1988/32 Was sind die beiden Handlungen während eines Abstiegs?
korrigiert, EY, 15.08.2023
Unsere Weisen schrieben in Chulin (S. 7b): „Rabbi Hanina sagte: ‚Ein Mensch wird unten keinen Finger heben, es sei denn, er wird von Oben gerufen’, so wie gesagt wurde (Psalm 37): ‚Der Schöpfer legt die Schritte des Menschen fest’, und wie kann der Mensch seinen Weg verstehen?'“
Es ist notwendig herauszufinden, worauf unsere Weisen bezüglich der spirituellen Arbeit hingewiesen haben, damit wir verstehen, dass „ein Mensch unten keinen Finger heben wird, es sei denn, er wird von Oben gerufen“.
Um dies herauszufinden, müssen wir uns immer an den Zweck der Schöpfung und die Korrektur der Schöpfung erinnern, die zwei gegensätzliche Dinge sind. Der Zweck der Schöpfung besteht darin, dass die Geschöpfe Freude und Genuss vom Schöpfer empfangen, wie gesagt wurde, dass sein Verlangen darin besteht, seinen Geschöpfen Gutes zu tun. Die Korrektur des Geschöpfes ist das genaue Gegenteil – dem Schöpfer Gutes zu tun. Das bedeutet, dass der Zweck der Schöpfung das Wohl der Geschöpfe ist, während die Korrektur der Schöpfung darin besteht, dass die Geschöpfe immer nur an das Wohl des Schöpfers denken. Solange die Geschöpfe diese Stufe noch nicht erreicht haben – d.h. sie brauchen nichts um ihrer selbst willen und wollen einzig so leben, dass ihre Handlungen dem Schöpfer zugute kommen – und sie immer noch zu ihrem eigenen Nutzen leben wollen, sind die Geschöpfe nicht in der Lage, den Genuss und die Freude zu empfangen, die der Schöpfer ihnen geben wollte.
In der Arbeit in lishma [um Ihretwillen] werden Belohnung und Bestrafung daran gemessen, wie viel sie dem Schöpfer zurückgeben wollen. Das heißt, wenn sie dem Schöpfer etwas geben wollen, nennen sie es „Belohnung“. Und wenn sie sehen, dass sie nur ihren eigenen Nutzen wollen und sich gar nicht danach sehnen können, um des Schöpfers willen zu arbeiten, betrachten sie das als Strafe.
Aus dem Gesagten folgt, dass es zwei Möglichkeiten gibt, wenn ein Mensch spürt, dass er sich in einem Zustand des Abstiegs befindet, d.h. dass er kein Verlangen und Streben hat, dem Schöpfer etwas zu geben:
1.) Er empfindet in diesem Zustand keinerlei Leid oder Schmerz – er befindet sich in einem Zustand der Niedrigkeit. Vielmehr akzeptiert er die Situation und beginnt, seine Befriedigung in Dingen zu suchen, die er bereits als Müll und für den menschlichen Verzehr ungeeignet eingestuft hatte. Aber jetzt sieht er, dass er aus spirituellen Angelegenheiten keine Lebenskraft schöpfen kann, weil ihm der Geschmack der Spiritualität abhanden gekommen ist, also will er in der Zwischenzeit leben und aus der Körperlichkeit Befriedigung schöpfen. Er sagt: „Ich warte auf eine Zeit, in der ich ohne Überwindung arbeiten kann. Das heißt, wenn mir ein Erwachen von Oben zuteil wird, werde ich zur Arbeit zurückkehren. In der Zwischenzeit möchte ich in dem Zustand bleiben, in dem ich mich befinde.“
2.) Wenn er sich in einem Zustand des Abstiegs befindet, empfindet er Schmerz und Mangel, weil er aus einem Zustand gefallen ist, von dem er dachte, er sei damit belohnt worden, dass er wie ein Mensch ist. Das heißt, die Nahrung, die ihn ernährte und aus der er seine ganze Lebenskraft bezog, stammte einzig von Dingen, die nicht mit Tieren verwandt sind. Er dachte, dass er bald in den Palast des Königs aufgenommen und damit belohnt würde, den Geschmack von Tora und Mizwot [Geboten/guten Taten] zu kosten. Aber ohne sich dessen bewusst zu sein oder sich darauf vorzubereiten, sieht er, dass er sich in einem bodenlosen Abgrund befindet, von dem er nie dachte, dass er existiert.
Mit anderen Worten: Nachdem er zu der klaren Erkenntnis gelangt ist, dass er seine Bestimmung im Leben bereits kennt, sieht er [sich] nun in der Gesellschaft von Katzen, die in der Nähe von Mülltonnen stehen und den von den Menschen weggeworfenen Abfall fressen, weil es für die Menschen nicht genießbar ist, da er nicht als menschliche Nahrung geeignet ist. Aber jetzt genießt er selbst diesen Fraß, von dem er selbst, als er noch ein „Mensch“ war, sagte, dass ein solches Leben Müll ist. Aber jetzt isst er selbst den Abfall, den er weggeworfen hat. Wenn er also seine Niedrigkeit betrachtet, ruft das in ihm Schmerz und Leid über den Zustand hervor, in den er geraten ist.
Doch manchmal setzt ein Mensch dem Ganzen noch eins drauf. Das heißt, er ist nicht nur in einen Zustand der Niedrigkeit geraten, sondern er verfällt auch noch in Verzweiflung und sagt, dass er nicht glauben kann, dass der Schöpfer das Gebet eines jeden Mundes erhört. Stattdessen sagt er zu diesem Zeitpunkt: „Da ich schon mehrmals auf der höchsten Stufe stand und ich mehrmals in diesen Zustand gefallen bin, muss ich zu dem Schluss kommen, dass diese Arbeit nichts für mich ist. Ich bin der Meinung, dass diese Arbeit nichts für mich ist, denn soweit ich sehen kann, hat das alles kein Ende, und diese Situation kann mein ganzes Leben lang andauern. Warum sollte ich mich deshalb vergeblich abmühen und hoffen, dass der Schöpfer mich endlich erhört? Schließlich lernt jeder aus seiner Vergangenheit, aus dem, was ihm [früher] widerfahren ist.“ Diese Verzweiflung treibt ihn von der Arbeit fort und er will dem Schlachtfeld entfliehen.
Doch der Mensch muss zwei Dinge glauben, denn nur so kann er in der spirituellen Arbeit vorankommen: 1.) Alle Abstiege, die fremden Gedanken, die er in der Arbeit hat, kommen nicht von ihm selbst. Vielmehr kommen sie alle vom Schöpfer. Das heißt, der Schöpfer hat ihm diese Zustände geschickt, und es gibt keine andere Kraft auf der Welt. Es ist so, wie Baal HaSulam sagte, dass der Mensch glauben muss, dass es keine andere Kraft in der Welt gibt und alles vom Schöpfer kommt (siehe Shamati, Nr. 1, „Es gibt nichts außer Ihm“).
In der Tat sollten wir verstehen, warum der Schöpfer diese Zustände schickt, denn das ist sehr ungewöhnlich, denn unsere Weisen sagten: „Wer kommt, um sich zu reinigen, dem wird geholfen.“ Aber hier sehen wir das Gegenteil: Statt dass ihm geholfen wird und er jeden Tag sieht, dass er vorwärts geht, sieht er, dass er rückwärts geht, d.h. er sieht jedes Mal, wie sehr er in selbstsüchtige Liebe versunken ist, d.h. statt jeden Tag dem Wunsch zu geben näher zu kommen, sieht er jeden Tag, dass er der selbstsüchtigen Liebe näher kommt.
Mit anderen Worten: Bevor er mit der Arbeit des Gebens begann, kannte er den Geschmack und das Vergnügen der Selbstliebe nicht. Er dachte, dass er, wann immer er wollte, seinen Willen, für sich selbst zu empfangen, sofort aufheben und ohne jegliche Belohnung für sich selbst arbeiten könnte. Aber jetzt sieht er, dass er ohne die Erlaubnis seines Verlangens um zu Empfangen keinen einzigen Schritt machen kann. Er ist in einen Zustand geraten, den unsere Weisen so beschreiben: „Ein Frevler steht unter der Herrschaft seines Herzens.“ Ein Gerechter hingegen „stellt sein Herz unter seine Herrschaft“. „Herz“ bedeutet Verlangen. Das heißt, dass er im Exil ist und der Wille, für sich selbst zu empfangen, die absolute Kontrolle über ihn hat und er völlig machtlos ist, sich gegen sein Herz zu stellen, das „Wille zum Empfangen“ genannt wird. Das ist die Bedeutung der Worte: „Ein Frevler steht unter der Herrschaft seines Herzens.“
Doch die Frage ist: Wer gilt als „Frevler“, dass wir sagen können, dass er unter der Herrschaft seines Herzens steht? Genau dann, wenn ein Mensch in den Zustand gekommen ist, dass er sieht, dass er „seinen Schöpfer anklagt“, weil er die Tora und die Gebote nicht um des Gebens willen erfüllen kann, sondern sieht, dass er von selbstsüchtiger Liebe durchdrungen ist, und wenn sein Herz ihm sagt: „Tu, was ich dir sage!“, folgt er ihm gedankenlos und hat nicht einmal Zeit, darüber nachzudenken, was er da tut. Unsere Weisen nennen das so: „Ein Mensch sündigt nicht, wenn nicht ein Geist der Torheit in ihn gefahren ist.“ Und erst dann, nachdem er eine Handlung begangen hat, wundert er sich, welche Torheit er begangen hat. Und erst dann, in diesem Zustand, sieht der Mensch, was die Weisen sagten: „Ein Frevler steht unter der Herrschaft seines Herzens.“
Die Antwort auf die Frage „Warum hat der Schöpfer ihm die Zustände der Niedrigkeit geschickt?“ ist, dass der Mensch die Wahrheit erkennt, nämlich, dass der Wille zu empfangen bereit ist, die Eigenliebe zu steigern, dass er auf nichts Rücksicht nimmt und alles, was ihm selbst Freude bereiten kann, zu tun bereit ist.
Daraus folgt, dass der Schöpfer ihm jedes Mal hilft, seinen wahren Zustand zu erkennen, d.h., was in seinem Herzen verborgen war und er nicht als seine Krankheit gesehen hat. Deshalb kam die Hilfe des Schöpfers und offenbarte ihm die Schwere der Krankheit. Mit anderen Worten: Wir brauchen nicht zu glauben, dass der Wille zu empfangen eine schlechte Sache ist. Stattdessen sieht er es jetzt selbst. Das ist vergleichbar mit einem Menschen, der merkt, dass etwas mit ihm nicht stimmt, und ins Krankenhaus geht, um sich untersuchen und röntgen zu lassen. Die Tests zeigen ihm, dass er an bestimmten Krankheiten leidet, zum Beispiel am Herzen und auch an der Lunge. Die Familienmitglieder beschweren sich bei der Krankenhausleitung und sagen: „Wir haben einen Menschen mit leichtem Fieber gebracht, der keine gefährlichen Krankheiten hat, und ihr, also eure Ärzte und die Radiologen, habt unserem Sohn tödliche Krankheiten zugefügt.“
So ist es auch bei uns. Unser Wille zu empfangen schien nicht so schlecht, dass es gefährlich war. Als wir hier zur Arbeit kamen, wurde uns gesagt, dass wir ziemlich bald die Vollkommenheit über das erreichen würden, was wir für das Böse in uns hielten. Aber plötzlich, nach den Tests und Untersuchungen, die jeder durchführt, sehen wir, dass das Böse in uns sehr gefährlich ist, dass es uns töten und dazu führen kann, dass wir unser spirituelles Leben verlieren.
Wie in der Körperlichkeit sollten wir dem Krankenhaus dafür danken, dass es die Krankheiten, also das Böse in unserem Körper, diagnostiziert hat. Genauso sollten wir dem Schöpfer dafür danken, dass er uns die Gefahr des Bösen in uns offenbart hat, die in Wirklichkeit eine tödliche Gefahr ist, die uns unser spirituelles Leben kosten kann. Und natürlich sollten wir dem Schöpfer dafür danken, dass er uns geholfen hat, die Krankheit zu entdecken, an der wir leiden, denn vorher dachten wir, dass wir nur ein bisschen krank sind, aber der Schöpfer hat uns die Wahrheit offenbart. Daraus folgt, dass wir Fortschritte gemacht haben, um die Wahrheit zu erkennen, d.h. die wahre Form des Bösen in uns.
So können wir erkennen, was wir über die spirituelle Arbeit gefragt haben: „Ein Mensch wird unten keinen Finger heben, es sei denn, er wird von Oben gerufen“. Ein „Finger“ bedeutet, dass ein Mensch etwas innerhalb des Verstandes sieht, so wie es geschrieben steht: „Ein jeder zeigt mit seinem Finger“, oder aus den Worten „mit dem Finger zeigen“. „Heben“ bedeutet einen Mangel von unten. Das heißt, ein Mensch, der sich mangelhaft fühlt, dass seine Bedeutung gering ist, also er weit vom Schöpfer entfernt ist, bekommt dieses Bewusstsein erst, wenn es von Oben verkündet wird.
Und was von “Oben” bedeutet, dafür gibt es zwei Erklärungen:
1.) „Er wird von Oben gerufen“ bedeutet, dass es von der persönlichen Vorsehung zu ihm kam. Das heißt, es kann nicht gesagt werden, dass er sich nicht vor dem „Heben“ [des Fingers] bewahrt hat, d.h. dass er nicht auf den Körper aufgepasst hat. Uns wurden Gesetze gegeben, nach denen der Mensch sich vor Schaden bewahren soll, damit der Körper keinen Schaden erleidet, aber er war nicht achtsam, so dass sein Körper einen Mangel empfing, der „Heben“ genannt wird.
Doch selbst wenn er sich mit hundert verschiedenen Vorsichtsmaßnahmen geschützt hätte, hätte ihm nichts geholfen, denn eine solche Entscheidung wurde von Oben über ihn getroffen. Wie Raschi erklärt, „‚Sie verkündeten‘ – sie trafen eine Entscheidung über ihn.”
Mit anderen Worten: Es ist eine Entscheidung von Oben, und den Menschen trifft keine Schuld. Dennoch könnten wir fragen: Warum wurde er von Oben dazu verurteilt?
2.) „Von Oben“ bedeutet, dass dies von großer Bedeutung ist. Das heißt, der Mensch hat einen Mangel in seiner Arbeit empfangen, den er innerhalb des Verstandes gemacht hat, was man „den Finger von unten heben“ nennt. Mit anderen Worten, er sieht jetzt, dass er sich in einem Zustand der Niedrigkeit befindet, das heißt, er sieht, dass er in Angelegenheiten der Arbeit auf dem Weg der Wahrheit nackt und mittellos ist.
Das wirft die Frage auf, ob er seine Niedrigkeit sah, weil er das Einhalten von Tora und Mizwot nicht befolgte, oder ob es andersherum war – weil er mit verstärkter Energie an die Arbeit ging, was ihn in einen Zustand des Abstiegs brachte, den man „den Finger von unten heben“ nennt? Wir sollten sagen, dass es dazu kam, weil er sich mehr in der Arbeit angestrengt hat. Nach der Regel, dass eine Mizwa [Gebot/gute Tat] eine Mizwa hervorruft, hätte er sehen müssen, dass er sich in einem Zustand von „Oben“ befand, warum also ist er in einem Zustand von „unten“?
Die Antwort ist, dass es „von Oben“ verordnet wurde. Das heißt, dass er von Oben dazu verurteilt wurde, an einen Platz großer Bedeutung aufgenommen zu werden. Aus diesem Grund wurde ihm der wahre Zustand des Bösen in ihm gezeigt, damit er weiß, wofür er beten soll. Es ist sicherlich ein Unterschied, wenn wir in der Körperlichkeit sehen, dass ein Mensch kommt, um jemanden zu bitten, ihm Geld zu leihen, oder wenn jemand zu einem anderen kommt, um ihn um einen Gefallen zu bitten und für ihn zu sprechen, damit er nicht ins Gefängnis geworfen wird, oder wenn jemand zum Tode verurteilt ist und er den einen Menschen bittet, der ihn vor dem Tode retten kann. Zwischen den Bitten gibt es große Unterschiede.
In der spirituellen Welt verstehen wir diese Angelegenheiten in Bezug auf das Kli [Gefäß]. In der Spiritualität wird ein Gebet als Kli betrachtet. Nach der Regel „Es gibt kein Licht ohne ein Kli“ gibt es einen Unterschied zwischen einem Menschen, der zum Schöpfer betet, ihm zu helfen, damit er die Vollkommenheit empfängt, was bedeutet, dass er in Wahrheit die Tora und die Mizwot befolgt und sich mit Wohltätigkeit beschäftigt, aber er versteht aus den Gerüchten, die er gehört hat, dass es mehr Vollkommenheit gibt als das Einhalten von Tora und Mizwot, sowohl in Bezug auf die Quantität als auch auf die Eigenschaften. Er glaubt an den Vers: „Es gibt keinen gerechten Menschen auf der Erde, der Gutes tut und nicht gesündigt hat“, deshalb bittet er den Schöpfer, ihm zu helfen. Daraus folgt, dass er nur eine kleine Sache braucht.
Wenn zum Beispiel jemand um ein Darlehen bittet, wird ihm gesagt, dass er es auch anderswo bekommen kann. Das heißt, wir achten nicht besonders darauf, wenn es um die Kreditvergabe geht. Deshalb geht der Mensch normalerweise weiter, wenn er sich weigert, ihm etwas zu leihen.
Anders ist es, wenn ein Mensch zum Tode verurteilt ist und es einen Menschen gibt, der sein Leben retten kann. Wenn dieser Mensch sich weigert, ihm den Gefallen zu tun, ihn zu retten, wird er ihn nicht verlassen und sagen, dass er zu einem anderen Menschen gehen wird, um ihn vor dem Tode zu retten, denn nur der König selbst kann ihn begnadigen. Aus diesem Grund verlassen wir den König nicht und suchen nach jeder Möglichkeit, dass der König ihm die Absolution erteilt.
In ähnlicher Weise brauchen wir in der spirituellen Welt ein echtes Kli, d.h. ein echtes Bedürfnis, dass der Schöpfer uns die Füllung gibt. Aus diesem Grund können wir, wenn uns von Oben unser wahrer Zustand gezeigt wird, dass wir wirklich nackt und mittellos sind, die Füllung in dieses Kli legen, denn der Mensch hat erkannt, dass es ihm an spirituellem Leben, dem sogenannten „vollständigen Glauben“, mangelt und er keinen Halt in der Spiritualität hat. Mit anderen Worten, er kann nicht sagen, dass er etwas für den Schöpfer tut, sondern es ist alles zu seinem eigenen Nutzen. Das bedeutet, dass die gesamte Struktur der Kedusha [Heiligkeit] in ihm ruiniert ist und alles, was er tut, nur ein Lippenbekenntnis ist. Das nennt man ein „echtes Gebet“, denn er hat niemanden, an den er sich wenden kann, und nur der Schöpfer selbst kann ihm helfen, so wie es beim Auszug aus Ägypten gesagt wurde, dass der Auszug vom Schöpfer selbst bewirkt wurde, wie es geschrieben steht: „Ich, der Ewige, euer Gott, der euch aus dem Land Ägypten herausgeführt hat.“
Das ist vergleichbar mit einem Menschen, der zum Tode verurteilt wurde, und nur der König kann ihn begnadigen. Daraus folgt: Wenn ein Mensch das Gefühl hat, dass er sich in einem Zustand befindet, in dem er „Frevler“ ist, und „die Frevler in ihrem Leben ‚tot‘ genannt werden“, dann heißt das, dass er zum Tode verurteilt wurde. Wenn ein Mensch jedoch den Schöpfer bittet, ihm sein Leben zu schenken, heißt das, dass er ein Kli hat, das die Füllung empfangen kann, denn der Mensch bittet den Schöpfer nicht um Luxusgüter, sondern einfach um sein spirituelles Leben.
Einerseits sollte der Mensch also sagen: „Wenn ich nicht für mich bin, wer ist dann für mich?“ Das heißt, er sollte sich selbst entscheiden. Das bedeutet, dass er alles tun sollte, von dem er glaubt, dass es ihm hilft, aus der Selbstliebe herauszukommen. Auf der anderen Seite sollte der Mensch sagen, dass alles von Oben kommt, so wie es gesagt wurde: „Ein Mensch hebt nicht den Finger von unten, wenn er nicht von Oben dazu aufgefordert wird.“ Wenn ein Mensch das Böse in sich erkannt hat, das sein Leben aufs Spiel setzt, nennt man das eine „Handlung“. Aber er sollte diese Handlung auch dem Schöpfer zuschreiben.
Danach sollte er für die Handlung beten. Das heißt, der Mensch muss sowohl den Mangel als auch die Füllung dem Schöpfer zuschreiben. Das heißt, wenn ein Mensch mit der Arbeit des Gebens begonnen und hingebungsvoll für die Wahrheit gearbeitet hat, schickt ihm der Schöpfer ein Gefühl für seinen Mangel. Das spürt der Mensch erst, wenn er sich sehr bemüht hat, die Eigenschaft des Gebens zu erreichen. Zu diesem Zeitpunkt wird ihm mitgeteilt, dass er von Dwekut [Anhaftung] an den Schöpfer entfernt ist, was „Leben“ genannt wird. Es steht darüber geschrieben: „Und ihr, die ihr dem Ewigen, eurem Gott, anhaftet, ihr seid alle lebendig an diesem Tag.“
Wenn er zu dieser Zeit betet, gilt das als Gebet für den Mangel an Leben und nicht als Gebet für Dinge, ohne die man leben kann. Stattdessen bittet er einfach um das Leben, das er „vollkommenen Glauben an den Schöpfer“ nennt.
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