Der Leuchtturm

Ich kann mich glücklich schätzen, eine junge, hübsche, gesunde Frau und als Einzelkind in Westeuropa geboren worden zu sein. Trotzdem war mein Leben nicht immer einfach und ich bin mit meinem 25 Jahren schon durch viele schwierige Zeiten gegangen.

Scheidung meiner Eltern, weg von meinem Zuhause, Mobbing in der Schule und das ständige Gefühl, anders zu sein. Mutter, Vater, Großmutter – sie alle hatten Krebs.. Meine Mutter starb nach harten Monaten voller Angst, Verzweiflung und Wut, als ich 20 war.

Ich ging damals zum Psychologen, verzichtet aber auf Medikamente, denn ich wollte die vollkommene Leere spüren und diese Erfahrung nüchtern und bewusst durchleben.

Mittlerweile sind fünf Jahre vergangen und mein Leben hat sich gewendet. Ich bin nicht mehr dieses traurige, verlorene Mädchen von damals. Ich fühle mich wieder lebendig. Es gibt keine Fernsehserie, die ich unbedingt sehen muss, wenn ich nach Hause komme. Ich habe keine Freunde mehr, mit denen ich nur über Dritte klatsche oder Smalltalk betreibe. Meine Haare haben wieder ihre natürliche Farbe zurück und ich schminke mich nur noch zu besonderen Anlässen. Schön zu sein, ein teures Auto zu haben, bekannt zu sein und um jeden Preis gemocht zu werden – auch wenn das bedeutet, sich komplett zu verstellen – ist für mich nicht mehr das wichtigste auf der Welt.

Doch wie kam es dazu?

Ich bin nach dem Tod meiner Mutter und den darauf folgenden Tiefschlägen zurück in meine Heimat gegangen. Zurück zu meinem Vater und seiner Frau, von denen ich mich in meiner Jugend immer mehr entfernt hatte. Mein großes Glück – die beiden studieren seit Jahren die Kabbala. Schon als ich noch klein war, waren sie schon Kabbala Studenten. So habe ich immer ein bisschen was davon abbekommen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich damals unbedingt eine CD von Yosef Karduner haben wollte, weil ich das gemeinsame Singen der Erwachsenen so cool fand. Noch heute kann ich die Hälfte der damaligen Kabbala-Lieder auswendig.

Ich hatte das große Glück, mich mit meiner Familie über das Geschehene und was ich damit anfangen sollte, unterhalten zu können, und sie verstanden mich. Schritt für Schritt klärten sich vieles quasi von alleine. Ich habe die Weisheit der Kabbala nie selbst studiert, sondern war einfach in einer „guten Umgebung“ gelandet. Unsere Gespräche und die Antworten, die die Kabbala auf meine Fragen gab, waren Balsam für meine Seele. Sie haben mir einen Weg gezeigt, der mein Herz berührte und der zu einem Leitfaden für meine neue Welt wurde.

Und das habe ich bis jetzt verstanden:

Ich kann nichts ändern außer mich selbst und meine Ansichten, denn alles außerhalb von mir existiert nur in meiner eigenen subjektiven Wahrnehmung

Jeder kritisiert gemäß seiner eigenen Unkorrigiertheit

Das Ergebnis liegt nicht bei mir, nur die Bemühung

In einer dualen Welt ist alles gleich gut wie auch schlecht, es liegt nur am Blickwinkel

Niemand hat eine Freiheit! Bedenke dies bevor du urteilst! Und ich muss nicht den Text von Baal HaSulam gelesen haben, um das zu erkennen. Wenn man genau darüber nachdenkt wie viele freie Entscheidungen man in seinem Leben getroffen hat, wird einem das Prinzip schnell klar. Denn niemand von uns konnte sich seine Eltern, seinen Geburtsort, seine Rasse, sein Geschlecht, seinen Körper, seine Erziehung, sein Umfeld in der Kindheit usw. selbst frei aussuchen. Und all das, was wir durchlebten, uns aber nie ausgesucht haben, macht uns zu dem Erwachsenen, der wir jetzt sind.

Wenn dich etwas stört, überlege, ob es nur dich und dein Ego stört oder ob es wirklich relevant ist und Schaden für andere bedeutet.

Ich versuche nun auf diesem Weg zu bleiben, der mir so gut tut. Auch wenn er oft sehr unbequem ist. Aber ich komme immer wieder dahinter, dass meine negative Emotionen nur mit mir selbst und meinem Ego zusammenhängen: Ich fühle mich in meinem Stolz verletzt.. Muss zugeben, dass ich unrecht hatte.. Habe etwas verloren, das für mich wichtig war.. Und wenn man all diese negativen Gefühle von der Seite betrachtet und den Leitfaden nicht außer Acht lässt, entdeckt man, dass wir scheinbar alle das gleiche Problem haben:

Wir leben in 7 Milliarden kleinen Welten, in der jeder einzelne für sich seine subjektive Meinung zur Wahrheit erhebt. Und unser Ego ist König über diese Wahrheiten und Meinungen.

Obwohl ich nicht religiös erzogen wurde und mir auch nie ein Bild von Gott aufgezwungen wurde, glaube ich an den Schöpfer. Oder vielleicht gerade deswegen. Durch meine Erfahrungen konnte ich meine eigene Beziehung zu Gott knüpfen. Sie ist allgegenwärtig und wichtig für mich. Ich fühle mich durch dieses Band beschützt.

Vor fünf Jahren stand ich vor einem Scherbenhaufen, doch heute bin ich glücklich und lebe meinen Kindheitstraum – ich bin selbständig und arbeite dabei hauptsächlich draußen in der Natur und mit Tieren. Menschen, die nicht an Gott oder ähnliches glauben können, sagen mir, „Das war Zufall“ oder einfach nur „Glück“. Ich stell mir dann die Frage, woher mir denn dieses Glück zu-gefallen ist.

Ob Glück, Zufall, Vorhersehung, Gottes Wille oder was auch immer. Ich weiß, dass alles was mir passierte, notwendig war, um mich zu dieser jungen Frau zu machen. Andernfalls hätte ich die Kehrseite der Medaille nie gesehen, hätte nie gelernt „richtig und falsch“ von „süß und bitter“ zu unterscheiden. Dann wäre ich nicht da, wo ich heute bin.

Ich bin so dankbar, dass ich das Leben mittlerweile so sehen kann und mein Blick langsam aber sicher klarer wird. Mein Glaube an den Schöpfer und dass alles einen Sinn hat, ist mein Leuchtturm in schwierigen Zeiten.

Jetzt, zu Zeiten der Corona Pandemie, zeigt sich das besonders. Früher hätte mich die nackte Angst gepackt. Schließlich trifft es mich als Selbstständige momentan besonders hart. Aber aus irgendeinem Grund bin ich ruhig und kann nachts noch gut schlafen.

Ich habe keine Ahnung, was der wahre Grund für die vielen Sanktionen und Verordnungen ist. Natürlich habe ich eine Meinung dazu, aber wer sagt mir, dass meine Meinung richtig ist? In den letzten Tagen und Wochen wurden so viele Informationen ausgerufen, geändert, und wieder zurück genommen. Das verunsichert natürlich und bietet viel Raum für viele Wahrheiten. Die Social Media Plattformen sind momentan voll davon. Das Corona Virus ist mittlerweile zu einer globalen Angelegenheit geworden.

Unser System geht unter. Unser Haus brennt gerade nieder. Und als Bewohner dieses Hauses frage ich mich, ist es wirklich wichtig, wer das Haus in Brand gesteckt hat? Wie viele Bretter in Flammen stehen? Über welche Bretter sich der Brand im Haus ausgebreitet hat? Ich fände es wichtiger, darüber nachzudenken, was wir tun sollten, nachdem der Brand gelöscht ist. Und wie unser neues Haus aussehen soll. Und vielleicht sollte man sich auch Brandschutzmaßnahmen für die Zukunft überlegen.

Ich bin keine aktive Kabbala Studentin, habe keine Ahnung von alte Schriften und mit Sicherheit bin ich weit entfernt von „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“. Mit diesem Text wollte ich nur meine Geschichte erzählen und darauf aufmerksam machen, dass es nicht schlimm ist, wenn nicht alle Menschen die alten kabbalistischen Schriften kennen, sich nicht regelmäßig in Zehnern treffen oder Unterrichte von Michael Laitman hören.

Es ist nur wichtig, dass es jemand tut! Denn dieser Jemand hat Familie und Freunde und so können sich einzelne Wege plötzlich verändern, in die gleiche Richtung weisen und sich viele Wahrheiten vielleicht sogar zu einer vereinen.

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