1986/34 Richter und Aufseher

Rabash, 1986/34, korr EY, 31.8.2023

In der Schrift heißt es: „Du sollst dir Richter und Aufseher einsetzen in all deinen Toren, die der Ewige, dein Gott, dir gibt.“ Um dies nach der Regel auslegen zu können, dass die Tora ewig ist und für alle Generationen gilt, sollten wir den Vers auch für unsere Generation verstehen lernen. 

Aus diesem Grund bedarf jedes Wort einer eigenen Erklärung: 

1.) Was sind „Richter“?

2.) Was sind „Aufseher“? 

3.) „Du sollst Dir einsetzen“ ist die Einzahlform. Das bedeutet, dass jeder Mensch Richter und Aufseher einsetzen muss. Kann es sein, dass jeder Mensch das tun soll? 

4.) „In all deinen Toren“. Wir haben Bedarf zu verstehen, wie sich „Tore“ auf unsere Zeit beziehen. Und was bedeutet „In all deinen Toren“? Wenn es ein Tor gibt, sollten wir sofort prüfen, ob wir dort Richter und Aufseher unterbringen können. 

5.) Was bedeutet es, dass er sagt: „Die der Ewige, dein Gott, dir gibt“? Was ist damit gemeint? Gibt es außer dem Schöpfer noch jemanden, der dem Volk Israel etwas gibt?

Um das zu verstehen, müssen wir zunächst erwähnen, was wir in den vorherigen Artikeln gesagt haben: 

1.) Der Zweck der Schöpfung aus der Sicht des Schöpfers. 

2.) Der Zweck unserer Arbeit beim Einhalten von Tora und Mizwot [Geboten], also bis zu welcher Stufe wir das Einhalten von Tora und Mizwot befolgen sollen.

Es ist bekannt, dass der Zweck der Schöpfung darin besteht, Seinen Geschöpfen Gutes zu tun, dass also die Geschöpfe von Ihm Freude und Genuss empfangen, wie es Seinen Fähigkeiten entspricht, ohne irgendwelche Einschränkungen. Weil der Schöpfer aber wollte, dass Seine Arbeit vollkommen ist, dass es also kein Brot der Scham gibt, gab es einen Zimzum [Einschränkung] und eine Verhüllung. Das bedeutet, dass es in den Kelim [Gefäßen], die arbeiten, um zu empfangen, keine Offenbarung des Lichts gibt. Erst wenn das Kli [Gefäß] mit der Bezeichnung „Wille zum Empfangen“ dahingehend korrigiert wurde, dass es arbeitet, um zu geben, dann offenbart sich die Fülle entsprechend seiner Fähigkeit, die Absicht zu haben, um zu geben. Davor sehen sie das Gegenteil von Enthüllung – sie empfinden nur Verhüllung.

Deshalb beginnt hier, also nachdem der Zimzum stattgefunden hat, die Arbeit der Unteren. Das Ziel sollte sein, dass all unsere Gedanken und Handlungen nur noch eine Absicht haben – das Geben.

Das wirft jedoch die Frage auf: „Wie kann es so etwas geben?“ Das heißt, da der Mensch als Wildesel geboren wird, woher soll er die Kraft nehmen, um aus der Natur herauszukommen, in der er erschaffen wurde?

Zu diesem Zweck wurde uns die Arbeit im Einhalten von Tora und Mizwot gegeben. Das heißt, der Mensch sollte beim Einhalten von Tora und Mizwot die Absicht haben, alle seine Leidenschaften und Ambitionen darauf zu richten, wie und womit er seinem Schöpfer Zufriedenheit geben kann.

Bevor er die Arbeit des Gebens begann, dachte er, dass diese Angelegenheit des Einhaltens von Tora und Mizwot ihm Erfolg und Segen bringen wird, so dass er seinem Körper Freude bereiten kann, was bedeutet, dass er durch das Einhalten von Tora und Mizwot den Körper in dieser und der nächsten Welt haben wird. Aus diesem Grund hat er ein Fundament für sich geschaffen, das ihn dazu zwingt, die Tora und die Mizwot in allen Einzelheiten einzuhalten, und er hat die Kraft, die Faulheit in seinem Körper zu überwinden und sich durchzusetzen, um die Belohnung zu erhalten.

Es ist wie bei Menschen, die im irdischen Leben arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Der Körper wehrt sich auch gegen die Arbeit in der Körperlichkeit, denn er würde sich lieber ausruhen, aber der materielle Lohn, den er sieht und der seinem Körper zugutekommt, gibt ihm die Kraft, sich zu überwinden. Ebenso hat er, wenn die Belohnung für die Arbeit eine Belohnung für seinen Körper ist, die Kraft, alle Hindernisse auf seinem Weg zu überwinden. Weil die Belohnung, die er sich erhofft, nur für seinen eigenen Bedarf ist, hat der Körper nichts dagegen einzuwenden.

Das heißt, der Körper genießt die Ruhe, doch sobald ihm gesagt wird: „Gib deine Ruhe auf und du wirst Genuss in einer Weise haben, dass den Genuss, den du durch die Arbeit empfängst, größer ist als die Ruhe, oder dass der Genuss, den du durch den Verzicht auf die Ruhe empfängst, notwendiger ist als der Genuss, den du in der Ruhe findest, denn durch diesen Genuss wirst du in der Welt existieren können, sonst wirst du nicht existieren können.“ In all diesen Angelegenheiten hat der Körper die Kraft, sich zu überwinden und auf kleine Genüsse zu verzichten, um eine größere Belohnung als seine Arbeit zu erhalten. Das heißt, die Belohnung zahlt sich durch seine Zugeständnisse aus, die er von seinem Körper verlangt, um glücklicher zu sein, als er sich jetzt fühlt, bevor er auf die Genüsse verzichtet hat.

Aber wenn dem Körper gesagt wird: „Arbeite im Geben“, was bedeutet, dass er durch das Einhalten von Tora und Mizwot mit der Freude des Schöpfers belohnt wird, wenn also einem Menschen gesagt wird: „Gib deine Selbstliebe auf“ –, was ist dann seine Belohnung? Dass der Schöpfer sich an der Arbeit des Einhaltens von Tora und Mizwot erfreuen wird. In diesem Moment kommt der Körper und stellt die Frage nach dem „Wer“ und „Was“. Das heißt: „Was habe ich davon, wenn sich der Schöpfer an meiner Arbeit erfreut? Und wie kannst du ohne Belohnung arbeiten?“ Das ist das „Wer“-Argument, das nicht arbeiten will. Der Körper sagt: „Ich bin bereit zu arbeiten wie jeder andere auch, aber nicht unter diesen Bedingungen. Wenn ich also meine Selbstliebe aufgebe und alles tue, damit der Schöpfer Freude hat, was habe ich dann von dieser Arbeit?“

Wenn der Mensch alle Argumente des Körpers überwunden hat und denkt, dass er bereits die Kraft hat, die Natur des Körpers zu überwinden, das heißt, dass er jetzt das Gefühl hat, dass er seine Gedanken nur noch auf das Geben konzentrieren kann, kommt der Körper plötzlich mit neuen Beschwerden zu ihm: „Es ist in Ordnung, dass du für den Schöpfer arbeiten willst und nicht so, wie alle anderen arbeiten, um Belohnung zu empfangen. Wenn du dich aber schon eine Weile angestrengt hast, wäre es gut, wenn du von oben Kraft empfangen würdest, damit du den Weg des Gebens gehen kannst. Aber wie du siehst, hast du viel Arbeit geleistet und dich kein Stück bewegt. Du kannst also selbst sehen, dass du diesen Weg nicht gehen kannst. Du verschwendest deine Energie und arbeitest umsonst. Verlasse diesen Weg, entfliehe der Schlacht.“

Wenn ein Mensch all diese Argumente des Körpers überwindet, kommt der Körper und offenbart ihm neue Dinge, auf die der Mensch keine Antwort hat. Damit will er ihn von seiner Arbeit ablenken. Der Körper sagt ihm: „Es ist bekannt, dass ein Mensch, wenn er beginnt, eine der Wissenschaften zu lernen, jedes Mal Fortschritte macht. Wenn er begabt ist, kommt er schneller voran; und wenn er weniger begabt ist, kommt er langsamer voran. Und wenn ein Mensch sieht, dass er in einer Wissenschaft überhaupt nicht vorankommt, wird ihm gesagt: ‘Diese Wissenschaft ist nichts für dich. Du brauchst einen anderen Beruf; du bist ungeeignet, diese Wissenschaft zu lernen.‘ Wir sehen, dass das üblich und vernünftig ist.“

Aber hier argumentiert der Körper: „Du siehst an den Anstrengungen, die du in der Arbeit des Gebens unternommen hast, dass du nicht nur keinen Schritt weitergekommen bist, sondern im Gegenteil.“ Das heißt, bevor er mit der Arbeit des Gebens begonnen hat, war er nicht so sehr in die Selbstliebe vertieft. Aber jetzt, wo er sich bemüht hat, die Selbstliebe zu überwinden, hat er ein größeres Verlangen bekommen und spürt, dass er jetzt mehr in die Selbstliebe eingetaucht ist.

Daraus folgt, dass wir hier in der Arbeit sehen, dass wir Rückschritte machen und keine Fortschritte. Er sieht das deutlich und spürt es auch. Das heißt, früher, bevor er begann, die Selbstliebe zu überwinden, dachte er, dass es ganz einfach sei, die Selbstliebe aufzugeben, um mit Spiritualität belohnt zu werden. Er dachte immer: „Wie kann ich einen Weg finden, den ich gehen kann und durch den ich etwas Spirituelles erhalte?“ Er dachte jedoch nie darüber nach, dass er sich Sorgen machen sollte, aus der Selbstliebe herauszukommen, denn das ist etwas, worüber man nicht nachdenken sollte. Vielmehr ging es ihm darum, den richtigen Weg zu finden, der dazu führt, den Palast des Königs zu betreten und sich den Zweck zu verdienen, für den der Mensch erschaffen wurde.

Aber jetzt ist er in einem Zustand, den er sich nie erträumt hatte – dass die Eigenliebe ein Stolperstein ist, der dem Erreichen der Wahrheit im Wege steht. Er dachte immer, dass er bereit sei, sich selbst zu opfern, um die Wahrheit zu erreichen, aber jetzt sieht er, dass er zehn Stufen rückwärts gegangen ist, was bedeutet, dass er nicht bereit ist, für die Kedusha [Heiligkeit] Zugeständnisse bei seiner Selbstliebe zu machen.

Wenn der Körper mit solchen Argumenten zu ihm kommt, „fällt er unter seiner Last zusammen“. Er gerät dann in einen Zustand der Verzweiflung und des Müßiggangs und will der Schlacht entfliehen, da er nun sieht, dass alle Argumente des Körpers wahre Argumente sind.

Aber die Wahrheit besteht darin, wie wir sie bereits oft benannt haben. Baal HaSulam sagte, dass es den Aspekt gibt, zur Wahrheit vorzudringen. Das heißt, bevor jemand mit der Arbeit des Gebens beginnt, ist er weit von der Wahrheit entfernt, er spürt also nicht das Maß seines Bösen. Aber später, wenn er sich bei der Überwindung der Eigenliebe angestrengt hat, kommt er der Wahrheit näher. Das heißt, dass er jedes Mal mehr erkennt, wie sehr er von Kopf bis Fuß in das Böse eingetaucht ist.

Wir sollten jedoch verstehen, warum wir das alles brauchen. Das heißt, warum er, bevor er die Arbeit des Gebens begonnen hat, das Böse nicht so stark gespürt hat, aber sobald er sich angestrengt hat, es zu überwinden, ist das Böse deutlicher in ihm spürbar geworden. Warum wurde alles, was später offenbart werden sollte, nicht sofort offenbart, sondern offenbarte sich erst nach und nach, Stück für Stück?

Die Sache ist die, dass die Überwindung schrittweise erfolgt. Es ist wie bei jemandem, der Gewichtheben übt. Er beginnt, sagen wir, mit dem Heben von 50 Kilogramm und steigert sich allmählich, weil er durch Übungen immer weiter zulegen kann. Genauso verhält es sich mit dem Dienst am Schöpfer, und deshalb wird uns am Anfang kein großer Geschmack an der Selbstliebe gegeben, denn wir würden sie wahrscheinlich nicht überwinden können. Der Genuss der Selbstliebe wird uns je nach Fortschreiten in unserer Arbeit zusätzlich geschenkt. Das heißt, in dem Maße, in dem er sich überwinden kann, wird ihm mehr Genuss an der Selbstliebe gegeben, damit er sich noch mehr überwinden kann. So können wir verstehen, was unsere Weisen gesagt haben (Sukka, 52): „Wer größer ist als sein Freund, dessen Verlangen ist größer als er.“

Das wirft die Frage auf: „Warum ist das so?“ Nach dem oben Gesagten ist es ganz einfach. Dies entspricht auch der Ordnung in der Körperlichkeit: Wir bewegen uns vom Leichten zum Schweren. Er bekommt deshalb, bevor er mit der Arbeit an der Überwindung beginnt, keine großen Hang zur Selbstliebe, die er nicht überwinden kann, weil er noch nicht mit der Arbeit an der Selbst-Überwindung begonnen hat. Er spürt deshalb keinen großen Geschmack an der Selbstliebe.

Aber wenn er mit der Überwindung beginnt, bekommt er einen größeren Genuss und ein größeres Maß an Selbstliebe, damit er etwas hat, das er überwinden muss. Wenn er ein bestimmtes Maß an Selbstliebe überwunden hat, wird ihm ein noch größeres Maß an Wichtigkeit der Selbstliebe zuteil. Auf diese Weise gewöhnt er sich allmählich daran, Genüsse zu überwinden, so dass er sagen kann, dass alles, was er empfängt, nur dazu dient, zu geben.

Daraus folgt, dass es für ihn immer schwieriger wird, die Eigenliebe zu überwinden, weil sein Wille zu empfangen jedes Mal bedeutsamer wird, damit er weiter an seiner Überwindung arbeiten kann. Wir müssen jedoch verstehen, warum uns von oben mehr Bedeutung und mehr Genuss geschenkt werden muss, damit es schwierig wird, ihn zu überwinden. Was diese Überwindung in der Körperlichkeit angeht, wäre es besser, wenn uns kein großes Maß an Wichtigkeit gegeben würde, sondern die Bedeutung, die wir zu Beginn unserer Arbeit in Bezug auf die Selbstliebe empfinden, würde uns genügen, um die Körperlichkeit zu überwinden. Dann könnten wir sofort mit der spirituellen Arbeit beginnen. Aber warum sollte ich diese Arbeit – die Überwindung der Selbstliebe in irdischen Angelegenheiten–, umsonst machen? Obwohl wir jedes Mal ein größeres Maß an Überwindung haben–, warum haben wir überhaupt Bedarf an Arbeit in der Selbstliebe, die die Körperlichkeit betrifft?

Dies ist jedoch eine große Korrektur. Es ist bekannt, dass die zahlreichen Genüsse, die wir bei den irdischen Freuden empfinden, nur ein „dünnes Licht“ sind im Vergleich zu dem, was wir bei den spirituellen Freuden finden. Daraus folgt, dass selbst wenn man die Prüfung der Überwindung körperlicher Genüsse bestanden hat, die er korrigieren konnte, um zu geben, dies nur bei kleinen Genüssen ausreicht, die er überwinden und nicht empfangen kann, wenn er die Absicht hat, sie zu geben. Bei großen Genüssen ist das jedoch nicht so, und man kann keine spirituellen Genüsse erhalten, denn er würde sie zwangsläufig nehmen, um sie zu empfangen.

Deshalb muss er die Arbeit zuerst bei den leiblichen Genüssen durchlaufen. Dort werden ihm jedes Mal größere Genüsse zuteil als zu Beginn der Arbeit. Bevor er mit der Arbeit begann, konnte er den Geschmack des Genusses schmecken, wie er normalerweise bei körperlichen Genüssen gegeben ist. Aber wer die Arbeit des Gebens begonnen hat und mit Spirituellem belohnt werden will, dem wird mehr Geschmack in der Körperlichkeit gegeben als sonst. Das geschieht absichtlich, damit er sich an größere Genüsse gewöhnt, als es sie sonst bei körperlichen Genüssen gibt. Das ist eine Vorbereitung, um in der Arbeit immunisiert zu werden, die großen Genüsse in der Spiritualität überwinden zu können.

Jetzt sehen wir, dass diejenigen, die in der heiligen Arbeit arbeiten wollen, Zusätze erhalten. Das heißt, sie bekommen einen zusätzlichen Geschmack an der Selbstliebe. Das gilt nicht für Menschen, die kein Interesse daran haben, den Weg des Gebens zu gehen. Es ist, wie unsere Weisen sagten: „Wer größer ist als sein Freund, dessen Verlangen ist größer als er.“ Das ist so, um sie an die Arbeit der Überwindung zu gewöhnen, denn für die vielfältigen Genüsse, die in den spirituellen Freuden zu finden sind, wird seine übliche Überwindung der körperlichen Freuden nicht ausreichen, weil der Genuss in ihnen eine Konstante ist, während die Genüsse jedes Mal mehr Wichtigkeit bekommen, um sich daran zu gewöhnen, sie jedes Mal besser zu überwinden.

Jetzt können wir verstehen, was wir über den Vers gefragt haben, in dem es heißt: „Du sollst dir Richter und Aufseher in all deinen Toren einsetzen.“ Wie lässt sich das Setzen von Richtern und Aufseher auf die heutige Zeit übertragen? Wenn ein Mensch mit der Arbeit des Schöpfers beginnen will, sollten wir zwei Unterscheidungen treffen: 

1.) Das Potenzial. Das heißt, er macht sich zuerst einen Plan, was er tun soll und was nicht, d.h. er prüft, was gut und was schlecht ist. Derjenige, der dies im Potenzial tut, wird „Richter“ genannt, der sagt, was getan werden muss. 

2.) Danach müssen wir ausführen, was im Potenzial war. Die Ausführung wird „Aufseher“ genannt.

Da es sich bei diesen Angelegenheiten der Arbeit nicht um eine einmalige Sache handelt, sondern er sich jeden Tag in der Arbeit anstrengen muss, verwendet der Text die Pluralform, also „Richter und Aufseher“.

Wenn es in der Einzahl heißt: „Du sollst Dir einsetzen“, dann bedeutet das, dass diese Arbeit jeden Einzelnen betrifft.

Deshalb heißt es auch „in all deinen Toren“. Wir sollten das wörtlich interpretieren, dass ein Tor der Ort des Eingangs ist. Das bedeutet, dass der Mensch, wenn er mit der Arbeit des Schöpfers beginnen will, die Arbeit in zweierlei Hinsicht ordnen muss: in potenzieller und in tatsächlicher Hinsicht, also als „Richter“ und „Aufseher“.

Die Aussage „In all euren Toren“ sollten wir jedoch so interpretieren, dass es in unserer Welt zwei Arten von Leben gibt: 

1.) das irdische Leben und 2.) das spirituelle Leben.

Daraus folgt, dass wir zwei Tore haben: 

1.) ein Tor, das einem Gefängnistor ähnelt. Das ähnelt dem, was (im Gebet „Danke“, das wir am Vorabend des Shabbat im Nachmittagsgebet sprechen) geschrieben steht: „Bewohner der Finsternis und des Todesschattens; Gefangene der Armut und des Eisens.“ Die Metzudat David [Davids Zitadelle-Auslegung] schlussfolgert dort: „Menschen, die an einem Ort der Finsternis sitzen, sind durch quälende Fesseln und durch eiserne Ketten gebunden.“ 2.) Ein Tor, das dem Königstor ähnlich ist, denn es steht geschrieben: „Und Mordechai saß am Königstor.“

An jedem Tor gibt es Wächter, die Wache halten, aber jeder der Wächter handelt auf die entgegengesetzte Weise. Das heißt, die Gefängniswächter achten darauf, dass keiner der Gefangenen dem Gefängnis entflieht, während die Wächter am Tor des Königs darauf achten, dass niemand durch das Tor des Königs kommt.

Die Sache ist die, dass diejenigen, die in Selbstliebe versunken sind und kein Verständnis oder Gefühl für etwas anderes als körperliche Genüsse haben, als Gefangene betrachtet werden, und die Wächter lassen sie nicht heraus. Mit welcher Kraft bewachen sie sie und lassen sie nicht raus? In dem Moment, in dem ein Wächter sieht, dass sie die Selbstliebe verlassen und mit der Arbeit des Gebens beginnen wollen, fügt er ihnen noch mehr Genuss in der Selbstliebe zu. Auf diese Weise fesseln sie sie mit eisernen Ketten, damit sie nicht von dort weggehen wollen.

Nach all der Überwindung, bei der die Wächter sehen, dass die Gefangenen der Selbstliebe entfliehen wollen und anfangen, in die Liebe des Schöpfers zu kommen, geben sie ihnen prompt mehr Geschmack und mehr Bedeutung, und zwar in dem Maße, dass niemand jemals gedacht hat, dass es sich so sehr lohnt, in der Selbstliebe zu bleiben, wie sie jetzt spüren, dass die Selbstliebe keine so einfache Angelegenheit ist, wie es geschrieben steht: „Wer größer ist als sein Freund, dessen Verlangen ist größer als er.“ So haben die Wächter die Macht, dafür zu sorgen, dass niemand aus dem Gefängnis entflieht.

Im Gegensatz dazu ist die Aufgabe der Wächter, die am Tor des Königs stehen, niemanden durch das Tor des Königs zu lassen. Was ist die Macht, mit der sie diejenigen überwältigen können, die in den Palast des Königs kommen wollen? Es ist so, wie es in der „Einführung in das Studium der Zehn Sefirot“ (Punkt 133) steht: „Es ist wie bei einem König, der sich die treuesten seiner Untertanen im Land aussuchen und sie zur Arbeit in seinen Palast holen wollte. Was hat er getan? Er erließ einen Erlass, dass jeder, der wollte, ob jung oder alt, in seinen Palast kommen und sich mit den Arbeiten in seinem Palast beschäftigen sollte. Er beauftragte jedoch viele seiner Diener, das Palasttor zu bewachen, und befahl ihnen, alle, die sich seinem Palast näherten, geschickt abzulenken. Natürlich begannen alle Menschen im Land, zum Palast des Königs zu rennen. Aber die fleißigen Wächter wiesen sie listig zurück. Viele von ihnen überwältigten sie und kamen in die Nähe des Palasttores, aber die Wächter am Tor waren die eifrigsten, und wenn sich jemand dem Tor näherte, lenkten sie ihn ab und wiesen ihn mit großer List zurück, bis er verzweifelte und so zurückkehrte, wie er gekommen war. Und so kamen und gingen sie. Nur die Helden unter ihnen, deren Geduld standhielt, besiegten die Aufseher und öffneten das Tor. Sie wurden sofort belohnt, als sie das Antlitz des Königs sahen, der jeden von ihnen an seinen richtigen Platz setzte.“

Deshalb wehren sich die Wächter, die am Tor des Königs stehen, mit allen möglichen Argumenten: „Es ist nicht für euch“, den Palast des Königs zu betreten. Für jeden einzelnen erfinden sie Gründe, damit diese Menschen verstehen, dass es sich für sie nicht lohnt, sich vergeblich abzumühen. Vor allem haben sie durch alle möglichen Argumente die Macht, sie abzulenken und sie von der Schlacht der heiligen Arbeit abzubringen. Das ist die Bedeutung von „in all deinen Toren“, womit das Gefängnistor und das Tor des Königs gemeint sind.

Jetzt werden wir das Ende des Verses erklären, wo es heißt: „die der Ewige, dein Gott, dir gibt“. Wir haben gefragt: „Was will er uns damit sagen?“ Es ist bekannt, dass alles vom Schöpfer kommt. Doch wie wir oben erklärt haben, gibt es für einen Menschen, der vor all den Argumenten der Wächter gerettet werden will, nur einen Rat: Glaube über dem Verstand. Das bedeutet, dass alles, was die Wächter sagen, wahr ist. Doch der Schöpfer ist barmherzig und gnädig und erhört das Gebet eines jeden Mundes. Er gibt die Kraft, alle Hindernisse zu überwinden.

Es gibt jedoch eine Regel, die besagt: „Wenn ich nicht für mich bin, wer ist dann für mich?“ Das heißt, der Mensch darf nicht darauf warten, dass der Schöpfer ihm hilft, sich zu überwinden. Vielmehr muss er sich selbst überwinden und alles tun, was er tun kann, und nur darum bitten, dass der Schöpfer ihm bei der Überwindung hilft, ihm also hilft. Wenn ein Mensch alles prüft, was er tun kann, dann muss er den Schöpfer bitten, dass seine Bemühungen Früchte tragen. Der Mensch darf aber nicht sagen, dass der Schöpfer für ihn arbeitet, sondern dass der Schöpfer ihm in der Arbeit hilft, das Gute zu erlangen.

Es folgt deshalb: Da der Mensch der Arbeiter ist und der Schöpfer ihm nur hilft, überlegt der Mensch, warum er mit der Annäherung an den Schöpfer mehr belohnt wurde als andere. Es liegt daran, dass andere Menschen sich nicht so sehr in der Arbeit über den Verstand anstrengen und nicht auf das Argument des Körpers schauen konnten, während er sich ständig in seiner Arbeit durchsetzte und nie auf seine Gedanken der Verzweiflung schaute, mit denen der Körper ihn im Stich lassen wollte.

Daraus folgt, dass ein Mensch dann sagen kann: „Meine Kraft und die Macht meiner Hand haben mir diesen Reichtum verschafft.“ In diesem Zusammenhang sagt der Vers, dass er wissen muss, dass „der Ewige, dein Gott, dir gibt“, dass es tatsächlich nur Gottes Geschenk ist. Das heißt, dass die Tatsache, dass du die Kraft hattest, Richter und Aufseher in all deinen Toren einzusetzen, nur ein Geschenk Gottes war.

 

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