1985/13 Mächtiger Hort meiner Erlösung

Artikel Nr. 13, 1984-85

Im Chanukka-Lied sagen wir: „Mächtiger Hort meiner Erlösung, Dich zu preisen ist Entzücken; erneuere mein Gebetshaus, und wir werden dort ein Dankesopfer bringen.“ Das Lied beginnt mit Worten des Preisens „Dich zu preisen ist Entzücken“ und setzt fort mit Worten des Gebetes „erneuere mein Gebetshaus“. Nachher kommen wieder Worte des Dankes und des Preisens: „Und dort werden wir ein Dankesopfer bringen.“ Weiterlesen

1985/8 Mach dir einen Rav und kauf dir einen Freund (Teil 2)

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Artikel Nr. 8, 1984 – 85

Was wir im Artikel 1 (1984-1985) erläuterten, bedarf noch einiger Erklärungen. Es ist notwendig, folgendes zu unterscheiden: a) Zwischen dem Menschen und dem Schöpfer, b) Zwischen dem Menschen und seinem Freund in der Gruppe, c) Zwischen dem Menschen und den anderen Menschen, die nicht seine Freunde sind, obwohl es heißt: „Ganz Israel sind Freunde“. Weiterlesen

1985/1 Mach Dir einen Rav und kauf Dir einen Freund (Teil 1)

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In der Mishna (Awot, 1) sagt Yehoshua Ben Perachja: „Mach dir einen Rav, kaufe dir einen Freund, und beurteile jeden Menschen wohlwollend.“ Wir sehen, dass es hier drei Dinge gibt:

1) Mach dir einen Rav,

2) kauf dir einen Freund,

3) und beurteile jeden Menschen wohlwollend. Weiterlesen

1984/19 Ihr steht heute, Jeder von Euch

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Die Interpreten fragen: „Heute steht ihr, ihr alle…, eure Oberhäupter, eure Stämme, eure Stammväter und eure Aufseher, jeder Mann Israels.” Es beginnt mit der Mehrzahl „Ihr alle” und endet mit der Einzahl „jeder Mann Israels”. Der Verfasser des Buches Licht und Sonne erklärt, dass die Verwendung von Mehrzahl und Einzahl auf das Thema der Freundesliebe hinweist. Obwohl es bei euch „Oberhäupter, Stämme, usw.” gibt, sieht sich keiner von ihnen verdienstvoller als alle anderen Menschen Israels. Alle sind sich darin gleich und keiner klagt über den anderen. Aus diesem Grund werden sie auch von Oben entsprechend behandelt und darum wird unten große Erfüllung verteilt. Weiterlesen

1984/16 Das Geben betreffend

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Erklärung des Themas “Geben”. Wenn ein Mensch einer wichtigen Persönlichkeit dient, braucht diese ihn nicht für seine Dienste zu belohnen. Vielmehr wird genau der Dienst als Belohnung angesehen. Wenn ein Mensch weiß, dass der, dem er dient, ein wichtiger Mensch ist, genießt er bereits das Dienen und benötigt keine weitere Belohnung dafür. Im Gegenteil, das Dienen selbst ist sein Genuss.

Wenn er jedoch einem gewöhnlichen Menschen dient, macht ihm dies keine Freude, und er braucht für den Dienst eine Gegenleistung. Wenn zum Beispiel ein wichtiger Mensch mit einem kleinen Koffer anreist, warten viele Leute am Flughafen auf seine Ankunft; er übergibt den Koffer an jemanden, der ihn zum Auto bringt, mit dem er zu seinem Ankunftsziel fährt. Für diese Dienstleistung will er ihm, sagen wir, hundert Dollar geben. Der Dienende wird sich sicherlich weigern, das Geld zu nehmen, denn das Vergnügen, das er durch diese Dienstleistung erhält, überwiegt die hundert Dollar. Weiterlesen

1984/17, Teil 2 Die Agenda der Versammlung

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Zu Beginn, wenn man sich versammelt, sollte es eine Tagesordnung geben. Das bedeutet, dass jeder nach seinen Möglichkeiten über die Wichtigkeit der Gruppenversammlung sprechen sollte, d.h. die Vorteile hervorheben, die ihm die Gruppe gibt, und die wichtigen Dinge betonen, von denen er hofft, sie von der Gruppe zu erhalten, weil er sie nicht selbst erlangen kann und er muss sagen, wie sehr er dafür die Gruppe wertschätzt.

Es ist wie unsere Weisen schrieben (Brachot 32): Rabbi Shamlai lehrte: „Man soll immer den Schöpfer preisen und dann beten.” Woher haben wir das? Von Moses, wie geschrieben steht: „Und ich flehte zu dem Herrn zu jener Zeit.” Es steht auch geschrieben: „Oh Herr, Du hast begonnen” und es steht geschrieben: „Lass mich voranschreiten und das gute Land sehen“. Weiterlesen

1984/17 Teil 1 In Sachen Wichtigkeit der Freunde

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In Sachen der Wichtigkeit der Freunde innerhalb der Gruppe und wie man sie wertschätzt, hören wir, wie jeder Einzelne seinen Freund und dessen Wichtigkeit betrachten soll. Der Hausverstand sagt uns: Wenn ein Mensch seinen Freund niedriger als sich selbst einschätzt, will er ihn lehren, sich besser zu verhalten als er es im Moment tut. Infolgedessen kann er nicht sein Freund sein; er kann ihn höchstens als Schüler ansehen, aber nicht als Freund.

Doch wenn ein Mensch den Freund auf einer höheren Stufe als der eigenen sieht und erkennt, dass er gute Eigenschaften von ihm lernen kann, kann er diesen als Lehrer akzeptieren, aber nicht als Freund.

Daraus folgt, dass ein Mensch nur, wenn er seinen Freund als gleichwertig empfindet, ihn als Freund akzeptieren und sich mit ihm verbinden kann. Denn Freundschaft herrscht, wenn beide in der gleichen Situation sind. Das verlangt der gesunde Menschenverstand. Wenn beide gleiche Ansichten haben und sich verbinden, können sie gemeinsam das von beiden ersehnte Ziel in Angriff nehmen. Weiterlesen

1984/13 Manchmal wird Spiritualität „Seele“ genannt

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Wir müssen verstehen, warum Spiritualität manchmal „Seele“ (Hebr. Neshama) genannt wird, wie geschrieben steht: „Körper und Seele“, und manchmal nennt man Spiritualität Seele (Hebr. Nefesh) wie geschrieben steht: „Du sollst den Schöpfer von ganzem Herzen und von ganzer Seele lieben.“

Normalerweise, wenn wir über Spiritualität sprechen, meinen wir ihre höchste Stufe Neshama, damit der Mensch erkennt, dass diese hohe spirituelle Stufe für ihn vorbereitet wurde und das Verlangen in seinem Herzen erwacht, diese Stufe zu erreichen. Er überlegt: Woran liegt es, dass ich diese noch nicht erreicht habe? Im Laufe der Zeit versteht der Mensch, dass ihm zur Erlangung einer Seele die Übereinstimmung mit den Eigenschaften des Schöpfers fehlt. Der Körper besitzt von Geburt an die Selbstliebe (Ego), die den Eigenschaften des Schöpfers entgegengesetzt ist, da der Schöpfer nur gebend ist. Weiterlesen

1984/12 Die Wichtigkeit der Gruppe betreffend

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Es ist bekannt, dass man sich immer unter Menschen befindet, die keinerlei Verbindung zur Arbeit auf dem Weg der Wahrheit haben, sondern im Gegenteil denjenigen, die den Weg der Wahrheit gehen, immer Widerstand leisten. Und da sich die Gedanken der Menschen vermischen, durchdringen die Ansichten jener, die den Weg der Wahrheit ablehnen, jene, die ein bestimmtes Verlangen danach haben, den Weg der Wahrheit zu gehen.

Ein Mensch, der ein gewisses Verlangen nach dem Weg der Wahrheit hat, sich aber ständig unter Menschen befindet, die keinerlei Bezug zu diesem Weg haben oder die sich diesem Weg sogar aktiv widersetzen – so ein Mensch wird allmählich von seinem Weg abkommen und dem Einfluss der anderen nachgeben, da die Gedanken der Menschen, die engen Kontakt miteinander pflegen, sich vermischen.

Daher gibt es keine andere Lösung für sie, als eine eigene Gemeinschaft als Rahmenwerk für sich selbst zu gründen – also eine eigene Gemeinschaft, die sich nicht mit anderen Menschen vermischt, deren Ansichten sich von den ihren unterscheiden. Und sie sollten sich stets an den Grund dieser Gemeinschaft erinnern, damit sie nicht der Mehrheit folgen, da das Folgen der Mehrheit unserer Natur entspricht. Weiterlesen

1984/10 Welche Stufe muss der Mensch erreichen, um nicht wiedergeboren zu werden

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Frage: Welche Stufe soll man erreichen, um nicht wiedergeboren zu werden?
Im Buch „Shaar HaGilgulim“ (Tor der Wiedergeburten) steht geschrieben: „Alle Kinder Israels müssen wiedergeboren werden, bis sie mit allen NaRaNCHaY vollkommen sind. Aber die meisten Menschen verfügen nicht über alle fünf Teile, NaRaNCHaY genannt, sondern nur über Nefesh, das von Assija kommt.“ Weiterlesen

1984/9 Man sollte immer die Balken seines Hauses verkaufen

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“Rabbi Yehuda sagte, ‘Rav sagte: Man sollte immer die Balken seines Hauses verkaufen und Schuhe an den Füßen tragen‘“ (Shabbat, 129). Wir müssen die Genauigkeit über die Dachbalken des eigenen Hauses und die große Bedeutung der Schuhe verstehen bis hin zu dem Punkt, dass letztere den Verkauf der Dachbalken wert sind, sodass man Schuhe an den Füßen tragen kann.

Wir müssen das in Bezug auf die Arbeit interpretieren. Die Korot (Balken) des Hauses stammen vom Wort Mikre (Vorfall/Ereignis) ab, das alles beinhaltet, was ein Mensch in seinem Haus erfährt. Wir nehmen den Menschen durch zwei Unterscheidungen wahr: Durch das Wissen bzw. den Verstand und durch die Gefühle, die wir in unseren Herzen tragen, ob wir nun glücklich oder unglücklich sind. Weiterlesen

1984/8 Welches Einhalten von Tora und Mizwot reinigt das Herz?

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Frage: „Wenn wir uns mit der Tora und den Geboten beschäftigen, um eine Belohnung zu erhalten –reinigt das unser Herz? Wie die Weisen sagten: „Ich schuf den Bösen Trieb (Jezer haRa), und ich schuf die Tora zu dessen Korrektur.“ Das bedeutet, dass sie das Herz reinigt. Doch gilt das für jenen, der keine besondere Belohnung erhalten will oder reinigt sie auch das Herz, wenn man nur der Belohnung willen die Gebote einhält? Weiterlesen

1984/7 Was entsprechend „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ erklärt wird

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Wie bereits gesagt wurde, sind in der Regel „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ alle übrigen 612 Gebote eingeschlossen. Wie unsere Weisen sagen: „Der Rest sind Erklärungen, gehe und studiere“. Das heißt, dass wir mithilfe der Erfüllung der 612 Gebote der Erfüllung des Gebotes „Liebe deinen Nächsten“ und danach auch der Liebe zum Schöpfer würdig werden.

Wenn dem so ist, was gibt uns dann die Liebe zu Freunden? Es steht geschrieben, dass wenn sich ein paar Freunde zusammenfinden, weil jeder von ihnen nur eine kleine Kraft der Liebe zu anderen hat – was bedeutet, dass sie die Liebe zu anderen nur potenziell ausüben können -, wenn sie sie umsetzen wollen, erinnern sie sich daran, dass sie beschlossen haben, die Selbstliebe zugunsten der Liebe zu anderen aufzugeben. Aber man erkennt letztendlich, dass man zugunsten eines anderen nicht einmal auf den kleinsten Genuss des Willens zu empfangen verzichten kann. Weiterlesen

1984/6 Liebe zu Freunden 2

Hörtext zum Artikel

„Und du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ – Rabbi Akiwa sagt: „Dies ist ein großer Grundsatz in der Tora.“ Daraus ergibt sich, dass, wenn man diesen Grundsatz erfüllt, bereits alle Einzelheiten darin enthalten sind. Man wird die Einzelheiten von selbst erreichen, ohne besondere Anstrengung. Darüber hinaus haben wir nichts mehr zu tun.

Doch wir sehen, dass die Tora sagt: „Was verlangt der Ewige von dir? Nur Ehrfurcht vor Mir.“ Daraus folgt, dass die hauptsächliche Forderung an den Menschen die Ehrfurcht ist. Wenn ein Mensch das Gebot der Ehrfurcht erfüllt, dann ist darin bereits die ganze Tora und alle Gebote eingeschlossen – selbst das Gebot „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“.

Nach Rabbi Akiwa jedoch scheint es umgekehrt zu sein: Auch die Ehrfurcht ist im Grundsatz der Nächstenliebe enthalten. Doch nach der Auslegung der Weisen ergibt sich das Gegenteil, denn sie deuteten den Vers: „Das Endergebnis: Fürchte Gott und halte Seine Gebote – denn das ist der ganze Mensch.“ Und die Gemara fragt: „Was bedeutet ‚das ist der ganze Mensch‘?“ Rabbi Elasar sagt: „Der Ewige sprach: Die ganze Welt wurde nur um dieses Menschen willen erschaffen.“

Demnach ergibt sich aus den Worten Rabbi Akiwas, dass alles im Grundsatz „Liebe deinen Nächsten“ enthalten ist.

Doch wir finden bei den Weisen, dass der wichtigste Grundsatz der Glaube ist. Sie sagten: „Habakuk kam und stellte alles auf einen Grundsatz: ‚Der Gerechte lebt durch seinen Glauben.‘“ Der Maharsha erklärt dort, dass dies der umfassendste Grundsatz für jeden zu jeder Zeit sei – nämlich der Glaube. Daraus ergibt sich, dass sowohl die Ehrfurcht als auch die Nächstenliebe im Begriff des Glaubens enthalten sind.

Um das oben Gesagte zu verstehen, müssen wir sorgfältig untersuchen:

  1. Was ist Glaube?

  2. Was ist Ehrfurcht?

  3. Was bedeutet „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“?

Das Wichtigste ist, sich stets das Ziel der Schöpfung vor Augen zu halten. Und es ist bekannt: Das Ziel besteht darin, den Geschöpfen Gutes zu tun. Wenn also der Schöpfer den Geschöpfen Genuss und Freude geben will – wozu braucht es dann Glaube, Ehrfurcht und Nächstenliebe?

Daraus folgt: Sie sind nur notwendig zur Vorbereitung der Gefäße, damit diese geeignet sind, das Gute und die Freude zu empfangen, die der Schöpfer ihnen geben will.

Nun müssen wir verstehen, wie diese drei Dinge – Glaube, Ehrfurcht und Nächstenliebe – uns zur Eignung führen.

Der Glaube, einschließlich Vertrauen, vermittelt uns als Erstes die Überzeugung vom Ziel: dass es darin besteht, den Geschöpfen Gutes zu tun. Ebenso muss man darauf vertrauen können, dass auch er selbst dieses Ziel erreichen kann. Das heißt, das Ziel der Schöpfung ist nicht nur für einzelne Auserwählte bestimmt, sondern es gilt für alle Geschöpfe ohne Ausnahme.

Es richtet sich also nicht nur an besonders talentierte Menschen oder an besonders Starke – etwa solche mit großer innerer Kraft und Überwindung – sondern es betrifft alle Geschöpfe.

Siehe die Einleitung zu Talmud Esser HaSefirot, Punkt 21, wo es im Namen des Midrasch Rabba („Und dies ist der Segen“) heißt: „Der Ewige sprach zu Israel: Bei eurem Leben – die ganze Weisheit und die ganze Tora ist etwas Leichtes. Wer Mich fürchtet und Meine Worte tut, dessen Herz ist voll von Weisheit und Tora.“

Daraus folgt, dass man mit dem Glauben arbeiten muss, um Vertrauen zu gewinnen, dass man das Ziel erreichen kann – und dass man nicht verzweifelt und mitten in der Arbeit davonläuft. Vielmehr soll man glauben, dass der Ewige auch jemand Niedrigen und Verachteten wie ihn unterstützen kann – dass Er ihn an sich nähert und ihm das Verdienst der Anhaftung gewährt.

Und um Glaube zu erlangen, muss man zuerst die Ehrfurcht voranstellen. In der Einführung zum Sohar (Blatt 191 im Sulam-Kommentar, Abschnitt „Erklärung der Dinge“) steht geschrieben, dass die Ehrfurcht ein Gebot ist, das alle anderen Gebote der Tora umfasst, denn sie ist das Tor zum Glauben an den Schöpfer. Entsprechend dem Maß der Ehrfurcht – also je nachdem, wie sehr jemand die Vorsehung des Schöpfers fürchtet – ist auch das Maß seines Glaubens.

Dort wird auch erklärt, dass die Ehrfurcht bedeutet: Man fürchtet, dem Schöpfer vielleicht keine Freude bereiten zu können. Das heißt, die Ehrfurcht soll nicht zum Nutzen des eigenen Ichs bestehen – also nicht aus Angst vor Strafe oder Verlust –, sondern ausschließlich aus Sorge, dem Schöpfer keine Zufriedenheit bereiten zu können.

Daher ergibt sich: Die Ehrfurcht ist das Tor zum Glauben – ohne dieses Tor ist es unmöglich, zum Glauben zu gelangen.

Und um zur Ehrfurcht zu kommen – also, damit der Mensch wirklich die Angst spürt, dem Schöpfer vielleicht keine Freude bereiten zu können –, muss er zuerst den Wunsch und das Verlangen haben, dem Schöpfer geben zu wollen. Erst dann kann man sagen, dass es einen Platz für die Furcht gibt: nämlich die Furcht, dass es ihm vielleicht nicht gelingt, diesen Wunsch zu verwirklichen.

Doch im Normalfall fürchtet der Mensch lediglich, dass er seine Eigenliebe vielleicht nicht vollständig erfüllen kann – und nicht etwa, dass er dem Schöpfer möglicherweise keine Freude bereiten kann.

Und aus welcher inneren Substanz kann der Mensch eine neue Eigenschaft gewinnen – die Eigenschaft des Gebens –, während das Empfangen für sich selbst als etwas Schlechtes erscheint? Ist das nicht vollständig gegen seine Natur?

Und auch wenn ein Mensch manchmal den Gedanken oder das Verlangen verspürt, dass man aus der Eigenliebe austreten sollte – etwa weil er das von Lehrern oder aus Büchern gehört hat –, so ist diese Kraft doch sehr schwach. Sie leuchtet ihm nicht dauerhaft ein, sodass er sie als wertvolle Wahrheit anerkennen und ständig mit ihr arbeiten könnte, um sagen zu können, dass dies ein allgemeiner Grundsatz für alle Gebote der Tora ist.

Deshalb gibt es einen einzigen Ratschlag: Wenn sich mehrere Einzelne versammeln, die zumindest diese kleine Kraft besitzen – den Wunsch, aus der Selbstliebe auszutreten –, aber nicht die volle Stärke und Wichtigkeit des Gebens haben, um unabhängig handeln zu können, dann ist der Weg, dass sie sich gegenseitig annullieren.

Jeder von ihnen hat wenigstens im Potenzial das Thema der Liebe zum Schöpfer in sich. Aber praktisch kann er das nicht umsetzen. Wenn jedoch jeder von ihnen in eine Gemeinschaft eintritt und sich dieser unterordnet, dann entsteht ein gemeinsamer Körper. Dieser Körper – zum Beispiel aus zehn Personen bestehend – hat eine Kraft, die zehnmal größer ist als die eines Einzelnen.

Aber nur unter der Bedingung, dass sie sich versammeln mit der Absicht, nun an der Aufgabe zu arbeiten, die Selbstliebe zu annullieren. Das heißt: Keiner denkt daran, wie er seine eigenen Wünsche erfüllen kann, sondern alle bemühen sich so gut sie können, ausschließlich an die Liebe zu den Mitmenschen zu denken.

Nur dadurch kann er ein wahres Bedürfnis und einen echten Mangel spüren – nämlich, dass man eine neue Eigenschaft braucht, die „Wille zu geben“ genannt wird.

Und durch die Liebe zu den Freunden kann er zur Liebe zum Schöpfer gelangen – das heißt, er wird den Wunsch erlangen, dem Schöpfer Freude zu bereiten.

Daraus ergibt sich: Erst durch die Liebe zu den Freunden bekommt er das Bedürfnis und das Verständnis, dass das Geben etwas Wichtiges und Notwendiges ist – und diese Erkenntnis kommt durch die Liebe zu den Freunden. Dann kann man sagen, dass er Ehrfurcht hat, das heißt: dass er fürchtet, dem Schöpfer vielleicht keine Freude bereiten zu können. Das ist die wahre Bedeutung von Ehrfurcht.

Daraus ergibt sich, dass der zentrale Baustein, auf dem man das Gebäude der Heiligkeit errichten kann, der Grundsatz „Liebe deinen Nächsten“ ist – denn nur durch ihn kann man das Bedürfnis entwickeln, dem Schöpfer Freude bereiten zu wollen. Erst danach ergibt sich der Begriff der Ehrfurcht – nämlich, dass man sich fürchtet, vielleicht nicht imstande zu sein, dem Schöpfer Freude zu bereiten.

Und erst wenn er bereits dieses Tor besitzt, das „Ehrfurcht“ genannt wird, kann er zum Glauben gelangen. Denn der Glaube ist das Gefäß für die Gegenwart der Schechina – wie bekannt und wie es an vielen Stellen erklärt wird.

Daraus ergibt sich, dass wir drei Grundsätze haben:

1. Der erste Grundsatz ist der von Rabbi Akiwa: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“
Vor diesem Grundsatz gibt es nichts, das dem Menschen irgendeinen „Treibstoff“ geben könnte, um sich aus seinem gegenwärtigen Zustand zu bewegen. Denn nur über diesen Weg ist es möglich, aus der Selbstliebe zur Nächstenliebe zu gelangen – und zu erkennen, dass die Selbstliebe etwas Schlechtes ist.

2. Danach kommt der zweite Grundsatz: die Ehrfurcht.
Denn ohne Ehrfurcht gibt es keinen Raum für den Glauben – wie oben in den Worten von Baal HaSulam erklärt wurde.

3. Danach kommt der dritte Grundsatz: der Glaube.
Und nachdem man diese drei Grundsätze erlangt hat, wird man würdig, das Ziel der Schöpfung zu empfinden – nämlich: Seinen Geschöpfen Gutes zu tun.

korr, EY, 1.8.2025

1984/5 Was gibt uns das Gesetz „Liebe deinen Nächsten wie Dich selbst“?

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Was gibt uns das allgemeine Gesetz (Klal)[1]: „Liebe deinen Nächsten wie Dich selbst?“ Durch dieses Gesetz können wir zur Liebe zum Schöpfer gelangen. Wenn das so ist – was gibt uns dann die Erfüllung der übrigen 612 Gebote?

Zunächst müssen wir verstehen, was ein allgemeines Gesetz bedeutet. Bekanntlich besteht eine Gesamtheit aus vielen Einzelheiten, und ohne diese Einzelheiten gibt es keine Gesamtheit.

So sprechen wir zum Beispiel von einer „heiligen Gemeinde“. Damit ist gemeint: viele einzelne Menschen, die sich versammelt und miteinander verbunden haben, sodass sie eine Einheit bilden. Danach wird ein Vorsteher der Gemeinde bestimmt und Ähnliches. Eine solche Versammlung wird „Zehner“ oder „Gemeinde“ genannt. Erst wenn mindestens zehn Menschen anwesend sind, kann man im Gebet die „Heiligung“ (Kedusha) sprechen.

Darüber heißt es im heiligen Sohar: „Wo sich zehn Menschen versammeln, dort weilt die göttliche Gegenwart.“ Das bedeutet, dass es an einem Ort, wo zehn Menschen sind, schon Raum für die Offenbarung der Shechina gibt.
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1984/4 Der Mensch helfe seinem Freund

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Wir müssen verstehen, wie ein Mensch seinem Freund helfen kann. Gilt das nur dort, wo es Reiche und Arme, Weise und Dumme, Starke und Schwache gibt? Aber wenn es nur Reiche, Starke und Kluge gibt, wie kann man sich dann gegenseitig helfen?

Wir sehen, dass es eine Sache gibt, die allen bekannt ist – die Stimmung. So wie die Weisen sagten: „Die Sorge im Herzen eines Menschen soll man anderen erzählen.“ Denn um die Stimmung zu heben sind weder Reichtum noch Klugheit hilfreich.

Nur ein Mensch kann einem anderen helfen, der mutlos ist. Es steht geschrieben: „Kein Mensch kann sich selbst aus dem Gefängnis befreien.“ Nur sein Freund kann ihn aufmuntern.

Das heißt, sein Freund bringt ihn in einen Zustand der Munterkeit. Dann spürt der Mensch wieder Kraft, Vertrauen ins Leben und Glück und er beginnt von neuem, als wäre das Ziel nun nahe.

Folglich muss also jeder in der Gruppe aufmerksam sein und darüber nachdenken, wie er die Stimmung seines Freundes heben kann, denn gerade, was die Stimmungslage betrifft, kann jeder in seinem Freund einen Mangel finden, den er füllen kann.

1984/3 Liebe zu Freunden 1

Hörtext zum Artikel

In der Tora (1. Moses 37,15) heißt es: „Da fand ihn ein Mann, wie er umherirrte auf dem Felde; der fragte ihn und sprach: ‚Was suchst du?‘ Er antwortete: ‚Ich suche meine Brüder; sage mir doch, wo sie hüten!‘“

„Ein Mann, wie er umherirrte auf dem Felde“ bezeichnet den Ort, an dem Früchte wachsen, welche der ganzen Welt Nahrung geben. Bekanntermaßen sind „Pflügen“, „Säen“ und „Ernten“ Feldarbeiten. Unsere Weisen sagten: „Was mit Tränen gesät wurde, wird mit Freude geerntet.“ Und das heißt „Feld, welches vom Schöpfer gesegnet wurde.“ Weiterlesen

1984/2 Bezüglich der Liebe zu Freunden

Zur Hörbuch-Version.

  • Die Notwendigkeit der Liebe zu Freunden.
  • Warum habe ich ausgerechnet diese Freunde gewählt? Warum haben die Freunde mich gewählt?
  • Sollte jeder Freund der Gemeinschaft seine Liebe offenbaren, oder reicht es, die Liebe im Herzen zu spüren und die Liebe zu Freunden in Verborgenheit zu praktizieren und daher nicht offen zeigen, was in seinem Herzen ist?

Wir wissen, dass Bescheidenheit eine Tugend ist. Aber wir können auch das Gegenteil behaupten: Man muss die Liebe zu Freunden in seinem Herzen offen zeigen, denn die Äußerung dieses Gefühls kann die Herzen der Freunde erwecken, damit auch sie spüren, dass jeder einzelne sich in der Liebe zu Freunden übt. Als Ergebnis davon wird jeder eine stärkere Kraft erhalten, die Freundesliebe intensiver auszuüben, weil die Kraft der Liebe jedes Mitglieds sich mit der Kraft der anderen zusammenschließt. Weiterlesen

1984/1 Teil 2 Das Ziel der Gemeinschaft (2)

Zur Hörbuch Version

Da der Mensch von Anfang an mit einem Gefäß erschaffen ist, welches als Eigenliebe oder Egoismus bezeichnet wird, hat er keine Lust, auch nur die kleinste Bewegung zu machen, wenn er sieht, dass es in einer Handlung keinen Vorteil für ihn selbst gibt. Doch ohne Annullierung der Eigenliebe ist es nicht möglich, die Anhaftung (Dwekut) an den Schöpfer zu erreichen, also die qualitative Übereinstimmung der Form. Weiterlesen

1984/1 Teil 1 Das Ziel der Gemeinschaft (1)

Audio zum Mithören

Wir haben uns hier versammelt, um den Grundstein für den Aufbau einer Gesellschaft zu legen – für all jene, die daran interessiert sind, dem Weg und der Methode von Baal HaSulam seligen Angedenkens zu folgen. Dieser Weg ist für diejenigen bestimmt, welche die Stufe „Mensch“ erklimmen und nicht auf der Stufe „Tier“ verbleiben wollen, so wie die Weisen über den Vers sagten (Jewamot 61a): „Und ihr seid meine Herde, meine Gemeinde – Menschen seid ihr. Und RASHBI sagte: „Ihr heißt ‚Mensch‘, und die Götzendiener werden nicht ‚Mensch‘ genannt“. Weiterlesen