Der Frieden in der Welt

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Der Frieden in der Welt

Untersuchungen und Erkundigungen über Dinge, die den Mangel an Frieden verursachen, Vorschläge der Weltverbesserer und Prüfung derselben in Bezug auf die Wirklichkeit, Beobachtung des „Guten“, das auf „Barmherzigkeit und Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden“ beruht, wie es im Buch der Psalmen heißt: „Barmherzigkeit und Wahrheit treffen sich, Gerechtigkeit und Frieden küssen sich. Wahrheit sprießt aus der Erde, Gerechtigkeit blickt vom Himmel herab. Auch der Ewige wird das Gute geben und unser Land wird fruchtbar sein.“ (Psalm 85).

Alles wird nicht nach seinem Aussehen zu einem bestimmten Zeitpunkt bewertet, sondern nach seinem Entwicklungsstand.

Alles in der Wirklichkeit, ob gut oder schlecht, und selbst das Schädlichste in der Welt, hat ein Existenzrecht und darf nicht zerstört und aus der Welt getilgt werden. Wir müssen es nur korrigieren und erneuern, denn jede Beobachtung des Schöpfungswerks reicht aus, um uns über die Größe und Vollkommenheit ihres Urhebers und Schöpfers zu belehren. Deshalb müssen wir verstehen und sehr vorsichtig sein, wenn wir ein Element der Schöpfung als überflüssig und unnütz bezeichnen, denn das wäre eine Verleumdung seines Schöpfers.

Es ist allgemein bekannt, dass der Schöpfer die Schöpfung nicht vollendet hat, als er sie erschuf. Und wir können in jedem Winkel der Wirklichkeit, im Allgemeinen und im Besonderen, sehen, dass sie den Gesetzen der allmählichen Entwicklung folgt, beginnend mit dem Stadium der Abwesenheit bis zur Vollendung des Wachstums. Wenn also eine Frucht am Anfang ihres Wachstums bitter schmeckt, betrachten wir das nicht als Fehler der Frucht, denn wir alle kennen den Grund: Die Frucht hat ihre Entwicklung noch nicht abgeschlossen.

So ist es in jedem Element der Wirklichkeit: Wenn uns ein Element als schlecht und schädlich erscheint, ist das nur ein Selbstzeugnis dieses Elements und bedeutet, dass es sich noch in einer Übergangsphase seines Entwicklungsprozesses befindet. Daher dürfen wir nicht behaupten, dass es schlecht ist, und es ist nicht klug, ihm einen Makel zu verpassen.

Die Schwäche der „Weltverbesserer“

Dies ist der Schlüssel zum Verständnis der Schwäche der Weltverbesserer, die in ihren jeweiligen Generationen auftraten. Sie betrachteten den Menschen als eine Maschine, die nicht richtig funktioniert und repariert werden muss, was bedeutet, dass die kaputten Teile entfernt und durch funktionierende Teile ersetzt werden müssen.

Das ist die Tendenz aller Weltverbesserer – alles Schädliche und Schlechte in der menschlichen Spezies auszurotten … und es ist die Wahrheit: Hätte der Schöpfer sich nicht ihnen entgegengestellt, hätten sie den Menschen sicher schon ganz gereinigt und nur das Gute und Nützliche in ihm gelassen.

Aber weil der Schöpfer sorgfältig über alle Elemente Seiner Schöpfung wacht und nicht zulässt, dass irgendjemand auch nur ein einziges Detail in Seinem Bereich zerstört, sondern es nur erneuert, nützlich und gut macht, werden alle Reformer der oben erwähnten Art von der Erde verschwinden, die schlechten Eigenschaften jedoch werden nicht verschwinden. Sie existieren und zählen die Anzahl der Entwicklungsstufen, die sie noch durchlaufen müssen, bis sie ihre Reifung vollenden.

Zu diesem Zeitpunkt werden sich selbst die schlechten Eigenschaften in gute und nützliche verwandeln, wie es der Schöpfer ursprünglich für sie vorgesehen hatte. Das ist wie eine Frucht am Baum, die wächst und wartet und die Tage und Monate zählt, die sie noch bis zur Vollendung ihrer Reife warten muss, bis sich ihr Geschmack und ihre Süße für jeden Menschen offenbaren.

Belohnt – „Ich werde es beschleunigen“, nicht belohnt – „zu seiner Zeit“

Wir müssen wissen, dass das erwähnte Gesetz der Entwicklung, das sich über die gesamte Wirklichkeit erstreckt, alles Böse zum Guten und Nützlichen umwandelt. Es wirkt durch die Macht der Herrschaft des Himmels, das heißt, ohne die Menschen, also die Bewohner der Erde, um Erlaubnis zu bitten. Der Schöpfer legte jedoch Wissen und Befugnis in die Hände des Menschen und erlaubte ihm, das oben erwähnte Gesetz der Entwicklung unter seine eigene Herrschaft zu bringen, und gab ihm die Fähigkeit, den Entwicklungsprozess nach Belieben zu beschleunigen, frei und völlig unabhängig von den Grenzen der Zeit.

Es stellt sich heraus, dass es hier zwei Herrschaften gibt, die in der oben erwähnten Entwicklungsrichtung wirken: Die eine ist die „Herrschaft des Himmels“, die sicherlich alles Schädliche und Böse in Gutes und Nützliches verwandeln wird, aber zu einem gegebenem Zeitpunkt – auf ihre Weise, schwer und nach langer Zeit.

Und es gibt die „Herrschaft der Erde“.

Wenn das „sich entwickelnde Objekt“ ein lebendes, fühlendes Wesen ist, erleidet es durch den unbarmherzigen „Druck der Entwicklung“ entsetzliche Qualen und Schmerzen.

Im Gegensatz dazu besteht die „Herrschaft der Erde“ aus Menschen, die dieses oben erwähnte Gesetz der Entwicklung unter ihre eigene Herrschaft genommen und sich völlig von den Ketten der Zeit befreit haben und die Zeit stark beschleunigen – das bedeutet die Vollendung der Reifung und Korrektur eines Objekts, was dann das Ende seiner Entwicklung darstellt.

Das sind die Worte, die unsere Weisen (Sanhedrin 98) über die vollständige Erlösung und Korrektur Israels sagten, und so verdeutlichten sie den Vers „Ich, der Ewige, werde es zu seiner Zeit beschleunigen“: Belohnt – Ich werde es beschleunigen, nicht belohnt – zu seiner Zeit.

Wenn Israel belohnt wird und das Gesetz der Entwicklung annimmt, welches seine schlechten Eigenschaften durchlaufen müssen, um sie in gute Eigenschaften umzuwandeln, wird Israel es unter seine eigene Herrschaft bringen. Mit anderen Worten, sie werden ihren Verstand und ihr Herz darauf ausrichten, alle schlechten Eigenschaften in sich zu korrigieren und in gute Eigenschaften zu verwandeln. Dann „werde Ich es beschleunigen“, das heißt, sie werden vollständig von den Ketten der Zeit befreit sein. Und von nun an hängt dieses Ende von ihrem eigenen Willen ab, das heißt, nur von der Größe der Tat und der Achtsamkeit. So beschleunigen sie das Ende.

Sollten sie aber nicht damit belohnt werden, weil sie ihre schlechten Eigenschaften nicht unter ihrer eigenen Herrschaft entwickeln, sondern sie der des Himmels überlassen, werden sie dennoch das Ziel ihrer Erlösung und ihre Korrektur erreichen. Denn die Herrschaft des Himmels, die nach dem Gesetz der allmählichen Entwicklung stufenweise wirkt, bis sie wie die Frucht an einem Baum alles Böse und Schädliche in Gutes und Nützliches verwandelt hat, bietet völlige Gewissheit. Das Ende ist garantiert, aber „zu seiner Zeit,“ das heißt, es ist völlig mit der Zeit verbunden und von ihr abhängig.

Nach dem oben erwähnten Gesetz der allmählichen Entwicklung muss man viele Stufen durchlaufen. Sie kommen in der Regel dornenreich und sehr schleppend und erstrecken sich über eine sehr lange Zeit, bevor man das Ende erreicht. Da es sich bei den Objekten, von denen wir sprechen, um sich entwickelnde, fühlende Lebewesen handelt, müssen auch sie in jenen Entwicklungsstufen große Qualen und Schmerzen erleiden; denn die zwingende Kraft jener Stufen, die den Menschen von einer niedrigeren Stufe auf eine höhere erhebt, ist nichts anderes als die schiebende Kraft der Schmerzen und Qualen, die sich in der niedrigeren Stufe angesammelt hat und nicht mehr zu ertragen ist. Deshalb müssen sie diese Stufe verlassen und auf eine höhere aufsteigen. Wie unsere Weisen sagten: „Der Schöpfer setzt einen König über sie, dessen Gesetze so hart sind wie die Hamans; Israel kehrt um, und Er verbessert sie.“

Daher ist das Ende Israels durch das oben erwähnte Gesetz der allmählichen Entwicklung gewiss, und es wird „zu seiner Zeit“ genannt, was bedeutet, dass es an die Ketten der Zeit gebunden ist. Und das Ende, das Israels dadurch garantiert wird, indem es die Entwicklung seiner Eigenschaften in die eigene Hand nimmt, wird „Ich will es beschleunigen“ genannt, d. h. völlig unabhängig von der Zeit.

Gut und Böse werden anhand der Handlungen des Einzelnen gegenüber der Gesellschaft bewertet

Bevor wir die Korrektur des Bösen in der menschlichen Rasse untersuchen, müssen wir zunächst den Wert dieser abstrakten Begriffe „gut“ und „böse“ bestimmen. Wenn wir eine Handlung oder eine Eigenschaft als gut oder schlecht definieren, sollten wir klären, in Bezug auf wen diese Eigenschaft oder Handlung gut oder schlecht ist.

Um dies zu verstehen, müssen wir den proportionalen Wert zwischen dem Individuum und dem Kollektiv, in dem das Individuum lebt und von dem es sich ernährt, sowohl in der Materie als auch im Geist, genau kennen.

Die Wirklichkeit zeigt uns, dass ein Individuum nicht existieren kann, ohne eine ausreichende Anzahl von Menschen um sich herum zu haben, die ihm dienen und ihm helfen, seine Bedürfnisse zu befriedigen. Daher ist der Mensch von Natur aus dazu geboren, ein soziales Leben zu führen. Jeder Einzelne in der Gesellschaft ist wie ein Rad, das mit mehreren anderen Rädern in einer Maschine verbunden ist. Dieses einzelne Rad hat keine eigene Bewegungsfreiheit, sondern bewegt sich mit den anderen Rädern in eine bestimmte Richtung, damit die Maschine ihre allgemeine Funktion erfüllen kann.

Und wenn eine Störung am Rad auftritt, wird diese nicht in Bezug auf das Rad selbst bewertet, sondern nach seiner Funktion und Rolle in Bezug auf die gesamte Maschine.

Und in unserem Fall wird der Nutzen jedes Individuums innerhalb des Kollektivs nicht nach seinem eigenen Nutzen, sondern nach seinem Dienst an der Allgemeinheit bewertet. Umgekehrt bemessen wir das Maß des Bösen eines jeden Einzelnen nur nach dem Schaden, den er der Allgemeinheit zufügt, und nicht nach seinem eigenen individuellen Wert.

Diese Dinge sind kristallklar, sowohl aus der Perspektive der Wahrheit als auch aus der Perspektive des Guten in ihnen. Denn was im Kollektiv zu finden ist, ist nur das, was im Individuum zu finden ist, und der Nutzen des Kollektivs ist der Nutzen eines jeden Einzelnen. Wer dem Kollektiv schadet, bekommt seinen eigenen Anteil am Schaden, und wer dem Kollektiv nützt, hat seinen Anteil am Nutzen, denn die Einzelnen sind Teile des Ganzen, und das Ganze ist in keiner Weise mehr wert als die Summe seiner Teile.

Es stellt sich also heraus, dass das Kollektiv und das Individuum ein und dasselbe sind. Das Individuum wird durch seine Versklavung an das Kollektiv nicht geschädigt, da die Freiheit des Kollektivs und die Freiheit des Individuums ebenfalls ein und dasselbe sind. Und da sie das Gute teilen, teilen sie auch die Freiheit. So werden gute und schlechte Eigenschaften und Taten nur im Hinblick auf den Nutzen für die Allgemeinheit bewertet.

Natürlich gelten die obigen Worte nur dann, wenn alle Individuen ihre Rolle gegenüber der Allgemeinheit in vollem Umfang erfüllen und nicht mehr erhalten, als ihnen bzw. ihrem Freund zusteht. Wenn aber ein Teil des Kollektivs sich nicht entsprechend verhält, schadet er nicht nur dem Kollektiv, sondern auch sich selbst.

Wir sollten nicht weiter über etwas diskutieren, das allen bekannt ist, und das oben Gesagte soll nur den schwachen Punkt aufzeigen, nämlich die Stelle, die korrigiert werden muss. Denn jeder Einzelne wird verstehen, dass sein eigener Nutzen und der Nutzen des Kollektivs ein und dasselbe sind, und dadurch wird die Welt zu ihrer vollen Korrektur kommen.

Die vier Attribute Barmherzigkeit, Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden im Individuum und im Kollektiv

Sobald wir die gewünschte Eigenschaft des Guten genau kennen, sollten wir die Dinge und Mittel prüfen, die uns zur Verfügung stehen, um diese Freude und dieses Glück zu beschleunigen.

Zu diesem Zweck sind vier Attribute vorgesehen: Barmherzigkeit, Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden. Diese Attribute wurden bisher von allen Weltverbesserern verwendet. Richtiger wäre es zu sagen, dass die menschliche Entwicklung mit diesen vier Eigenschaften durch die Herrschaft des Himmels schrittweise vorangekommen ist, bis sie die Menschheit in ihren heutigen Zustand gebracht hat.

Wir sagten bereits, dass es für uns besser wäre, das Gesetz der Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen, denn dann werden wir uns von allen Qualen befreien, die die Entwicklungsgeschichte für uns bereithält. Wir sollten also diese vier Eigenschaften genau unter die Lupe nehmen und untersuchen, um gründlich zu verstehen, was uns bisher gegeben wurde, und um zu erfahren, welche Hilfe wir uns in Zukunft von ihnen erhoffen sollten.

Praktische Schwierigkeiten bei der Wahrheitsfindung

Wenn wir in der Theorie über gute Eigenschaften sprechen, gibt es sicherlich keine bessere Eigenschaft als die der Wahrheit. Denn all das Gute, das wir oben in der Beziehung zwischen dem Individuum und dem Kollektiv definiert haben, besteht darin, dass das Individuum seinen Teil in das Kollektiv einbringt und umgekehrt seinen notwendigen Teil vom Kollektiv gerecht und ehrlich erhält. All dies ist nichts als die Wahrheit, doch leider akzeptiert das Kollektiv diese Eigenschaft überhaupt nicht. Die praktische Schwierigkeit der oben genannten Wahrheit ergibt sich also von selbst: Es gibt hier einen Nachteil und eine Ursache, die sie für das Kollektiv inakzeptabel macht. Wir müssen untersuchen, worin dieser Nachteil besteht.

Wenn man die oben erwähnte Wahrheit unter dem Gesichtspunkt ihrer praktischen Durchführbarkeit untersucht, wird man zwangsläufig feststellen, dass sie vage und kompliziert ist, und dass es für das menschliche Auge unmöglich ist, sie zu überprüfen. Denn die Wahrheit verlangt, alle Individuen im Kollektiv als gleichwertig anzusehen, damit sie ihren Anteil entsprechend ihrer Arbeit erhalten – nicht mehr und nicht weniger. Dies ist die einzige wahre Grundlage, die nicht angezweifelt werden kann, denn es ist sicher, dass jeder, der die Arbeit seines Freundes zum eigenen Vorteil genießen will, gegen die oben genannte Vernunft und klare Wahrheit handelt.

Aber wie können wir diese Wahrheit in einer Weise untersuchen, die für das Kollektiv akzeptabel ist? Wenn wir zum Beispiel eine Arbeitsleistung nach der Anzahl der Stunden bewerten und jeden zwingen, die gleiche Anzahl von Stunden zu arbeiten, werden wir trotzdem nicht das Attribut der Wahrheit entdecken. Außerdem liegt hier aus zwei Gründen eine offensichtliche Lüge vor: Der erste betrifft die körperliche und der zweite die mentale Konstitution des Arbeiters.

Denn die Arbeitskraft ist von Natur aus nicht bei jedem Menschen gleich stark ausgeprägt. Zum Beispiel kann es sein, dass sich ein Mensch in einer Stunde Arbeit aufgrund seiner Schwäche viel mehr anstrengt als ein anderer, der zwei oder mehr Stunden arbeitet.

Und es ist auch eine psychologische Frage, denn wer von Natur aus sehr träge ist, wird in einer Stunde mehr erschöpft sein, als sein Freund in zwei oder mehr Stunden. Aus der Perspektive der offensichtlichen Wahrheit sollten wir keinen Teil der Gesellschaft dazu zwingen, mehr als der andere Teil für seine lebensnotwendigen Bedürfnisse zu arbeiten.

In Wahrheit aber profitieren die von Natur aus Starken und Flinken in der Gesellschaft von der Arbeit der anderen und beuten sie böswillig gegen das Attribut der Wahrheit aus, denn sie arbeiten sehr wenig im Vergleich zu den Schwachen und Faulen in der Gesellschaft.

Und wenn wir auch das Naturgesetz „Nach der Mehrheit richte dich“ berücksichtigen, dann ist eine solche Wahrheit, die die Anzahl der Stunden der offensichtlichen Arbeit als Grundlage nimmt, völlig unmöglich, da die Schwachen und Faulen immer die große Mehrheit in der Gesellschaft darstellen, die der flinken und starken Minderheit nicht erlaubt, ihre Kraft und Arbeit auszunutzen.

Die oben erwähnte Grundlage, nämlich die Anstrengung des Einzelnen unter der Bedingung der offensichtlichen Wahrheit, und damit aufseiten der Mehrheit in der Gesellschaft, ist völlig unpraktisch, da sie in keiner Weise überprüft und bewertet werden kann.

So stellt man fest, dass das Attribut der Wahrheit keine praktische Fähigkeit besitzt, den Weg des Einzelnen und den Weg des Kollektivs absolut und zufriedenstellend zu organisieren. Es ist auch völlig unzureichend, um das Leben am Ende der Korrektur der Welt zu organisieren.

Außerdem gibt es hier noch andere Schwierigkeiten, weil es keine reinere Wahrheit gibt als die Natur selbst. Und es ist natürlich, dass sich jeder Einzelne in der Welt des Schöpfers als Alleinherrscher fühlt und alle anderen nur erschaffen wurden, um sein Leben zu erleichtern und zu verbessern, ohne dass er sich verpflichtet fühlt, irgendetwas zurückzugeben.

Mit einfachen Worten liegt es in der Natur eines jeden Menschen, das Leben seiner Mitmenschen zu seinem eigenen Vorteil auszubeuten, und alles, was er anderen gibt, geschieht nur aus der Not heraus. Und auch dann ist es eine Ausbeutung der anderen, aber sie wird geschickt durchgeführt, damit der Freund es nicht bemerkt und bereitwillig nachgibt.

Denn die Natur eines jeden Zweiges ist seiner Wurzel nahe. Da die Seele des Menschen vom Schöpfer ausgeht, der Eins und Einzigartig ist, und alles Sein ist, hat auch der Mensch, der von Ihm ausgeht, das Gefühl, dass alle seine Mitmenschen unter seiner Herrschaft und zu seinem eigenen Nutzen bereitstehen sollten. Dies ist ein unumstößliches Gesetz. Der einzige Unterschied liegt in den Entscheidungen der Menschen: Der eine entscheidet sich dafür, die Menschen auszubeuten, um niedere Gelüste zu befriedigen, der andere, um die Herrschaft zu erlangen, und der dritte, um Ehre zu erhalten. Und könnte man es ohne große Anstrengung tun, würde man die Welt für alle drei zusammen ausbeuten – Reichtum, Herrschaft und Ehre. Der Mensch ist jedoch gezwungen, entsprechend seinen Möglichkeiten und Fähigkeiten zu wählen.

Dieses Gesetz kann „das Gesetz der Einzigartigkeit im Herzen des Menschen“ genannt werden. Kein Mensch entgeht ihm (vielmehr hat jeder seinen Anteil an diesem Gesetz), der Große nach seiner Größe und der Kleine nach seiner Größe.

Das oben genannte Gesetz der Einzigartigkeit in der Natur eines jeden Menschen wird also weder verurteilt noch gelobt, denn es ist eine natürliche Wirklichkeit und hat wie alle Teile der Realität ein Recht auf Existenz. Es gibt keine Hoffnung, es aus der Welt zu tilgen oder seine Form auch nur ein wenig zu verwischen, so wie es auch keine Hoffnung gibt, die gesamte menschliche Rasse von der Erde zu tilgen. Wir würden also überhaupt nicht lügen, wenn wir über dieses Gesetz sagen würden, dass es die absolute Wahrheit sei.

Wie kann man dann noch versuchen, das Gemüt eines Menschen zu beruhigen, indem man ihm Gleichheit mit allen Menschen des Kollektivs verspricht? Nichts wäre weiter von der menschlichen Natur entfernt als dies, da die einzige Neigung jedes Menschen darin besteht, sich über das gesamte Kollektiv zu erheben.

So haben wir gründlich geklärt, dass es keine wirkliche Möglichkeit gibt, das Leben des Einzelnen und das Leben des Kollektivs mit guten und freudigen Verhaltensweisen zu bereichern, indem man dem Attribut der Wahrheit auf eine Weise folgt, dass es den Geist jedes Einzelnen erleichtert und jeder ihm vollständig zustimmt, wie es am Ende der Korrektur sein sollte.

Unfähig, das Attribut der Wahrheit festzulegen, versuchten sie, die grundlegenden Attribute festzulegen

Wenden wir uns nun den übrigen drei Attributen zu: Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Frieden. Es scheint, dass sie anfangs nur geschaffen wurden, um das Attribut der Wahrheit zu unterstützen, das in unserer Welt sehr schwach ist. Von hier aus machte die Entwicklungsgeschichte langsame und zögerliche Fortschritte, das Lebens des Kollektivs zu organisieren.

Theoretisch stimmte die gesamte Gesellschaft bereitwillig zu und nahm es auf sich, in keiner Weise von der Wahrheit abzuweichen. Tatsächlich aber verhielt sie sich völlig entgegengesetzt zur Wahrheit, und nicht, wie es vereinbart war. Seitdem liegt das Schicksal der Wahrheit immer in den Händen der Betrüger und nie in jenen der Schwachen und Gerechten, so dass erstere sogar durch das Attribut der Wahrheit unterstützt werden könnten.

Weil sie das Attribut der Wahrheit im Leben des Kollektivs nicht etablieren konnten, nahm die Zahl der Zurückgebliebenen und Schwachen in der Gesellschaft zu. Daraus entstanden die Attribute der Barmherzigkeit und der Gerechtigkeit, um über entsprechende Handlungen auf die Gesellschaft einzuwirken. Denn die gesamte Gesellschaft zwang die Erfolgreichen dazu, die Zurückgebliebenen zu unterstützen, damit diese der Gesellschaft im Allgemeinen nicht schaden. Daher verhielten sie sich ihnen gegenüber nachsichtig und ließen Barmherzigkeit und Wohltätigkeit walten.

Aber es ist nur natürlich, dass sich unter solchen Bedingungen die Zurückgebliebenen und Ausgebeuteten vermehren, bis es genug von ihnen gibt, die gegen die Erfolgreichen protestieren und Streit und Kämpfe anzetteln. Daraus entstand das Attribut des „Friedens“ in der Welt. So wurden all diese Attribute – Barmherzigkeit, Nächstenliebe und Frieden – aus der Schwäche der Wahrheit geboren.

Das führte dazu, dass sich die Gesellschaft in Strömungen spaltete. Einige nahmen die Attribute der Barmherzigkeit und Nächstenliebe an, indem sie ihren eigenen Besitz an andere verschenkten, und andere nahmen das Attribut der Wahrheit an, was bedeutet: „Was mein ist, ist mein, und was dein ist, ist dein.“

Einfacher ausgedrückt, können wir diese beiden Strömungen in „Erbauer“ und „Zerstörer“ unterteilen. Die Erbauer sind diejenigen, die den Aufbau zum Nutzen des Kollektivs wollen, wofür sie oft bereit sind, ihren eigenen Besitz an andere abzugeben. Diejenigen aber, die von Natur aus zu Zerstörung und Rücksichtslosigkeit neigen, klammern sich zu ihrem eigenen Vorteil lieber an das Attribut der Wahrheit, das heißt: „Was mein ist, ist mein, und was dein ist, ist dein.“ Und sie würden niemals etwas von ihrem Besitz an andere abgeben oder ein Risiko betreffend das Wohlergehen des Kollektivs in Betracht ziehen, denn sie sind von Natur aus Zerstörer.

Hoffnungen auf Frieden

Als diese Bedingungen der Gesellschaft viele Konflikte brachten und ihr Wohlergehen gefährdeten, erschienen die „Friedensstifter“. Sie übernahmen die Kontrolle und Macht und erneuerten das gesellschaftliche Leben auf der Grundlage neuer Bedingungen, die sie für wahr hielten und die sie für die friedliche Existenz der Gesellschaft für ausreichend hielten.

Doch die meisten dieser Friedensstifter, die nach jedem Streit entstehen, kommen natürlich aus den Reihen der Zerstörer, also der Wahrheitssuchenden, nach dem Motto „Was mein ist, ist mein, und was dein ist, ist dein“. Denn sie sind die Mächtigen und Mutigen in der Gesellschaft und werden als „Helden“ und „kühn“ bezeichnet, weil sie immer bereit sind, auf ihr eigenes Leben und das des gesamten Kollektivs zu verzichten, wenn letzteres mit ihren Ansichten nicht einverstanden ist.

Aber die Erbauer der Gesellschaft, die sich aus Barmherzigkeit und Nächstenliebe um ihr eigenes Leben und das Leben des Kollektivs sorgen, weigern sich, sich selbst oder die Öffentlichkeit zu gefährden, indem sie dem Kollektiv ihre Meinung aufzwingen. Daher stehen sie in der Gesellschaft immer auf der machtlosen Seite und werden „zaghaft“ und „feige“ genannt.

Offensichtlich wird daher die Hand der rücksichtslosen Mutigen immer obenauf sein, und es ist natürlich, dass alle Friedensstifter aus den Reihen der Zerstörer und nicht aus den Reihen der Erbauer kommen. Daran sehen wir, dass die Hoffnung auf Frieden, nach der sich unsere Generation so sehr sehnt, sowohl aus der Perspektive des Subjekts als auch aus der Perspektive des Themas selbst vergeblich ist.

Denn die Friedensstifter unserer Zeit und jeder Generation – also diejenigen, die die Macht haben, Frieden in die Welt zu bringen – bestehen immer aus der menschlichen Substanz, die wir „Zerstörer“ nennen, denn sie sind Wahrheitssucher. Das bedeutet, dass sie die Welt auf dem Attribut „Was mein ist, ist mein, und was dein ist, ist dein“ aufbauen wollen.

Diese Menschen verteidigen ihre Meinung natürlich mit aller Entschiedenheit, bis hin zur Gefährdung ihres eigenen Lebens und des Lebens des gesamten Kollektivs. Das gibt ihnen die Macht, sich immer gegen die menschliche Substanz durchzusetzen, die „Erbauer“ genannt wird. Erbauer sind die nach Barmherzigkeit und Nächstenliebe Suchenden, die bereitwillig das Eigene zu Gunsten der anderen aufgeben, um die Welt zu retten, denn sie sind die zaghaft und feige.

Es zeigt sich, dass die Suche nach der Wahrheit und die Zerstörung der Welt ein und dasselbe sind, und die Suche nach Barmherzigkeit und der Aufbau der Welt ebenfalls. Deshalb werden die Zerstörer keinen Frieden herstellen.

Und man hofft auch deswegen vergeblich auf Frieden, da die richtigen Bedingungen für das Wohlergehen des Einzelnen und des Kollektivs nach dem Kriterium der Wahrheit, das diese Friedensstifter so sehr wünschen, nicht geschaffen wurden. Und es wird immer eine große Minderheit in der Gesellschaft geben, die mit den ihr angebotenen Bedingungen unzufrieden ist, wie wir oben hinsichtlich der Schwäche der Wahrheit gezeigt haben. Sie werden stets ein bereitwilliger Treibstoff für die kommenden streitlustigen Menschen und Friedensstifter sein.

Das Wohlergehen eines bestimmten Kollektivs und das Wohlergehen der ganzen Welt

Seien Sie nicht überrascht, wenn ich das Wohlergehen eines bestimmten Kollektivs mit dem Wohlergehen der ganzen Welt vermische, denn in der Tat sind wir schon so weit gekommen, dass die ganze Welt als ein Kollektiv und eine Gesellschaft betrachtet wird. Denn weil jeder Mensch der Welt sein Lebensmark und seinen Lebensunterhalt von allen Menschen der Welt bezieht, wird er dadurch im Gegenzug genötigt, dem Wohl der ganzen Welt zu dienen und für sie zu sorgen.

Wir bewiesen oben, dass sich das Individuum dem Kollektiv unterordnet wie ein kleines Rad einer Maschine. Es bezieht sein Leben und sein Glück aus diesem Kollektiv, und daher sind das Wohlergehen des Kollektivs und sein eigenes Wohlergehen ein und dasselbe. In dem Maße, wie ein Mensch sich selbst versklavt, wird er also zwangsläufig zum Sklaven des Kollektivs, wie wir oben ausführlich darlegten.

Und wie groß ist der Umfang dieses Kollektivs? Dies hängt davon ab, auf wie viele Menschen sich das Individuum bezieht. In historischen Zeiten zum Beispiel umfasste dies eine Familie. Der Einzelne brauchte nur von seinen eigenen Familienmitgliedern Hilfe. Zu dieser Zeit musste er sich auch nur seiner eigenen Familie unterordnen.

In späteren Zeiten schlossen sich die Familien zu Städten und Landkreisen zusammen, und der Einzelne wurde zum Sklaven seiner Stadt. Als sich die Städte und Landkreise zu Staaten zusammenschlossen, wurde der Einzelne von allen seinen Landsleuten für sein Lebensglück unterstützt und so zum Sklaven aller Menschen im Lande. Daher ist es in unserer Generation, in der jeder Mensch für sein Glück von allen Ländern der Welt unterstützt wird, notwendig, dass der Einzelne sich in die Welt einfügt wie ein Rad in eine Maschine.

Daher ist es unvorstellbar, dass in einem Staat gute, glückliche und friedliche Bedingungen für den Menschen herrschen, solange dies nicht in allen Ländern der Welt der Fall ist. In unserer Zeit sind alle Länder in der Befriedigung ihrer Lebensbedürfnisse miteinander verbunden, so wie es früher die einzelnen Menschen in ihren Familien waren. Deshalb können wir nicht mehr nur von Bedingungen und Verhaltensweisen sprechen, die das Wohlergehen eines Landes oder einer Nation garantieren, sondern nur noch vom Wohlergehen der ganzen Welt, denn der Nutzen oder Schaden jedes einzelnen Menschen hängt vom Nutzen aller Individuen der ganzen Welt ab und wird daran gemessen.

Obwohl dies bekannt und spürbar ist, haben es die Menschen in der Welt noch nicht richtig begriffen, weil die Entwicklung in der Natur wie folgt verläuft: Das Handeln kommt vor dem Verstehen, und nur das Handeln wird dies beweisen und die Menschheit und vorantreiben.

Im praktischen Leben stehen die vier Attribute im Widerspruch zueinander

Und als würden die obigen praktischen Schwierigkeiten, die uns hilflose Menschen auf unserem Weg stören, nicht reichen, müssen wir uns zusätzlich einem weiteren Durcheinander und einem großen Kampf stellen, was die psychologischen Veranlagungen betrifft. Denn die vier oben genannten Eigenschaften Barmherzigkeit, Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden herrschen in jedem von uns vor, in besonderer Weise und in einer Gegensätzlichkeit von Mensch zu Mensch. Sie sind in der Natur der Menschen aufgeteilt worden – sei es durch Entwicklung oder durch Erziehung – und sie widersprechen sich selbst. Zum Beispiel stellen wir beim Attribut der Barmherzigkeit in seiner abstrakten Form fest, dass seine Herrschaft allen anderen Attributen widerspricht. Das bedeutet, dass es nach den Gesetzen der Herrschaft der Barmherzigkeit keinen Platz für die anderen Attribute in unserer Welt gibt.

Was ist das Attribut der Barmherzigkeit? Unsere Weisen definierten sie uns (Awot 5): „Was mein ist, ist dein, und was dein ist, ist dein – Chassid (die Eigenschaft der Barmherzigkeit).“ Und würden sich alle Menschen auf der Welt nach dieser Eigenschaft verhalten, würde das den ganzen Ruhm des Attributs der Wahrheit und des Urteils aufheben. Denn wäre jeder von Natur aus bereit, alles, was er hat, anderen zu geben und nichts von einem anderen zu nehmen, würde keine Veranlassung mehr bestehen, sich gegenseitig zu belügen. Es wäre auch irrelevant, über die Qualität der Wahrheit zu diskutieren, da Wahrheit und Unwahrheit relativ zueinander sind. Gäbe es keine Unwahrheit in der Welt, gäbe es auch keinen Begriff von Wahrheit. Es ist unnötig zu sagen, dass damit alle anderen Attribute wegfallen würden, die nur dazu dienten, das Attribut der Wahrheit wegen seiner Schwäche zu stärken.

Die Wahrheit wird durch die Worte „Was mein ist, ist mein, und was dein ist, ist dein“ definiert. Dies widerspricht dem Attribut der Barmherzigkeit und ist nicht zu tolerieren, denn in Wahrheit ist es ungerecht, sich für einen anderen abzumühen und anzustrengen. Und abgesehen davon, dass man seinen Freund im Stich lässt und ihn daran gewöhnt, andere auszubeuten, gebietet die Wahrheit, dass jeder Mensch sein eigenes Vermögen für eine Zeit der Not hütet, damit er seinem Mitmenschen nicht zur Last fallen muss.

Außerdem haben die Menschen für gewöhnlich Verwandte und Erben, die in Wahrheit vor den anderen kommen sollten, denn so schreibt es die Natur vor, und einer, der sein Eigentum anderen gibt, übervorteilt seine Verwandten und Erben, indem er ihnen nichts hinterlässt.

Außerdem widerspricht der Friede der Gerechtigkeit, denn um Frieden in der Öffentlichkeit zu schaffen, muss es Bedingungen geben, die dem Inhalt nach versprechen, dass die Flinken und Klugen, die ihre Energie und Klugheit investieren, reich werden, und die Nachlässigen und Naiven arm bleiben. So nimmt der Tatkräftigere seinen Anteil und den Anteil seines nachlässigen Freundes und genießt ein so gutes Leben, sodass für die Nachlässigen und Naiven nichts mehr für die Sicherung ihres Lebensunterhaltes übrig ist. Daher bleiben sie in vielerlei Hinsicht völlig nackt und mittellos.

Es ist gewiss ungerecht, die Nachlässigen und Unbedarften so hart zu bestrafen. Denn was ist die Sünde und was ist das Verbrechen dieser unglücklichen Menschen, wenn doch die Vorsehung ihnen Geschicklichkeit und Scharfsinn vorenthalten hat? Warum müssen sie mit schlimmeren Qualen als dem Tod bestraft werden?

Es gibt also überhaupt keine Gerechtigkeit unter den Bedingungen des Friedens. Der Frieden widerspricht der Gerechtigkeit und die Gerechtigkeit widerspricht dem Frieden. Denn wenn wir die Verteilung des Eigentums gerecht anordnen und den Nachlässigen und Naiven einen beträchtlichen Anteil der Flinken und Tatkräftigen geben, dann werden diese Mächtigen und Unternehmenslustigen gewiss nicht ruhen, bis sie die Regierung stürzen, die die Großen und Tatkräftigen versklavt und sie zugunsten der Schwachen ausbeutet. Daher gibt es keine Hoffnung für den Frieden des Kollektivs. So widerspricht die Gerechtigkeit dem Frieden.

Das Attribut der Einzigartigkeit im Egoismus bringt Ruin und Zerstörung

Sie sehen, wie unsere Eigenschaften aufeinanderprallen und sich gegenseitig bekämpfen. Nicht nur zwischen den unterschiedlichen Strömungen, sondern auch in jedem Menschen. Plötzlich beherrschen ihn die vier Eigenschaften, bzw. eine nach der anderen und kämpfen in ihm, bis es dem gesunden Menschenverstand unmöglich ist, sie zu ordnen und zu einer vollständigen Übereinstimmung zu bringen.

Die Wahrheit ist, dass die Wurzel dieser ganzen Unordnung in uns nichts anderes ist als das oben erwähnte Attribut der Einzigartigkeit, das in jedem von uns mehr oder weniger existiert.

Obwohl wir klärten, dass die Einzigartigkeit aus einem erhabenen Grund kommt und dass dieses Attribut direkt vom Schöpfer – der einzigartig in der Welt und die Wurzel aller Schöpfungen ist – auf uns übergeht, wirkt sie dennoch. Denn die Empfindung der Einzigartigkeit setzte sich in unserem engen Egoismus fest und brachte Ruin und Zerstörung, bis sie schließlich zur Quelle jeglichen Untergangs wurde, den es in der Welt gab und geben wird.

In der Tat gibt es keinen einzigen Menschen auf der Welt, der frei davon wäre, und alle Unterschiede bestehen nur in der Art und Weise, wie dieses Attribut eingesetzt wird – für die Wünsche des Herzens, für Macht oder für Ehre. Und das ist es, was die Menschen voneinander trennt.

Aber allen Menschen der Welt ist gemein, dass jeder von uns bereit ist, alle anderen mit allen Mitteln zu seinem eigenen privaten Vorteil auszubeuten. Keiner bedenkt, dass sich dieser Vorteil auf dem Ruin seines Freundes gründet. Es ist hierbei völlig gleichgültig, welche Erlaubnis sich jeder von uns selbst gibt, entsprechend der von ihm gewählten Richtung, denn der Wunsch ist die Wurzel des Verstandes und nicht umgekehrt. In Wahrheit ist der Mensch umso größer und herausragender, je größer und herausragender sein Attribut der Einzigartigkeit ist.

Die Natur der Einzigartigkeit als Gegenstand der Evolution im Kollektiv und im Individuum

Jetzt werden wir uns in die Bedingungen vertiefen, die von der Menschheit zum Zeitpunkt des Auftretens des Weltfriedens akzeptiert werden, und erfahren, wie gut diese Bedingungen dem Einzelnen und der Allgemeinheit ein Leben in Glück bringen. Und auch die Bereitschaft der Menschheit, endlich diese besonderen Bedingungen auf sich nehmen zu wollen.

Kommen wir noch einmal auf die Einzigartigkeit im Herzen eines jeden Menschen zurück, die sich anschickt, die ganze Welt zu ihrem eigenen Vergnügen zu verschlingen. Ihre Wurzel reicht direkt von dem Einzigartigen zu den Menschen, die Seine Zweige sind. Hier gibt es Fragen, die nach Antwort verlangen: Wie kann es sein, dass eine so verdorbene Form in uns auftaucht, um Vater allen Unheils und Verderbens in der Welt zu werden? Und wie kann aus der Quelle jeglicher Schöpfung die Quelle jeglicher Zerstörung hervorgehen? Wir können solche Fragen nicht unbeantwortet lassen.

In der Tat hat die Medaille der oben erwähnten Einzigartigkeit zwei Seiten. Betrachtet man sie aus der Perspektive ihrer Gleichwertigkeit mit dem Einzigartigen, so wirkt sie nur in Form des Gebens an andere, denn der Schöpfer gibt nur und hat nichts von der Form des Empfangens. Es fehlt Ihm an nichts und Er muss auch nichts von Seinen Geschöpfen empfangen. Daher kann die Einzigartigkeit, die sich von Ihm aus auf uns erstreckt, in uns auch nur in der Form des Gebens an andere wirken, und keineswegs, um für uns selbst zu empfangen.

Mittels der zweiten Seite dieser Medaille stellen wir fest, dass sie in die völlig entgegengesetzte Richtung wirkt – im ausschließlichen Empfangen für sich selbst – wie zum Beispiel der Wunsch, der reichste Mensch der Welt zu sein. Die beiden Seiten sind also so weit voneinander entfernt wie der Osten vom Westen.

Dies gibt uns die Antwort auf unsere Frage, wie aus der Einzigartigkeit des Schöpfers – der Quelle jeglicher Schöpfung – die Quelle jeglicher Zerstörung hervorgehen kann: Das ist deshalb so, weil wir dieses kostbare Werkzeug in die entgegengesetzte Richtung benutzen, nämlich um uns selbst zu füllen.

Ich sage nicht, dass die Einzigartigkeit in uns niemals in Form der Selbsthingabe wirken wird, denn zweifellos gibt es unter uns bereits Menschen, deren Einzigartigkeit sich in Selbsthingabe ausdrückt, wie zum Beispiel diejenigen, die ihr Geld für das Gemeinwohl ausgeben, oder all ihre Bemühungen dem Gemeinwohl widmen, usw.

Und die beiden Seiten der Medaille, die ich beschrieben habe, sprechen nur von zwei Punkten in der Entwicklung der Schöpfung, die jedes Objekt zu seiner Vollkommenheit bringt. Ausgehend von einer Abwesenheit, steigt es allmählich durch die Entwicklungsstufen auf, von einer Stufe zu einer höheren und von dort zu einer noch höheren, bis es die endgültige Höhe erreicht, d.h. das Maß an Vollkommenheit, das für es vorher bestimmt wurde, und dort bleibt es für immer bestehen.

Die Reihenfolge der Entwicklung dieser beiden Punkte ist wie folgt: a) Der Ausgangspunkt ist die niedrigste Stufe, die nahe an der völligen Abwesenheit liegt. Er wird als die zweite Seite der Medaille beschrieben; b) Der Endpunkt, der der höchste Punkt ist, an dem er für immer bestehen bleibt. Er wird als die erste Seite der Medaille beschrieben.

Das Zeitalter, in dem wir heute leben, ist bereits in hohem Maße entwickelt und um viele Stufen gestiegen. Sie hat sich längst über ihre niedrigste Stufe, die oben erwähnte zweite Seite, erhoben und kam der ersten Seite deutlich näher.

Aus diesem Grund gibt es bereits Menschen unter uns, die ihre Einzigartigkeit dazu nutzen, anderen zu geben. Da wir uns jedoch noch mitten auf dem Weg der Entwicklung befinden, sind es erst wenige. Am höchsten Punkt der Stufen jedoch werden wir alle unsere Einzigartigkeit nur noch in Form des Gebens an andere einsetzen. Niemand wird sie mehr für das Empfangen für sich selbst einsetzen.

Nach dem Oben gesagten haben wir nun die Gelegenheit, die Bedingungen für das Leben in der letzten Generation zu untersuchen: Die Zeit des Weltfriedens, wenn die gesamte Menschheit das Niveau der ersten Seite erreicht haben und ihre Einzigartigkeit ausschließlich zum Geben an andere nutzen wird, anstatt für sich selbst zu empfangen. Und es ist gut, die oben genannte Art zu leben zu kopieren, damit sie uns als Lehre und Vorbild diene, um unseren Geist in stürmischen Zeiten zu beruhigen; vielleicht ist es aber auch schon in unserer Generation lohnend und möglich, damit zu experimentieren, uns dieser oben genannten Art zu leben anzunähern.

Die Lebensbedingungen in der letzten Generation

Zuerst muss jeder gründlich verstehen und seiner Umgebung erklären, dass der Frieden in der Gesellschaft, welcher der Frieden im Staat und der Frieden in der Welt ist, vollständig voneinander abhängig sind. Denn solange die Gesetze der Gesellschaft nicht für jedes einzelne Individuum im Staat zufriedenstellend sind und eine Minderheit übrigbleibt, die mit der Staatsführung unzufrieden ist, wird diese Minderheit versuchen, die Staatsführung zu untergraben und sie zu stürzen.

Wenn ihre Macht nicht ausreicht, um die Regierung von Angesicht zu Angesicht zu bekämpfen, wird diese Minderheit versuchen, sie indirekt zu stürzen, etwa indem sie die Staaten gegeneinander aufhetzt und in den Krieg treibt. Denn in Kriegszeiten gibt es bekanntermaßen viel mehr unzufriedene Menschen, und die Minderheit hofft darauf, mit diesen eine kritische Masse zu erreichen, um die Regierung des Staates zu stürzen und eine neue, für sie angenehme Führung einzusetzen. Daher ist der Frieden des Einzelnen ein direkter Faktor für den Frieden des Staates.

Berücksichtigt man darüber hinaus die Berufssoldaten und die Rüstungsindustrie, die den Krieg als ihr Handwerk und einzige Hoffnung auf Erfolg betrachten und die in Bezug auf die Gesellschaft ebenfalls eine wichtige Minderheit darstellen und fügt man ihnen die unzufriedene Minderheit aufgrund der geltenden Gesetze hinzu, haben wir ständig eine große Mehrheit vor uns, die sich nach Krieg und Blutvergießen sehnt.

Daher hängen der Frieden in der Welt und der Frieden im Staat voneinander ab. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass auch die Flinken und Klugen, die gegenwärtig mit dem Leben zufrieden sind, aufgrund der Spannungen mit jenen, die sie zu stürzen trachten, um die Sicherheit ihres Lebens besorgt sein müssen. Würden sie den wahren Wert des besagten Friedens verstehen, wären sie glücklich, die Lebensweise der letzten Generation zu übernehmen, denn „alles, was ein Mensch hat, wird er für sein Leben geben“.

Schmerz vs. Vergnügen im Empfangen für sich selbst

Wenn wir also den obigen Plan gründlich untersuchen und verstehen, sehen wir, dass die ganze Schwierigkeit darin liegt, unsere Natur von dem Wunsch, für uns selbst zu empfangen, zu dem Wunsch, anderen zu geben, zu verändern, da diese beiden Dinge sich gegenseitig ausschließen.

Auf den ersten Blick erscheint der Plan utopisch und über der menschlichen Natur zu stehen. Aber wenn wir uns näher mit der Materie befassen, stellen wir fest, dass der ganze Widerspruch zwischen dem Empfangen für sich selbst und dem Geben an andere nur ein psychologischer ist, denn in der Tat geben wir anderen, ohne selbst davon zu profitieren. Denn obwohl sich das Empfangen für uns selbst auf verschiedene Weise manifestiert, wie Eigentum und Besitz, die sowohl Herz, Auge als auch Gaumen begehren, kann man alle diese Dinge mit einem Begriff zusammenfassen: „Vergnügen“. Das Wesen des Empfangens für sich selbst ist also nichts anderes als der Wunsch nach Vergnügen.

Und nun, stelle dir vor, wenn wir alle Freuden, die ein Mensch während seiner siebzig Lebensjahre erlangt, auf die eine Seite legen und alle Schmerzen und Leiden, die er erträgt, auf die andere Seite, so dass, wenn er die Rechnung vor Augen hätte, er es vorziehen würde, nicht geboren zu werden.

Wenn dies also der Fall ist, welchen Genuss erlangt der Mensch in unserer Welt? Wenn wir annehmen, dass er zwanzig Prozent Vergnügen in seinem Leben erreicht, im Vergleich zu achtzig Prozent Leiden, dann, wenn wir dies gegeneinander aufwiegen, bleiben sechzig Prozent Leiden ohne jegliche Gegenleistung.

Allerdings ist alles oben Gesagte eine individuelle Berechnung, die gilt, wenn man für sich selbst arbeitet. Stellt man eine globale Gesamtrechnung an, dann produziert das Individuum mehr, als es für seinen Lebensunterhalt und seinen Genuss erhält. Wenn sich also die Ausrichtung ändert – vom Empfangen für sich selbst in Geben – dann wird das Individuum den gesamten Ertrag, den es produziert, genießen, ohne viel Leiden.

 

korr, EY, 26.10.2023

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