Ich hörte am 21. Ijar in Jerusalem
„Rabbi Chanina Bar Papa sagte: ‚Jener Engel, der verantwortlich ist für die Empfängnis, sein Name ist Laila (Nacht). Und er nimmt einen Tropfen und stellt ihn vor den Schöpfer und sagt vor Ihm: ‚Herr der Welt, was soll aus diesem Tropfen werden, ein Held oder ein Schwächling, ein Weiser oder ein Dummer, ein Reicher oder ein Armer‘? Jedoch sagte er nicht: ‚Ein Bösewicht oder ein Gerechter.‘“[1]
Und es sollte gemäß der Regel dargelegt werden, dass ein Dummer kein Gerechter werden kann, so wie die Weisen sagten: „Der Mensch sündigt nicht, es sei denn, der Geist der Dummheit ist in ihn gefahren.“ Umso mehr gilt dies für den, der alle seine Tage ein Narr ist. Demzufolge hat derjenige, der als Narr geboren wurde, keinerlei Wahl, da er dazu bestimmt wurde, ein Dummer zu sein. Wenn daher gesagt wurde: „Er sagte nicht: ein Gerechter oder ein Bösewicht“, so deshalb, damit er eine Wahl habe. Und was ist der Nutzen, wenn er nicht sagte: „Ein Gerechter oder ein Bösewicht“? Denn wenn er dazu bestimmt ist, ein Dummkopf zu sein, ist das dann nicht dasselbe, wie zum Bösewicht bestimmt zu sein?
Und so müssen wir die Worte der Weisen verstehen: Rabbi Yochanan sagte, der Schöpfer sah, dass die Gerechten wenige waren. Er stand und pflanzte sie in jede Generation, so wie geschrieben steht: „Denn die Pfeiler der Welt sind des Schöpfers und er hat die Welt auf sie gestellt.“ Und Rashi interpretiert: „‚Er hat die Welt auf sie gestellt.‘ – Er verteilte sie auf alle Generationen, auf dass sie eine Grundlage und eine Existenz und eine Basis seien für den Erhalt der Welt.“[2]
„Sie sind wenige“ bedeutet, dass sie weniger werden. Was tat Er daher, damit sie sich vermehrten? Er stand und pflanzte sie in jede Generation. Und es muss gefragt werden: Was ist der Nutzen davon, sie in jede Generation zu pflanzen, wodurch sie sich vermehren? Wir müssen verstehen, was der Unterschied dabei ist, ob alle Gerechten in einer Generation oder über alle Generationen hinweg verteilt sind, so wie Rashi darlegt. Vermehren sich die Gerechten dadurch, dass sie in mehreren Generationen vorhanden sind?
Um das Obige zu verstehen, müssen wir die Worte der Weisen, dass der Schöpfer darüber bestimmt, ob aus dem Tropfen ein Weiser oder ein Dummer wird, weiter ausführen und darlegen. Das heißt, derjenige, der schwach geboren ist, also ohne die Kraft, seine Neigung zu überwinden, und mit einem schwachen Verlangen und ohne Begabung zur Welt gekommen ist – und das auch während der Zeit der Vorbereitung, das heißt in der Zeit, wenn der Mensch die Arbeit des Schöpfers beginnt –, muss geeignet sein, die Tora und die Weisheit zu empfangen, so wie geschrieben steht: „Wird den Weisen Weisheit geben.“ Und es stellt sich die Frage: „Wenn sie bereits weise sind, warum benötigen sie dann noch Weisheit? Es hätte heißen sollen: ‚Wird den Dummen Weisheit geben.‘“
Und er erklärt, dass als Weiser jener bezeichnet wird, der nach Weisheit strebt, obwohl er noch keine Weisheit besitzt. Stattdessen hat er, da er einen Willen hat und ein Wille ein Kli genannt wird – und somit all jene, die den Willen und die Sehnsucht nach Weisheit haben –, ein Kli, in welches die Weisheit scheint. Daraus folgt: Wer dumm ist, das heißt, wer kein Verlangen nach Weisheit hat und dessen ganzes Verlangen auf seine eigenen Bedürfnisse gerichtet ist, ist hinsichtlich des Gebens ein Dummer und unfähig, irgendeine Form des Gebens zu erreichen.
Wie kann daher ein Mensch, der mit solchen Eigenschaften geboren wurde, auf die Stufe eines Gerechten gelangen? Daraus folgt, dass er keine Wahlfreiheit hat. Was hat es daher für einen Nutzen zu sagen: „Er sagte nicht: ‚ein Gerechter oder ein Bösewicht‘, damit er eine Wahl hätte“? Da er dumm und schwach geboren wurde, hat er bereits keine Möglichkeit der Wahl, da er zu keinerlei Überwindung und Verlangen nach der Weisheit des Schöpfers fähig ist.
Um dies zu verstehen, das heißt, dass selbst ein Dummer die Wahl haben kann, machte der Schöpfer eine Korrektur, welche die Weisen nennen: „Der Schöpfer sah, dass die Gerechten wenige waren. Er stand und pflanzte sie in jede Generation.“ Und wir fragten: „Was ist der Nutzen davon?“
Nun werden wir die Angelegenheit verstehen.
Es ist nämlich bekannt, dass es verboten ist, sich mit den Bösewichten zu verbinden, sogar wenn man nicht so handelt wie sie, so wie geschrieben steht: „Und er saß nicht in einer Versammlung von Spöttern.“ Dies bedeutet, dass das hauptsächliche Vergehen das Sitzen unter den Spöttern ist und das, obwohl er da sitzt und die Tora studiert und die Gebote einhält. Andernfalls wäre das Verbot wegen der Auslöschung der Tora und der Gebote. Vielmehr ist es so, dass das Sitzen selbst verboten ist, da der Mensch die Gedanken und das Verlangen jener annimmt, die er mag.
Und umgekehrt: Wenn er keinen Willen und kein Verlangen nach Spiritualität hat – wenn er sich unter Menschen befindet, die das Verlangen und den Willen nach Spiritualität haben, wenn er diese Menschen mag, so nimmt auch er ihre Überwindungskraft und ihre Wünsche und Bestrebungen an, obwohl er selbst aus eigener Kraft jene Wünsche und Verlangen und die Überwindungskraft nicht hat. In dem Maße jedoch, wie er jenen Menschen Lieblichkeit und Wichtigkeit zuschreibt, erhält er neue Kräfte.
Nun können wir obige Worte verstehen: „Der Schöpfer sah, dass die Gerechten wenige waren.“ Dies bedeutet, dass nicht jeder Mensch fähig ist, ein Weiser zu sein, da es ihm an den Eigenschaften dafür mangelt, so wie geschrieben steht, dass er als Dummkopf oder Schwächling geboren wurde, [trotzdem] hat auch er die Wahl und hat keine Ausrede aufgrund seiner eigenen Eigenschaften. Dies ist so, weil der Schöpfer die Gerechten in jede Generation pflanzte.
Daher hat der Mensch die Wahl, ob er zu dem Ort gehen will, wo es Gerechte gibt. Indem er ihre Autorität annimmt, wird er die Kräfte erhalten, die ihm selbst seitens seiner natürlichen Eigenschaften fehlen. Er wird sie von den Gerechten erhalten. Und dies ist der Nutzen von „und Er verteilte sie auf jede Generation“, damit es in jeder Generation jemanden gäbe, an den man sich wenden und ihm anhaften kann und von dem man die Kräfte erhalten kann, um zur Stufe eines Gerechten aufzusteigen. Und dadurch werden sie anschließend selbst zu Gerechten.
Daraus folgt, dass „Er sagte nicht: ‚ein Gerechter oder ein Bösewicht‘“ bedeutet, dass er die Wahl hat zu gehen und den Gerechten anzuhaften, um Führung zu erhalten und durch sie Kräfte zu bekommen. Dadurch können auch sie später zu Gerechten werden.
Wären jedoch alle Gerechten in einer Generation, hätten die Dummen und Schwachen keine Möglichkeit, sich dem Schöpfer anzunähern, und daher keine Wahl. Dadurch jedoch, dass alle Gerechten in jede Generation verteilt wurden, hat jeder Einzelne die Kraft der Wahl zu gehen und sich an die in jeder Generation vorhandenen Gerechten anzunähern. Ansonsten wäre seine Tora gezwungenermaßen eine Todesdroge.
Und dies können wir aus einem irdischen Beispiel verstehen. Wenn zwei Menschen einander gegenüberstehen, ergibt sich, dass die Rechte des einen der Linken des anderen gegenübersteht, und die Linke des Zweiten der Rechten seines Freundes gegenüberliegt. Und da es zwei Wege gibt, den rechten, den Weg der Gerechten, deren ganze Sorge allein dem Geben gilt, und den linken Weg, dessen ganze Aufmerksamkeit nur dem Empfangen für sich selbst gilt, worin sie sich vom Schöpfer trennen, der nur Geben ist, so werden sie selbstverständlich vom Leben des Lebens getrennt.
Daher werden die Bösewichte in ihren Leben „tot“ genannt. Daraus folgt, dass sie in der Zeit, in der der Mensch die Anhaftung an den Schöpfer noch nicht erlangt hat, zwei sind.
Dann, wenn der Mensch die Tora lernt, was „rechts“ genannt wird, ist dies jedoch zur Linken des Schöpfers, was bedeutet, dass er die Tora um des Empfangens seiner selbst willen lernt, was ihn vom Schöpfer trennt. Dann wird die Tora ihm zur Todesdroge, weil er in der Trennung bleibt. Denn er will, dass die Tora seinen Körper einkleidet, was bedeutet, dass er möchte, dass die Tora seine Körperlichkeit vergrößert, und dadurch wird sie ihm zur Todesdroge.
Wenn sich der Mensch dem Schöpfer anhaftet, entsteht ein einziger Herrschaftsbereich, und der Mensch verbindet sich mit Seiner Einzigartigkeit. Dann wird seine Rechte zur Rechten des Schöpfers, und der Körper wird zur Kleidung seiner Seele.
Um zu wissen, ob er auf dem Weg der Wahrheit geht, sollte er, wenn er sich um körperliche Bedürfnisse kümmert, erkennen, dass er sich nicht mehr, als für seine Seele notwendig ist, mit ihnen beschäftigt. Und wenn es ihm scheint, er habe mehr als nötig ist, um die Bedürfnisse der Seele einzukleiden, dann ist dies in seinen Augen wie die Kleidung, in die der Mensch seinen Körper kleidet.
Dann achtet er sehr genau darauf, dass die Kleidung weder zu lang noch zu weit ist, sondern seinen Körper genau einkleidet.
Ähnlich ist es, wenn der Mensch in seinen körperlichen Bedürfnissen ist, dann muss er sorgfältig darauf achten, dass da nicht mehr ist, als er für seine Seele benötigt, das heißt, dass es seine Seele einkleidet.
Um zur Anhaftung an den Schöpfer zu gelangen: Nicht jeder, der den Schöpfer nehmen will, kann kommen und nehmen, da dies gegen die Natur des Menschen ist, der im Willen zu empfangen geschaffen wurde, der Eigenschaft der Selbstliebe. Daher benötigen wir die Gerechten der Generation.
Denn wenn der Mensch einem wirklichen Rav anhaftet, dessen einziger Wunsch es ist, gute Taten zu vollbringen, der Mensch jedoch wahrnimmt, dass er zur Ausführung guter Taten nicht fähig ist – also darauf ausgerichtet zu sein, dem Schöpfer Zufriedenheit zu bereiten – dann kann er seinem Rav anhaften und Kräfte von diesem empfangen, auch wenn er selbst von Geburt an keine dieser Eigenschaften besitzt. Und dies allein dadurch, indem er einem wirklichen Rav anhaftet und in dessen Augen Gefallen finden will – also die Dinge tut, die sein Rav liebt, und die Dinge hasst, die auch sein Rav hasst. Dies ist die Bedeutung dessen, dass Er die Gerechten in jede Generation pflanzte.
Was dies angeht, ist es jedoch schwierig zu sehen, warum er die Gerechten in jede Generation verteilt hat. Wir sagten, dies sei wegen der Dummen und Schwächlinge. Er hätte dies jedoch nach einem anderem Rat lösen können: die Dummen gar nicht erst zu erschaffen. Wer verpflichtete Ihn zu sagen, ob dieser Tropfen ein Dummer oder ein Schwächling werden soll? Er hätte alle weise erschaffen können.
Die Antwort ist, dass auch die Dummen benötigt werden, denn sie sind die Träger des Willens zu empfangen. Und sie sehen, dass sie von ihrer Seite keinen Rat haben, wie sie sich alleine an den Schöpfer annähern können, so sind sie so wie jene, über die geschrieben steht: „Und sie sollen hinausgehen und die Leichen jener Menschen sehen, denn ihr Wurm wird nicht sterben, noch werde ihr Feuer gelöscht und sie sollen eine Abscheu für alles Fleisch hegen.“
Sie sind zur Asche unter den Füßen der Gerechten geworden, wodurch die Gerechten das Gute erkennen, das ihnen der Schöpfer zuteil werden ließ, dass er sie weise und heldenhaft erschuf, wodurch er sie an Ihn annäherte. Und nun können sie dem Schöpfer darin danken und ihn preisen, da sie sehen, wie sie sich in einem Zustand der Minderwertigkeit befinden. Und dies wird „Asche unter den Füßen der Gerechten“ genannt, was bedeutet, dass die Gerechten dadurch gehen und den Schöpfer preisen.
Wir müssen jedoch wissen, dass auch die niedrigeren Stufen benötigt werden. Dass die Kleinheit (Katnut) der Stufe nicht als etwas Überflüssiges angesehen wird, um nicht zu sagen, dass es besser wäre, wenn die Stufen der Kleinheit sofort mit der Größe (Gadlut) geboren würden.
Denn dies ist wie beim irdischen Körper, der gewiss wichtige Körperteile hat, so wie das Gehirn und die Augen und solcherlei, und auch Teile, die nicht so wichtig sind, so wie der Magen und die Eingeweide, die Finger und Zehen. Und man kann nicht sagen, dass irgendein Körperteil, der eine nicht so wichtige Aufgabe hat, überflüssig sei, sondern alles ist wichtig.
So ist es auch in der Spiritualität. Auch die Dummen und die Schwachen benötigen wir.
Nun können wir verstehen, was geschrieben steht, dass der Schöpfer sagt: „Kehre zu Mir zurück und Ich werde zu Euch zurückkehren.“ Dies bedeutet, dass der Schöpfer sagt: „Kehre zurück“, und Israel sagt das Gegenteil: „Bring uns zurück zu Dir, Herr, und dann werden wir zurückkehren.“
Dessen Bedeutung ist, dass während des Abstiegs von der Arbeit der Schöpfer zuerst „Kehre zurück“ sagt. Dies bringt dem Menschen einen Aufstieg in der Arbeit des Schöpfers. Dann beginnt der Mensch zu schreien: „Bring uns zurück!“ Zur Zeit des Abstiegs jedoch ruft der Mensch nicht: „Bring uns zurück!“, sondern im Gegenteil, er flieht vor der Arbeit. Daher muss der Mensch wissen, dass zu der Zeit, wo er „Bring uns zurück!“ schreit, dies durch ein Erwecken von Oben kommt, da der Schöpfer zuvor gesagt hatte: „Komm zurück“, wodurch man einen Aufstieg erfährt und „Bring uns zurück!“ sagen kann.
Und dies ist die Bedeutung von „Und es wird sein, als die Lade aufbrach, dass Moses sagte: ‚Erhebe Dich, Schöpfer, und lasse Deine Feinde sich zerstreuen.‘“ Denn „aufbrechen“[3] bedeutet, dass man in der Knechtschaft des Schöpfers voranschreitet, was ein Aufstieg ist, dann sagte Moses: „Erhebe Dich“, und als sie ruhten, sagte er: „Kehre zurück, Schöpfer“. Und während der Ruhe von der Arbeit des Schöpfers benötigt man, dass der Schöpfer sagt: „Kehre zurück“, was bedeutet: „Kehrt zu Mir zurück“, was bedeutet, dass der Schöpfer das Erwachen gibt. Daher sollte man wissen, wann „Erhebe Dich“ oder „Kehre zurück“ zu sagen ist.
Dies ist die Bedeutung dessen, was im Abschnitt Ekew[4] geschrieben steht: „Und Du sollst gedenken des ganzen Weges, […] um zu erkennen, was in deinem Herzen ist: ob Du Seine Gebote einhalten wirst oder nicht.“ „Ob du Seine Gebote einhalten wirst“ wird als „Kehre zurück“ unterschieden. „Oder nicht“ als „Erhebe Dich“. Und wir benötigen beide. Und der Rav weiß, wann [die Zeit von] „Erhebe Dich“ und die von „Kehre zurück“ ist, da die 42 Pfade die Aufstiege und Abstiege sind, die zur Arbeit des Schöpfers gehören.
[1] Traktat Nida, 16b
[2] Traktat Joma, 38b
[3] Das hebräische Wort bedeutet „reisen“.
[4] 5. Buch Mose 8, 2