M. Laitman: Gespräch zum Anlass von Jom Kippur

Gespräch zum Anlass von Jom Kippur

Rav Dr. Michael Laitman Jom Kippur, 1995

Das Beten ist die „Arbeit des Herzens“ – es drückt die Wünsche aus, die direkt dem Herzen entspringen. Der Mensch hat keine Macht über seine Wünsche; es ist so vorgesehen, dass er nur selten selbst weiß, wonach er sich sehnt und was seine wahren Absichten sind. Die intime Natur seines Gebetes verflüchtigt sich vor ihm selbst.

Alles was durch ein Gebetsbuch ausgedrückt wird, besteht aus dem, was der Mensch durch sein Bitten erreichen sollte. Wenn der Mensch an sich selbst arbeitet, um sein Verlangen zu korrigieren, erreicht er das Niveau der Herzenswünsche und Bitten der Verfasser der Gebetsbücher, der Mitglieder der Großen Versammlung, die vor 2000 Jahren an der Schwelle eines langen Exils, das Buch der jüdischen Gebete verfassten.

Um eine Harmonie zwischen dem Verlangen einer Person, die betet, und jenem der Verfasser eines Gebetsbuches zu erzielen, ist es notwendig, eine Vielzahl von vorbereitenden Etappen zu durchlaufen, sich des Bösen bewusst zu werden und zu verstehen, was es bedeutet, dass wir ausschließlich aus Egoismus bestehen und dass dies die Quelle allen Übels ist.

Damit wir dieses Ziel erreichen, müssen wir Zugang zur Weisheit des Schöpfers erlangen, denn dies alles lässt sich nur begreifen, wenn wir Seine Eigenschaften mit den unsrigen vergleichen, und uns Seiner Größe und unserer Unscheinbarkeit bewusst sind. Es ist wichtig zu erkennen und sich im Klaren darüber zu sein, wie prachtvoll, herrlich und allmächtig Er ist. Glaube ist, den Schöpfer in unserem Wesen zu empfinden, seine Anwesenheit in uns wahrzunehmen.

Die Seelen durchlaufen folgende Etappen:

  • Die allererste Phase, die ihrem Abstieg in unsere Welt vorausgeht.
  • Die Phase, in deren Ablauf sie eine bestimmte Abweichung erhalten, die aus Egoismus besteht; dies empfinden die Seelen als Inkarnation in einen physischen Körper, infolgedessen sich „ihr Universum“ auf die Begrenzungen „unserer Welt“ reduziert.
  • Die Phase, während der die Seelen sich selbst und der Gesamtheit des spirituellen Universums gewahr werden, nach der Vollendung der Korrektur.
  • Die Phase, die dem Abstieg der Seelen in unsere Welt, den die Seelen wahrnehmen, vorausgeht, wird mit dem Begriff „Olam Ejn Sof“ bezeichnet, Welt der Unendlichkeit. Dort empfängt die Seele das Licht des Schöpfers ohne irgendwelche Begrenzungen. Danach wird die Seele mit Egoismus überzogen und ihre Verbindung zur Spiritualität wird so dünn, dass sie die Form eines physischen Körpers annimmt. Nachdem die Seele in „Olam haSe“ (diese materielle Welt) abgestiegen ist, spürt sie den Schöpfer nicht mehr. Sie hat keinerlei Wahrnehmung mehr davon, wie sich ihr erstes Universum zusammengesetzt hat.

„Diese Welt“ entspricht der Wahrnehmung des momentanen Zustandes. Mit anderen Worten entspricht sie dieser Seite der Schöpfung, in der wir alles mit Hilfe unserer egoistisch verzerrten Sinnesorgane fühlen und die wir mit dem Begriff „diese Welt“ bezeichnen.

Gegenwärtig nehmen wir diese beiden Welten in unserem physischen Körper war: Wir werden uns selbst und dessen, was uns umgibt, in einer bestimmten Weise gewahr – wir erblicken „diese Welt“. Gleichwohl liegt es im augenblicklichen Moment, dass wir die Zukunft betrachten, und die Empfindung, die durch die Projektion in die Zukunft induziert wird, bezeichnen wir mit dem Begriff „die zukünftige Welt“. Der Prozess wiederholt sich am nächsten Tag, an dem die zukünftige Welt zu „dieser Welt“ geworden sein wird und so weiter.

Das aufmerksame Lesen einiger Schriften des Baal HaSulam hilft uns, den Prozess, den wir in jedem Moment erfahren, zu verstehen.

Die spirituelle Entwicklung des Menschen verläuft entsprechend der „Mittleren Linie“. Fortschreiten „gemäß der Mittleren Linie“ bedeutet, dass für den Menschen „die Tora – der Schöpfer – Israel“ objektiv betrachtet ein und dasselbe sind:

  • Der Schöpfer ist der Ursprung, zu dem der Mensch strebt
  • Die Tora ist das Licht, das den Menschen im gegenwärtigen Moment erfüllt
  • Israel ist der Mensch selbst, sein Verlangen, sich mit dem Schöpfer zu vereinen.

Wie können drei Konzepte, die keine Verbindung miteinander haben, identisch sein? Das Ziel der Gesamtheit der Schöpfung besteht darin, den Menschen in dieser Welt zu erschaffen, damit er sich mit dem Schöpfer vereinigt. Dies tut er, indem er in seinem physischen Körper lebt und sich mit seinen Eigenschaften erhebt, um alle spirituellen Welten zu überschreiten und den Schöpfer zu erreichen. Noch genauer gesagt, damit ihn alle spirituellen Welten so sehr durchdringen und erfüllen, dass er und der Schöpfer eins werden. Dieses Niveau entspricht der Vereinigung mit dem Schöpfer, der Liebe zum Schöpfer, um all Seine Wege zu beschreiten und all Seine Gebote zu befolgen. Auf dieser Stufe werden alle Wünsche und Eigenschaften des Menschen mit denen des Schöpfers identisch.

Die Tora ist dem Menschen gegeben, damit er auf diese ewige, vollkommene Stufe gelangt, und den Plan der Schöpfung begreift. Die Tora wurde ausschließlich dem Menschen nach seinem Abstieg in diese Welt gegeben, in welcher sein physischer Körper von Egoismus durchdrungen ist, und nicht den Engeln, denn unter allen Geschöpfen ist nur der Mensch mit einem absoluten Egoismus versehen.

Wenn der Mensch den Weg der Tora wählt, kann er es schaffen, seinen Körper und seine Verlangen vom Egoismus zu reinigen und auf diese Art und Weise einen Massach zwischen sich und dem Schöpfer zu erstellen. So erzeugt sich die Verbindung zwischen Schöpfer und Mensch – eine Einheit, die dem Zustand vor dem Abstieg in diese Welt entspricht; bevor er mit dem Makel bestückt wurde, der aus Egoismus besteht. Zusätzlich kann sich der Mensch, der Korrektur seines Egoismus folgend, auf der spirituellen Leiter bis zur Stufe des Schöpfers erheben. Manche Geschöpfe sind des Egoismus beraubt. Sie verfügen demzufolge über kein Hilfsmittel, um aufzusteigen und bleiben auf ihrem anfänglichen Niveau.

Außer dem Menschen werden alle Geschöpfe als „spirituell leblos, unbeweglich“ bezeichnet. Selbst die Engel, die göttlichen Kräfte, mittels derer der Schöpfer die Schöpfung lenkt, sind keine unabhängigen Kräfte, sondern nur Ausführende Seines Willens. Der Mensch kann sich, indem er seine egoistischen Verlangen bzw. Wünsche transformiert, außergewöhnlich entwickeln; er kann dem Schöpfer ebenbürtig werden.

Die Seele ist ein Teil des Schöpfers, der im Menschen platziert ist. Der Mensch, der auf die Welt kommt, nimmt in seiner egoistischen Hülle, weder den Schöpfer noch das Spirituelle wahr, denn alle seine Sinnesorgane sind mit Egoismus durchtränkt, mit Eigenschaften, die dem Spirituellen entgegengesetzt sind. Durch die Umwandlung seines Egoismus in Altruismus trennt sich der Mensch von seiner egoistischen Hülle und beginnt, die Schöpfung authentisch zu erblicken, in dem Sinne, dass ihn nun kein Wunsch und keine egoistische Eigenschaft mehr vom Schöpfer trennt. Auf diese Weise haben sich die drei Konzepte vereinigt. Unser Ziel ist es, mit Hilfe der Tora die Hindernisse zwischen den Seelen und dem Schöpfer zu beseitigen. Von allen Studienrichtungen der Tora ist die Kabbala die effektivste, denn sie zieht eine stärkere Intensität des Lichtes schon zum Zeitpunkt des Studiums an.

Es gibt keine Bewegung im spirituellen „Raum“ von einer Welt in Richtung einer anderen, es besteht nur eine Umwandlung innerer Zustände, die uns erlauben, unsere innere Umhüllung zu sehen. Es ist der Schöpfer, den wir wahrnehmen, jedoch ist diese Empfindung durch Manifestationen unseres Egoismus abgeschirmt. Die Wahrnehmung des Schöpfers und der Schöpfung, des Raumes, in dem wir uns befinden, enthüllt sich in dem Maße ihrer Aufhebung, jedoch haben wir dafür kein Bewusstsein. Die Gradeinteilungen, die Portionen von Egoismus, die wir aus uns tilgen und die Abstufungen der Korrektur entsprechen den Stufen der spirituellen Leiter oder den Welten.

Der Egoismus, der unsere Wahrnehmung des wirklichen Wissens besetzt, ist nur im Menschen anwesend; der Schöpfer zeigt nichts dergleichen, denn Vollkommenheit und Offenheit kennzeichnen Seine Beziehung zum Menschen. Heuchelei wird nur vom Menschen wahrgenommen, als wäre er hinter einem Schleier versteckt, der aus seinem Egoismus besteht.

Die Verminderung des Egoismus vollzieht sich nicht plötzlich, auf einen Schlag. Am Anfang gibt der Schöpfer dem Menschen einige Perioden, welche dem Leben in dieser Welt entsprechen, als eine Gelegenheit, sich emporzuheben. Von dieser anfänglichen Erweckung an, die den Menschen zum Spirituellen streben lässt, ist es der Mensch selbst, der daraufhin der Meister aller Prozesse ist. Im Laufe jedes seiner Leben muss der Mensch eine bestimmte Menge seiner egoistischen Natur verringern, um sich dem Schöpfer ein wenig mehr anzunähern. Seine Leben wiederholen sich derart, dass der Mensch seine Korrektur nicht vollbringen kann, bis seine Verlangen, welche von der Kabbala als „Körper“ bezeichnet werden, kein Hindernis mehr zwischen sich und dem Schöpfer darstellen werden; ab dem Moment, wenn sich seine Eigenschaften mit denen des Schöpfers vereinigen, unabhängig von der Welt, in der sich der Mensch körperlich befindet.

Das Verlassen der körperlichen Hülle wird mit dem Begriff „körperlicher Tod“ bezeichnet, an den sich eine neue Geburt in unsere Welt anschließt. Die vom Egoismus korrigierten Teile der allgemeinen Seele verschmelzen und es entsteht eine Art „Neuverteilung“, da alle Seelen ein und dieselbe Schöpfung und Umhüllungen darstellen, ein und denselben Egoismus. Dies geschieht, um die Korrektur der allgemeinen Seele zu bewerkstelligen, die eine Zerbrechung der einen und einzigartigen Schöpfung, der Seele von Adam, in individuelle Seelen darstellt, weil es viel einfacher ist, die Teile zu korrigieren al das Ganze.

Dies erklärt die Bewegung der Seelen von einer Welt in die andere und den Prozess ihrer Korrektur. Am Ende der Korrektur werden alle individuellen Seelen auf dem Niveau eines allgemeinen Verlangens vereinigt, die allgemeine Seele bekommt das ganze Licht des Schöpfers als Manifestation Seiner Vollkommenheit. Es existiert nur die Welt der Unendlichkeit, die Welt der vollkommenen Vereinigung mit dem Schöpfer. Außerhalb dieser Welt gibt es nichts als Fragmente der endlosen Perfektion, der Welt der Unendlichkeit.

Ein Fragment der Welt der Unendlichkeit wird durch den Begriff „Adam HaRishon“ bezeichnet, das zweite als Brija, das folgende als Yezira, dann Assiya. Das kleinste, beschränkteste Fragment entspricht unserer Welt. Anders ausgedrückt: Die Welt der Unendlichkeit, die wir mit Hilfe unserer Sinne wahrnehmen, zieht sich auf die Größe und Gestalt unserer Welt zusammen. Mittels der Erweiterung unserer Wahrnehmung können wir diese Welt zum Beispiel als Brija etc. benennen. Alles hängt vom Umfang unserer Wahrnehmung ab.

Das Objekt unserer Studien bezieht sich nur auf den Menschen. Außer dem Menschen und seinen Wahrnehmungen existiert nur die Welt der Unendlichkeit. Die Korrekturen, deren Ziel „Malchut der Welt der Unendlichkeit“ ist, die mit den Begriffen „Seele“ oder „Schöpfung“ bezeichnet werden, sind vielfältig. Nichts wurde umsonst erschaffen. Baal HaSulam zitiert das Beispiel eines kleinen Insekts im Dschungel, welches sein ganzes Leben lang auf der Suche nach Nahrung ist und von dessen Existenz praktisch niemand etwas weiß. Gleichwohl ist nicht nur dieses Insekt, sondern auch jedes seiner Teile von größter Wichtigkeit, um die Vollendung der Korrektur zu erreichen.

Absolut nichts ist vom Schöpfer unnötigerweise erschaffen worden und alle Begebenheiten entstehen in Harmonie mit dem Ziel, dem wir uns annähern. Was uns betrifft, enthüllt sich dieser Prozess freiwillig oder unfreiwillig, wir verstehen ihn oder wir sind davon hermetisch abgeschlossen. Unabhängig von unserer Haltung entwickelt sich alles in Richtung der Vollendung der Korrektur, übereinstimmend mit dem göttlichen Plan, hin zu Seiner vollkommenen Enthüllung vor den Geschöpfen dieser Welt.

So wie die verschiedenen Teile von Malchut der Welt der Unendlichkeit, die sich nur durch ihre Intensität des Verlangens voneinander unterscheiden, entsprechen in unserer Welt die vielfältigen Abstufungen der unbelebten Natur, der Pflanzenwelt, der Tierwelt und den Menschen, denn auch unter den Menschen existieren verschiedene Typen, Völker etc.

Weshalb interessieren sich so viele für den Unterschied von Mann und Frau, jedoch nicht für die Korrektur, die selbst die Steine verwirklichen werden, die ebenfalls in unserer Welt in Erscheinung treten und ebenso das Ziel der Gesamtheit der Schöpfung erreichen müssen? Die Korrektur der gesamten Natur hängt ausschließlich von der Korrektur des Menschen ab.

Indem er an sich selbst arbeitet, „animiert“ der Mensch die Natur hinsichtlich der Vollendung ihrer Korrektur. Weder die Tiere noch die Pflanzen können aus eigenen Kräften ihre Korrektur erreichen; sie verfügen über keinen freien Willen, bewusst mit ihrem Egoismus umzugehen, denn ihnen wurde die Tora nicht gegeben.

Was die Menschen betrifft, so haben nicht alle auf die gleiche Weise die Tora erhalten: Die Völker der Welt haben sieben Gebote empfangen, die Juden 613. Es handelt sich um die körperliche Einhaltung der Gebote auf einem spirituell unbelebten Niveau. Die Menschen halten diese Gebote auf unterschiedliche Weise ein. Alles hängt von der Quantität der Korrektur ab, die jede Seele beim Abstieg in unsere Welt erreichen kann. Es gibt überhaupt kein Privileg, unter den Nationen oder unter dem jüdischen Volk geboren worden zu sein, die einen benötigen mehr Korrektur, die anderen weniger.

Genauso ist es bezüglich Frau und Mann, die die Gebote gemäß ihrer Natur befolgen müssen. Allerdings hängt dies nicht von ihrer Sehnsucht, sich dem Schöpfer anzunähern ab, denn auch die Gläubigen und Ungläubigen stellen sich keine Frage bezüglich des Schöpfers, der Absicht der Schöpfung, der Korrektur.

Das Verlangen, sich zu transformieren, haben diese Menschen von Oben nicht empfangen und sie führen mechanisch das aus, was ihre Erziehung sie gelehrt hat. Es sind diese mechanisch vollstreckten Gesten in unserer Welt, welche die Menschen tatsächlich unterscheidet, die Völker, die Männer und Frauen, das kleine Kind und den Erwachsenen.

Es ist klar, dass ein Mensch, der danach strebt, sich spirituell zu erheben, von einer inneren Kraft getrieben ist. Es ist so, da er dieses Streben vom Schöpfer empfangen hat, denn seine Zeit zu Wachsen ist gekommen. Er wird sich von nun an von den Menschen unterscheiden, die noch keinen solchen Wunsch von Oben empfangen haben.

Dies ist der Grund, weshalb man die Menschen nicht nach ihrem Äußeren, der Rasse oder dem Geschlecht zu unterscheiden braucht. Die Frage, ob man die Kabbala studieren sollte, stellt sich demnach nicht. Es studiert derjenige, der den Ruf von Oben empfangen hat, der sich nach der Kabbala sehnt und sich wünscht, sie zu studieren. Die Ausnahmen sind selten, jedoch existieren auch einige Beispiele weiblicher Kabbalisten, unsere Seherinnen: Deborah, Hulda, etc.

Die Engel sind Kräfte, die eine bestimmte Aufgabe in der spirituellen Welt ausführen: Sie bewegen etwas von einem Ort zu einem anderen, nichts anderes. Weder erheben sie sich, noch steigen sie die spirituellen Stufen herab, so wie der Mensch es tut, sie wachsen nicht spirituell. Es sind ausführende spirituelle Kräfte, die auf jedem spirituellen Niveau agieren.

Die Stufen der Prophetie sind Früchte der Arbeit mit sich selbst. In unserer Welt gibt es nur den Schöpfer, den Menschen und den Weg, auf dem der Mensch sich zum Schöpfer hin entwickelt, dieser Weg heißt Tora. Die Umgebung des Menschen (die Gesellschaft, die Familie, die Freunde) sind nur Umhüllungen, eine Art Bekleidung, welche den Menschen vom Schöpfer trennt, und mit deren Hilfe der Schöpfer auf den Menschen einwirkt, in dem Er ihn in komplexe Situationen versetzt, oftmals unerträglich, die ihm Leid und Enttäuschung bringen.

Wie können wir diese Welt durchdringen? Vereinfacht ausgedrückt, der Schöpfer extrahiert aus sich einen kleinen Teil und flößt ihm Egoismus ein. Nach dem Zerbrechen des universellen Verlangens, welches vom Schöpfer geschaffen wurde, in kleine egoistische Fragmente, gestattet eine fortschreitende Korrektur die Erschaffung der Höheren Welten Azilut, Brija, Yezira und Assija. Die reinsten Fragmente lassen die Schöpfung der höchsten spirituellen Welten zu. Dann ermöglichen die authentischsten egoistischen Verlangen, das Herz der Schöpfung, Malchut der Unendlichen Welt, die Bildung der ersten menschlichen Seele, Adam, welche sich dann in kleinere Teile aufteilt, unseren Seelen.

Die Anfänger des Studiums der Kabbala geraten oft in Verwirrung, wer denn nun diese Welt regiert: Von wem hängen unsere Handlungen denn ab, vom Schöpfer oder doch von uns? Bevor der Mensch eine Handlung macht, muss er davon überzeugt sein, dass alles von ihm abhängt. Nach der Erreichung seines Zieles sollte er sich sagen, dass alles ausschließlich nur vom Schöpfer abhing. Wenn wir so agieren, schreiten wir korrekt voran.

Es gibt einige unerklärliche Dinge, die nur gefühlt werden können, denn die Verkörperung des Spirituellen im Materiellen lässt sich nur schwerlich mit Worten beschreiben. Die Wissenschaft unserer Welt kann sich selbst erklären, ebenso die Wissenschaft des Spirituellen. Wie soll man jedoch den Prozess erläutern, der stattfindet, wenn eine Welt die Form einer anderen annimmt. Alle kabbalistischen Auslegungen finden in der Erklärung der Seele Adams ihre Begrenzung. Es ist nicht so, dass die Kabbalisten keine weiteren Erklärungen geben möchten, jedoch hängt dies nicht von den Erläuterungen ab, sondern von dem Empfinden jedes einzelnen Menschen. Der Egoismus ist eine immense spirituelle Kraft und wir spüren nichts anderes als ihn, sodass wir nicht einmal eine Vorstellung davon haben, wovon wir uns entledigen sollten. Um uns zu erkennen, müssen wir uns von außen betrachten, etwas Unterschiedliches von uns wahrnehmen, uns mit etwas außerhalb von uns vergleichen.

Wir sehen die Objekte, die uns umgeben, da sie aus dem gleichen Egoismus gebildet sind; wäre es nicht so, könnten wir sie nicht sehen. Der Egoismus enthält etliche Phasen und Typen. Der niedrigste Teil, der primitivste, nimmt nur sich selbst wahr. Es handelt sich um die Wahrnehmung, die der Mensch in unserer Welt hat. Wir sind solchermaßen egoistisch, dass wir nur uns selbst sehen.

Wenn wir ein wenig entwickelter sind, überschreitet unser Egoismus, mit Hilfe dessen wir beginnen, den Schöpfer wahrzunehmen, die Begrenzungen unserer Welt. Nun wird unser Egoismus als spirituell qualifiziert. Das Objekt unserer Wünsche besteht nicht mehr nur aus physischen Vergnügen, „Ner Dakik“, den Freuden unserer Welt, sondern aus den spirituellen Vergnügen, welche das Licht des Schöpfers bringt.

Die Handlungen des Menschen werden nur von seinen bewussten und unbewussten Verlangen gesteuert. Der Verstand ist uns als zusätzlicher Mechanismus gegeben, der uns erlaubt, einen besseren Einblick in unsere Wünsche zu haben. Deshalb kann der Mensch nicht über seinen Wünschen stehen. Wir können sagen, dass es dank seines Verlangens, seiner „Empfindungen“ so ist, dass der Mensch agiert und kein Bewusstsein der daraus resultierenden Folgen besitzt.

Wie kann man sich eines Ereignisses bewusst werden? Durch das Ergebnis der vom Menschen durchgeführten Handlungen zeigt der Schöpfer deutlich Seine Allmacht, damit der Mensch sich dessen bewusst werden kann und das nächste Mal nach seinen eigenen Schlussfolgerungen handelt. Die Tatsache, dass wir uns an die Art und Weise der Handlungen erinnern, hängt vom Schöpfer ab; wir müssen vernünftig handeln oder Er wird uns durch den Weg des Leidens belehren.

Unser Lernen ist ein Prozess jeden Momentes, jedoch gibt es uns nicht die Möglichkeit, uns, wie auch immer wir es wollen, zu korrigieren. Wir müssen uns ausschließlich darüber bewusst werden, dass wir absolute Egoisten sind, dem wir nicht entkommen. Der Schöpfer nimmt alles auf sich, was nicht diese Bewusstwerdung betrifft. Je mehr der Mensch auf dem spirituellen Weg fortschreitet, umso weniger bewundert er sich selbst, desto mehr kennt er seine wirkliche Natur. Je mehr sich der Schöpfer vor ihm enthüllt, desto mehr sieht er, was er im Vergleich zum Schöpfer darstellt.

Diese Einsicht entspricht einem Fortschritt auf dem spirituellen Weg. Stellen wir uns zum Beispiel eine Person vor, die 99 Prozent ihrer Korrektur realisiert hätte. Die Menge von 1 Prozent, welche noch nicht korrigiert ist, erschiene ihm angesichts der 99 korrigierten Prozent extrem erhöht. Der „Splitter im Auge“ erschiene ihm übergroß.

Diese Haltung ist jene eines Gerechten; das Licht, welches auf uns scheint nehmen wir als Licht oder Dunkelheit wahr. Anders ausgedrückt, unsere Handlungen und unser Studium erlauben uns, uns über den Schöpfer und uns selbst klar zu werden. Wenn der Mensch seiner Bedeutungslosigkeit nicht gewahr wird, dämmert er ohne Hoffnung dahin. Er erblickt den Schöpfer nicht und die gesamte Welt erscheint ihm düster und traurig. Wenn der Mensch diese Etappen der Verzweiflung durchlebt, sollte er immer im Gedächtnis haben, dass sie vom Schöpfer kommen, den er mit Schmähungen überhäuft und dem er seine Forderungen unterbreitet, dabei jedoch immer versteht, dass alles von Ihm abhängt. Dieser Mensch ist sich bereits seines spirituellen Weges mit dem Schöpfer bewusst. Wenn der Mensch die Wahrnehmung von sich selbst und dem Schöpfer erreicht, versinkt er nicht mehr in die Ausweglosigkeit und versteht, dass ihm diese Zustände vorübergehend von Oben gesendet wurden, in einer unumgänglichen Form.

Die Art und Weise, wie man sich an den Schöpfer richtet, bedeutet Ihm wenig. Das Wichtigste ist, dass der Mensch versteht, dass Er existiert. Der Schöpfer sendet uns demnach Verlangen und Wünsche, damit wir auf Ihn reagieren und uns entwickeln.

Das „Studium der Zehn Sefirot“ des Baal HaSulam beginnt mit der Beschreibung der vier Stufen der Schöpfung des ersten Gedankens, in anderen Worten, mit der Darstellung der Phase, welche vor dem Beginn der Schöpfung existierte. So wie die Schriften des Baal HaSulam entsprechen darüber hinaus seine Schilderungen dem, was er in seiner ganzen Größe wirklich wahrgenommen hat.

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