Rabash, Brief 73

Ich werde ein wenig bezüglich deiner Fragen erklären, was der „Schmuck“ im Punkt des Willens ist. Du hattest angefragt [und berichtet], dass es dir schwer fällt, dies zu verstehen.

Um das Konzept des Schmuckes zu verstehen, muss man zuerst nachvollziehen, was bei diesen Dingen gemeint ist, d. h. was einem schwer fällt und was einer Erklärung bedarf.

Es ist bekannt, dass es in der Welt nichts gibt außer zwei Dingen: dem Schöpfer und der Schöpfung, d. h. der Schöpfer will den Geschöpfen Genuss schenken, wie es geschrieben steht: „Sein Wille ist, den Geschöpfen Gutes zu tun.“ Und aus diesem [Seinem] Aspekt resultierte die Welt Ejn Sof (die Welt der Unendlichkeit). Das heißt, da sein Wille darin besteht, Gutes zu tun, erschuf Er ein „Etwas aus Nichts“, also einen Willen, den Genuss, den Er geben möchte, zu empfangen. Natürlich war dabei dieser [neu erschaffene] Wille genau groß genug, um das gesamte Licht zu empfangen, denn sonst, also wenn das Gefäß kleiner gewesen wäre als das Licht, wäre ja das Geschöpf nicht in Vollkommenheit erschaffen worden, doch sicher hat der Heilige, gesegnet sei Er, eine vollkommene Sache erschaffen, denn es ging doch darum, dass Er einen Willen schuf, um jenes besondere Licht zu empfangen, welches er für die Geschöpfe bestimmte.

Und gemäß diesem Willen wurde das Licht herangezogen und es erfüllte ihn vollkommen, und das ist die Definition [des Ausspruchs], dass das Licht „die ganze Wirklichkeit erfüllte“, da der Wille zu empfangen dem Licht kein Ende und keine Grenze vorsetzte, verbreitete es sich ins Innere des Gefäßes des Empfangens. Das heißt, wenn dieser Aspekt herangezogen wurde, dann konnte es keinen Ort in der Welt geben, an dem der Schöpfer nicht wahrgenommen wurde, und sogar wenn der Mensch in dem Verlangen nach dem Empfangen von Genuss nur für sich selbst versank, nahm er auch dann den Schöpfer wahr. Erst nachdem die Einschränkung, Zimzum, vollzogen wurde, um nicht mehr mit der Absicht nur für sich zu empfangen, wurde es in unserer Welt so, dass wenn der Mensch in seinen Verlangen versinkt, er die Göttlichkeit (den Schöpfer) nicht spürt; und der Beginn der Arbeit besteht darin, dass der Mensch daran glauben muss, dass es in der Welt einen Schöpfer gibt, und das ist nur wegen der Verhüllung, die aufgrund der Macht der Einschränkung entstand.

Und nun: Über die Welt Ejn Sof haben wir gelernt, dass in Ihm der Wille aufstieg, usw. und Er sich selbst zurückzog (einschränkte). Und er erklärt, dass Seine Absicht darin bestand, dadurch zum Aufstieg des Willens [zu empfangen] zu verhelfen: Da der Wille zu empfangen im Gegensatz zum Willen zu geben steht, wählte er die Zugabe der Anhaftung (Dwekut), wobei die Anhaftung die Angleichung der Form darstellt; dabei wollte er dem Gebenden ähneln, und so vollzog er einen Zimzum (Einschränkung)[1]. Das könnte man, Gott bewahre, so verstehen, als hätte es in der Welt Ejn Sof das Problem des Gegensatzes zwischen Licht und Gefäß gegeben, bis schließlich [das Gefäß] das Bedürfnis gehabt hätte, sich zu korrigieren und für diese Korrektur die Einschränkung vollzogen hätte.

Und er bringt dort Aussprüche von Rabbi Elieser, dass bevor die Welt erschaffen wurde, „Er und Sein Name eins waren“, was bedeutet, dass es keinerlei Änderung gab zwischen dem Licht, genannt „Er“, und „Seinem Namen“, genannt Gefäß, dessen Wesen der Wille zu empfangen ist. Und er erklärte, dass das Gefäß „Sein Name“ heißt, weil „Sein Name“ (שמו) in der Gematria „Wille“ (רצון) bedeutet. Und demnach fällt es ihm schwer [zu erklären], warum, wenn es doch keinen Gegensatz zwischen dem Gefäß und dem Licht gab, es so notwendig war, eine Korrektur vorzunehmen, damit es zu einer Angleichung komme, dass er sich dafür selbst einschränkte (bzw. eine Einschränkung vollzog).

Deswegen erklärt er, dass diese Korrektur nicht aufgrund von einem Mangel (Chissaron) stattfand, also nicht weil er etwa eine Gegensätzlichkeit wahrnahm, sondern als Schmuck. Und den Unterschied zwischen einem Schmuck und [der Empfindung von] Mangel kann man mittels des folgenden Gleichnisses verstehen. Der Rav einer Stadt veranstaltete eine Versammlung und versandte an alle Herren und wichtigen Männer der Stadt eine Nachricht, sie mögen sich in der Synagoge versammeln, da er ihnen etwas mitzuteilen wünschte.

Der Rav bestieg die Bühne und hielt eine flammende Rede über die Wichtigkeit des Gebots, Almosen zu geben, um ihnen anschließend zu berichten, dass gerade aus dem Ausland ein aufrechter Mann und Tora-Gelehrter gekommen ist, belastet mit Kindern, einer Familie von acht Menschen, und sie kein Essen haben, nicht einmal für eine Mahlzeit, und keinen Platz, wo sie wohnen könnten, und dass die Familie nur dank der Hilfe von Frauen aus der Gemeinde hier ist, und er fordert daher, dass jeder von seinem Geld mehr als nur nach seiner Möglichkeit spendet, da es hier wirklich um die Rettung von Menschenleben geht, da sie nicht einmal einen Ort zum Wohnen haben. Und während seiner Rede weinte der Rav.

Selbstverständlich ist das Volk Israel ein barmherziges Volk, und jeder gab mehr als nur nach seiner Möglichkeit, und so sammelte er einige Tausend Pfund für die Familie. Und das, weil jeder Einzelne den Mangel in dieser Sache spürte, und deshalb steuerte jeder Einzelne dazu bei, den verspürten Mangel zu korrigieren.

Im nächsten Jahr versammelte der Rav wiederum wichtige Personen der Stadt und rief sie wieder auf, und weinte und wehklagte herzerweichend, und brachte ihnen die Wichtigkeit des Gebots der Barmherzigkeit nahe, dass wir nämlich durch die Barmherzigkeit das Exil verlassen und der vollkommenen Erlösung würdig werden.

Und danach erzählte er ihnen, dass seine Frau, die Rabbanit, bei der Hochzeit irgendeines Reichen aus den USA war und dort sah, wie die Frau des Reichen einen Pelzmantel trug im Wert von 3000 Pfund sowie Diamantenschmuck im Wert von 3000 Pfund, und so bittet sie nun auch ihn, ihr für 6000 Pfund diesen Schmuck zu kaufen. Und der Rav vergießt Tränen, man möge sich seiner erbarmen und ihm diese Summe geben, und er hätte sie nicht gebeten, sie ihm zu geben, wenn er nicht im vergangenen Jahr gesehen hätte, dass sie ihm 6000 Pfund für den Armen gegeben haben, damit dieser mit seiner Familie über die Runden kommt, und das natürlich, weil ihre Herzen voller Erbarmen sind; und daher bittet er sie nun um diese Summe für den Schmuck der Rabbanit. Und er weint und schreit: barmherzige Juden, Söhne der Barmherzigkeit!

Natürlich lachen sie, umso mehr, je mehr der Rav schreit, und sie sagen: Für den Schmuck, mit dem sich deine Frau zu schmücken beliebt, sollen wir uns ihrer erbarmen? Welches Erbarmen gibt es hier? Bei dem oben genannten Armen dagegen ging es um das Notwendigste, und das heißt Chissaron (Mangel), und alle spürten diesen Mangel, und so hatte jeder von uns die Pflicht, das zu korrigieren.

Aus diesem Gleichnis werden wir den Unterschied zwischen Mangel und Schmuck verstehen. Um Mangel handelt es sich, wenn man bloß ist und alles entbehrt – dann sprechen wir vom Konzept der Barmherzigkeit. Wenn man dagegen ein Haus voller guter Dinge hat, aber keinen Schmuck, der Luxusware ist und nur wenigen in der Generation vorbehalten ist, dann kann man nicht von Mangel sprechen, da man auch ohne das leben kann.

So auch hier: Als das Licht den ganzen Willen zu empfangen ausfüllte, sodass kein leerer Ort, frei von Höherer Fülle, verblieb, wie es geschrieben steht, dass das Höhere Licht die gesamte Wirklichkeit erfüllte und kein freier Raum war, dann heißt das: „Er und sein Name sind Eins“, d. h., es war kein Unterschied zwischen dem Licht und dem Kli erkennbar, denn wenn es kein Gefäß gegeben hätte, dann hätte es auch keine Wirklichkeit für das Licht gegeben, um sich zu verbreiten, d. h., der Wille, Seinen Geschöpfen Gutes zu tun, hätte nicht in die Praxis umgesetzt werden können, wenn es keine Wirklichkeit des Willens zu empfangen gegeben hätte. Daher gibt es keinen Unterschied zwischen dem Licht und dem Kli, denn beide verfügen über dieselbe Bedeutung für das Ziel.

Wenn dem so ist, dann stellt sich die Frage, warum es überhaupt einen Zimzum (Einschränkung) gegeben hat. Und die Antwort darauf ist, dass der Zimzum den Schmuck zum Zwecke hatte. Das bedeutet, dass man ausschmücken muss, um ein Geschenk zu verbessern, wie bereits oben erklärt. Obwohl er bereits alles Gute hat, da das Licht das gesamte Kli erfüllt, kann er dennoch die Wirklichkeit besser gestalten, indem der Empfang von Höherer Fülle nicht als Aspekt des Empfangens, sondern als Aspekt des Gebens definiert wird, also indem er empfängt, um dadurch zu geben, was als tatsächliches Geben gilt.

Denn wer zwang ihn? War es etwa nicht so, dass man ihm gegeben hat und er empfing? Und wenn er wollte, hätte er in diesem Zustand verbleiben können, und alles Gute wäre sein. Doch er wählte, dass es für ihn lohnenswerter ist, einen Zimzum auszuführen und zu empfangen, nur um zu geben, denn dadurch würde er in Übereinstimmung der Eigenschaften mit dem Schöpfer sein.

Und erst später, nach dem Zimzum, wurde dies zum Chissaron (Mangel), denn so ist die Regel, dass was beim Höheren ein Wille ist, beim Unteren zum verpflichtenden Gesetz wird. Daher hat der Untere keine Wahl mehr, d. h., sogar wenn er will, bekommt er nicht. Folglich finden wir, dass nun, also nach dem Zimzum, der Wille zu empfangen als Chissaron gilt, da man in sein Inneres nichts mehr empfangen kann, und er wird betrachtet als ein dunkler Ort; und erst wenn man beginnt, Dinge für das Geben zu tun, beginnt man, sich anzugleichen, und man beginnt, aus der Herrschaft des Zimzum auszutreten, und man beginnt, den Schöpfer zu spüren, in dem Maße wie man imstande ist, für das Geben zu handeln.

Und wenn du weitere Fragen zu diesem Thema hast, dann schreibe mir die Stellen mit denen du Schwierigkeiten hast, und ich werde mich bemühen, nach meinen Kräften zu erklären, und hauptsächlich müssen wir hoffen, dass der Schöpfer uns ein höheres Wissen schenken möge, damit wir verstehen und begreifen, hören und lernen und uns lehren zu halten und zu tun und zu erfüllen usw.

[1] Anm. Ü.: Der Übergang im Text von „Er“ (Schöpfer) und „er“ (Wille zu genießen) ist in diesem Absatz fließend und nicht überall eindeutig geklärt.

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