Baal HaSulam, Brief 19, Der Schöpfer ist dein Schatten

Rav Yehuda Ashlag, aus dem Jahr 1927

Ich habe alle Deine Briefe erhalten, und mögen sie dem Wunsch des Schöpfers genügen. Beachte jedoch: „Erkenne den Schöpfer Deiner Väter und sei ihm ergeben.“ „Erkennen“ bedeutet „das Wissen“, denn schlecht geht es der Seele des Menschen ohne die Kenntnis des Schöpfers. Denn er hat eine Seele, doch solange er den Schöpfer noch nicht spürt, geht es ihm schlecht.

Obwohl er eine Seele hat, ist er nicht imstande, sich aus eigener Kraft zu der Erkenntnis des Schöpfers zu bewegen, bis er Inspiration von Oben bekommt. Dann wird ihn dies dazu verpflichten, innezuhalten, den Anweisungen der Weisen zu folgen und auf diese völlig zu vertrauen.

In der Schrift steht es geschrieben: „Nur die Güte und die Barmherzigkeit verfolgen mich alle Tage meines Lebens.“

Auch der große Baal Shem Tov erklärt: „Der Schöpfer ist dein Schatten.“ Das heißt, wie ein Schatten allen Bewegungen des Menschen folgt und all seine Bestrebungen mit denen des Menschen übereinstimmen, so folgt jeder Mensch den Bewegungen des Schöpfers, und sobald bei ihm die Liebe zum Schöpfer erwacht, soll er begreifen, dass es der Schöpfer ist, bei dem eine große Sehnsucht nach dem Menschen erwachte. Genau das hat Rabbi Akiwa gemeint, als er sagte: „Glücklich ist Israel, vor wem reinigen sie sich und wer sie rein werden lässt.“ Verstehe das.

Aus diesem Grunde erhält der Mensch am Anfang seiner Annäherung eine sich wendende Seele (Sitra deOfanim), was bedeutet, dass sich der Schöpfer bei jeder Gelegenheit, die seitens des Menschen entsteht, ihm zuwendet in großer Sehnsucht und großem Verlangen, mit ihm zu verschmelzen. Darüber sagt König David: „Nur die Güte und die Barmherzigkeit verfolgen mich an jedem Tag meines Lebens“ – ausgehend von allen Reinkarnationen. Da König David die Gesamtheit aller Seelen Israels darstellt, hat er sich immer ungeduldig danach gesehnt, mit dem Schöpfer wirklich eins zu werden.

Man sollte jedoch in der eigenen Seele ergründen, dass der Schöpfer genau in dem Maße zum Menschen eilt, wie der Mensch zum Schöpfer strebt. Er darf dies nicht einmal in Zeiten größter Sehnsucht vergessen. Wenn der Mensch sich daran erinnert, dass der Schöpfer sich nach ihm sehnt und mit gleich großer Kraft wie er selbst zu der Verschmelzung mit ihm strebt, dann wird der Mensch immer in wachsender Erwartung und Sehnsucht, in ununterbrochener Verschmelzung verweilen, worin die endgültige Vollkommenheit jeder Seele besteht, bis sie der Rückkehr aus Liebe würdig wird. Es heißt: „Waw kehrt zu Hej zurück“, was die Verschmelzung des Schöpfers mit der Shechina (Gesamtheit aller Seelen) bedeutet.

Doch ohne die Kenntnis und die Erfassung des Schöpfers ist die Seele in einem großen Fall begriffen, nachdem die Sehnsucht bis zu einem bestimmten Maß gewachsen ist. Dem Menschen scheint es so, als würde der Schöpfer ihn zurückweisen. Es ist eine Schmach und Schande, dass er nicht nur das Maß seiner Sehnsucht und Bestrebung nicht voll macht, sondern zu einem „Teilenden“ wird, weil er den Eindruck hat, er allein strebe und sehne sich danach, mit dem Schöpfer eins zu sein. An das, was die Weisen sagen, dass nämlich auch der Schöpfer sich in gleichem Maße nach ihm sehnt und zu ihm strebt, glaubt er nicht.

Wie aber ist demjenigen zu helfen, der seinen Glauben an das von den Weisen Gesagte noch nicht verinnerlicht? „Doch aus meinem Fleische erfasse ich den Schöpfer“, weil ich euch schon einige Male bewiesen habe, dass „alles, was in dieser Welt geschieht, ‚Buchstaben‘ (Otiot) sind, die der Mensch an die richtige Stelle im Spirituellen kopieren soll, da es dort keine Buchstaben gibt.“

Als Folge des Zerbrechens der Gefäße bekam die Führung der irdischen Geschöpfe den Abdruck der Buchstaben, und zwar in einer solchen Weise, dass der Mensch, wenn er sich vervollkommnet und seine Wurzel erreicht, dazu verpflichtet ist, alle Buchstaben selbst zu sammeln, einen nach dem anderen, und diese zur höheren Wurzel zu bringen, denn es steht geschrieben: „Er neigt sich selbst und die ganze Welt der Seite der Rechtfertigung (des Freispruchs) zu.“ Die Verschmelzung des Schöpfers mit der Shechina, die der Mensch durch die Erfüllung des Maßes des Strebens und der Sehnsucht schafft, ist dem irdischen Geschlechtsverkehr gleich, der einen menschlichen Körper schafft, der auch aus dem unbedingt vorangegangenen Grund resultiert, also der Spannung – einem bestimmten Maß an Leiden und Sehnsucht, die in irdischer Sprache „Spannung“ genannt werden, wenn der Samen zum Segen wird, weil er sich wie ein Pfeil in die Seele (Nefesh), das Jahr (Shana) und die Welt (Olam) ergießt. Das wird die Rückkehr (Teshuwa) genannt, zu jener Zeit, an jenem Ort, in jene Frau. Denn der letzte Buchstabe „Hej“ des Namens HaWaYaH beinhaltet die Seele, das Jahr und die Welt.

„Die Seele“ ist das Maß des Strebens und der Sehnsucht. „Das Jahr“ sind die Zeiten der Erregung, weil der volle Siwug (Vereinigung) das volle Maß der Einführung von Atara in Jashna besitzt, bis zu dem Maß, welches sie in der Wurzel hatten, bevor sie in der irdischen Welt getrennt wurden. Der Mensch wird jedoch nicht mit einem einzigen Mal zu der höheren Verschmelzung bereit, die auch vollkommener Siwug genannt wird, sondern nach und nach, denn es heißt: „Nur die Güte und die Barmherzigkeit verfolgen mich.“ Deswegen schafft er Erregung, die der Anfang des Geschlechtsaktes ist, wie es geschrieben steht: „Ein Gerechter ist er und es geht ihm schlecht.“ Denn der Schöpfer verspürt keinen Wunsch, mit ihm zu verschmelzen, und deswegen empfindet er in seinen Bestrebungen und in seiner Sehnsucht keine Liebe, die für „diese Handlung und diesen Ort“ nötig ist, und folglich leidet er, worüber geschrieben steht: „Leiden verwandeln sich künftig in Genuss.“

Doch „was der Verstand nicht schafft, das schafft die Zeit“, denn der Schöpfer berücksichtigt alle Erregungen und sammelt diese zu einem vollem Maß an – zum Maße der Spannung an einem bestimmten Tag, worüber gesagt wird: „Erwecke und blase das Shofar, überwiege das ganze Übel!“

Da der Klang des Shofar (Tkija) das Ende des Siwug ist, worüber gesagt wird: „Einführung in den Ort des Siwug“, der die Verschmelzung des Schöpfers mit der Shechina darstellt, von oben nach unten. Während all dieser dem Siwug vorangehenden Zustände hat sich die Seele in die Reinkarnationen dieser Welt gehüllt, und das ist die Zeit der Vorbereitung des Menschen auf seine Rückkehr in seine Wurzel. Da er nicht mit einem Male den vollkommenen Siwug hervorrufen kann, sondern zuerst Erregungen schafft, was die Stufe von Nefesh in den Reinkarnationen, in der periodischen Erscheinung, bedeutet; wenn er mit all seinen Kräften, in Erregung und schweißgebadet die höhere Shechina verfolgt, bis er ständig und unentwegt, Tag und Nacht um dieses Zentrum kreist. Wie es in den Büchern über die Reinkarnationen steht, geht und nähert sich der Mensch, bis seine Seele schließlich das Niveau Nefesh erreicht, und in gleichem Maß wachsen seine Bestrebung, seine Sehnsucht und seine Leiden, weil ein leidenschaftlicher, jedoch nicht befriedigter Wunsch einen großen, dem ehemaligen Streben gleichen Schmerz hinterlässt.

Das wird Trua (Rohrklang) genannt, und wir lernen es aus dem, was geschrieben steht: „Du sollst das Horn blasen“, das heißt, du rufst Erregungen in der Shechina hervor. Und „Erzeuge Leiden“, weil du große Leiden ohnegleichen verursachst. Wenn der Mensch leidet, fragt die Shechina: „Warum tust du so?“ Um „alle Leiden zu rechtfertigen“, weil „die Verdienste des Gerechten ihm an dem Tag seiner Sünde nicht helfen werden.“ Dem alle Geheimnisse Kennenden ist das Bestrebungsmaß des menschlichen Herzens zur Annährung mit dem Schöpfer bekannt, was immer noch unterbrochen werden kann, Gott behüte! Deswegen erhöht der Schöpfer die Bestrebung, das heißt die Anfänge des Siwug. Wenn der Mensch der Stimme des Schöpfers lauscht, wie es geschrieben steht: „Der Schöpfer ist dein Schatten“, so fällt er nicht vor dem steigenden Schmerz der Bestrebung, weil er sieht und hört, dass die Shechina genauso wie er aufgrund der wachsenden Sehnsucht leidet, und so kommt es selbstverständlich dazu, dass er voranschreitet und sich mit jedem Mal bekräftigt in seinen Bestrebungen und seine Sehnsucht fühlt, bis er die volle und vollkommene Bestrebung erreicht, eine starke und ewige Verbindung.

Wie Rashbi in „Idra Suta“ (Sohar) sagt: „ Ich bin für meinen Geliebten, und mir gilt seine Leidenschaft. All die Tage, an denen ich an diese Welt gefesselt war, mit den einzigen Fesseln verband ich mich mit dem Schöpfer – deswegen gilt mir jetzt Seine Leidenschaft“ , „bis der über die verborgenen Tiefen der Schöpfung Wissende ihm versichert, dass er nie wieder zu seiner Narrheit zurückkehren wird“; aus diesem Grunde wird er dessen würdig, „Hej zu Waw für immer zurückzuführen“, was heißt, dass es zum Ende des Siwug und zur Einführung von Atara in die Jashna im verborgenen Sinn zum „großen Blasens des Shofars“ kommt.

All das geschieht mit den Kräften bitterer Bestrebungen, weil er alle Hindernisse erkannt hat und dennoch nicht zu seiner Natur zurückgekehrt ist. Dann wird er der vollen Erkenntnis im ewigen Siwug würdig, und zwar nach dem Prinzip des „Wissens“, was bedeutet, dass er sieht, dass alle Hindernisse, die vor ihm in der Mehrheit der Zeiten aufgetaucht sind, nichts weiter als zum Zweck des „Wissens“ für ihn waren, und das heißt „zu der Zeit“. Dies bedeutet, dass dem über die verborgenen Tiefen der Schöpfung Wissenden bekannt ist, dass die Zeiten mit dem Menschen ein Wunder vollbracht haben, damit er für immer und ewig ein Gerechter wird.

„An jenem Ort“, welcher die Einführung von Atara in Jashna bedeutet, wie es schon vor ihrer Reduzierung (Kitrug haYareach) war, und das habt ihr von mir schon mehrmals gehört, weil der Schöpfer nichts Neues am Ende der Korrektur vornimmt, wie manche Minderbemittelte glauben, sondern: „Das vor langer Zeit Aufgehobene werdet ihr genießen!“, das heißt, „bis er sagt: ‚Ich will!‘“. Das sollte dem Verstehenden genügen.

„In jene Frau“, weil „die Schönheit täuscht und die Anziehungskraft vergänglich ist, doch die Frau, die den Schöpfer fürchtet, soll sich rühmen“. Das heißt: Während der Vorbereitungszeit entstand der Eindruck, dass die Anziehungskraft und die Schönheit das Wichtigste in der Vollkommenheit ist, und der Mensch sehnte sich und strebte natürlich danach; doch während des Endes der Korrektur, wenn „die Erde sich mit dem Wissen des Schöpfers füllt“, „hat er die umgekehrte Welt gesehen“ und hat begriffen, dass die Bestrebungen und die Furcht das Wichtigste in der Vollkommenheit sind, was dem Menschen verborgen bleibt, und so spürt er, dass er während der Vorbereitungszeit sich selbst belog. Wie es heißt: „Gerechter ist er und es geht ihm gut“, dies heißt: jemand, der des Endes des Siwugs und „des Blasens des Shofar“ würdig geworden ist. Er ist der vollkommene Gerechte.

Zeigt diesen Brief allen Freunden und habt meinen Segen, in die Bücher der Gerechten eingetragen zu werden.

Shofar: Horn
Siwug: Vereinigung, Geschlechtsakt

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