1989/27 Welche Rolle spielt das Leiden in der Arbeit?

Rabash, 1989/27, korrigiert, EY, 14.1.2024

An Jom Kippur, dem Versöhnungstag, sagen wir im Gebet Shmone Esre [Achtzehn-Gebet] in „Mein Gott, bis ich erschaffen wurde“: „Das, was ich vor Dir gesündigt habe, tilge in Deiner großen Barmherzigkeit aus, aber nicht durch Leiden.“ Wir sollten verstehen, warum wir, wenn wir beten, dass der Schöpfer unsere Sünden auslöschen soll, dabei Bedingungen stellen, ansonsten wollen wir nicht, dass Er unsere Sünden auslöscht. Worin besteht also die Bedingung: „aber nicht durch Leiden“?

Der Heilige Sohar (BeHukotai, Punkt 42) schreibt: „Rabbi Yossi begann: ‚Mein Sohn, die Zurechtweisung des Herrn verachte nicht und sträube dich nicht gegen Seine Ermahnung.‘ Wie geliebt sind die Kinder Israels, dass der Schöpfer sie ermahnen und auf den geraden Weg führen will. Und aus Seiner Liebe zu ihm ist Sein Stock immer in Seiner Hand, um ihn auf dem geraden Weg zu führen, damit er weder nach rechts noch nach links abweicht. Denjenigen, den der Schöpfer nicht liebt, sondern verabscheut, von dem nimmt Er seine Zurechtweisung weg. ‘Und Esau habe ich gehasst’, deshalb habe ich den Stock von ihm entfernt – die Zurechtweisung von ihm entfernt – damit ich ihm keinen Anteil an mir gebe, denn meine Seele hat sich von ihm abgewandt. Euch aber liebe ich wirklich – stäubt euch nicht gegen seine Ermahnung.‘ Was heißt: „sträubt euch nicht“? Das heißt, sträubt euch nicht gegen ihn, wie jemand, der vor Dornen flieht. Denn die Könige, die Israel unterdrücken, sind wie Dornen in seinem Körper.“

Das sollten wir verstehen. Der gesunde Menschenverstand gebietet, dass der Schöpfer den Stock für die Nichtjuden bereit hält, die gegen den Schöpfer handeln. Aber für das Volk Israel, das Er liebt, sollte es so sein, wie es geschrieben steht: „Die Liebe bedeckt alle Vergehen.“ Warum züchtigt Er also gerade Israel – das Er liebt – mit einem Stock?

Wir sollten auch verstehen, was mit „Sträubt euch nicht gegen Seine Ermahnung“ gemeint ist. Die Versklavung Israels durch die Könige sind wie Dornen im Körper eines Menschen ist. Dennoch sagt er: „Sträubt euch nicht“, was bedeutet, dass ihr nicht vor den Dornen, also der Versklavung durch die Könige, fliehen sollt. Kann es sein, dass Er ihnen sagt, sie sollen nicht vor den Dornen der Könige weglaufen, nur weil Er sie liebt?

Wir sollten auch die Worte „Aber Esau habe ich gehasst“ verstehen, weshalb Er die Ermahnung von ihm entfernte, „damit ich ihm keinen Anteil an mir gebe“. Wenn Er ihn ermahnt hat, scheint es so, als hätte er einen Anteil am Schöpfer. Wie sind sie miteinander verbunden? Es scheint so, als ob das Leiden dazu führt, dass sie einen Anteil am Schöpfer haben.

Wir sollten wissen, dass in der Arbeit sowohl Israel als auch Esau von Menschen sprechen, die Tora und Mizwot [Gebote/gute Taten] befolgen, und nicht von den Völkern der Welt oder von weltlichen Menschen. Vielmehr geht es einzig und alleine um Menschen, die Glauben haben und Tora und Gebote befolgen. Was ist also der Unterschied zwischen der Eigenschaft „Israel“ in einem Menschen und der Eigenschaft „Esau“ in einem Menschen?

Wenn wir Tora und Mizwot befolgen, sollten wir auch die Absicht erkennen – ob das Einhalten von Tora und Mizwot dazu dient, um des Gebens willen Belohnung im Diesseits oder im Jenseits zu empfangen, oder ob es in der Absicht ist, zu geben und nichts zu empfangen. Bei der Eigenschaft „Israel“ ist die Ausrichtung Yashar-El [direkt zum Schöpfer], wenn der Mensch keine Gegenleistung will, sondern alles direkt zum Schöpfer gehen soll. Das gilt als die „Eigenschaft von Israel“ in einem Menschen in der Arbeit.

Wenn er aber eine Belohnung als Gegenleistung für das Einhalten von Tora und Mizwot erwartet, wird das als „Esau“ angesehen. Esau bedeutet Asu [tat], was bedeutet, dass er für sich selbst einen Herrschaftsbereich geschaffen hat und will, dass der Schöpfer seinen Bereich füllt. Er will seine eigene Herrschaft nicht aufgeben, um zu Yashar-El zu gelangen, also sein Revier aufgeben und sich vor dem Schöpfer annullieren, was „direkt zum Schöpfer“ heißt und sein ganze Streben wäre – das will er nicht. Aus diesem Grund unterscheiden wir zwei Eigenschaften in der Arbeit des Menschen: „um Belohnung zu empfangen“ oder „nicht, um Belohnung zu empfangen“.

Wir sollten uns daran erinnern, dass sobald ein Mensch mit der Arbeit um des Gebens willen beginnt – wenn er Dwekut [Anhaftung] an den Schöpfer will –, dies der Anfang einer Reihe von Auf- und Abstiegen ist. Das heißt, wenn der Mensch alles, was er in der Arbeit tut, darauf ausrichtet, dafür eine Belohnung zu erhalten, dann hat er, wenn er an Belohnung und Bestrafung glaubt, nichts dagegen, größere Genüsse zu empfangen, denn sein Wille zu empfangen ist von Natur aus vorhanden.

Wenn der Mensch jedoch auf dem Weg wandeln will, keine Belohnung zu empfangen, da dies gegen die Natur ist, beginnt der eigentliche Krieg mit dem Bösen Trieb, denn der Mensch will den Bösen Trieb aus der Welt entfernen, denn nur hier gibt es ihn. Der Grund, warum der Wunsch zu empfangen als „böser Trieb“ bezeichnet wird, liegt darin, dass er den Weg, den das Volk Israel gehen möchte, als schlecht darstellt. Das bedeutet, dass der Mensch seine Erlaubnis aufheben und sich Gott unterordnen möchte, und der böse Trieb behauptet, dass dieser Mensch ohne Verstand handelt. Was würde der böse Trieb stattdessen als „gut“ bezeichnen? Wenn ein Mensch vom Schöpfer verlangen würde, dass er den Herrschaftsbereich des Menschen erweitert und all seine Mängel stillt, und nicht, dass der Mensch für den Schöpfer arbeitet.

Mit anderen Worten, der Böse Trieb fragt einen Menschen: „Wo ist dein Verstand, dass du so hart in Tora und Mizwot arbeitest, und für welche Belohnung?“ Es ist so, wie unsere Weisen sagten: „Das Licht in ihm korrigiert ihn.“ Das heißt, da das Böse sich nicht vor dem Schöpfer annullieren will, sondern das Böse im Menschen bestehen bleiben will, wird ihm geraten, dass er eine Belohnung erhält, wenn er sich mit Tora und Mizwot befasst. Das heißt, ohne Tora und Mizwot ist es unmöglich, eine so große Belohnung zu empfangen, und nur durch die Kraft von Tora und Mizwot können wir eine so große Belohnung erreichen, dass ein Mensch sich vor dem Schöpfer annulliert und die Herrschaft des Menschen nicht sichtbar wird und der Schöpfer alles nimmt.

Über eine solche Belohnung schreit der Böse Trieb: „Aber du tötest dein eigenes Wesen! Du führst Handlungen aus, die dazu führen werden, dass du aufhörst zu existieren! Soll man dafür arbeiten und sich anstrengen?!“ Daraus folgt, dass der Böse Trieb dem Menschen böse Bilder über die Ordnung seiner Arbeit ausmalt.

Das wird „Leiden“ genannt. Das heißt, wenn der Mensch auf dem Weg der Wahrheit wandeln und Dwekut an den Schöpfer erreichen will, was „Gleichheit der Form“ genannt wird, kommen diese Fragen zu ihm und er erleidet einen Abstieg, das heißt, er kann ihre Argumente nicht überwinden. Das zeigt sich sofort – im Verstand und im Herzen. Wenn der Mensch sich vom Abstieg erholt und beginnt, über seine Situation nachzudenken, leidet er darunter, dass er weit vom Schöpfer entfernt ist.

Nachdem er wieder mit einem spirituellen Aufstieg belohnt wurde, beginnt er zu denken, dass er von nun an stark und immun gegen die Worte der Könige der Völker der Welt sein wird, die den Schöpfer verleumden. Das heißt, sie sagen nicht unbedingt, dass es sich nicht lohnt, sich mit Tora und Mizwot zu befassen. Vielmehr sagen sie, dass es sich nicht lohnt, sich für diese Belohnung – sich selbst zu verlieren  damit zu befassen, und auch, dass er die ganze Arbeit um des Schöpfers willen und gar nicht für sich selbst machen will.

Das fügt dem Menschen große Leiden zu, die wie Dornen in seinem Körper sind, und er will der Situation entfliehen, in der er sich befindet. Er sagt: „Wahrscheinlich bin ich dieser Arbeit nicht würdig, sonst würde ich nicht so viele Abstiege erleiden.“ Daraus folgt, dass diese Leiden darin bestehen, dass er von ihnen erfährt, dass es sich nicht lohnt, mit dieser Absicht für Ihn zu arbeiten.

Hier sind also zwei Dinge zu beachten: 

1.) Die Behauptungen der Könige, die Israel mit ihren Worten versklaven. Das heißt, ein Mensch gerät unter die Herrschaft der Könige, die einen Menschen versklaven, damit er nur zum eigenen Vorteil arbeitet, denn er leidet unter den schlechten Trugbildern, die ihm der böse Trieb vorgaukelt.

Im Allgemeinen werden alle Könige der Völker der Welt als „Böser Trieb“ bezeichnet. Jeder König hat seine eigene Sichtweise, und er sagt zu einem Menschen: „Wandle auf meinem Weg; ich werde dir Genuss in der Arbeit geben.“ Mit anderen Worten, alle Könige sagen dasselbe: “Es ist besser für dich, zu deinem eigenen Nutzen zu arbeiten als für den Schöpfer.“

Daraus folgt, dass das Leiden, das er sieht – dass er nicht um des Schöpfers willen arbeiten kann – ihn dazu bringt, den Kämpfen entgehen zu wollen. Diese Leiden lassen ihn sehen, dass diese Arbeit nichts für ihn ist, denn dieser Weg erfordert auserwählte Menschen – einige wenige Auserwählte –, und gewöhnliche Menschen können sich dieser Arbeit, die „Arbeiten mit der Absicht, zu geben“ genannt wird, nicht nähern.

Schlimmer noch, der Böse Trieb kommt als heiliger Engel verkleidet zu ihm und sagt: „Aber du kannst sehen, dass ich recht habe. Schau zurück, wie sehr du dich mit Tora und Mizwot befasst hast und wie eifrig du gebetet hast. Wenn du fragst: Warum war das früher so? Ich bin der Meinung, dass du zu deinem eigenen Nutzen gearbeitet hast, um Belohnung zu empfangen. Deshalb hattest du die Kraft, zu arbeiten. Was nützt es also, sich jedes Mal zu überwinden, wenn du sehen kannst, dass du immer weiter absteigst, was heißt: ‚Das Zerbrochene ist größer als das Ganze‘, was bedeutet, dass es viel mehr Abstiege als Aufstiege gibt.“

Der Böse Trieb sagt ihm auch, wenn er sich in die Einkleidung eines heiligen Engels kleidet: „Früher bist du in der Arbeit vorangekommen und hast dir jeden Tag ein Stück Kedusha [Heiligkeit] in Tora und Mizwot angeeignet. Aber ihr verschmäht das und sagt, ihr wollt nur um seines Schöpfers willen arbeiten. Aber du kannst sehen, dass du in der Arbeit Rückschritte machst und absteigst, das heißt, dass dein Böses immer böser wird. Während du Tora und Mizwot in der Arbeit durch Handlungen befolgt hast, warst du erfolgreicher. Du konntest selbst sehen, wie du Fortschritte gemacht hast. Aber jetzt – wo sind deine Energie und deine Begeisterung in der Arbeit geblieben? Deshalb“, sagt er zu ihm, „wende dich von diesem Weg ab.“

Es stellt sich heraus, dass die Worte des bösen Triebs, der die Gesamtheit aller Könige der Völker der Welt repräsentiert, Israel versklaven und die Körper der Arbeiter stechen, die um des Gebens willen arbeiten wollen. Das wirft die Frage auf, warum diese Menschen, die auf dem Pfad der Wahrheit wandeln, Dwekut an den Schöpfer erreichen und sich vor Ihm annullieren wollen, solches Leid und solchen Abstieg verdienen, dass sie das Leid nicht ertragen können und den Kämpfen entfliehen wollen?

Und umgekehrt haben diejenigen, die arbeiten, um Belohnung zu empfangen, nicht das Leid, das Gefühl zu haben, dass sie weit von der Arbeit des Schöpfers entfernt sind. Stattdessen haben sie das Gefühl, dass sie jeden Tag vorankommen. Wenn sie den Fortschritt sehen können, ist da natürlich auch Energie für die Arbeit. Sie haben nicht das Gefühl, dass sie einen Abstieg erleben, sondern nur, dass sie manchmal mehr und manchmal weniger vorankommen, aber sie machen keine Rückschritte.

Die Antwort lautet: Wenn der Mensch keinen Mangel und keine Verdorbenheit in der Arbeit spürt, hat er nichts zu korrigieren. Deshalb sind dies die Menschen, die nur in der Dimension der Tat arbeiten können, und bezüglich der praktischen Ausführung der Gebote gibt es nichts hinzuzufügen oder wegzunehmen, wie geschrieben steht: „Du sollst nichts hinzufügen und nichts wegnehmen.“

Da sie noch keinen Bedarf an der Absicht haben – wobei Absicht bedeutet, die Gleichheit der Form zu erreichen, die „um des Gebens willen“ genannt wird –, wollen sie sich natürlich nicht mit Ihm vereinen. Das heißt, sie haben kein Verständnis dafür, dass man nicht arbeiten soll, um Belohnung zu empfangen. Aus diesem Grund schenkt ihnen der Schöpfer kein Leid, nämlich das Gefühl der Entfernung vom Schöpfer, so dass sie den Schöpfer bitten werden, sie näher zu bringen.

Dies entspricht dem, was Maimonides schreibt, dass „Frauen, Kleine und Ungebildete gelehrt werden, zu arbeiten, um Belohnung zu empfangen“, denn anders werden sie es nicht verstehen. Wenn „sie Wissen erlangen und viel Weisheit erwerben, lehrt man sie dieses Geheimnis“ – dass wir liShma [um Ihretwillen] arbeiten sollen, also um des Gebens willen.

Mit dem Gesagten können wir die Frage verstehen, warum der Schöpfer, der die Kinder Israels liebt, ihnen Leiden zufügt. Und nicht nur das, sondern er sagt zu ihnen: „Weil ich euch liebe, möchte ich von euch, dass ihr euch nicht an den Dornen stört. Denn die Könige, die Israel versklaven, sind wie Dornen im Körper.“

Es steht geschrieben: „lehnt seine Ermahnung nicht ab“, was bedeutet, dass sie nicht vor den Kämpfen fliehen und sagen sollen, dass diese Arbeit mit der Absicht, um zu geben, nichts für sie ist. Das bedeutet, dass der Schöpfer diejenigen liebt, die sich auf die Eigenschaft Israels beziehen, die sich Yashar-El [direkt zum Schöpfer] unterwerfen wollen. Und der Wunsch zu empfangen [für sich selbst], der in einem Menschen existiert, ist etwas, von dem sie wollen, dass der Schöpfer ihnen die Kraft gibt, ihn zu unterwerfen, damit er vor dem Schöpfer annulliert wird.

Ein Mensch kann den Willen zum Empfangen jedoch nicht überwinden, denn der Wille zum Empfangen lässt ihn sehen, dass der Hauptgrund, warum ein Mensch arbeiten und sich abmühen sollte, darin besteht, seine Eigenliebe befriedigen zu können. Der Mensch will aber das Gegenteil – er will seine Eigenliebe aufheben und nur noch an dem arbeiten, was mit der Liebe zum Schöpfer zu tun hat. Er will also nicht um seiner selbst willen arbeiten, sondern um des Schöpfers willen, also um das, was dem Schöpfer gefällt.

Er sagt, dass er keine Befriedigung daraus zieht, nicht für sich selbst zu arbeiten, denn es gibt viele “Gelehrte”, die sagen, dass der Mensch Vollkommenheit erlangt, wenn er nicht für sich selbst arbeitet. Er sagt jedoch, dass das nicht der Grund ist, warum der Schöpfer die Geschöpfe erschaffen hat, damit sie nicht genießen. Vielmehr sei das Schöpfungsziel, seinen Geschöpfen Gutes zu tun. Deshalb sollen auch die Geschöpfe in Übereinstimmung der Form arbeiten, das heißt, ihr ganzes Verlangen soll darauf gerichtet sein, dem Schöpfer Gutes zu tun.

Es stellt sich heraus, dass jemand, der sagt, das Ziel des Menschen sei es, Vollkommenheit zu erreichen, indem er nicht für sich selbst arbeitet und dass dies das einzige Ziel des Menschen ist, für das er erschaffen wurde, nicht die Wahrheit spricht. Stattdessen sollte der Mensch sich immer selbst daraufhin prüfen, ob er um des Schöpfers willen arbeitet, d.h., dass der Schöpfer Freude daran hat. Das heißt, er will die Eigenliebe ersetzen und die Liebe zum Schöpfer erlangen, denn nur so erreichen die Geschöpfe das Ziel, für das sie erschaffen wurden, nämlich „Seinen Geschöpfen Gutes zu tun.“

Deshalb werden diejenigen, die die Liebe zum Schöpfer erreichen wollen, obwohl diese Stufe noch weit von ihnen entfernt ist, dennoch danach streben, bereits als „diejenigen, die den Schöpfer lieben“ bezeichnet. Es ist so, wie Baal HaSulam über den Vers sagte: „wird den Weisen Weisheit geben“. Er fragte: „Es hätte heißen müssen: ‚wird den Toren Weisheit geben?!'“ Da sie bereits weise sind, was gibt ihnen die Weisheit? Außerdem, wovon sollten sie Weisheit haben, bevor der Schöpfer sie ihnen gibt? Erst hinterher, wenn sie bereits Weisheit haben.

Er sagte, dass die Bedeutung von „weise“ die ist, die weise sein wollen. Er hat zwar noch keine Weisheit, aber er begehrt Weisheit, deshalb wird er bereits „weise“ genannt, nach seiner Bestimmung. Wer also weise sein will, sollte glauben, dass der Schöpfer ihm Weisheit geben wird.

Auf diese Weise sollten wir auslegen, dass jene, die den Schöpfer lieben wollen, bereits als Menschen gelten, die den Schöpfer lieben. Aus diesem Grund will der Schöpfer ihnen Liebe schenken, das heißt Annullierung der Eigenliebe und Belohnung mit der Liebe zum Schöpfer. Der Heilige Sohar sagt ihnen, dass der Schöpfer einen Stock in seiner Hand hält, um sie auf den geraden Weg zu führen. Das heißt, sie sollen glauben, dass die Leiden, die sie durch die Abstiege erleiden, die sie durchmachen, vom Schöpfer kommen. Das heißt, diese fremden Gedanken, die sie empfangen, die wie Dornen in ihrem Körper sind, schickt der Schöpfer.

Wenn ein Mensch der Ansicht ist, dass es besser wäre, wenn der Schöpfer mehr Aufstiege schicken würde, und sich fragt warum diese Abstiege notwendig sind, also, was ihr Zweck ist, lautet die Antwort darauf, dass dies „der Stock in der Hand des Schöpfers ist, um ihn auf den geraden Weg zu führen“. Wenn der Mensch sonst im Zustand des Aufstiegs verharrte, würde er denken, dass er die Vollkommenheit bereits erreicht hat und in seinem Zustand der Niedrigkeit verharren, denn er würde keinen Mangel spüren, den er korrigieren muss.

Aus diesem Grund zeigt ihm der Schöpfer seine Niedrigkeit und demonstriert ihm, dass er, so sehr er auch schon dachte, dass er ein überlegener Mensch sei und nicht so niedere Gedanken habe wie andere Menschen, plötzlich sieht, dass er bösere Gedanken hat als Menschen, die wie die Allgemeinheit arbeiten und als jene gelten, die arbeiten, um Belohnung zu empfangen.

Er sagt sich, dass er einzig und alleine um des Schöpfers willen arbeiten will und nicht um seines eigenen willens, und er ist sicherlich auf einer höheren Stufe als sie. Doch plötzlich kann er sehen, dass er niedriger ist als sie. Daraus folgt, dass er aufgrund des Leids, das er empfindet, den Bedarf hat, den Schöpfer zu bitten, ihn wirklich näher zu bringen. Deshalb gilt dies besonders für jene Menschen, die als Israel angesehen werden, also die „Israel“ sein wollen. Um in der Arbeit nicht zu versagen, schickt Er ihnen diese Abstiege. Das heißt, dass Er „den Stock in der Hand hält, um sie auf den geraden Weg zu führen“. Der „gerade Weg“ ist der Weg, der direkt zum Palast des Königs führt.

Das ist bei denen, die als Esau angesehen werden, nicht der Fall. Sie handeln ohne die Absicht, dass das Handeln zur Annullierung des Eigennutzens führt, und sie wollen die Handlungen nicht um des Schöpfers willen ausführen, sondern begnügen sich mit der Tat, ohne die Absicht, dass sie zu Dwekut an den Schöpfer gelangen, und denken nicht an die Angelegenheit von Dwekut an den Schöpfer, wie es geschrieben steht: „Und an Ihn zu haften.“ Für sie hält der Schöpfer nicht den Stock in seiner Hand, um sie zu ermahnen.

Er sagt: „Aber Esau habe ich gehasst, deshalb habe ich den Stock von ihm entfernt – die Ermahnung von ihm entfernt – damit ich ihm keinen Anteil an Mir gebe.“ Das bedeutet „Ich möchte nicht, dass er Anhaftung mit Mir hat“. Und das ist es, was er sagt „Meine Seele hat sich von ihm abgewendet“, was bedeutet „Da ihre ganze Arbeit nur für ihren eigenen Nutzen ist, hat Meine Seele sich von ihm abgewendet, und Ich werde ihm keinen Anteil an Mir geben. Das heißt, Ich werde ihm keine Leiden geben, durch die er zu Mir kommen könnte. Denn da er kein Verlangen nach mir hat, habe Ich kein Verlangen nach denen, die nach der Eigenschaft Esau handeln. Das heißt, sie fühlen sich als vollkommen. ‚Esau‘ bedeutet, dass er schon seinen Teil getan hat, und er hält sich für einen vollkommenen Menschen.“

Doch was kann man tun, um nicht einen Abstieg zu erleben, der „Leiden“ genannt wird und man sich vom Schöpfer entfernt fühlt? Denn alles Leiden dient dazu, dass der Mensch nicht auf einer niedrigen Stufe bleibt, denn sonst gibt er sich mit wenig zufrieden, weil er bereits denkt, dass er mit einer spirituellen Stufe belohnt worden ist. Deshalb ist es notwendig, den Menschen in seiner Bedeutung herabzusetzen, damit er selbst sehen kann, wie mangelhaft er ist. Dann wird er kommen und den Schöpfer bitten, ihn von seiner Niedrigkeit zu befreien.

Wie ist es möglich, eine Realität zu schaffen, in der man nicht in einen Zustand der Niedrigkeit fallen muss? Der Rat dazu ist, dass ein Mensch selbst eine Selbstanalyse durchführen sollte, und durch Nachdenken und Wollen erkennen sollte, wie weit er noch von der Anhaftung an den Schöpfer entfernt ist. Das bedeutet, dass er auch in Zeiten des Aufstiegs sich selbst Rechenschaft ablegen sollte und beginnen sollte, seine Mängel zu spüren. Dann muss er nicht notwendigerweise von seinem Zustand fallen, das heißt, er muss keine erniedrigenden Gedanken haben, bis er fühlt, dass er in einem Zustand der Mängel ist.

Vielmehr beginnt er schon während eines Aufstiegs, nach Wegen zu suchen, wie er in der Stufe aufsteigen kann. Dann ist es nicht notwendig, von oben herabgestuft zu werden, denn er beginnt selbst, Rat zu suchen, noch bevor er in die Niedrigkeit gefallen ist. Es scheint nun, dass er in seiner Situation voller Fehler ist. Er kann sich dadurch von dem Bedarf befreien, dass ihm von oben herab Abstiege gegeben werden.

Normalerweise ist es jedoch so, dass ein Mensch während eines Aufstiegs nicht nach Fehlern in sich selbst suchen will. Daher ist es notwendig, ihm von oben herab Abstiege zu geben.

So können wir interpretieren, was unsere Weisen gesagt haben (Shabbat 152): „Ich habe nichts verloren, dennoch suche ich.“ Das heißt, ein alter Mensch wandelt gebeugt und schaut immer auf den Boden, als ob er etwas sucht. Er sagt: „Ich habe nichts verloren, dennoch suche ich.“ Wir sollten dies so auslegen: „Alt ist der, der Weisheit erworben hat.“ Das heißt, er ist „weise, der die Zukunft sehen kann“. Da er zu einem Abstieg kommen kann, um leere Kelim [Gefäße] zu erwerben, kann der Schöpfer sie füllen oder er bleibt in einem Zustand der Niedrigkeit, weil er sich nicht mangelhaft fühlt. Wenn er dann den Zustand des Aufstiegs verliert, beginnt er, Wege zu suchen, wie er in der Spiritualität wieder aufsteigen kann.

Er, der alt ist, d.h. weise und die Zukunft sehen kann, beginnt deshalb schon vor dem Verlust des Aufstiegs nach Wegen zu suchen, wie er in der Spiritualität aufsteigen kann. Er beginnt, alle Ratschläge über die Wege zum Aufstieg auf den spirituellen Stufen zu befolgen, und zwar indem er in dem Zustand, in dem er sich befindet, nach Mängeln sucht. In diesem Fall besteht kein Bedarf, ihn in seiner Wichtigkeit herabzustufen, damit er Mängel in sich selbst findet, denn er wird selbst nach Mängeln suchen, um leere Kelim zu haben, die der Schöpfer füllen kann.

Wenn der Mensch das Gefühl hat, dass er jetzt in einem spirituellen Zustand ist und Mängel finden will, ist der beste Rat, sich in diesem Zustand in die Tora zu vertiefen und die Verbindung zwischen der Tora und dem Menschen zu finden. Daraus wird er Wissen darüber schöpfen können, wie er dem Schöpfer dienen kann, wie es geschrieben steht: „Auch eine Seele ohne Erkenntnis ist nicht gut“, und wie es geschrieben steht: „Und gewähre uns Weisheit, Verstand und Wissen von Dir.“ In diesem Zustand kann er den Mangel in sich sehen und wird leere Kelim haben. Er wird dadurch davor bewahrt, in einen echten Abstieg zu kommen.

Nun wollen wir die Frage klären, warum wir, wenn wir zum Schöpfer beten, unsere Sünden zu tilgen, vor ihm Bedingungen stellen und sagen: „aber nicht durch Leiden“, also „nicht durch Abstiege“? Während eines Abstiegs sind wir nämlich von Ihm getrennt, denn während eines Abstiegs ist alles in Niedrigkeit. Das wird „Shechina [Göttliche Gegenwart] im Staub“ genannt. Denn weil wir unsere Niedrigkeit spüren müssen, bringen wir die Shechina dazu, ebenfalls im Exil zu sein, so wie wir uns vom heiligen Land entfenen. Das heißt, wir haben nicht das Verlangen nach Kedusha [Heiligkeit]. Stattdessen empfangen wir während des Abstiegs das Verlangen nach „dem Land der Völker“, und dadurch entwürdigen wir die Kedusha.

Aus diesem Grund bitten wir den Schöpfer, uns zu helfen, unsere Sünden auszulöschen, damit wir in die Kedusha eintreten können. Dass es aber nicht durch Leiden, die „Abstiege“ genannt werden, kommt, denn diese Abstiege verursachen die Entwürdigung der Kedusha, die „Shechina im Staub“ oder „Shechina im Exil“ genannt wird. Wir beten, dass diese Leiden nicht kommen, denn wir verursachen dadurch die Entwürdigung der Kedusha.

Unsere Weisen sagen (Berachot S. 5): „Rabbi Yochanan war schwach. Er ging zu Rabbi Chanina. Er sagte zu ihm: ‚Sind Dir Leiden lieb?‘ Er antwortete: ‚Weder sie noch ihre Belohnung.'“ Dies wirft Fragen auf, schließlich haben viele Gerechte Leiden auf sich genommen. Warum sagte Rabbi Yochanan also „Weder sie noch ihre Belohnung“?

Baal HaSulam hat das so gedeutet und gesagt, dass sie sich über die Verbannung der Shechina streiten, die sich verzögert, denn nicht alle Funken der Kedusha, die in die Klipot [Hüllen/Schalen] hinabgestiegen sind, wurden korrigiert. Aus diesem Grund gibt es zwar eine Belohnung, nämlich dass alles, was in die Klipot hinabgestiegen ist, zur Kedusha zurückkehren wird, was eine sehr große Belohnung ist – dass alles korrigiert wird –, aber in der Zwischenzeit, bis alles korrigiert ist, ist die Shechina im Exil, jeder erniedrigt sie und verherrlicht die Magd, nämlich die Klipa [Einzahl von Klipot]. Das ist der Kummer der Shechina, den er nicht ertragen kann. Er sagte darüber: „Weder sie noch ihre Belohnung.“

Wir können sehen, was das Leiden in der Arbeit ist. Es ist, dass sie darunter leiden, dass die Shechina ihretwegen in Niedrigkeit sein muss. Um das zu verstehen, sollten wir den Aufsatz „Shechina (Göttliche Gegenwart) im Exil“ (Shamati, Aufsatz Nr. 1) untersuchen, in dem er sagt, dass der Mensch, wenn er bedauert, weit vom Schöpfer entfernt zu sein – da er in seinem Willen ist, nur zu seinem eigenen Nutzen zu empfangen wie die Tiere, was der „menschlichen“ Eigenschaft unwürdig ist –, das Leiden so ausrichten soll, dass es nicht so ist, weil er ein Mensch sein will, und deshalb leidet, sondern dass es aufgrund des Leids der Shechina ist.

Er gibt dazu ein Gleichnis, dass ein Mensch, der Schmerzen in einem bestimmten Organ hat, den Schmerz vor allem im Herzen und im Gehirn spürt, die die Gesamtheit des Menschen darstellen. Ebenso ist der individuelle Mensch ein Teil der Shechina, die als „Knesset Israel“ bezeichnet wird. Und der Hauptteil des Schmerzes liegt bei ihr. Und darüber sollte man traurig sein. Das wird als „Leiden in der spirituellen Arbeit“ bezeichnet.

Zusammenfassung

Der Artikel Nr. 27/1989 von Rabash thematisiert die Rolle des Leidens in der spirituellen Arbeit. Er beginnt mit einer Betrachtung des Gebets an Jom Kippur, in dem Gläubige bitten, ihre Sünden zu tilgen, jedoch ohne durch Leiden geläutert zu werden. Rabash stellt die Frage, warum diese Bedingung gestellt wird.

Anschließend bezieht sich der Artikel auf den Heiligen Sohar, der die Bedeutung der Zurechtweisung durch den Schöpfer und die Haltung, die man ihr gegenüber einnehmen sollte, erklärt. Es wird hervorgehoben, wie wichtig es ist, die Zurechtweisung zu akzeptieren, da sie ein Zeichen der Liebe des Schöpfers ist. Der Artikel diskutiert auch die Unterschiede zwischen den Eigenschaften von „Israel“ und „Esau“ in Bezug auf ihre Herangehensweise an Tora und Mizwot (Gebote). Während „Israel“ die Tora und Mizwot um des Gebens willen praktiziert, ohne etwas im Gegenzug zu erwarten, strebt „Esau“ nach Belohnung und Anerkennung für seine Taten.

Rabash geht darauf ein, dass der Beginn der Arbeit um des Gebens willen eine Abfolge von Auf- und Abstiegen einleitet. Der Artikel diskutiert den „bösen Trieb“, der versucht, Menschen von ihrem spirituellen Weg abzubringen, indem er Zweifel und Widerstand gegen die Arbeit um des Gebens willen sät. Dieser Widerstand wird als „Leiden“ bezeichnet.

Der Artikel betont, dass Abstiege und Herausforderungen notwendig sind, um den Menschen auf den richtigen Weg zu führen. Ohne diese Herausforderungen würde man den Mangel an spiritueller Vollkommenheit nicht erkennen. Rabash erklärt, dass Leiden dazu dient, uns unsere Unvollkommenheit zu zeigen und uns zur Korrektur und Annäherung an den Schöpfer zu bewegen.

Ein wichtiger Aspekt des Artikels ist die Idee, dass Leiden nicht nur persönlich, sondern auch kollektiv zu verstehen ist – als Teil der „Shechina im Exil“. Dies bedeutet, dass unser individuelles spirituelles Leiden Teil eines größeren, kollektiven Prozesses der spirituellen Entwicklung und Läuterung ist.

Abschließend betont Rabash die Wichtigkeit der Absicht hinter unseren Handlungen und dass wahre spirituelle Arbeit darin besteht, sich dem Schöpfer zu nähern, ohne persönliche Belohnung zu erwarten. Diese Haltung erfordert eine ständige Selbstreflexion und das Streben nach spirituellem Wachstum, auch in Zeiten des spirituellen Aufstiegs.

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