Wenn man beginnt Kabbala zu lernen…
Von Dr. Michael Laitman
Wenn ein Mensch damit beginnt, die Kabbala zu studieren, kann es sein, dass er keine spirituellen Gefühle entdeckt, und dass sich sein Verstand folglich während des Lernprozesses als Hilfsmittel einschleicht. Wir sind jedoch dazu angehalten, unser Innerstes, unser Herz, durch unseren Verstand zu öffnen. Erst wenn unser Herz sich entwickelt, fühlen wir, was richtig und was falsch ist. Wir werden ganz natürlich zu den richtigen Entscheidungen und Taten geführt.
Die Kabbalisten lehren die Spiritualität, indem sie langsam damit beginnen, den Lernenden schrittweise beizubringen, ihren Willen so zu erweitern, dass sie mehr Licht, mehr Bewusstsein, mehr spirituelles Gefühl empfangen können. Mit einem erhöhten Verlangen geht eine größere spirituelle Tiefe, ein größeres Verständnis und das Erreichen des Ziels einher. So kann ein Mensch die höchste spirituelle Stufe erlangen, die es zu erklimmen gibt. Er kann die Wurzeln seiner Seele erreichen.
Wenn der Mensch versucht, seine Situation und seine Lebensbedingungen objektiv zu beurteilen, kann er eine richtige Wahrnehmung der Schöpfung erreichen. Die Existenz des Schöpfers hat Konsequenzen für uns, ebenso wie für die Kabbalisten, welche ihre Fähigkeit zum direkten Kommunizieren mit Ihm bereits verwirklicht haben. Da der Schöpfer die Kontrolle über alle offenen und verdeckten Dinge hat, Er alle Lebenssituationen steuert, und wir uns also ständig unter Seinem Einfluss befinden, ist es am klügsten und vernünftigsten, sich permanent mit Ihm zu vereinigen. Je näher und fester wir dies tun, umso besser.
Wenn wir mit großer Anstrengung versuchen würden, Seine Wahrnehmung zu erreichen, und damit schließlich erfolgreich wären, würden wir uns völlig hilflos fühlen. Es wäre so, als ob wir ohne Bezug in der Luft hängen würden, denn der Schöpfer würde sich vor unseren Vorstellungen verstecken. Ohne zu sehen, ohne zu fühlen, ohne zu hören, ohne irgendeine sensorische Eingabe wären wir wie ein unhörbarer Schrei in der unendlichen Wüste.
Weshalb hat uns der Schöpfer erschaffen, wenn wir Ihn nicht wahrnehmen können? Warum sollte Er sich vor uns verstecken? Warum reagiert Er nicht, selbst wenn ein Mensch Ihn anruft? Warum zieht Er es vor, uns in einer Weise zu beeinflussen, die Ihn vor uns versteckt hält, verborgen hinter der Natur, verschleiert in den anderen Menschen?
Wenn Er bereit wäre, uns zu korrigieren, das heißt, seinen eigenen „Fehler“ in der Schöpfung zu beheben, hätte Er es doch schon lange tun können. Entweder in offener oder verborgener Weise. Wenn Er Sich uns völlig aufdecken und öffnen würde, würden wir Ihn doch alle wahrnehmen und lieben können, mit allen unseren Sinnen und unserer Intelligenz, die Er uns schenkte. Sicher würden wir dann wissen, wie wir in der Welt leben und mit der Welt umgehen sollten, die Er für uns erschaffen hat.
Sobald der Mensch sich bemüht, den Schöpfer zu erreichen, um ihm Glauben zu schenken und sich Ihm anzunähern, ist es paradoxerweise so, dass das Ziel des Menschen seinen Händen entgleitet und verschwindet. Wenn doch alle unsere Erfahrungen vom Schöpfer kommen, warum beraubt er gerade diejenigen ihres Wunsches, die Ihn so gerne wahrnehmen möchten? Weshalb legt Er insbesondere ihnen, auf ihrem Weg zu Ihm die verschiedensten Hindernisse in den Weg?
Die Versuche des Menschen, sich näher an den Schöpfer heranzubewegen, sowie die Ablehnung des Schöpfers, welche sich darin zeigt, dass Er im besonderen Maße denjenigen Leiden zufügt, die Ihn suchen, können sich über viele Jahre hinziehen! Aus Verzweiflung könnte solch ein Mensch glauben, dass der Stolz und die Arroganz, von der er sich selbst reinigen wollte, eine unendliche charakteristische Eigenschaft des Schöpfers sei!
Im Gegensatz zu der Aussage, dass der Schöpfer besonders gnädig zu denjenigen ist, die Ihn suchen, empfängt der Mensch keine Antwort auf seine Tränen und sein Rufen. Wenn wir während unseres Lebens selbst etwas ändern könnten, so als ob Er uns einen freien Willen gegeben hätte, wäre es bestimmt unser ungenügendes Wissen, die Leiden unserer Existenz und unserer Entwicklung zu vermeiden.
Wenn es keinen freien Willen gäbe, kann etwas grausamer sein, als uns Jahrzehnte lang sinnlos leiden zu lassen, in einer fürchterlichen Welt, die von Ihm erschaffen wird? Tatsächlich können solche Klagen und Vorwürfe für unbestimmte Zeit weitergehen. Wenn der Schöpfer die Ursache unseres Zustandes ist, dann haben wir viele Argumente, Ihn zu kritisieren und zu tadeln. Dies vollzieht unser Innerstes auch unentwegt, wenn unser Herz auf diese Weise glaubt.
Wenn dem Menschen etwas missfällt, tadelt er den Schöpfer, weil er sich eben gerade so fühlt. Auch wenn der Mensch sich nicht wirklich an Ihn wendet, oder sogar überhaupt nicht an die Existenz des Schöpfers glaubt: Der Schöpfer sieht alles, was sich im Inneren des Menschen abspielt. Jeder von uns hat das Recht, an einer Meinung festzuhalten, welche es auch immer sein mag. Denn wir halten an dem fest, was wir im Augenblick mit unseren eigenen Sinnen wahrnehmen und mit unserer eigenen Intelligenz analysieren können. Menschen mit einer beträchtlichen Lebenserfahrung wissen, wie drastisch sich ihre Ansichten während der Jahre verändert haben und noch verändern werden.
Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass wir uns vorher geirrt hatten und jetzt richtig liegen. Denn unsere momentane Sichtweise ist genauso falsch, wie wir morgen sehen werden. Folglich sind die Schlussfolgerungen, die wir in jeder möglichen Situation ableiten, für diese eine bestimmte Situation korrekt. Sie können jedoch in direktem Widerspruch zu unseren Schlussfolgerungen sein, die wir bei einer anderen Gelegenheit gebildet haben.
Aus dem gleichen Grunde können wir nichts über andere Welten und ihre Gesetze schlussfolgern, oder sie beurteilen, solange unsere Aussagen auf unseren eigenen aktuellen Kriterien, den Kriterien unserer Welt, basieren. Wir besitzen keine übersinnliche Intelligenz, Vorstellung oder gar Konzepte, und folglich können wir uns auch kein Urteil über die anderen Welten bilden. Denn nachweislich irren wir uns sogar ständig innerhalb der Grenzen unserer eigenen Welt.
Nur derjenige, der übersinnliche Qualitäten besitzt, kann Übersinnliches beurteilen. Wenn er gleichzeitig irdische Qualitäten hat, kann er uns seine Erfahrungen wenigstens nach irdischen Maßstäben beschreiben. Solch eine Person kann nur ein Kabbalist sein, ein Mensch unserer Welt, geschaffen mit den gleichen Qualitäten wie jeder einzelne von uns, und gleichzeitig ausgestattet mit anderen Qualitäten von Oben, von den Himmeln, die ihn befähigen, uns zu erklären, was in diesen anderen höheren spirituellen Welten abläuft.
Deshalb hat der Schöpfer einigen Kabbalisten erlaubt, ihr Wissen auch den breiten Schichten der Gesellschaft zugänglich zu machen und aufzudecken. Der Grund dafür ist, anderen dabei zu helfen, sich mit dem Schöpfer zu verständigen. Die Kabbalisten erklären uns mit Bezeichnungen, die wir auch begreifen können, dass die Struktur und das Funktionieren des Verstandes in den nicht weltlichen spirituellen Angelegenheiten auf Gesetzen basieren, die sich zu unseren irdischen konträr verhalten.
Es gibt keine Wand, die unsere Welt von der übersinnlichen, spirituellen Welt trennt. Jedoch verursacht die Tatsache, dass die spirituelle Welt entsprechend ihren Eigenschaften eine Anti-Welt ist, dass sie sich so weit jenseits unserer Vorstellung befindet. Nachdem wir in unserer Welt geboren sind, und die Natur und Gegebenheiten dieser Welt erworben haben, vergessen wir vollständig alles über unseren vergangenen letzten Anti-Zustand.
Folglich gibt es für den Menschen nur eine einzige Weise, damit er diese Anti-Welt wahrnehmen kann: Er muss die Natur und die Beschaffenheit dieser Anti-Welt annehmen und deren Ursachen und Qualitäten erforschen. Wie und in welcher Weise müssen wir unsere Natur ändern, um die gegensätzliche Natur des Spirituellen zu erfassen?
Das grundlegende Gesetz der spirituellen Welt ist der absolute Altruismus. Wie kann ein Mensch diese Qualität erwerben? Die Kabbalisten schlagen vor, dass wir eine Art Transformation innerhalb von uns selbst ausführen. Nur diese innere Arbeit an sich selbst erlaubt es dem Menschen, die spirituellen Welten wahrzunehmen, und damit zu beginnen, in beiden Welten gleichzeitig zu leben. Diese Arbeit wird durch den Begriff „seinen Glauben über den Verstand stellen“ bezeichnet.
In dieser Welt ist es unser Verstand, der alles bestimmt, was wir machen. Einzig und allein dieser Verstand, mit anderen Worten, die Egozentrik oder die berechnende „Vernunft“ ist der Motor all unserer Wünsche und unserer Handlungen. Unser Verstand berechnet ständig die Menge des möglichen Vergnügens, und er prüft und wägt ab, hinsichtlich der Menge des Leidens, welches die Anstrengung verursacht, dieses Vergnügen zu erreichen. Die Subtraktion dieser Mengen liefert ihm das gesuchte Ergebnis. Entweder die Arbeit inklusive des Leidens für das Vergnügen, oder Ruhe und Frieden durch den Verzicht auf den angestrebten Wunsch. Das Grundprinzip dieses „vernünftigen“ Konzeptes unserer Welt in Bezug zur Umwelt wird durch den Begriff: „Ein Glaube in den Grenzen des Verstandes“ bezeichnet, der Verstand bestimmt den Glauben.
Der Mensch handelt oft, ohne den Nutzen seiner Handlungen abzusehen, oder im Voraus die Anstrengungen, die er investieren muss, zu berechnen. Man denke zum Beispiel an eine sehr leidenschaftliche Person oder an einen Menschen, der auf eine bestimmte Art und Weise konditioniert ist. Die von ihm ausgeführten „blinden“ Handlungen ergeben sich aus dem Prinzip, welches durch den Ausdruck „ein Glaube, der dem Verstand untergeordnet ist“ bezeichnet wird. Denn diese Handlungen werden eher durch die blinde, unbewusste Beobachtung von irgend etwas oder von Entscheidungen dritter Personen beeinflusst, als durch eigene Überlegung und Berechnung. In anderen Fällen können die Handlungen des Menschen durch seine Erziehung, die für ihn wie zu einer zweiten Natur geworden ist, diktiert werden. Dies kann so stark sein, dass er eine große Anstrengung unternehmen muss, um ein anderes Verhalten zu entwickeln, als jenes, dass in ihm durch Konditionierung seiner Handlungen eingeschärft worden ist, und welches deshalb seine Handlungen automatisch durch den Zwang oder die Gewohnheit bestimmen. Wir führen alle eine große Anzahl von Handlungen nach diesem Schema aus.
Die spirituelle Welt ist ein altruistische Welt. Alle Wünsche und Taten, jedes mögliche existierende Verlangen des Menschen sind dort bestimmt. Jedoch nicht durch den Verstand des Menschen oder seinen Egoismus, sondern durch den Glauben, anders ausgedrückt, durch eine Empfindung des Schöpfers. Es erfordert gewisse Vorbedingungen, um sich von einem Wesen, welches durch die weltlichen Gesetze bestimmt war, zu einem Wesen, welches durch die Gesetze der spirituellen Welten geleitet wird, zu entwickeln. Wenn der Mensch die Gedanken seines Verstandes zurückgedrängt, und somit ohne ihre Unterstützung ist, hängt er bildlich ausgedrückt mit seinen beiden Beinen in der leeren Luft, heftet sich jedoch gleichzeitig mit beiden Händen fest an seinen Schöpfer, der so seine Handlungen durch seinen alleinigen Willen leitet und bestimmt. Gewissermaßen ersetzt der Mensch seine eigenen Überlegungen und Gedanken durch jene des Schöpfers. Er handelt folglich entgegen seinem Verstand und setzt den Willen des Schöpfers über seinen eigenen. Deshalb wird das Prinzip dieses Verhaltens durch den Ausdruck: „Der Glaube, der dem Verstand übergeordnet ist“ bezeichnet.
Wenn der Mensch auch nur einmal mit diesem Prinzip erfolgreich gewesen ist, beginnt er diese Welt und gleichzeitig die spirituelle Welt neu wahrzunehmen. Er entdeckt, dass beide Welten gleichzeitig, gemäß den selben spirituellen Grundregeln, funktionieren: „Der Glaube, der dem Verstand übergeordnet ist“.
Der Wunsch des Menschen, seinen Verstand zurückzudrängen und nur von seinem Verlangen, dem Schöpfer ein Vergnügen zu bereiten, geleitet zu werden, ist das spirituelle Gefäß, welches ihm erlaubt, spirituelle Gefühle wahrzunehmen. Die „Kapazität“ dieses Gefäßes ist mit anderen Worten die Größe des spirituellen Vermögens des Menschen, seinen egozentrischen, erdgebundenen Willen zurückzudrängen.
Um die Kapazität eines spirituellen Gefäßes zu erhöhen, stellt der Schöpfer immer größere und unüberwindbare Hindernisse auf den Weg „des Glaubens, der dem Verstand übergeordnet ist“. Ganz allmählich steigert er die egozentrischen Wünsche, das Verlangen und die Zweifel, was die göttliche Allmacht betrifft. Die Tat, diese Hindernisse progressiv zu überwinden, erlaubt es dem Menschen, den Beweis eines immer stärker altruistischen Verlangens zu erbringen, die Kapazität seines spirituellen Gefäßes zu steigern, und mit mehr Klarheit und Schärfe den Schöpfer in seinem Universum der Ähnlichkeiten wahrzunehmen.
Wenn der Mensch den Schöpfer mit beiden Händen fassen und seine kritische Annäherung des Verstandes unterdrücken könnte, würde er jubeln und sich über alle Maßen freuen, dass sich ihm solch eine Gelegenheit geboten hat. Könnte er diesen Zustand auch nur einen Augenblick aushalten, würde er erkennen, wie wundervoll Er ist. Es ist der Punkt, an dem der Mensch sein Ziel erreicht hat. Nämlich das Wahrnehmen der ewigen Wahrheit, die sich morgen nicht ändern wird, so wie alle seine vorigen Annahmen es taten. Denn nun ist er vereint mit dem ewigen Schöpfer und betrachtet alle Begebenheiten nur durch diese einzige Wahrheit.
Ein Fortschritt ist nur gleichzeitig entlang drei paralleler Linien möglich, von denen die rechte Linie der Glaube und die linke Linie die Wahrnehmung und das Verstehen sind. Diese zwei Linien oder Säulen sind unterschiedlich zueinander, denn sie sind gegenseitig unvereinbar. Folglich ist die einzige Weise, sie gegenseitig auszugleichen, mittels einer mittleren Linie (Säule), welche gleichzeitig zur rechten und linken Linie gebildet wird. Diese dritte mittlere Säule ist die Linie eines spirituellen Verhaltens, bei dem der Verstand nur in Übereinstimmung mit der Kraft des Glaubens verwendet wird.
Von allen spirituellen Objekten, deren Ordnung vom Schöpfer erschaffen wurde, kann gesagt werden, dass sie in Ihm, von Ihm umgeben vorhanden sind. All das, was vom Schöpfer im Universum umfasst wird, existiert nur im Verhältnis zu den Geschöpfen, und dies alles ist ein Produkt des ursprünglichen Geschöpfs, welches als Malchut bezeichnet wird. Das bedeutet, dass alle Welten und alle Geschöpfe, alle, ausgenommen dem Schöpfer Selbst, ein einzelnes Geschöpf sind, dass Malchut, die Wurzel, die Quelle aller Geschöpfe genannt wird, welche dann in viele kleinere Teile von sich zerfällt.
Alle Teile zusammengenommen werden Shechina genannt. Und das Licht des Schöpfers, Seine Anwesenheit, Er, der selbst die Shechina füllt, heißt Shochen.
Die Zeit, die benötigt wird, um alle Teile der Shechina vollständig zu füllen, wird Korrekturzeit genannt. Während dieser Zeit vollziehen die Geschöpfe in ihrem Teil von Malchut eine Korrektur, jedes in seinem jeweiligen Teil, von dem es geschaffen wurde.
Bis zu dem Moment, in dem der Schöpfer mit den Geschöpfen völlig vereinigt werden kann, das heißt, bis Er sich ihnen völlig enthüllt, oder bis der Shochen die Shechina gefüllt hat, wird der Zustand der Shechina oder der Geschöpfe, wenn sie noch keine Vollendung in den Höheren Welten gefunden haben, als die „Verbannung der Schechina“ (vom Schöpfer) bezeichnet.
Was unsere Welt anbetrifft, die niedrigste von allen, worin jedoch ebenso jedes Geschöpf volle Bewusstheit gegenüber dem Schöpfer erlangen muss, bemüht sich bis jetzt jeder darum, seine geringfügigen Wünsche zu befriedigen und blind den Rufen der weltlichen Sinnlichkeit zu folgen. Dieser Zustand der Seele wird „Shechina im Staub“ genannt, wobei jeder die wahren Freuden der Spiritualität als ausgedachten Unsinn betrachtet, was als das „Leiden der Shechina“ bezeichnet wird.
Das ganze Leiden des Menschen stammt von der Tatsache, dass er von Oben gezwungen wird, seinen gesamten gesunden Menschenverstand vollständig zurückzuweisen, um blind damit fortzufahren, den Glauben über den Verstand zu stellen.
Je stärker sein Verstand und der Umfang seiner Kenntnisse, und je größer und glänzender seine Intelligenz, desto schwieriger ist es für den Menschen, sich auf dem Weg des Glaubens vorwärts zu bewegen. Dementsprechend leidet solcher mehr darunter, seinen guten Menschenverstand ablegen zu müssen.
Ein Mensch, der entschieden hat, sich gemäß der Kabbala spirituell zu entwickeln, kann in gar keinem Fall mit dem Schöpfer zufrieden sein. In seinem Herzen verflucht er es, sich auf diesem Weg vorwärts bewegen zu müssen, denn durch keine Selbsttäuschung lässt sich eine Entschuldigung vor dem Schöpfer finden. Solch ein Mensch kann es nicht ertragen, ohne Unterstützung zu sein, bis ihm der Schöpfer hilft, indem Er ihm den gesamten Plan der Schöpfung enthüllt.
Wenn der Mensch das Gefühl hat, dass er in einer spirituellen Wachstumsphase ist, dass sein ganzes Verlangen und seine ganzen Wünsche auf den Schöpfer ausgerichtet sind, und nur auf Ihn, dann ist es der günstigste Zeitpunkt, adäquate Schriften der Kabbala zu studieren, mit dem Ziel, zu versuchen, ihre tiefe Bedeutung zu begreifen. Trotz seiner Anstrengungen, kann der Mensch den Eindruck haben, nichts zu verstehen. Es ist jedoch trotzdem notwendig, es weiter zu versuchen, weiter zu studieren und sich in die Schriften das eine und das andere Mal zu vertiefen. Einen Misserfolg im Verständnis der Texte sollte einen Studierenden niemals verzweifeln lassen. Der Sinn dieser Versuche liegt in den Anstrengungen des Menschen, die Geheimnisse der Kabbala verstehen zu wollen. Seine Bemühungen stellen sein Gebet an den Schöpfer dar, damit Er die Schöpfung für ihn enthüllt. Die Kraft des Gebetes wird durch die Kraft seines Strebens bestimmt.
Eine Regel besagt: Durch die Anstrengungen und Mühen, die wir investieren, um etwas zu bekommen, steigert sich in uns ein weiteres Verlangen, immer mehr zu erhalten. Die Kraft dieses zunehmenden Verlangens wird durch das Leiden bestimmt, welches verursacht wurde, weil es unmöglich war, den Gegenstand unseres Verlangens zu erhalten. Ein Gebet ist dieses Leiden selbst, welches nicht durch Worte ausgedrückt, aber in höchstem Maße tief vom Herzen gefühlt wurde.
Da es also nur nach einer anhaltenden Anstrengung möglich ist, den Gegenstand unseres Verlangens zu erhalten, können wir sagen, dass der Mensch deshalb mit der gleichen Intensität und Aufrichtigkeit beten sollte, damit sein Gebet erhört wird.
Während unserer Versuche, die Schriften zu erforschen, ist unser Herz jedoch nie ganz frei von Gedanken, die nicht dazugehören. Somit wird unser Wesen auch nicht in der Lage sein, sich ausschließlich auf die Studien zu konzentrieren, bis zu dem Moment, an dem die Gedanken dem Herzen folgen. Damit der Schöpfer das Gebet erhört, muss es vom tiefsten Punkt des Herzens ausgedrückt werden. Anders gesagt: Das ganze Verlangen und alle Wünsche des Menschen müssen zu diesem Zeitpunkt voll und ganz auf sein Gebet konzentriert werden. Um dies tun zu können, sollte man sich immer wieder und unaufhörlich in die Schriften vertiefen, selbst wenn man nichts begreift. Denn um erfolgreich zu sein, muss man ein authentisches Verlangen verwirklichen, damit der Schöpfer uns erhören kann.
Ein authentisches Verlangen ist jenes, das einem anderen Verlangen keinen Platz mehr lässt.
Gleichzeitig studiert man neben dem Studium der Kabbala die Handlungen des Schöpfers. Folglich nähern wir uns Ihm an. Stufenweise werden wir würdig, zu begreifen, was wir studieren.
Der Glaube, das heißt, die bewusste Wahrnehmung des Schöpfers, muss so ausgeformt sein, dass der Mensch in jedem Moment fühlt, in Anwesenheit des Königs des Universums zu sein. Ohne Zweifel wird dann der Sucher mit den notwendigen Gefühlen von Liebe und Ehrfurcht erfüllt.
Bis er einen solchen Glauben erreicht, muss er sich immer bemühen, vorwärts zu kommen. Denn es ist nur dieses eine Gefühl, das ihm ein Recht auf ein spirituelles Leben gibt, und ihn am Herabsinken in den Egoismus bewahrt, der ihn immer vergnügungssüchtiger macht. Der Mangel und die Notwendigkeit des Erkennens des Schöpfers sollte permanent gespürt werden. Es sollte zu einer Gewohnheit werden. So wie die ständige Sehnsucht nach dem Geliebten, dessen oder deren Abwesenheit einem unerträglich ist.
Alles, was den Menschen umgibt, erstickt diesen Mangel. Seitdem er Vergnügen auf irgendeine Weise erlebt, reduziert sich der stechende Schmerz bezüglich seiner spirituellen Leere.
Folglich ist es lebenswichtig, während wir die Vergnügungen unserer Welt genießen, jene Vergnügen abzulegen, welche das Bedürfnis, den Mangel und die Leere ersticken, den Schöpfer wahrzunehmen, sowie uns unserer spirituellen Empfindungen berauben.
Im Allgemeinen ist der innere Drang, den Schöpfer wahrnehmen zu wollen, eine spezifische Eigenart des Menschen. Dies bezieht sich nicht nur auf die Exemplare der Menschheit, die äußerlich menschlich aussehen.
Dieser Drang stammt von dem Bedürfnis des Menschen ab, verstehen zu wollen, wer er ist und wie er sich selbst und den Grund seines Daseins begreifen kann. Er möchte die Quelle seiner Herkunft kennenlernen. Es ist die Suche nach Antworten über sich selbst, die zu dieser Kraft führt, den Ursprung des Lebens zu suchen.
Diese Kraft lässt uns keine Bemühungen sparen, wenn es darum geht, alle Rätsel der Natur zu lösen. Kein Geheimnis, entweder in uns selbst oder in unserer Umgebung, darf unentdeckt bleiben. Jedoch ist nur das eine Sehnen wahrhaftig, nämlich solches, um den Schöpfer wahrzunehmen. Denn Er ist die Quelle von allem, Er steht über allem, und Er hat uns erschaffen. Folglich gilt: Selbst wenn ein Mensch in unserer Welt oder in anderen Welten alleine wäre, würde seine Suche nach sich selbst zu einer Suche nach dem Schöpfer führen.
Es gibt zwei Pfade, um den Einfluss des Schöpfers auf seine Geschöpfe wahrzunehmen. Der rechte Pfad stellt unabhängig davon, wie unsere Tätigkeiten aussehen, die persönliche Kontrolle durch den Schöpfer über jeden von uns dar. Der linke Pfad stellt die Kontrolle des Schöpfers in Abhängigkeit von unseren Handlungen über jeden von uns dar. In anderen Worten: Bestrafung für die schlechten Taten und Belohnung für die guten Taten.
Wenn ein Mensch die Zeit auswählt, im rechten Pfad zu sein, muss er sich selbst erklären, dass alles, was geschieht, nur durch den Willen des Schöpfers entsprechend seinem Plan abläuft. Nichts hängt vom Menschen selbst ab. In diesem Fall hat der Mensch weder Fehler und Schwächen noch Verdienste und Stärken. Alle seine Tätigkeiten ergeben sich zwingend aus dem Sehnen nach dem Schöpfer, welches ihm von außen gegeben wurde. Er muss deshalb dem Schöpfer für alles danken, was er von Ihm empfangen hat. In dem er feststellt, dass der Schöpfer ihn so zur Ewigkeit führt, kann der Mensch Liebe für den Schöpfer empfinden.
Jeder mögliche Fortschritt ist nur unter der Bedingung der korrekten Kombination des rechten und des linken Pfades möglich. Genauer ausgedrückt, in der Mitte zwischen beiden Pfaden. Selbst wenn ein Mensch auf die richtigen Weise vom richtigen Ausgangspunkt beginnt, jedoch nicht weiß, wie er seine Richtung regelmäßig überprüfen und korrigieren kann, ist es sicher, dass er von der richtigen Richtung abzuweichen beginnt.
Selbst wenn er nur einen Millimeter an irgendeinem Punkt seiner Reise abweicht, auch wenn er die richtige Richtung beibehält, wird sich sein Fehler mit jedem Schritt erhöhen. Er wird sich weiter und weiter von seinem Ziel entfernen.
Bevor unsere Seele die spirituelle Treppe herabsteigt, ist sie ein Teil des Schöpfers, Sein winziger Punkt. Dieser Punkt wird die Wurzel der Seele genannt.
Der Schöpfer legt die Seele in den Körper, damit die Seele im Körper weilend, die Wünsche des Körpers steigern und erhöhen kann, um dann wieder mit dem Schöpfer zu verschmelzen.
Mit anderen Worten: Die Seele wird in den Körper platziert, was die Geburt eines Menschen in unserer Welt darstellt, so dass sie die Wünsche und das Verlangen des Körpers überwindet (und gerade ihretwegen), sogar während der Lebenszeit eines Menschen auf die Stufe hinaufsteigen kann, die sie besaß, bevor sie in unsere Welt herabstieg.
Wenn sie die Wünsche des Fleisches überwindet, steigt die Seele auf die gleiche spirituelle Stufe, von der sie herabgestiegen war. Sie erfährt weit größere Freuden, als sie bei ihrem Ausgangszustand hatte und ein Teil des Schöpfers war. Sie verwandelt sich zu einem umfangreichen spirituellen Körper, der 620mal größer ist, als die Größe des ursprünglichen Punktes, bevor sie in unsere Welt herabstieg.
Somit besteht der spirituelle Körper der Seele in seinem kompletten Zustand aus 620 Teilen oder Organen. Jedes Teil, oder Organ, wird auch ein Gebot genannt. Das Licht des Schöpfers, das vom Schöpfer selbst ausgeht, und das gleiche ist wie das, was jeden Teil der Seele ausfüllt, wird als „die Tora“ bezeichnet.
Der richtige Weg zu diesem Ziel führt entlang des mittleren Pfades, welcher das Zusammenschmelzen in ein Konzept der folgenden drei Bestandteile darstellt: Der Mensch selbst, der Weg, den er gehen muss, und der Schöpfer. In der Tat sind alle drei Komponenten der Schöpfung anwesend: Der Mensch, bemüht zum Schöpfer zurückzukehren; der Schöpfer (der zielstrebige Mensch eifert Ihm nach) und „dem Weg folgen“, in dem Sinne, wie der Mensch den Schöpfer erreichen kann.
Wie bereits mehrmals gesagt: In Wirklichkeit existiert nichts außer dem Schöpfer. Wir sind nur seine Geschöpfe, die mit Sinnen und Bewusstsein unseres eigenen Daseins ausgestattet wurden. Der Mensch wird dies noch im Laufe seines spirituellen Aufstiegs klar wahrnehmen und verwirklichen. Alle unsere Vorstellungen oder eher gesagt, die Vorstellungen, die wir als unsere eigenen wahrnehmen, sind nur Antworten auf Seine Handlungen, welche in uns, von Ihm produziert werden. Genau ausgedrückt sind letztendlich unsere Gefühle das, was Er wünscht, was wir fühlen sollen.
Aber bis der Mensch ein vollständiges Verständnis dieser Wahrheit erzielt hat, sieht er die drei Bestandteile der Schöpfung: Sich selbst, den Weg, der ihn zum Schöpfer führt, und den Schöpfer selbst, als drei verschiedene Objekte, anstatt als ein einziges vollständiges Ganzes.
Sobald der Mensch die letzte Stufe seiner spirituellen Entwicklung erreicht hat, dass heißt, auf die gleiche Stufe gestiegen ist, auf der sich seine Seele vor dem Abstieg befand, dieses Mal jedoch mit den fleischlichen Wünschen belastet, nimmt er den Schöpfer vollständig in seinen spirituellen Körper auf, der die ganze Tora umhüllt, sowie das vollständige Licht des Schöpfers und den Schöpfer selbst. Folglich werden die drei Objekte, welche in der Wahrnehmung des Menschen getrennt waren, nämlich der Mensch, sein Weg und der Schöpfer, zu einem einzigen Objekt zusammengeschmolzen, cen spirituellen Körper, der mit Licht gefüllt ist.
Deshalb soll sich der Mensch, um einen richtigen Fortschritt zu erzielen, regelmäßig überprüfen, wie er auf seinem Weg vorwärts geht. Er sollte sicherstellen, dass er sich um alle drei Objekte bemüht, die bisher in seiner Wahrnehmung getrennt erschienen, und zwar mit einem gleich starken Wunsch von Anfang an. So, als ob er sie in diesem frühen Stadium vereinigen wollte, ganz genau so, wie er sie am Ende seines Weges sehen wird, und so, wie sie sogar jetzt schon sind. Der Mensch kann sie jedoch in seiner eigenen Unvollkommenheit noch nicht in dieser Weise erkennen.
Wenn der Mensch sich um ein Objekt mehr als um die anderen bemüht, weicht er sofort vom richtigen Weg ab. Die einfachste Methode, sicherzustellen, ob er sich auf dem korrekten Weg befindet, ist danach zu streben, die Eigenschaften des Schöpfers zu begreifen, um eins mit Ihm zu werden.
Wenn ich mir nicht selbst helfe, wer hilft mir dann? Und wenn ich für mich alleine bin, dann bin ich nichts. Diese unvereinbare Aussage reflektiert die Einstellung des Menschen gegenüber seinen Bemühungen, sein Ziel zu erreichen. Einerseits muss der Mensch behaupten und für sich in Anspruch nehmen, dass es niemanden außer ihm selbst gibt, der ihm helfen könne. Er agiert mit einer absoluten Sicherheit dessen, dass seine guten Taten belohnt und seine schlechten Taten bestraft werden, sowie als ob alle seine Tätigkeiten direkte Konsequenzen haben würden, und er selbst der Erbauer seiner eigenen Zukunft wäre. Andererseits muss er zu sich selbst sagen: „Wer bin ich, dass ich fähig sein könnte, meine eigene Natur durch mich selbst zu besiegen? Aber niemand anderes könnte mir irgendwie helfen.“ Wenn jedoch alles entsprechend dem Plan des Schöpfers geschieht, was nutzen Ihm dann die Bemühungen des Menschen? Tatsache ist, dass der Mensch resultierend aus seiner eigenen Arbeit, basierend auf der Grundregel der Belohnung und der Bestrafung, von Oben eine Wahrnehmung der Gesetze des Schöpfers erwirbt. Er steigt auf eine Stufe des Bewusstseins, auf der er offenbar klar sieht, wie der Schöpfer alles lenkt, und dass alles von Ihm vorherbestimmt ist.
Jedoch muss er zuerst dieses Niveau erreichen, und bis er dies vollendet hat, kann er nicht behaupten, dass alles in der Macht des Schöpfers liegt. Vorher kann er ebenso nicht in Übereinstimmung mit Seinen Gesetzen leben, und deshalb auch nicht wahrnehmen, wie die Welt richtig funktioniert. Das heißt, der Mensch muss entsprechend den Gesetzen handeln, denen er sich bewusst ist.
Resultierend aus den Bemühungen des Menschen während seiner Lebensarbeit, die auf den Grundregeln der Belohnung und der Bestrafung basiert, verdient er das komplette Vertrauen des Schöpfers, sowie das Recht, die wahre Abbildung der Welt und der Wirklichkeit, wie sie richtig abläuft, zu sehen. Nur dann, obwohl er sieht, dass alles vom Schöpfer abhängt, bemüht er sich selbst, den Schöpfer zu treffen.
Ein Mensch kann seinen selbstsüchtigen Gedanken und Wünsche nicht entkommen und sein Herz einfach leer lassen. Nur indem er es mit einem spirituellen, altruistischen Verlangen füllt, anstatt den egoistischen Wünschen, gelingt es ihm, die alten Wünsche durch ihr Gegenüber auszutauschen und somit den Egoismus auszumerzen.
Derjenige, der den Schöpfer liebt, ist sich sicher, eine Anleitung und Hilfe gegen den Egoismus zu empfangen, da er aus seinen eigenen Erfahrungen den Schaden schon kennt, der durch irgendeine seiner Handlungen und Äußerungen erfolgen kann. Er besitzt jedoch kein Mittel, den Egoismus loszuwerden, und erkennt für sich ganz klar und deutlich, dass es jenseits seiner Kräfte liegt, da es ja schließlich der Schöpfer selbst war, der seinen Geschöpfen diese Eigenschaften gab.
Der Mensch kann sich nicht durch seine eigenen Bemühungen vom Egoismus reinigen. Je klarer jedoch seine Wahrnehmung heranreift, dass der Egoismus sein Feind ist, der seine Spiritualität abtötet, und je stärker der Hass gegen ihn entwickelt ist, desto eher führt dies dazu, dass der Schöpfer ihm dabei hilft, diesen Feind zu besiegen. Damit sogar der Egoismus dazu dienen wird, sich spirituell zu erhöhen.
Im Talmud lesen wir: „Ich erschuf die Welt nur für den gänzlich Rechtschaffenen oder den gänzlich Sündigen.“ Dass die Welt für den Rechtschaffenen und Guten erschaffen wurde, ist verständlich. Aber es ist nicht leicht einzusehen, weshalb die Welt weder für die nicht vollständig Rechtschaffenen, noch für die nicht vollständig Sündigen, dafür jedoch für den gänzlich Sündigen erschaffen wurde. Kann es wirklich sein, dass der Schöpfer das gesamte Universum für sie erschuf?
Der Mensch sieht die Gebote Gottes unfreiwillig, so wie sie ihm erscheinen. Als gut und freundlich, wenn sie ihm angenehm sind, oder als Übel, wenn er leidet. Das heißt, dass der Mensch den Schöpfer entweder als gut oder schlecht erachtet, je nachdem, wie er unsere Welt wahrnimmt.
So gibt es nur zwei Möglichkeiten in der Wahrnehmung des Menschen, was die Gebote des Schöpfers über der Welt betrifft: Entweder er nimmt den Schöpfer wahr, und in diesem Fall erscheint ihm alles wundervoll. Oder er denkt, dass die Gebote des Schöpfers über die Welt nicht existieren, und dass die Welt durch Kräfte der Natur gesteuert wird. Selbst wenn er mit seinem Verstand feststellen kann, dass es nicht so ist, sind es mehr die Gefühle des Menschen als sein Verstand, die seine Einstellung gegenüber der Welt festlegen. Deshalb bewertet sich der Mensch selbst wegen dieser Verschiedenheit zwischen seinen Gefühlen und seinem Verstand als sündhaft. Der Mensch versteht, dass es der Wille des Schöpfers ist, uns Vergnügen zu bereiten. Was jedoch nur möglich ist, wenn er sich dem Schöpfer zuwendet. Fühlt er sich vom Schöpfer entfernt, begreift er dies als Übel und hält sich selbst für sündhaft.
Aber, wenn der Mensch, der sich so niedrig und schlecht glaubt, von seinem innersten Herzen automatisch den Schöpfer anruft, damit Er ihn rette, und Er sich ihm enthüllen möge, ihm auch die Energie zuteil werde, um aus dem Gefängnis des Egoismus in die spirituelle Welt auszubrechen, dann hilft ihm der Schöpfer ganz gewiss sofort.
Unsere Welt und alle höheren Welten wurden genau für solche Zustände des Menschen erschaffen. Denn so kann er, nachdem er zum gänzlich Sündigen herabgesunken ist, auf den Schöpfer einwirken und zum gänzlich Rechtschaffenen aufsteigen.
Der Mensch kann nur würdig werden, die Größe des Schöpfers wahrzunehmen, nachdem er sich von allen Einbildungen gereinigt hat. Er muss seine eigene Machtlosigkeit und die Bescheidenheit seines Sehnens realisieren.
Nachdem er seinen schwachen Stolz abgeworfen hat, und je höher er seine Nähe zum Schöpfer bewertet, desto besser wird er Ihn auch wahrnehmen. Dann wird er zahlreichere Nuancen und Manifestationen der Enthüllung des Schöpfers ihm gegenüber entdecken. Diese Bewunderung erweckt ein Gefühl der Freude in seinem Herzen.
Folglich kann der eine Mensch entdecken, dass er keineswegs besser ist als alle anderen Menschen, die ihn umgeben, die ja nicht diese ganz spezielle Haltung des Schöpfers verdient haben, und die auch keine Vorstellung davon haben, wie sie mit dem Schöpfer kommunizieren könnten, sowie in gar keiner Weise anstreben, den Schöpfer wahrzunehmen und die Bedeutung des Lebens und des spirituellen Fortschritts zu begreifen. Während dieser eine Mensch irgendwie die besondere Aufmerksamkeit verdient hat, durch die der Schöpfer gerade ihn für einige Momente an die Bedeutung des Lebens und seine Bindung an seinen Erschaffer und Lenker erinnert. Wenn dieser Mensch schätzen und wahrnehmen lernt, wie einzigartig die Einstellung und Zuwendung des Schöpfers ihm gegenüber ist, erfährt er endlose Dankbarkeit und Freude. Je besser er dieses, sein spezielles Glück, lieben lernt, desto besser kann er dem Schöpfer danken. Je mehr Gefühlsnuancen er erfahren kann, die er an jedem bestimmten Punkt und Augenblick seines Kontaktes mit der Übermacht erfahren kann, um so besser wird er die großartige Herrlichkeit der spirituellen Welten, die sich ihm enthüllen, sowie die Größe und Macht des allmächtigen Schöpfers erfassen und schätzen. Dies alles stärkt das Vertrauen, mit dem der Mensch seine zukünftige Vereinigung mit dem Schöpfer vorwegnimmt.
Überdenkt man den beträchtlichen Unterschied zwischen den Eigenschaften des Schöpfers und seiner Schöpfung, kommt man sehr einfach zu der Schlussfolgerung, dass sie nur kompatibel sein können, wenn der Mensch seine Natur vollständig vom Egoismus befreit. Wenn dies der Fall ist, kann man sagen, dass eine Differenz gar nicht mehr existiert und den Menschen folglich nichts mehr vom Schöpfer trennt.
Der Mensch kann ein spirituelles Leben erreichen und spirituelle Luft inhalieren, wenn er spürt, dass er ohne ein spirituelles Leben tot wäre. Genau so wie der Körper stirbt, wenn das Leben ihn verlässt, und er inständig und leidenschaftlich zu leben wünscht.
Aber mit welchem Mittel kann der Mensch solch ein Niveau erreichen, auf dem das gesamte Eigeninteresse und seine nicht endende Nabelschau vollständig ausgelöscht ist? Wie kann sich in ihm eine Sehnsucht ausbreiten, alles von sich hinzugeben, die Erreichung des spirituellen höchsten Niveaus, zu seinem einzigen Lebensziel zu bestimmen, und sich ohne die Realisierung dieses Zieles so zu fühlen, als ob er tot wäre?
Das sich Erhöhen bis zu dieser Stufe findet stufenweise statt und basiert auf der Grundregel der Gegenwirkung: Je mehr Bemühungen der Mensch auf der Suche nach seinem spirituellen Weg unternimmt, im Studieren der kabbalistischen Texte oder in seinem Versuch künstlich spirituelle Objekte nachzuahmen, desto überzeugter wird er werden, dass er nicht selbst imstande ist, sein Ziel zu erreichen.
Je mehr er die wichtigen Schriften für seine spirituelle Entwicklung und Fortschritt studiert, desto schwieriger erscheint ihm das Studienmaterial. Je stärker er versucht, seine Lehrer und mitlernenden Kursteilnehmer, oder, wenn er alleine studiert, seine ihn umgebenden Menschen, besser zu behandeln, desto klarer spürt er, wenn er tatsächlich schon spirituell fortgeschritten ist, dass alle seine Handlungen durch absoluten Egoismus ausgelöscht wurden.
Solche Resultate werden durch die einfache Grundregel produziert: „Schlage ihn, bis er willig ist“. Der Mensch kann sich nur vom Egoismus reinigen, wenn er realisiert, dass sein Egoismus ihn dadurch tötet, indem er ihn vom wahren Leben abhält, nämlich dem immerwährenden mit Freude gefüllten Leben. Hasst der Mensch den Egoismus, so stößt er ihn aus seinem Inneren heraus. Das Wichtigste ist der Wunsch, sich dem Schöpfer völlig hinzugeben, basierend auf der Wahrnehmung der Größe des Schöpfers. (Die Hingabe an den Schöpfer beinhaltet eine Trennung vom eigenen Ego und dem eigenen Willen.) In diesem Augenblick sollte der Mensch berücksichtigen, für was es sich wirklich lohnt, in dieser Welt zu arbeiten, vorübergehende oder immerwährende Werte. Nichts von dem, was wir erschaffen haben, bleibt für immer, alles vergeht. Nur spirituelle Strukturen, sowie altruistische Gedanken, Taten, und Gefühle sind ewig.
Daraus resultiert, dass, während der Mensch sich bemüht, den Schöpfer in seinen Gedanken, in Wünschen und Handlungen zu folgen, er tatsächlich das Gebäude seiner eigenen Ewigkeit aufbaut.
Jedoch ist es nur möglich, dem Pfad des „sich dem Schöpfer Hingeben“ zu folgen, wenn der Mensch die Größe und Herrlichkeit des Schöpfers wahrnimmt. Genau so wie es in unserer Welt ist, wenn wir jemanden als großartig betrachten, sollten wir uns glücklich fühlen, solch einem Menschen einen Dienst erweisen zu dürfen. Wir sollten uns freuen, dass es gerade dieser Mensch war, der uns einen Gefallen damit getan hat, etwas von uns anzunehmen. Anstatt in der umgekehrten Weise, etwas zu nehmen und danach erst etwas von uns abzugeben.
Dieses Beispiel zeigt, wie ein internes Ziel durch eine externe mechanische Handlung ersetzt werden kann, gebend oder nehmend, durch das jeweils Entgegengesetzte. Daraus kann abgeleitet werden, dass, je großartiger der Mensch den Schöpfer betrachtet, desto bereitwilliger wird er Ihm seine Gedanken sowie seine Wünsche und Bemühungen widmen. Während der Mensch fühlt, dass er etwas vom Schöpfer erhalten hat, anstatt Ihm etwas zu geben, bekommt er eine Gelegenheit, einen Dienst zu erweisen. Diese Gelegenheit wird nur wenigen würdigen Menschen einer Generation geschenkt.
Dies bedeutet, dass es das Hauptlernziel des Menschen ist, den Schöpfer in seinen eigenen Augen zu erhöhen. Das heißt, einen Glauben an Seine Größe und Herrlichkeit zu gewinnen. Denn dies ist seine einzige Möglichkeit, um aus dem Gefängnis der Egozentrik auszubrechen und in die Höheren Welten zu gelangen.
Wie in den vorhergehenden Abschnitten gesagt, liegt der Grund, weshalb der Mensch übermäßig große Schwierigkeit erfährt, wenn er sich wünscht, dem Pfad des Glaubens zu folgen, ohne ein eigenes Interesse für sich selbst daraus abzuleiten, darin, dass sein resultierendes Gefühl aus seinem Vorhaben sich folgendermaßen äußert: Solch ein Mensch empfindet, von der gesamten Welt vollkommen getrennt zu sein, in der Einsamkeit zu verharren, ausgestattet ohne jeglichen Menschenverstand, Vernunft oder vorherige Erfahrungen, die ihn unterstützen könnten, verlassen von seiner gewohnten Umgebung, der Familie und den Freunden, ganz allein, alles nur, um sich mit dem Schöpfer zu vereinigen.
Der einzige Grund für solche Empfindungen ist der Mangel an Glauben an den Schöpfer. Mit anderen Worten, der Mangel des Erfassens und Spürens des Schöpfers, oder das Fehlen der Wahrnehmung Seiner Anwesenheit und Seiner regelnden Gesetze über alle Geschöpfe. Oder noch anders ausgedrückt, ein Fehlen eines Objektes des Glaubens.
Sobald jedoch der Mensch damit beginnt, die Anwesenheit des Schöpfers wahrzunehmen, ist er bereit, sich Seiner Macht völlig hinzugeben und Ihm blind zu folgen. Er ist dann in der natürlichsten Art und Weise bereit, sich völlig in Ihm aufzulösen und die Vernunft und den Verstand zu verachten.
Deshalb ist das Hauptlernziel des Menschen, die Anwesenheit des Schöpfers zu erfassen. Es ist notwendig, unsere ganze Energie und alle Gedanken zum Wohle der Wahrnehmung des Schöpfers auszurichten. Wird uns dies bewusst, sollten wir eine Vereinigung mit dem Schöpfer von ganzem Herzen erflehen. Dies ist der Grund, weshalb wir alle unsere Gedanken, Vorhaben, Wünsche und unsere Zeit nur diesem einen Ziel unterordnen sollten. Diese Wahrnehmung des Schöpfers ist der Glaube!
Der Prozess kann beschleunigt werden, wenn der Mensch dieses Ziel als wichtig betrachtet. Je wichtiger es ihm ist, desto schneller erreicht er den Glauben, das heißt, die Wahrnehmung des Schöpfers. Je wichtiger die Wahrnehmung des Schöpfers wird, desto stärker wird die Wahrnehmung an sich im Allgemeinen, bis sie im Menschen selbst anwesend sein wird.
Glück ist eine spezielle Art von göttlichem Gesetz, dass der Mensch in keiner Weise beeinflussen kann. Jedoch ist dem Menschen von Oben eine Verantwortlichkeit dafür gegeben worden, sich zu bemühen, eine Änderung in seiner eigenen Natur zu erreichen. Erst danach ändert der Schöpfer, nachdem Er die Bemühungen des Menschen bewertet hat, den Menschen durch Sich selbst, und erhebt ihn über unsere Welt.
Bevor der Mensch irgendeine Bemühung macht, sollte seine Haltung so sein, dass er nicht auf irgendwelche göttlichen Kräfte, Glück oder irgendeine spezielle Einstellung, die ihm von Oben entgegengebracht wird, zählen kann. Er sollte auf dem Boden der Tatsachen stehen und denken, dass er, wenn er nichts tut, auch nicht das erzielt, was er zu erreichen versucht.
Jedoch, nachdem die Arbeit des Menschen, sein Studium oder jede andere mögliche Bemühung vorüber sind, sollte er denken, dass alles, was er anscheinend resultierend aus seinen eigenen Bemühungen erzielt hat, er sowieso irgendwie erzielt hätte, sogar ohne irgendetwas zu tun. Denn alles war durch den Schöpfer vorherbestimmt.
Folglich muss derjenige, der die wahren Gebote und Richtlinien begreifen möchte, in einem frühen Stadium seines Lebens versuchen, diesen Widerspruch zu versöhnen.
Zum Beispiel: Der Mensch sollte morgens sein tägliches Programm der Arbeit und des Studiums damit beginnen, alle Gedanken über den Schöpfer und Seine göttlichen Gebote, welche die ganze Welt und jeden von uns betreffen, vollständig hinter sich lassen. Er sollte so arbeiten, als ob das abschließende Resultat nur von ihm selbst abhinge.
Aber wenn die Arbeit vorüber ist, darf er nicht annehmen, dass das, was er erreicht hat, das Resultat seiner Bemühungen wäre Er muss vielmehr feststellen, dass er, selbst wenn er jeden Tag ruhig im Bett geblieben wäre, das gleiche Ergebnis erzielt hätte, da dieses Resultat bereits vom Schöpfer entworfen und festgelegt worden war.
Folglich sollte eine Person, die danach eifert, ein Leben in Wahrheit zu leben, auf der einen Seite die Gesetze der Gesellschaft und der Natur befolgen, sowie auf der anderen Seite an die absoluten Gesetze des Schöpfers über die Welt glauben.
Alle unsere Taten können in Gutes, in Neutrales und in Schlechtes eingeteilt werden. Die Hauptarbeit des Menschen ist, seine neutralen Handlungen auf das Niveau des Guten zu erhöhen, indem er ihre Ausführung mit seinem Verstand in einem Bewusstsein und Gewahrsein des absoluten Gesetzes des Schöpfers verbindet.
Zum Beispiel: Ein kranker Mensch, der sich der Tatsache schon ziemlich bewusst ist, dass seine Heilung vollständig in den Händen des Schöpfers liegt, kann eine nachweislich wirksame Medizin von einem berühmten Arzt empfangen, und so tun, als ob nur die Fähigkeit des Mediziners ihm dabei helfen könne, seine Unpässlichkeit zu überwinden.
Aber, nachdem er die Medizin in strenger Übereinstimmung mit der Verordnung des Doktors eingenommen hat, und danach auch wiederhergestellt und gesund ist, sollte er glauben, dass er so oder so, auf irgendeine Weise, mit der Hilfe des Schöpfers gesund geworden wäre. Folglich sollte er sich für die Bemühungen des Arztes bedanken und gleichzeitig dem Schöpfer danken. So verwandelt er eine neutrale Handlung in eine spirituelle Handlung. Schafft er es, in dieser Weise alle seine neutralen Handlungen zu erhöhen, erhebt er stufenweise alle seine Gedanken zur Spiritualität.
Diese bereits beschriebenen Beispiele und Erklärungen sind für das „Unverständnis“ in uns notwendig. Denn ähnliche Situationen werden die Stolpersteine auf dem Weg zur spirituellen Reife sein. Sie werden es umso mehr werden, wenn wir denken, wir wüssten schon etwas von den göttlichen Grundregeln und versuchen dadurch künstlich, den Glauben in die Allgegenwärtigkeit der göttlichen Gesetze zu verstärken. Anstatt der beharrlichen Arbeit oder irgend einen spirituellen Fortschritt zu erzielen, um den Glauben an den Schöpfer zu demonstrieren, oder einfach nur aus Faulheit, nehmen wir als gegeben an, sogar noch bevor die Arbeit überhaupt begonnen wurde, dass alles in der Macht und den Händen des Schöpfers liege, und deshalb die eigenen Bemühungen nicht benötigt werden. Außerdem schließen wir die Augen in angeblich blindem Glauben und weichen folglich den Fragen über den Glauben aus. So vermeiden wir, dass wir diese Fragen beantworten müssen und berauben uns selbst der Möglichkeit des spirituellen Fortschritts.
In unserer Welt „sollte man sich sein Brot im Schweiße seines Angesichtes verdienen“. Jedoch, sobald der Mensch etwas verdient hat, ist es sehr schwer für ihn, einzusehen, dass das Resultat nicht von seiner Arbeit und seinen Fähigkeiten abhing, sondern dass es der Schöpfer war, der alles für ihn getan hat. Dennoch sollte sich der Mensch darum bemühen, seinen Glauben in die absoluten Gesetze des Schöpfers über ihn „im Schweiß seines Angesichtes“ zu verstärken.
Es liegt in den Versuchen und Bemühungen, die scheinbar unvereinbare Natur der göttlichen Regeln zu verstehen, welche erst durch unsere Blindheit und dem Zusammentreffen dieser widersprüchlichen, und schwer zu verstehenden Handlungen, die von uns gefordert werden, entstehen. Derjenige, der versucht, sie zu begreifen, wächst spirituell, und er erfährt infolge dieser Bedingungen neue spirituelle Sensationen.
Alles, was vor dem Beginn der Schöpfung existierte, war der Schöpfer. Schöpfung beginnt, wenn der Schöpfer einen bestimmten „Teil“ von sich aussortiert, indem Er diesem Teil, für die Zukunft, bestimmte andere Eigenschaften als Seine Eigenen gibt.
Indem Er diesen Teil mit einem Sinn seines eigenen Selbst ausstattet, vertreibt der Schöpfer den Teil, so wie er war, aus Sich Selbst. Dieser Punkt ist unser „Ego“. Aber da weder der Raum noch ein Abstand wirklich existiert, wird durch diesen Punkt der Unterschied und die Entferntheit in den Eigenschaften als ein Verbergen des Schöpfers wahrgenommen. Das heißt: Der Punkt kann Ihn nicht erfassen. Es ist eine Dunkelheit und Entfernung zwischen Schöpfer und Punkt, welche durch die selbstsüchtigen Eigenschaften des Punktes hervorgerufen wurde.
Wann wird dieser beträchtliche Abstand vom Menschen wahrgenommen? Insbesondere, wenn der Schöpfer ihn näher an sich heranziehen möchte. Versuchte der Schöpfer nicht, den Menschen nahe an Sich zu binden, würde der Mensch keinen Abgrund oder irgendeinen Abstand zwischen sich und dem Schöpfer wahrnehmen.
Der dunkle Abgrund, der durch diesen Teil wahrgenommen wird, besteht tatsächlich aus den täglichen Problemen, den Mühen und Leiden, welche durch finanzielle Schwierigkeiten, Unpässlichkeiten oder familiäre Probleme ausgelöst werden. Kurz gesagt, sind es die Probleme des normalen Lebens, passend zu dem, was der Schöpfer als die Umgebung des einen Teils aufgebaut hat, um in der Lage zu sein, diesen Teil durch die ihn umgebenden Umstände beeinflussen zu können. Wie und weshalb geschieht dies?
In dem Sinne, dem Menschen aufzuzeigen, wie er sich vom Leiden selbst erretten und sich von seinem Egoismus reinigen kann. Deshalb versetzt der Schöpfer ihn durch seine spezifischen Lebensumstände in einen Zustand von unerträglichem Elend (Probleme mit Kindern, Arbeit, Schulden, Krankheit oder familiäre Schwierigkeiten). So erscheint dem Menschen das Leben als eine überschwere Last, (nach allem, was schon zu erdulden war und noch zu erdulden ist), und als ein Resultat davon, dass er sich einmal irgendetwas für sich selbst gewünscht hatte. Das Einzige, was er sich deshalb noch wünscht, ist, sich nichts mehr zu wünschen. Dies bedeutet, kein persönliches egoistisches Interesse mehr zu haben, allen selbstsüchtigen Wünschen zu entfliehen, da sie der Erbringer aller Qualen sind.
So hat der Mensch keinen anderen Ausweg, als den Schöpfer darum zu bitten, ihn von seinem Egoismus zu befreien. Nur auf diese Art und Weise kann er seinen Problemen entkommen, denn es ist seine eigene Egozentrik, seine Ichbezogenheit, welche sein ganzes Leiden hervorbringt.
Aus diesem Grund schreibt Rabbi Yehuda Ashlag in seiner Einleitung zum „Talmud Esser HaSefirot“: „Wenn Sie mit Ihrem Herzen auf eine bekannte Frage hören, bin ich sicher, dass alle Ihre Zweifel, ob Sie die Kabbala studieren sollten, spurlos verschwinden werden.“
Dies ist so, weil diese Frage direkt vom Herzen des Menschen kommt, und nicht von seinem Verstand, seiner Intelligenz oder vom Lernen. Sie schreit regelrecht in seinem Inneren. Sie erzählt vom Leben des Menschen und dessen Bedeutung, von der Ursache seiner Qualen, die viele Male größer sind als seine Freuden, von seinen Schwierigkeiten, welche den Tod als eine Befreiung und Erlösung erscheinen lassen, vom Leben in dem das Leiden viel häufiger ist als das Vergnügen, und dass kein Ende aus dem Strudel von Schmerz zu finden scheint, bis wir es schließlich verlassen, absolut ausgelaugt und verbittert. Wen wird dies alles letztendlich erfreuen? Wem gefalle ich durch solch ein Leben? Oder was sollte ich sonst daraus machen und von meinem Leben erwarten?
Obgleich jeder von uns unterbewusst durch diese Frage ständig gestört wird, weckt sie uns manchmal ganz unerwartet und macht uns regelrecht verrückt. Sie hindert uns daran, irgend etwas zu tun, rüttelt an unserem Verstand, taucht uns in einen dunklen See der Hoffnungslosigkeit und vermittelt uns eine Realisierung unserer eigenen Geringfügigkeit. Sie tut dies bis zu dem Punkt, an dem wir damit erfolgreich sind, diesen Störenfried aus unserem Verstand herauszuhalten, um dann die schon für uns alt bekannte Lösung zu finden. So fahren wir damit fort, zu existieren, heute genauso wie gestern, treiben ziellos mit dem Strom des Lebens, ohne weiter tiefsinnig darüber nachgrübeln zu müssen.
Aber, wie bereits erwähnt, gibt der Schöpfer dem Menschen solche Empfindungen, um ihn stufenweise wahrnehmen zu lassen, dass all sein Unglück, all seine Ängste und Qualen von der einen bestimmten Tatsache abstammen, die lautet: Der Mensch besitzt ein persönliches Interesse am Resultat seiner Tätigkeiten. Sein Egoismus und seine Selbstgefälligkeit sind es, das heißt mit anderen Worten, sein Wesentliches, ja seine Natur, die ihn im Sinne „seines eigenen Gottes“ handeln lassen. Nur deshalb leidet er ununterbrochen, da so seine Wünsche nicht erfüllt werden.
Würde sich jedoch der Mensch von allem persönlichen Interesse reinigen, wäre er sofort von allen Fesseln seines innersten und wesentlichen Kerns befreit. Er würde alles, was ihn umgibt, ohne irgendwelche Schmerzen oder Bedrängnis erblicken.
Eine geeignete Methode, sich von der Sklaverei des Egoismus zu befreien, kann in der Kabbala gefunden werden. Der Schöpfer hat vorsätzlich unsere Welt mit ihrem ganzen Elend, zwischen Sich und uns platziert, zwischen Sich und dem Punkt unseres Herzens gestellt, damit jedem von uns die Notwendigkeit bewusst wird, sich selbst von seinem Egoismus zu befreien, der die Ursache all unserer Qualen ist.
Die Leiden hinter sich zu lassen und den Schöpfer wahrzunehmen, was eine Quelle der Freude ist, kann nur möglich sein, wenn der menschliche Teil sich in einem Zustand des wahren Wunsches, des authentischen Verlangens, befindet, wenn der Mensch sich wirklich aus freien Stücken und ehrlich von seinem Egoismus befreien möchte. In den spirituellen Welten ist ein Wunsch gleich einer Tat. Wahre Wünsche werden uneingeschränkt sofort erfüllt. Der Schöpfer Selbst führt den Menschen dazu, eine sichere und abschließende Lösung zu finden, um sich von allem persönlichen Interesse, in jeder Lebenssituation reinigen zu können. Er tut dies, indem Er den Menschen in jeder Situation soviel leiden lässt, dass dem Menschen nur noch ein Wunsch übrig bleibt, nämlich die Leiden zu stoppen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn er absolut kein persönliches, selbstbezogenes, egoistisches Interesse an den Resultaten hat, die alle Lebensumstände, in denen er verwickelt ist, bewirken.
Aber wo bleibt dann unser freier Wille, unsere Freiheit der Wahl? Welchen Weg können wir einschlagen, was können wir im Leben selbst auswählen? Der Schöpfer Selbst ist es, der im Menschen verursacht, eine bestimmte Lösung zu wählen. Er platziert ihn in eine Lebenssituation voller Elend hinein, so dass der Tod dem Leben vorzuziehen erscheint. Jedoch gibt Er dem Menschen nicht die Stärke, das Leben zu beenden und seinem Leiden zu entkommen. Dann, ganz unverhofft, inmitten unerträglicher Qual, erscheint plötzlich das Licht der einzigen Lösung, wie ein Strahl von Sonnenschein durch eine undurchdringliche Wolkendecke. Nicht der Tod, nicht das Fliehen, sondern die Befreiung von allen persönlichen Wünschen ist der einzige Weg.
Nur dies kann Frieden garantieren und eine Ruhe der unerträglichen Leiden bewirken. Zweifellos gibt es diesbezüglich keine Freiheit der Wahl, weil der Mensch in diesem Falle durch einen Zwang, dem Leiden entgehen zu müssen, vorbestimmt ist. Der freie Wille und die freie Wahl manifestieren sich in der Form, dass der Mensch den ausgewählten Weg weiter beschreitet, bis er seinen niederdrückenden Zustand überwunden hat, und er seine eigene Bestimmung annimmt und bestärkt, sowie einen Ausweg aus diesem schrecklich Zustand sucht, in dem er sich befand. Dieses Mal entscheidet er jedoch aus sich selbst heraus, aus eigenem Antrieb, so dass das Ziel seiner Gedanken sich in ein „zum Wohle des Schöpfers“ wandelt, da erfahrungsgemäß das Leben „für sein eigenes Wohlergehen“ nur Leiden schafft. Diese ständige Arbeit und Kontrolle der Gedanken wird „die Arbeit der Reinigung“ genannt. Das Leiden auf Grund eines egoistischen Interesses sollte so akut und stark sein, dass der Mensch jederzeit dazu bereit ist: „Mit einem Bissen Brot und einem Schluck Wasser zu leben und auf nacktem Boden zu schlafen“. Alles dient nur dazu, um seinen Egoismus und sein persönliches egozentrisches Interesse am Leben auszulöschen.
Wenn er den inneren Zustand erreicht hat, der ihm erlaubt, sich während dieses Prozesses glücklich zu fühlen, betritt er einen spirituellen Bereich, der „die zukünftige Welt“ oder „die kommende Welt“ genannt wird.
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