Die traurige Wahrheit über unsere Existenz und was wir dagegen tun können

Von Dr. Michael Laitman

Die meisten von uns sind sich der Beweggründe für ihr Handeln nicht bewusst. Wir gehen sozusagen „auf Autopilot“ durchs Leben und denken selten darüber nach, was uns dazu veranlasst, zu tun, was wir tun, zu sagen, was wir sagen, und zu denken, was wir denken. Dafür gibt es einen guten Grund: Niemand will erkennen, dass die Motivation für unser Handeln Angst ist. Wir sind ständig auf der Flucht, und der Gedanke daran ist unerträglich.

Einer meiner Nachbarn in dem Mietshaus, in dem ich wohne, hat große Angst vor seiner Bank. Er ist hoch verschuldet, und die Bank könnte jederzeit alle seine Zahlungen und Daueraufträge sperren. Ein anderer Nachbar hat schreckliche Angst vor der Polizei. Er wurde wegen Trunkenheit am Steuer festgenommen und hat Angst, dass die Polizei kommt und seine Wohnung durchsucht. Vor allem aber befürchtet er, dass die Polizei mit Durchsuchungsbefehlen in sein Büro kommen und ihn vor seinen Kollegen blamieren könnte.

Uns allen geht es so, wir haben Angst vor etwas, vor vielen Dingen. Wir haben Angst davor, was die Leute von uns denken und was sie über uns sagen werden. Wir haben auf so vielen Ebenen Angst um unsere Kinder, dass wir es nicht einmal ansatzweise beschreiben können. Wir haben Angst vor dem Virus, dem Klima, vor Terroristen, Angst davor, von anderen, Kollegen und Chefs ausgenutzt zu werden, und wir sorgen uns um unsere und die Zukunft unserer Kinder.

Kurz gesagt, wir sind unfreiwillig in ein Netzwerk von Ängsten verstrickt, das unser Leben in jedem einzelnen Moment gestaltet und bestimmt. Aber gerade durch dieses Netzwerk haben wir das Gefühl, dass wir am Leben sind, dass wir existieren. Der Druck, dem wir von allen Seiten ausgesetzt sind – ausgehend von der unbelebten über die pflanzliche und tierische bis hin zur menschlichen Stufe – lässt uns diese Welt und uns selbst in ihr spüren.

Allerdings ist es ein negatives Gefühl. Wir haben Angst vor allem. Wir versuchen, das Leben zu genießen, aber alles, was wir bekommen, ist Druck von der Regierung, der Bank, dem Boss, den Kindern, der Sozialversicherung und so weiter. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir uns glücklich schätzen, wenn uns nichts und niemand mehr stört. Aber dies bedeutet nicht Glück, sondern lediglich die Abwesenheit von Leid.

Wir können nicht aufhören, Angst zu haben; so ist die Welt und so sind wir aufgebaut. Wir können jedoch ändern, was uns Angst macht, was wiederum unsere Gefühle verändern wird.

Wir sind Wesen, die nach Genuss streben. Wir haben Angst davor, möglicherweise verletzt zu werden oder nicht genießen zu können. Daher hängt unsere Angst davon ab, was wir genießen wollen. Wenn wir andere Dinge als bisher genießen wollen, werden wir uns vor anderen Dingen fürchten, und unser ganzes Weltbild, ja unsere ganze Welt, wird sich entsprechend verändern.

Der Trick, um aus dem deprimierenden, traurigen Zustand unserer Existenz herauszukommen, besteht darin, uns nicht mehr auf uns selbst, sondern auf die anderen zu konzentrieren. Betrachten wir doch einmal Mütter, die sich auf die Erziehung ihrer Kinder konzentrieren. Sowohl Menschen- als auch Tiermütter geben ein großartiges Beispiel für den Mut und die Kraft, die sie aus der Fürsorge für andere, nämlich ihre Jungen, schöpfen.

Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen. Die Liebe einer Mutter entspringt der Natur, aber die Liebe zu Fremden erfordert Training und Übung und bedarf eines breiten gesellschaftlichen Konsenses. Doch genau das brauchen wir heute, und zwar dringend. Wir müssen lernen, Angst davor zu haben, uns nicht genug zu kümmern, nicht genug zu geben. Unser Druck muss der Druck liebender Mütter sein – jener Druck, der Leben hervorbringt – und nicht der Druck von Feinden, die ihre Gegner vernichten wollen. Der Letztgenannte ist jener, den wir jetzt verspüren, und er bringt uns und die Welt, in der wir leben, um.

Wir befinden uns in einem verzweifelten Zustand. Weder unser Planet noch die Menschheit werden den negativen Druck, den wir aufeinander und auf die Umwelt ausüben, noch lange aushalten können. Wenn wir unsere Sorgen und Ängste nicht von der Sorge um uns selbst auf die Sorge um andere verlagern, wird unser egozentrischer Fokus unsere eigene Zerstörung herbeiführen.

Mehr zu diesem Thema findet man in meinem Buch, 𝑆𝑒𝑙𝑓-𝐼𝑛𝑡𝑒𝑟𝑒𝑠𝑡 𝑣𝑠. 𝐴𝑙𝑡𝑟𝑢𝑖𝑠𝑚 𝑖𝑛 𝑡ℎ𝑒 𝐺𝑙𝑜𝑏𝑎𝑙 𝐸𝑟𝑎.

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