wäre. Ähnliches finden wir noch an vielen Stellen.
Um die Tiefe dieser Worte zu erkennen, müssen wir zuallererst gut verstehen und den Geschmack des im Sohar Gesagten erfühlen: „Die Tora, der Schöpfer, und Israel sind Eins“, was auf den ersten Blick sehr widersprüchlich klingt.
Zunächst werde ich, bevor ich das erkläre, den Ausspruch der Weisen anführen, der alle Namen und Bezeichnungen erklärt, die in den Büchern angetroffen werden: „Das, was nicht erkannt wurde, benennen wir nicht beim Namen.“ Dies bedeutet, dass das Wesen des Schöpfers nicht von uns erkannt werden kann, und es steht geschrieben, dass sogar Nachdenken über das Wesen des Schöpfers verboten sei, und erst recht das Gespräch hierüber.
Alle Namen, die wir dem Schöpfer geben, beziehen sich nicht auf Sein Wesen, sondern auf das Licht, welches von Ihm an die Niederen ausgeht. Und sogar der Name Ejn Sof (Unendlichkeit), der in Büchern zur Kabbala angeführt wird, bezeichnet ebenfalls das Licht, welches von Seinem Wesen ausgeht. Das heißt, da man bestimmte, dass für die Niederen der Begriff des vom Wesen des Schöpfers ausgehenden Lichts unendlich ist, bezeichnete man es mit diesem Namen. Die Rede ist jedoch nicht vom Wesen des Schöpfers, weil es unmöglich ist, dieses zu erkennen. Und wie soll man dem dann irgendeinen Namen oder eine Definition geben? Und daher: „Das, was nicht erkannt wurde, benennen wir nicht beim Namen.“
Und jeder, der beginnt, Kabbala zu studieren, muss sich, bevor er das Buch aufschlägt, dieses unerschütterliche Gesetz gut einprägen, welches lautet, dass sogar das Nachdenken über das Wesen des Schöpfers verboten ist, weil es absolut unmöglich ist, das Wesen zu erkennen. Wie soll man es also mit irgendeinem Wort bezeichnen, denn dies würde doch auf eine bestimmte Stufe der Erkenntnis hinweisen?
Hingegen ist es bezüglich der Lichter des Schöpfers, die von Ihm ausgehen, die Seine Namen sind, und der Bezeichnungen, die in Büchern angeführt werden, eine große Mizwa, sie zu untersuchen und zu erforschen. Und das ist eine unerschütterliche Verpflichtung eines jeden Menschen aus dem Volk Israel – die Geheimnisse des Lichts zu studieren und zu verstehen, sowie alle Wege der Einwirkung des Schöpfers auf die Niederen, was das Wesen der Wissenschaft der Kabbala ausmacht und die künftige Belohnung der Seelen darstellt.
Im Sohar und in den Tikunim steht geschrieben, dass alle Höheren Welten und alle Sefirot in allen fünf Welten – Adam Kadmon und ABYA nur dazu vorbereitet sind, um das Volk Israel zur Vollkommenheit zu führen, da die Seele eines Menschen aus dem Volk Israel Teil des Schöpfers ist. „Der Abschluss der Handlung liegt im ursprünglichen Gedanken“, und der einfache Wunsch des Schöpfers war es, die Geschöpfe mit Genuss zu füllen als Belohnung für ihre Anstrengungen und Arbeit. Aus diesem Grund entfaltete sich vor Ihm die ganze Wirklichkeit, indem sie sich durch einen Abstieg nach dem Gesetz der Ursache und Folge (kausal) entwickelte – stufenweise durch die Welten Adam Kadmon und ABYA, bis sie letztlich in der Erschaffung zweier Wesen mündete, die ineinander eingekleidet sind – der Seele, platziert in den materiellen Körper.
Da sich das Wesen der Wirklichkeit bis zu seinem niedersten Abschluss verbreitete, welcher der materielle Körper mit der in ihn eingekleideten Seele ist, so wurde auch der Abstieg nach dem Gesetz von Ursache und Folge zum Wesen der Existenz der Wirklichkeit, das heißt zu Wegen der Einwirkung des Schöpfers, welche entlang der Stufen hinabsteigt. Also ist es die Bestimmung des Höheren Lichts, welches das höchste von allen Höheren ist, sich auszubreiten und die Seele zu erreichen, die in einen materiellen Körper in dieser Welt eingekleidet ist, wie es geschrieben steht: „Und die Erde wird sich mit dem Wissen des Schöpfers füllen, und es wird nicht mehr der Mensch seinen Nächsten mit seinen Kenntnissen von Ihm belehren, weil alle Mich erkennen werden, von jung bis alt.“
Die Weisen schrieben und im Buch Sohar steht: „Die ganze Tora sind die Namen des Schöpfers.“ Alle historischen Erzählungen, alle Gesetze und alle Sätze sind Namen des Schöpfers.
Und da „was nicht erkannt wurde, nicht beim Namen genannt werden darf“, sollst du verstehen, dass das Geheimnis der Namen des Schöpfers in den Erkenntnissen besteht, die sich von Ihm zu Seinen Arbeitern verbreiten, zu Seinen Propheten und Gerechten, und jeder entspricht ihnen. Diese ganze Pracht wird uns durch die Annahme der Tora und die Erfüllung der Gebote zunächst durch den offenen Teil der Tora verliehen, die über eine herrliche Eigenschaft verfügt, unsere Körper zu reinigen und unsere Seelen soweit zu vergrößern, dass wir der Erkenntnis der ganzen Tora und der Gebote wie der Namen des Schöpfers würdig werden, was die künftige Belohnung der Seelen ist. Doch auch in dieser Welt gilt, wie es geschrieben steht: „Deine Welt wirst du bei deinem Leben sehen.“
Darin wird uns erklärt, warum an einigen Stellen im Sohar die 613 Mizwot als die 613 Ejtin deOrajta (Ratschläge) bezeichnet werden, und an einer Vielzahl an Stellen im Sohar als die 613 Pkudin (Anzahlungen) bezeichnet werden. Zunächst muss der Mensch Tora und die Gebote halten, um seinen Körper zu reinigen und die Seele zu vergrößern. Dann befinden sich die 613 Mizwot bei ihm in Form von Ejtin, das heißt, sie stellen für ihn Gebote dar, wie man dennoch dessen würdig werden und vor den Schöpfer kommen kann, erfüllt von Seinem Licht, da das Einhalten der Tora und die Erfüllung der Gebote ihn allmählich soweit reinigen, dass er der Offenbarung des Schöpfers würdig wird. Wie es in der Gemara geschrieben steht: „Was interessiert es den Schöpfer, ob man das Tier vom Nacken oder vom Hals schlachtet? Denn die Tora und die Gebote wurden zu nichts anderem gegeben, als nur, um durch sie das Volk Israels zu vereinen.“
Jedoch, nachdem der Mensch in ausreichendem Maße seine Bedürfnisse reinigen und des Lichts des Schöpfers würdig wird, werden sich seine Augen und seine Seele öffnen, und er wird die 613 Lichter erkennen, die in den 613 Geboten enthalten sind, was das Geheimnis der Namen des Schöpfers ist. Das heißt, er gelangt zu deren Erkenntnis.
Und mittels der Ausführung jeder einzelnen Mizwa empfängt er den Teil des Lichts, welcher darin eingeschlossen ist, da die Mizwa das Geheimnis des Kli ist. Darin kleidet sich das Licht ein, das heißt der Name des Schöpfers, der zu dieser Mizwa gehört, wie es geschrieben steht: „Die Mizwa ist ein Leuchter, und die Tora – das Licht“.
Und das heißt: 613 Mizwot des Empfangens der Lichter. Das gleicht einem Menschen, der Edelsteine in ein Gefäß legte und dem von ihm geliebten Menschen sagte: „Nimm das Gefäß, doch bewahre es vor den Händen der Diebe.“ Und es ergibt sich, dass sie von einem Gefäß sprechen, doch sie meinen die darin befindlichen Edelsteine.
Aus den Büchern der Kabbala ist bekannt, dass das Geheimnis des Namens des Schöpfers, „Der Heilige – Gepriesen sei Er!“ oder Kudsha Brich Hu (der selbe Name in Aramäisch), welches von den Weisen und dem Sohar vermittelt wird, im Namen HaWaYaH inbegriffen ist, welcher in sich alle Namen des Schöpfers auf allen Stufen einschließt. Daher gilt „Die Tora und der Schöpfer sind Eins“, ungeachtet der Tatsache, dass die Massen in der Tora nichts als historische Erzählungen, Gesetze und Gesetzbeschlüsse sehen.
Ich erklärte jedoch bereits den Sinn des Ausdrucks „Goldene Äpfel in silberner Fassung“, was als die 613 Gebote des Empfangens der Lichter bezeichnet wird. So sagten die Weisen: „Die ganze Tora sind die Namen des Schöpfers“, und daher „Die Tora und der Schöpfer sind Eins“, doch im Geheimnis „Allgemeines und Besonderes“, wo der Schöpfer der Komplex aller Namen und das allgemeine Licht ist, und die Tora in 613 Lichter unterteilt wird. Und es ergibt sich, dass sie alle gemeinsam eins sind und den Schöpfer selbst darstellen.
Nun bleibt es uns zu klären, was Israel darstellt. Zunächst muss man verstehen, was die Vielzahl unterteilter Formen im Spirituellen bedeutet, das heißt, wie und zu welchem Zweck sie unterteilt und voneinander getrennt sind. Im Materiellen kann man das Eine vom Anderen mithilfe eines Messers trennen, oder es lösen und trennen sie die Zeit und der Ort. Es ist jedoch unmöglich, sich solches im Spirituellen vorstellen, welches außerhalb von Zeit und Raum steht.
Doch wisse, dass im Spirituellen der ganze Unterschied zwischen den Höchsten Lichtern nichts anderes als der Unterschied der Eigenschaften ist. Bezüglich vernünftiger Seelen, die den Menschen innewohnen, ist natürlich jede Seele von der anderen getrennt und entfernt. Doch die Basis der Trennung ist die Unterscheidung der Eigenschaften, das heißt, die Seele des Einen ist gut, die des Anderen schlecht, beim Dritten ist sie klug oder narrenhaft usw.. Wie es heißt: „Wie sich die Gesichter voneinander unterscheiden, so unterscheiden sich auch ihre Meinungen.“
Damit ist klar, dass, wenn alle Menschen über die gleiche Bildung und gleiche Neigungen verfügen würden, auch die Seelen der Menschen eine Seele wären. Und hinsichtlich der Bedeutung wäre sie wie das Licht der Sonne, welches alle Menschen so bestrahlt, dass es völlig unmöglich ist, getrennte Formen zu unterscheiden. So wäre auch eine Seele in eine Vielfalt an Körpern eingeschlossen, da der Abstand die spirituellen Wesen überhaupt nicht trennt, solange es keinen Unterschied in ihren Eigenschaften gibt.
Kommen wir nun zur Erklärung. Es ist bereits bekannt, dass das Geheimnis der Seelen der Söhne Israels das Geheimnis des Göttlichen Teils von Oben ist, wobei die Seele nach dem Gesetz von Ursache und Folge abstieg, indem sie sich von einer Stufe zur anderen herabsenkte, bis sie sich eignete, in diese Welt zu kommen und sich in den unreinen, materiellen Körper einzukleiden. Und mittels der Einhaltung der Tora und der Erfüllung der Mizwot (Gebote) steigt sie von einer Stufe zur anderen auf, bis sich ihr Umfang auffüllt, und sie letztlich würdig wird, ihre Belohnung vom Vollkommenen zu erhalten, die für sie beizeiten bereitet wurde. Das heißt: Die Erkenntnis der heiligen Tora in Form der Namen des Schöpfers, was das Geheimnis der 613 Gebote des Empfangens der Lichter ist.
Nun verstehst du, dass „Die Tora und Israel sind Eins“. Der ganze Unterschied zwischen der Tora und der Seele besteht darin, dass sich infolge der Kraft der Unterscheidung der Eigenschaften, die in der Seele eingeschlossen ist, das Licht in ihr stark verkleinert hat. Und die Tora ist das einfache Licht, welches sich aus dem Wesen des Schöpfers verbreitet, dessen Größe unendlich ist, so wie geschrieben steht „Die Tora und der Schöpfer sind Eins“
Doch im Zeitraum der Vervollkommnung erhält die Seele die Tora im Geheimnis der Namen des Schöpfers, das heißt, sie erkennt das ganze Licht, welches in der Tora und den Mizwot eingeschlossen ist. Und wir finden vor, dass das Licht der Seele dem Licht der Tora gleich ist, wenn sie bereits das ganze Licht der Tora erkannte. Solange es die unvollständige Erkenntnis selbst eines kleinen Teils des Lichts aus dem allgemeinen Licht der Tora gibt, gilt die Seele immer noch nicht als vollkommen, weil den Seelen das ganze allgemeine Licht bereitet ist, und, wie ich bereits weiter oben erklärte, „Das, was nicht erkannt wurde, bezeichnen wir nicht beim Namen“.
Und da das Licht zur Erkenntnis durch die Seelen bestimmt wurde, und die Seele es nicht vollständig erkannte, ist sie unvollkommen. Wie es geschrieben steht: „Jemand, der die ganze Tora mit der Ausnahme einer Mizwa erfüllt, gilt als vollkommener Sünder.“
Doch man sollte über die Erfüllung der Tora und der Gebote nach der Erfüllung der 613 Gebote des Empfangens der Lichter urteilen und meinen, dass die Seele unvollkommen sei, wenn es ihr an etwas Kleinem oder Großem mangelt. Auf diese Weise erreicht sie während des Abschlusses eine Einigung mit allen Seelen und erkennt das Licht der ganzen Tora. Und dann gibt es keinen qualitativen Unterschied (der Eigenschaften) zwischen dem Licht der Seele und dem Licht der Tora. Auf diese Weise klärt sich das Gesagte: „Die Tora und Israel sind Eins.“
Weil es zwischen ihnen keinerlei Unterschied und keinerlei Unterscheidung der Eigenschaften gibt, stellen sie ein Ganzes dar. Und da wir bereits bewiesen, dass „Der Schöpfer und die Tora Eins sind“, und wir jetzt nachwiesen, dass „Die Tora und Israel Eins sind“, wird klar, dass „Die Tora, der Schöpfer und Israel Eins sind“.
Es klärte sich für uns aus allem oben Gesagten, dass in der Tora und in den Mizwot zwei Teile existieren:
- Der offene Teil der Tora und der Mizwot, der die Erfüllung der Mizwot und das Studium der Tora zur Korrektur der Kelim darstellt – die 613 Ejtin (Ratschläge) – und über eine wunderbare Fähigkeit verfügt, die es erlaubt, den Körper zu reinigen und zu vereinen und die Seele zu erheben, damit sie fähig und würdig würde, das Licht des Schöpfers genauso zu empfangen, wie sie dazu in ihrer Wurzel fähig war, vor ihrer Schrumpfung und der Einkleidung in den niederen Körper in der niederen Welt.
- Die Erfüllung der Mizwot und das Studium der Tora in Form von 613 Pkudin (Anzahlungen), das heißt, die Erkenntnis der Namen des Schöpfers und der ganzen Belohnung der Seelen.
Der Vorzug des zweiten Teils gegenüber dem ersten Teil ist genauso wie zwischen dem Himmel und der Erde, da der erste Teil lediglich das vorbereitende Stadium ist, und der zweite Teil das Wesen der Vollkommenheit und das Ziel der Schöpfung.
So wird unsere Erschwernis geklärt, die weiter oben angeführt wurde, über das, was die Weisen gesagt haben, dass sogar ein Mensch, der die Tora bis in die Feinheiten studierte und über Eigenschaften verfügt, die alle Gerechten der Welt übertreffen, der aber keine Kabbala studiert hat, gezwungen sein wird, wieder einen Lebenskreislauf zu durchlaufen und in diese Welt zu kommen.
Und wir fragten nach: „Wodurch unterscheidet sich das Studium der Kabbala vom Studium anderer Teile der Tora?“ Denn nirgends steht geschrieben, dass der Mensch verpflichtet wäre, ausnahmslos alles in der Tora zu verstehen. Umgekehrt fand man an zahlreichen Stellen das Gegenteil : „Der eine tut mehr, der andere weniger, doch das Wichtigste ist es, dass sein Herz auf den Schöpfer ausgerichtet wäre“, und auch: „Nicht das Studium ist das Wichtigste, sondern die Handlung.“
Nun werden wir das auf einfache Weise erklären: Jeder Teil der offenen Tora ist nichts anderes als die Vorbereitung darauf, uns fähig und würdig zu machen, den verhüllten Teil zu erkennen, wobei der verhüllte Teil in seinem Wesen die Erreichung der Perfektion und des Schöpfungsziels ist, wozu der Mensch auch erschaffen wurde. Somit ist klar und offensichtlich, dass wenn es an irgendeinem Teil vom Verhüllten mangelt, dann wird der Mensch, obwohl er die Tora einhielt und ihre Gebote erfüllte, eine Reinkarnation durchlaufen und wieder in diese Welt kommen müssen, um zu empfangen, was er empfangen muss, das heißt den verhüllten Teil – 613 Gebote des Empfangens der Lichter, denn genau darin besteht die Vervollkommnung der Seele so, wie es vom Schöpfer geplant wurde.
Du siehst also die absolute Verpflichtung, die dem ganzen Volk Israel auferlegt wurde, jedem, wer es auch sei, sich mit dem inneren Teil der Tora und deren Geheimnissen zu beschäftigen, ohne welchem die Schöpfungsabsicht im Menschen nicht erreicht wird. Aus diesem Grunde durchlaufen wir Lebenskreisläufe, eine Generation nach der anderen bis hin zu unserer Generation, in welcher die Seelen versammelt sind, die immer noch keine Vollkommenheit der Absicht erreichten, da sie es in den vorausgehenden Generationen nicht verdienten, die Geheimnisse der Tora zu erkennen.
Davon heißt es im Sohar: „In der Zukunft werden sich die Geheimnisse der Tora infolge des Kommens des Messias offenbaren.“ Und jedem Verstehenden ist klar, dass dies infolge des Erreichens einer Vollkommenheit der Absicht im Geschöpf geschehen wird, wodurch wir das Kommen des Messias verdienen werden. Wenn dem so ist, dann ist die Offenbarung der Geheimnisse der Tora zwischen ihnen unabwendbar, denn wenn sie sich nicht korrigieren werden, werden sie noch eine Reinkarnation durchlaufen müssen.
Das wird dir als eine Erklärung dienen – wozu sollte man sich überhaupt durch die Erklärung dessen, wer ich bin und wer meine Vorfahren sind, Last auferlegen, welcher ich würdig wurde, in Form einer umfassenden Erforschung der Geheimnisse, die im Sohar und in den Werken des ARI verborgen sind, und warum fand sich bis zum heutigen Tag niemand, der diese Weisheit so klar wie ich erklärt hätte?
Aus dem Gesagten sollst du verstehen, dass, da unsere Generation tatsächlich die Generation der Ankunft des Messias ist, wenn wir alle an der Schwelle zur vollkommenen Korrektur stehen, die aus dem Grunde verzögert wird, weil man vom Studium der Kabbala abließ. Solch eine Situation stellte sich in dieser ganzen Generation aufgrund der Schwierigkeit der Sprache und der Zerstreutheit des Materials ein. Und zusätzlich durch das geringe Wissen und die erhöhte Besorgtheit, die für unsere Generation üblich sind. Als daher der Schöpfer die Erlösung unserer Seelen beschleunigen wollte, übergab Er durch mich ein Geschenk – die Offenbarung eines notwendigen Maßes in dieser Deutung, und es gelang mir, den Willen des Schöpfers zu verwirklichen.
Ich hatte außerdem noch einen Grund, als ich diese Offenbarung so erklären wollte, wie es im Sohar steht: „Der Vorteil des Lichts wird aus dem Dunkeln heraus erkannt.“ Da nach meinem Besuch in Warschau und durch die Empfindung der Finsternis, die mich umgab, es ein Genuss für mich war, mich in Jerusalem anzusiedeln.
Und als ich hierher kam, sah ich die Armut meines Volkes, die Bedürftigkeit an Wissen und den Triumph der Narren; und es überschlug mich die Welle der Erniedrigung der Seele jener, die den Schöpfer, seine Tora und sein Volk lästerten, indem sie behaupteten, dass es in der ganzen Weisheit der Kabbala überhaupt keine Vernunft gäbe, kein Wissen und keine Logik. Dass es alles nur Worte und Namen seien, es in ihnen keinen verborgenen Sinn gäbe und man sie so verstehen müsse, wie sie geschrieben stehen. Als wäre es ein großer Verdienst, über etwas zu schwätzen, was mit vollem Glauben verfasst wurde und mit dessen Hilfe in uns die Absicht der Schöpfung vollendet werden wird. Sobald sich die Anzahl jener vergrößern wird, die sich mit dem wörtlichen Studium des in vollem Glauben Verfassten beschäftigen, wird unmittelbar Mashiach (Messias) kommen, und es wird dadurch die Korrektur vollendet werden und nichts weiter.
Ich traf die Bekanntesten von ihnen. Dies waren Menschen, die viele Jahre beim Studium der Werke von ARI und des Sohar verbrachten und soweit Erfolg hatten, dass man sich wundert, wie schnell ihnen alles über die Lippen kommt, was in den Büchern des ARI steht. Und ich fragte sie, ob sie bei einem Lehrer gelernt hätten, der die Erkenntnis des inneren Wesens besäße. Sie antworteten mir: „Keinesfalls! Hier gibt es keinerlei inneren Teil, außer dem, was geschrieben und durch uns wiedergegeben wurde, und nichts darüber hinaus.“ Ich fragte sie weiter: „Hat Rav Chaim Vital den inneren Teil erfasst?“ und sie antworteten mir: „Natürlich nicht, er hat nichts über das hinaus erlangt, was auch wir erlangten.“ Dann fragte ich nach ARI selbst. Und sie antworteten mir: „Natürlich erfasste er vom inneren Teil nicht mehr als wir, sondern er gab alles, was er wusste, an seinen Schüler Chaim Vital weiter, und so gelangte das zu uns.“
Und ich lachte sehr über sie, denn wenn dem so ist, wie verband sich dann alles im Herzen von ARI ohne Wissen und Verstehen? Man antwortete mir, er hätte all das von Elyahu[1] (Prophet Elias) bekommen, der den inneren Teil kannte, weil er ein Engel war. Dann ließ ich meiner Verachtung ihnen gegenüber freien Lauf, da ich keine Geduld mehr hatte, um weiter mit ihnen zu bleiben.
Solch eine Torheit schlug fast bei allen Wurzeln, die zu jener Zeit Kabbala studierten, und wehe den Ohren, die so hören. Und im Sohar wurde schon die Bitterkeit hinsichtlich der Lüge der Sünder in ihren Seelen beschrieben, die behaupten, dass keine Geheimnisse des inneren Teils der Tora existieren, denn es steht geschrieben: „Wurde uns etwa die Tora gegeben, um uns von der Geschichte und alltäglichen Dingen zu berichten? Denn Ähnliches haben auch andere Völker.“ Und es steht geschrieben, dass sie die Keime abschlagen und nur Malchut nehmen.
Was würden die Weisen des Sohar sagen, wenn sie die Kultur dieser Sünder sehen würden, die behaupten, dass es keine Weisheit und keinen Sinn in den Worten des Sohar und in der Wissenschaft der Kabbala gäbe, weil doch die Geheimnisse der Tora selbst sagten, dass sich das Wissen und Verständnis nicht in dieser Welt offenbaren würden und dass all das einfach schöne Worte seien. Denn sie machten sich auf, um die Shechina in den inneren Gemächern des Schlosses des Königs zu erobern, und wehe ihnen, da eine schlechte Belohnung auf ihre Seele wartet.
Die Weisen sagten, dass die Tora sich beim Schöpfer darüber beklagt, dass die Menschen, die Er erschuf, aus ihr Lieder in Kneipen machten, und diese machen noch nicht einmal ein Lied aus der Tora, sondern führen nur Gespräche, die jeden, der sie hört, erschrecken und Wut hervorrufen. Sie fordern noch eine Belohnung, indem sie behaupten, dass sie dies in vollem Glauben tun. Wie die Weisen sagten: „Wie tief fiel dieses Volk, welches sagt, dass es Mich liebt, doch in seinen Herzen von Mir fern ist“ – was der Grund der Zerstörung des Ersten Tempels war. Dieser Grund war der bestimmende von allen Gründen, warum ich mich an diese Erklärung machte.
*Bearbeitung durch den Autor: Man muss verstehen, dass das Ziel einfach ist, und alle Verfeinerungen, Weisheiten und unzähligen Details nur während der Vorbereitung existieren, solange man noch nicht das Ziel erreicht hat. Nach dem Beispiel darüber, dass, wenn ein Mensch in seinem eigenen Haus sitzen möchte, er Einzelheiten und Feinheiten in Betracht ziehen muss, sowohl bei der Planung der Anzahl und der Qualität an Zimmern, als auch bei der Ausführung der Arbeiten.
Doch sein letztliches Ziel ist sehr einfach – das Haus zu bewohnen. Darin besteht der Sinn des Geschriebenen: „Die Schönheit (Tiferet) des Menschen ist es, sich im Haus anzusiedeln“ – was ein einfacher Gedanke ist, der weder allgemeine noch besondere Ausrichtungen hat. Das ist nur ein einfacher Wunsch. Und wisse, dass alle Verfeinerungen in den Kenntnissen aus der Vielzahl an Fehlern resultieren, die bei der Erkenntnis der Wahrheit begangen wurden. Doch die Wahrheit selbst ist einfach und hat keinerlei Verfeinerungen. Darin besteht das Geheimnis, welches uns vom Schöpfer wie eine eiserne Mauer trennt, da es Dinge gibt, die wegen ihrer Tiefe und Größe verborgen sind, und es Dinge gibt, die wegen ihrer außerordentlichen Feinheit und Durchsichtigkeit verborgen sind, wie zum Beispiel kleine Mücken, die in der Luft schweben und wegen ihrer Durchsichtigkeit für das Auge unsichtbar sind.
Da das Licht des Schöpfers so einfach ist, dass der Verstand des Menschen, der nichts anderes außer der Substanz wahrnimmt, das Licht nicht einfach als einen kleinen Teil dieser Substanz wahrnimmt, ist ihm ein wahrhaftiges Kli der Schöpfung vonnöten. Der Grad der Größe und der Weite wird ebenfalls nicht von allen wahrgenommen, doch dir ist das wenigstens in einem geringen Maße klar. Während es sich dir in feinen Dingen darstellt, sie seien nicht real, da du sie noch nicht einmal im Geringen erkennen kannst.
[1] Elyahu (auch Elijahu) war ein biblischer Prophet, der in der Zeit der Könige Ahab und Ahasja im 2. Viertel des 9. Jhdt. v. u. Z. im Nordreich Israels wirkte. Sein Name bedeutet „Mein Gott ist der Herr (Y-H-W-H)”.