Rabash, Brief 20

Für die zukünftigen Schüler

Vor nicht allzu langer Zeit habe ich einen Brief erhalten von… Und ich werde überhaupt in allgemeiner und einfacher Weise alle Briefe beantworten, d. h. sogar der Alte in der Gruppe kann ausreichende Antworten erhalten, und das sogar auf die Fragen, von denen er nichts schreibt. Ich kann mich noch erinnern, wie mein Vater und Lehrer, seligen Andenkens, ihn schreiben lehrte, und sicher erinnert er sich auch.

Denn das Konzept des Schreibens, erklärte mein Vater und Lehrer s. A., von dem wir sagen „Gedenke unserer für das Leben, König, der Leben wünscht, und schreibe uns in das Buch des Lebens ein“[1]. „Schreiben“ bedeutet dabei immer, mit schwarzer Tinte auf weißem Papier. „Weiß“ ist die Zeit von Tora und Arbeit, und die Zeit von „Schwarz“ ist die Kategorie von Bösem und von Niedertracht, die der Mensch in sich spürt. Und dieses Schwarze muss von Weißem umgeben sein, um jeden einzelnen Buchstaben herum. Das heißt die Einsicht in den wahren Zustand kommt nur gemäß den Stunden, die man beim Studium der Tora und bei der Arbeit verbracht hat, denn das Licht, welches sich in ihr birgt, führt zum Guten zurück.

Also nur durch die Häufung, also die Kategorie der Rechten, ohne dass danach der Zustand der Linken folgt, genannt „Schwärze“. Und dann gilt die Schrift als korrekt.  Die grundlose Schwärze dagegen, wenn der Mensch sich viel der Tora und den Geboten widmet, und von sich selbst sagt, dass er schlecht sei, so wird diese Art von Bösem aus dem Raum der Klipot[2] herangezogen, und dafür gibt es keinen Platz in der Herrschaft des Einzigen.

Und man muss sich stets ins Gedächtnis rufen, die Ordnung der Zeitpunkte von Rechts und Links nicht umzutauschen. Und das ist es, was die Weisen auf den Vers sagten: „Immerdar sind die Augen des Ewigen, deines Gottes, auf dieses Land gerichtet, von Anfang des Jahres bis ans Ende“[3] usw, manchmal zum Guten und manchmal zum Schlechten. Wie das, manchmal zum Guten? Siehe, wenn die Israeliten an Rosh HaShana  vollkommene Sünder waren, und ihnen per Urteil wenig Regen zukam, sie aber anschließend [zur Tora] zurückkehrten; hinzufügen kann man nicht mehr, da das Urteil schon gesprochen wurde, doch der Ewige lässt [den Regen] [genau] zu der Zeit auf das Land nieder, wenn es ihn braucht. Alles gerichtet nach dem Land. Wie das, manchmal zum Schlechten? Siehe, wenn die Israeliten an Rosh HaShana vollkommene Gerechte waren, und ihnen per Urteil viel Regen zugesprochen wurde, sie aber anschließend sündigten. Verringern (wegnehmen) kann man nicht mehr, da das Urteil schon gesprochen wurde, doch der Ewige, gesegnet sei Er, lässt den Regen nicht zur richtigen Zeit auf das Land nieder, wenn es ihn nicht braucht.

Und das erkläre ich auf zweierlei Weise. Erstens ist es die Antwort für diejenigen Freunde, die sagen, dass ihnen zur Stunde ihrer Geburt vom Himmel wenig Kraft gegeben wurde. Also einen reduzierten Verstand, in dem weder zu viel Schärfe noch Verständnis noch Gedächtnis noch Energie oder eine starke und umfassende Meinung vorhanden sind. Sie sind von allen ihren seelischen Kräften entmutigt, und sie sagen zu sich, dass es bestimmt aufgrund einer Sünde aus der vorausgegangenen Reinkarnation ist, dass der Schöpfer das Urteil fällte, dass sie mit wenig physischer Kraft in diese Welt herabsteigen sollen, da an Rosh HaShana, also zu Beginn seiner[4] Erschaffung, dieses Schicksal für ihn festgelegt wurde.

Doch man muss wissen, dass wenn man [zu den Geboten] zurückkehrt, dieselben wenigen Regenfälle, also die wenigen seelischen Kräfte auf das Land niedergehen. Das bedeutet, dass der Mensch sich all seiner Kräfte, die er hat, zum Guten bedient. Und das reicht aus, damit das Land, also das Herz, Ernte bringt, also Fruchtbarkeit und Vermehrung in der Tora und Mizwot usw.

Wenn man allerdings nicht würdig wird, also wenn dem Menschen viele Regenfälle per Urteil zugesprochen wurden, er aber anschließend sündigt, dann gehen alle physischen Kräfte, genannt „viele Regenfälle“, zu der Zeit nieder, wenn das Land sie nicht braucht. Das bedeutet, dass er alle Energie und Verstand nicht für das Land der Heiligkeit benutzt, sondern für den Ort der Wüste, wo es böse Tiere gibt, doch um Ernte zu bringen, gibt es dort keinen Regen für das Land. Dort kann man es bei den Größten von allen sehen – für die reine und saubere Arbeit verfügt er über keinerlei Verstand und Energie und Kraft.

Und so muss der Mensch seine Augen und sein Herz nur darauf richten, dass die Regenfälle zu dem Ort gehen mögen wo sie gebraucht werden. Und das ist das ausreichende Maß, damit [das Land] Ernte bringt. Und das heißt „manchmal zum Guten“.

Und daraus wird ersichtlich, was die Weisen mit „manchmal zum Guten“ beschrieben, gerade dann, als die Menschen zu Rosh HaShana vollkommene Sünder waren. Warum sagten sie nicht, dass sie vollkommene Gerechte waren und Gerechte blieben? Doch welche Kräfte dem Menschen auch gegeben werden, er kann immer sagen, dass sie gering sind. Und das erklärten sie so, dass sogar [wenn die Menschen] vollkommene Sünder zu Beginn Seiner Schöpfung [waren], also zu Rosh HaShana, und ihnen wenig Regenfälle zugesprochen wurden, so reicht es dennoch aus, damit das Land, also seine Wünsche, Früchte der Heiligkeit bringen.

Ich habe all das in die Länge gezogen, um die Rechtfertigungen aus der Welt zu schaffen, die einige der besserwisserischen Freunde vorbringen, um ihre Taten zu erklären.

Und eine andere Erklärung ist die Folgende: Wenn der Mensch nicht würdig wird, seine Taten zu korrigieren, damit sie auf dem Pfad der Reinheit wandeln, sogar wenn man ihm ein wenig Lebenskraft der Heiligkeit gibt, die er benutzen kann, um in sich den Geschmack von Vollkommenheit zu spüren, damit er dem Heiligen, gelobt sei Er danken und Ihn dafür preisen kann, dass Er ihn ein wenig näher zur Arbeit des Ewigen brachte; und diese Kraft muss ihm in der Zeit von Tora und der Erfüllung von Geboten leuchten, „denn es durfte niemand zu des Königs Tor eingehen, der einen Sack anhatte“[5].

Und wenn er nicht würdig wird, dann fühlt er die Vollkommenheit darin, während er sich nichtigen Dingen widmet, also dem Essen und dem Trinken und so weiter; wenn er aber zur Tora und zur Erfüllung von Geboten kommt, dann fühlt er dessen Nichtigkeit. So stellt sich heraus, dass er gerade am Tor des Königs den Sack von Nichtigkeit trägt, und sowieso kann es keine Früchte für den Segen geben, da sich „das Verdammte nicht an das Gesegnete haftet“.

Sondern es muss das Gegenteil sein, dass man sich gerade in der Zeit, da man Gebote erfüllt, in Vollkommenheit spürt. Und auf diese Weise bereitet sich der Mensch darauf vor, dass der Ewige Seine Shechina auf ihn herabsenkt. Und er wird der Süße und der Wonne der höheren Gnade würdig. Bis sich der Himmel schließlich seiner erbarmt und er haftet sich an die Ewigkeit an und steigt empor.

Und das Wichtigste ist es, sich in den Belangen des Glaubens zu festigen, gerade dort, wo die Fragen nach dem „Wer?“[6] und „Was?“[7] erwachen, und für den Verstehenden soll [das Gesagte] genug sein.

Und das wird uns helfen zu verstehen, was Rashi auf den Vers sagt: „Dies ist die Gesetzesbestimmung, die der Ewige geboten hat.“ Hier sind seine Worte: „Da der Satan und die Völker der Erde Israel dazu bringen, zu fragen was dieses Gebot sei, und was der Sinn davon sei, schrieb er hier: „Gesetzesbestimmung“: eine Verordnung ist dies, und du hast kein Recht über sie Überlegungen anzustellen.“ Und man muss verstehen, dass dies meint, dass deswegen keine Bedeutung dafür angegeben wurde, doch nach der Logik des einfachen Verstandes musste es das Gegenteil sein. Das heißt wenn es niemanden gibt, der fragen könnte, braucht man keine Bedeutung. Wo man allerdings Fragen stellt, dort muss die Bedeutung angegeben sein. Doch wie oben beschrieben ist: Das Konzept der „Gesetzesbestimmung der Tora“ meint den Glauben. Und das gerade dort, wo man Fragen stellt: Dort muss es eine Antwort über dem Wissen geben.

 

Und damit einher wirst du auch verstehen, was gesagt ist: „Eine Mutter wird ihren Sohn verspeisen (vernichten).“ Und was für eine Verbindung besteht zwischen der Roten Kuh und dem Kalb[8], außer dem Wortspiel, dass hier eben „Kuh“ steht und dort „Kalb“. Sondern es ist, wie oben erklärt, dass die Sünde vom goldenen Kalb so war, wie das Buch Sohar beschreibt: „Wer sind die, die sagten: ‚Das sind deine Götter, Israel, die dich aus Ägyptenland geführt haben!’“[9], also der Aspekt des Wissens und nicht der Aspekt des „Wer“, genannt Chassadim, der Aspekt der Wahrheit. Deswegen kam die Handlung der Kuh, die im verborgenen Sinne den Glauben über dem Wissen darstellt, und dadurch wird die Handlung des Kalbs gesühnt.

Dein Freund, Baruch Shalom

 

[1] Sidur, 1. Segenspruch aus der Amida an den zehn Bußtagen

[2] Schalen

[3] 5. Buch Moses 11,12

[4] Der Wechsel aus „ihrer“ zu „seiner“ aus dem Original übernommen,

[5] Ester 4,2. Da Mordechai erfuhr alles, was geschehen war, zerriss er seine Kleider und legte einen Sack an und Asche und ging hinaus mitten in die Stadt und schrie laut und klagte. Und kam bis vor das Tor des Königs; denn es durfte niemand zu des Königs Tor eingehen, der einen Sack anhatte.

[6] 2. Buch Moses 5,2: Pharao antwortete: Wer ist der Ewige des Stimme ich hören müsse und Israel ziehen lassen? Ich weiß nichts von dem Ewigen, will auch Israel nicht lassen ziehen.

[7] 2. Buch Moses 12,2: Und wenn eure Kinder werden zu euch sagen: Was habt ihr da für einen Dienst?

[8] Zwischen dem Gebot von der roten Kuh und der Sünde vom goldenen Kalb

[9] 2. Buch Moses 32,4

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