Shamati 74. Welt, Jahr und Seele

Ich hörte 1943

Es ist bekannt, dass es keine Wirklichkeit gibt, ohne dass es jemanden gibt, der diese Wirklichkeit wahrnimmt. Wenn wir daher von „Nefesh[1] von Azilut“ sprechen, so bedeutet das, dass wir in einem gewissen Maß ein Erlangen der höheren Fülle empfinden, wobei wir dieses Maß als Nefesh bezeichnen.

Und Olam (Welt) bedeutet die Gesamtheit innerhalb dieses Erlangens, was heißt, dass alle Seelen die gleiche Form haben, wobei jeder, der diese gleiche Stufe erlangt, diesen Namen erkennt, genannt Nefesh. Das bedeutet, dass nicht unbedingt ein bestimmter Mensch diesen Namen erlangt und auch in gleicher Form, sondern dass mit Sicherheit jeder, der auf die gleiche Stufe gelangt, gemäß der Vorbereitung von Kedusha (Heiligkeit) und Reinheit, die auf ihn treffende Fülle in gleicher Form, genannt Nefesh, vorfindet.

Diese Sache kann man anhand eines physischen Beispiels nachvollziehen, wie es in unserer Welt üblich ist. Wenn zum Beispiel ein Mensch sagt, er gehe jetzt nach Jerusalem, so wissen und kennen alle diese Stadt, sobald er den Namen der Stadt sagt. Und keiner von ihnen zweifelt daran, von welchem Ort er spricht, denn wer in dieser Stadt war, weiß bereits, wovon die Rede ist.

[1] erster von fünf Teilen der Seele

Shamati 73. Nach dem Zimzum

Ich hörte 1943

Nach dem Zimzum wurden die ersten neun Sefirot zum Ort der Heiligkeit, und Malchut, über die der Zimzum vollzogen wurde, wurde zum Ort der Welten. In ihr sind zwei Unterscheidungen zu erkennen:

  1. Ein Ort des leeren Raums, der ein Ort für die Klipot ist, deren Wesen das Verlangen ist, nur für sich selbst zu empfangen.

  2. Ein freier Raum, das heißt, es wurde ein Raum frei, um darin einzuführen, was man wählt: Heiligkeit oder, Gott bewahre, das Gegenteil.

Wenn es keinen Zimzum gegeben hätte, wäre die gesamte Wirklichkeit im Aspekt des Einfachen Lichts gewesen. Nur nachdem der Zimzum gemacht wurde, entstand ein Ort für die Wahl – zum Bösen oder zum Guten.

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Shamati 72. Vertrauen ist die Kleidung für das Licht

Ich hörte am 31. März 1947

Das Vertrauen ist die Kleidung für das Licht, genannt „Leben“. Denn es gibt das Gesetz, dass es kein Licht ohne Kli (Gefäß) gibt. Daher kann das Licht, welches als das Licht des Lebens bezeichnet wird, sich nicht einkleiden, sondern muss sich in irgendein Kli kleiden. Das Kli, in welches das Licht des Lebens gekleidet ist, wird gewöhnlich als „Vertrauen“ bezeichnet. Es bedeutet, dass der Mensch sieht, dass er jede schwierige Sache meistern kann.

Es folgt, dass das Licht in diesem „Kli des Vertrauens“ erkannt und wahrgenommen wird. Deswegen wird das Maß des Lebens des Menschen durch das Maß des Vertrauens definiert, das sich dort offenbart. Daher kann man das Maß der eigenen Lebenskraft am Vertrauen messen, das man in sich spürt.

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Shamati 71. Im Verborgenen weint meine Seele

Ich hörte am 28. Juni 1943

„Im Verborgenen weint meine Seele[1] wegen der Überheblichkeit“, [und weiter heißt es:] „wegen der Überheblichkeit Israels“. Er [Baal HaSulam] fragt: „Gibt es ein Weinen vor dem Schöpfer“, da doch „Stärke und Freude an Seinem Ort herrschen“?[2]

Es ist notwendig, das Konzept des Weinens Oben zu verstehen. Das Wesen des Weinens liegt darin, dass man sich an einem Punkt befindet, an dem man sich selbst nicht helfen kann – dann weint man, damit der andere einem hilft. Und das Konzept von „im Verborgenen“ bezieht sich auf alle Verhüllungen und Widersprüche, die sich in der Welt offenbaren.

Und das ist die Bedeutung des Verses: „Im Verborgenen weint meine Seele“, weil: „Alles in der Hand des Schöpfers ist, außer der Ehrfurcht vor dem Schöpfer.“

Und darüber sagten unsere Weisen: „In den inneren Häusern gibt es ein Weinen“ [In den inneren Räumen gibt es Weinen]. Das bedeutet, dass wenn das Licht nur im Inneren erscheint und kein Licht nach außen offenbart wird, weil den Unteren die Gefäße fehlen, um es zu empfangen, dann gibt es Weinen im inneren. Anders ist es in den „äußeren Häusern“ [in den äußeren Räumen], wenn das Licht sich nach außen offenbaren kann, wenn sich den Unteren die Ausbreitung der Fülle offenbart, dann „herrschen Stärke und Freude an Seinem Ort“ und man sieht alles. Wenn Er aber den Unteren nicht geben kann, so wird das als „Weinen“ bezeichnet, da die Gefäße (den Mangel) der Unteren (der Geschöpfe) benötigt werden.

[1] Jeremia 13, 7

[2] 1. Chronik 16, 27

 

korrigiert, EY, 29.11.2023

Einführung zu Talmud Esser HaSefirot

Von Yehuda Ashlag

1. Als erstes sollte ich sagen, dass ich es für äußerst notwendig erachte, die eiserne Mauer zu sprengen, die uns von der Wissenschaft der Kabbala seit den Zeiten der Zerstörung des Tempels und bis zur heutigen Generation trennt. Diese Mauer lastet schwer auf uns und erweckt die Befürchtung, dass die Kabbala im Volk Israel gänzlich vergessen wird.

Wenn ich mich aber an das Herz eines Menschen wende und vom Studium der Kabbala spreche, dann lautet seine erste Frage: „Wozu sollte ich wissen, wie viele Engel es im Himmel gibt und wie sie heißen? Kann ich etwa nicht ohne all diese Kenntnisse der ganzen Tora, in allen ihren Details und Feinheiten, folgen?“

Zweitens fragt er: „Haben die Weisen nicht etwa festgelegt, dass man sich zuerst den Talmud und die Gesetze in vollem Maße aneignen sollte? Und wer kann sich selbst betrügen, im Glauben, dass er bereits das Studium der ganzen offenen Tora abgeschlossen habe und es ihm nur an der verhüllten Tora fehle?“ Weiterlesen

Shamati 70. Mit starker Hand und überströmendem Grimm

Ich hörte am 28. Juni 1943

„Mit starker Hand … und mit überströmendem Grimm werde ich über Euch herrschen.“[1] Diesen Satz muss man nachvollziehen, denn es gibt doch die Regel, dass es keinen Zwang im Spirituellen gibt, wie es geschrieben steht: „Aber nicht Mich hast du angerufen, Jakob, dass du dich um Mich bemüht hättest, Israel.“[2] Und die Interpretation des Maggid von Dubna ist bekannt. Was bedeutet dann „Mit starker Hand … und mit überströmendem Grimm werde ich über Euch herrschen?“

Er sagte, dass wir wissen sollten, dass von denjenigen, die in den Dienst des Schöpfers eintreten möchten, um Ihm wahrlich anzuhaften und das Gemach des Königs zu betreten, nicht jeder zugelassen wird. Sondern man prüft den Menschen: Wenn es in ihm keinen anderen Wunsch gibt, außer dem Wunsch nach der Anhaftung (Dwekut), dann lässt man ihn herein.

Und wie prüft man einen Menschen, ob es in ihm nur einen Wunsch gibt? Man bereitet ihm Hindernisse, indem man ihm fremde Gedanken und fremde Boten schickt, um ihn zu hindern, auf dass er diesen Weg verlassen möge und sein Leben wie alle anderen lebe.

Und wenn der Mensch alle Schwierigkeiten überwindet, alle Barrieren durchbricht, die ihn hindern, und ihn kleine Dinge nicht zurückweisen können, dann schickt ihm der Schöpfer mächtige Klipot und Merkawot (Streitwagen), auf dass sie den Menschen davon ablenken, einzig dem Schöpfer und nichts anderem anzuhaften. Das heißt „mit starker Hand“ weist ihn der Schöpfer zurück.

Denn wenn der Schöpfer Seine starke Hand nicht zeigt, wird es schwer sein, ihn abzuweisen, weil er ein großes Verlangen nach der Anhaftung an den Schöpfer hat und nicht an andere Dinge.

Doch jemand, der keinen solch großen Wunsch hat – jenen kann der Schöpfer mit einer einfachen Sache zurückweisen: indem Er ihm eine große Sehnsucht nach irdischen Dingen gibt – und schon lässt dieser Mensch von aller spirituellen Arbeit ab. Ihn muss man nicht mit starker Hand zurückweisen.

Wenn aber der Mensch alle Schwierigkeiten und Störungen überwindet, so kann man ihn nicht so einfach zurückweisen, sondern nur mit starker Hand. Und wenn der Mensch auch die starke Hand des Schöpfers überwindet und sich auf keinen Fall vom Ort der Heiligkeit wegbewegen will und die wahrliche Anhaftung an den Schöpfer möchte und sieht, dass man ihn zurückweist, so sagt der Mensch, dass er „mit Grimm beherrscht“ wird, ansonsten würde man es ihm erlauben einzutreten. Weil er jedoch vom Schöpfer „mit Grimm beherrscht wird“,  lässt man ihn nicht in das Gemach des Königs eintreten, um an Ihn anzuhaften.

Bevor der Mensch nicht soweit ist, nicht mehr vom Platz vor dem Gemach des Königs weichen zu wollen und tobt, weil er  eintreten möchte, kann nicht gesagt werden, dass er “von Grimm überströmt“ wird. Erst wenn er sich trotz aller Zurückweisungen nicht vom Platz rührt, das heißt, wenn sich ihm die “starke Hand“ des Schöpfers und der “überströmende Grimm“ offenbart haben, dann erfüllt sich, was geschrieben steht: „Ich werde über euch herrschen.“ Nun offenbart sich dem Menschen dank seines starken Verlangens und seiner großer Anstrengung, das himmlische Königreich, indem er gewürdigt wird, in das Gemach des Königs einzutreten.

[1] Hesekiel 20, 33

[2] Jesaja 43, –22

Shamati 69. Zuerst wird die Korrektur der Welt sein

Ich hörte im Juni 1943

Er [Baal HaSulam] sagte, dass zuerst die Korrektur der Welt sein wird, und danach wird es die vollkommene Befreiung geben, die Ankunft des Messias. Das ist die Bedeutung von „deine Augen werden deinen Lehrer sehen“ […] und „die ganze Erde wird sich mit dem Wissen [des Schöpfers] füllen.“ Dies ist die Bedeutung von dem, was er schrieb, dass zuerst der innere Teil der Welten und danach der äußere Teil der Welten korrigiert wird. Doch wir müssen wissen, dass die Korrektur der Äußerlichkeit der Welten eine höhere Stufe ist als die Korrektur der Innerlichkeit.

Und die Wurzel Israels stammt aus der Innerlichkeit der Welten. Das ist die Bedeutung von „denn ihr seid die Wenigsten von allen Völkern.“ Doch mithilfe der Korrektur der Innerlichkeit wird dann auch die Äußerlichkeit korrigiert, nur in kleinen Teilen. Und die Äußerlichkeit wird solange korrigiert (bis sich Groschen für Groschen zu einem großen Betrag summieren), bis schließlich die ganze Äußerlichkeit korrigiert sein wird.

Den Hauptunterschied zwischen der Korrektur des inneren Teils und der Korrektur des äußeren Teils kann man dem Beispiel entnehmen, wenn der Mensch eine bestimmte Mizwa ausführt und nicht alle seine Organe (Wünsche) damit einverstanden sind. Und dies gleicht einem Menschen, der fastet. Dann sagt man, dass nur seine Innerlichkeit mit dem Fasten einverstanden ist, aber seine Äußerlichkeit ein unangenehmes Gefühl vom Fasten hat, denn der Körper befindet sich immer im Widerstand gegen die Seele. Somit sollte der Unterschied zwischen Israel und den Völkern der Welt nur in Bezug auf die Seele getroffen werden; aber in ihrem Körper sind sie gleich, denn auch der Körper Israels kümmert sich nur um sich selbst.

Deshalb wird natürlich auch die ganze Welt korrigiert, sobald die einzelnen Teile in der Gesamtheit Israels korrigiert sind. Daher werden in dem Maße, wie wir uns selbst korrigieren, eben auch die Völker der Welt korrigiert. Daher sagten die Weisen: „Wurde er würdig – so neigt er sich selbst und auch die ganze Welt zur Waagschale des Verdienstes.“ Sie sagten nicht: „neigt die Gesamtheit Israels“, sondern „die ganze Welt zur Waagschale des Verdienstes.“ Mit anderen Worten: Die Innerlichkeit wird die Äußerlichkeit korrigieren.

Shamati 68. Die Verbindung des Menschen zu den Sefirot

Ich hörte am 17. Februar 1943

Vor dem Sündenfall von Adam haRishon

  1. sein Guf (Körper) bestand aus Bina von Malchut de Malchut der Welt Assija.
  2. Und es gab in ihm [die Lichter] NaRaN der Welt Brija und NaRaN der Welt Azilut.

Und nachdem er sündigte, fiel der Guf  von Adam in Mishcha de Chivia (Schlangenhaut), welche die Klipa der Bchina Dalet ist und als „Staub dieser Welt“ bezeichnet wird. In ihrem Inneren befindet sich der innere Guf de Klipat Noga, die halb Gutes, halb Böses darstellt. Und alle guten Handlungen, die er macht, [macht] er nur mit seinem Guf von Noga. Durch seine Beschäftigung mit Tora und Mizwot führt er diesen Guf dazu zurück, dass er wieder vollständig gut wird. Und der Guf von Mishcha de Chivia trennt sich von ihm.  Und dann erlangt er gemäß seiner Handlungen die Lichter NaRaN de Kedusha.

Die Verbindung der Lichter NaRaN des Menschen zu den Sefirot:

  1. Das Wesen der Lichter NaRaN des Menschen ist die Bchina Malchut der drei Sefirot: Bina und SoN in jeder der Welten ABYA.
  2. Wenn er NaRaN von Nefesh würdig wird, so empfängt er es von den drei Bchinot Malchut von Bina und [Malchut von] SoN der Welt Assija.
  3. Wenn er NaRaN von Ruach würdig wird, so empfängt er es von den drei Bchinot Malchut von Bina und SoN der Welt Yezira.
  4. Und wenn er NaRaN von Neshama würdig wird, so empfängt er von den drei Bchinot Malchut von Bina und SoN der Welt Brija.
  5. Wenn er NaRaN von Chaja würdig wird, so empfängt er von den drei Bchinot von Malchut von Bina und SoN der Welt Azilut.

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Shamati 67. Weiche vom Bösen!

Ich hörte nach dem Sukkotfest am 5. Oktober 1942, in Jerusalem

Man muss vorsichtig sein bei „Weiche vom Bösen“,[1] und die vier Bünde wahren.

  1. Der Bund der Augen – nämlich, sich davor zu hüten, Frauen anzusehen. Und das Verbot des Ansehens besteht nicht nur deshalb, weil man dadurch zu [sündhaften] Gedanken kommen könnte. Der Beweis dafür ist, dass das Verbot selbst für einen Greis von hundert Jahren gilt. Sondern der wahre Grund ist, dass es aus einer sehr hohen Wurzel hervorgeht: Diese Vorsicht bedeutet, dass, wenn er sich nicht hütet, er – Gott behüte – zur Betrachtung der Heiligen Schechina gelangen könnte. Und dies genügt dem Verständigen.
  2. Der Bund der Zunge – das heißt, man soll vorsichtig sein in Bezug auf Wahrheit und Lüge. Denn die Klärungen, die es jetzt – nach der Sünde Adams, des Ersten Menschen – gibt, sind Klärungen von Wahrheit und Lüge. Nicht so wie vor der Sünde am Baum der Erkenntnis, da waren die Klärungen in Bezug auf Bitter und Süß. Aber wenn die Klärung in Wahrheit und Lüge geschieht, ist sie völlig anders. Denn manchmal beginnt etwas süß und endet bitter. Folglich ergibt sich, dass es eine Wirklichkeit des Bitteren geben kann, die dennoch Wahrheit ist.

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Shamati 66. Die Gabe der Tora

Ich hörte während einer Mahlzeit am Vorabend von Shawuot 1948

Die Angelegenheit der Gabe der Tora, die auf dem Berge Sinai geschah, bedeutet nicht, dass die Tora einmal gegeben wurde und das Geben dann aufhörte. Vielmehr ist es so, dass in der Spiritualität nichts verschwindet, da Spiritualität eine ewig anhaltende und grenzenlose Sache ist. Aber da wir aus der Sicht des Gebenden ungeeignet sind, die Tora zu empfangen, sagen wir, dass die Unterbrechung vom Höheren ausgeht.

Damals jedoch, am Fuße des Berges Sinai, war ganz Israel zum Empfang der Tora bereit, so wie geschrieben steht: „Dort, am Fuße des Berges, lagerte das Volk Israel wie ein einziger Mensch in einem Herzen.“ Zu jener Zeit waren alle bereit. Sie hatten nur eine Absicht, einen einzigen Gedanken: die Tora zu empfangen.

Vonseiten des Gebenden jedoch gibt es keine Veränderungen – Er gibt immerzu. So wie es im Namen von Baal Shem Tov geschrieben steht, dass der Mensch jeden Tag die zehn Gebote auf dem Berg Sinai hören muss.

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Shamati 65. Über das Offenbarte und das Verborgene

Ich hörte am 18. Januar 1942 in Jerusalem

Es heißt: „Das Verborgene gehört dem Ewigen, unserem Gott, das Offenbarte aber uns und unseren Kindern für immer, damit wir alle Worte dieser Lehre tun“ (Deuteronomium 29,28).

Man muss fragen: Was will uns die Schrift damit mitteilen, dass das Verborgene dem Ewigen gehört?
Sollte „verborgen“ einfach „unfassbar“ bedeuten und „offenbart“ das, was wir begreifen können? Das kann nicht sein. Denn wir sehen, dass es Menschen gibt, die Wissen im Bereich des Verborgenen haben. Ebenso gibt es Menschen, die im Bereich des Offenbarten kein Wissen besitzen. Auch kann man nicht sagen, es gehe nur darum, dass mehr Menschen das Offenbarte kennen als das Verborgene – das wäre lediglich eine Frage der Anzahl, nicht des Inhalts.

Die Sache ist vielmehr diese: In unserer Welt gibt es Handlungen, die offen vor unseren Augen geschehen – hier hat der Mensch einen Anteil daran. Es gibt aber auch Handlungen, die geschehen, ohne dass der Mensch eingreifen könnte – dort wirkt eine verborgene Kraft.

So sagten unsere Weisen: „Drei Partner gibt es am Menschen: den Ewigen, seinen Vater und seine Mutter“ (Talmud, Traktat Nida 31a).
Der offenbarte Teil ist das Gebot „Seid fruchtbar und mehret euch“ (Genesis 1,28), das die Eltern erfüllen. Erfüllen sie ihren Anteil richtig, so gibt der Ewige dem Kind eine Seele. Das heißt: Die Eltern können nur den offenbarten Teil tun. Aber die Seele in das Neugeborene zu legen – das ist der verborgene Teil, und den vollbringt allein der Ewige.

Ebenso bei den Mizwot: Unser Auftrag ist nur der offenbarte Teil – hier können wir handeln, indem wir uns mit Tora und Mizwot beschäftigen, wie es heißt: „der Sein Wort Ausführende“ (Joel 2,11).
Den verborgenen Teil jedoch – die Seele in der Erfüllung von Tora und Mizwot – kann der Mensch nicht bewirken. Deshalb müssen wir, wenn wir Tora und Mizwot praktisch erfüllen, den Ewigen bitten, dass Er den verborgenen Teil hinzufügt und unsere Handlungen mit Seele erfüllt.

Dieser praktische Teil wird „eine Kerze – das Gebot“ genannt (Sprüche 6,23). Doch eine Kerze muss durch „und Tora ist Licht“ (ebd.) entzündet werden. Das Licht der Tora entzündet die Mizwa und gibt der Handlung Seele und Lebenskraft – so wie beim Neugeborenen, an dem drei Partner beteiligt sind.

Das ist die Bedeutung der Worte: „Das Offenbarte gehört uns.“
Das heißt: Wir sind verpflichtet, zu tun, was in unserer Macht liegt – „Alles, was in deiner Hand und in deiner Kraft zu tun ist, das tue“ (Prediger 9,10). Nur hier können wir handeln.
Doch das Erreichen von Seele und Lebenskraft liegt allein in der Hand des Ewigen.

Und das ist die Bedeutung von: „Das Verborgene gehört dem Ewigen, unserem Gott.“
Der Ewige verheißt uns: Wenn wir den uns offenbarten Teil erfüllen – die praktische Erfüllung von Tora und Mizwot –, dann wird Er unsere Handlungen mit Seele erfüllen.
Bevor wir jedoch den verborgenen Teil, die Seele (Neschama), empfangen, bleibt unser offenbarter Teil wie ein Körper ohne Seele.
Darum müssen wir würdig werden, auch den verborgenen Teil zu empfangen – und das liegt einzig in der Hand des Ewigen.

überarbeitet, EY, 14.9.2025

Shamati 64. Von lo liShma kommt man zu liShma

Ich hörte am 27. Dezember 1947

Von lo liShma kommt man zu liShma [Aus dem Handeln ohne reine Absicht kommt man zur reinen Absicht]. Wenn wir besonders aufmerksam hinschauen, so können wir sagen, dass die Zeit von lo liShma die wichtigere ist, da es in dieser Zeit einfacher ist, das eigene Tun mit dem Schöpfer zu verbinden.

Das ist so, weil in liShma der Mensch sagt, dass er eine gute Tat vollbracht hat, weil er dem Schöpfer in Vollkommenheit dient und alle seine Taten für den Schöpfer sind. Daraus folgt, dass ihm die Handlung eigen ist.

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Shamati 63. Mir wurde geliehen, und ich zahle zurück

Ich hörte am Ausgang des Shabbat 1938

Verstehe, was unsere Weisen sagten: „Mir wurde geliehen, und ich zahle zurück“.[1] Dies bedeutet, dass der Zweck der Erschaffung von Himmel und Erde das Licht des Shabbats war. Dieses Licht sollte den Unteren offenbart werden, und dieser Zweck wird durch die Tora und Mizwot und gute Taten enthüllt.

Und Gmar Tikun (das Ende der Korrektur) bedeutet, dass dieses Licht in seiner Vollkommenheit durch das Erwachen von unten erscheinen wird, was bedeutet, dass ihm die Tora und Mizwot vorausgegangen sind.

Vor Gmar Tikun jedoch gibt es ebenfalls einen Aspekt von Shabbat, genannt „eine Art  kommende Welt – Olam haBa“, wenn das Licht von Shabbat sowohl im Individuum als auch im Allgemeinen als Ganzes erstrahlt.

Und dieses Licht von Shabbat kommt auf Kredit, das heißt ohne vorausgegangene Anstrengung, sondern man zahlt den ganzen Kredit [erst] hinterher zurück. Mit anderen Worten: Hinterher wird man all die Bemühungen geben, die man vor der Erlangung des Lichtes hätte geben sollen – man bezahlt hinterher.

Dies ist die Bedeutung von „Mir wurde geliehen“, was bedeutet, das Licht von Shabbat auf Kredit heranzuziehen, und „ich zahle zurück“, gemäß dem Vers „und offenes Haar auf dem Kopf der Frau“[2]. Dies bedeutet, dass der Schöpfer dieses Licht nur offenbaren wird, wenn Israel ausleihen wird, das heißt [Licht] heranziehen wird. Obwohl sie dessen noch nicht würdig sind, kann man [Licht] auf Kredit heranziehen.

[1] Talmud, Traktat Beiza 15b

[2] Im Hebräischen haben sowohl „zahle zurück“ als auch „und ungepflegtes Haar“ dieselben Wurzelbuchstaben.

Shamati 62. Steigt ab und verleumdet; steigt auf und klagt an

Ich hörte am 29. Februar 1948

Steigt ab und verleumdet; steigt auf und klagt an“. Der Mensch muss sich selbst ständig eingehend prüfen, ob seine Tora und seine Arbeit nicht in die Tiefen des Abgrunds absteigen. Dies ist so, da die Größe des Menschen daran gemessen wird, wie sehr er an dem Schöpfer haftet, das heißt, inwieweit er sich selbst vor dem Schöpfer annulliert.

Das bedeutet, dass die Selbstliebe bei ihm nicht als solche zählt, sondern dass er beabsichtigt, sein eigenes Selbst vollständig aufzugeben. Denn bei jemandem, der arbeitet, um zu empfangen, entspricht das Maß der Größe seines Selbst dem Maß seiner [spirituellen] Arbeit. Zu diesem Zeitpunkt wird er zu einem Wesen, einer eigenständigen Existenz und zu einem getrennten Teil, und es fällt ihm dann schwer, sich vor dem Schöpfer zu annullieren.

Im Gegensatz dazu, wenn ein Mensch zum Zwecke des Gebens arbeitet und seine Arbeit vollendet, das heißt, wenn er jeden Aspekt des Empfangens für sich selbst korrigiert hat, aus dem, was er von der Wurzel seiner Seele hat, dann hat er nichts mehr in der Welt zu tun. Daraus folgt, dass man nur an diesen Punkt denken und sich lediglich darauf konzentrieren sollte.

Und das Zeichen dafür, ob ein Mensch den Weg der Wahrheit geht, ist, dass er sehen kann, ob er im Zustand des „Herabsteigens und Verleumdens“ ist, was bedeutet, dass sich seine gesamte Arbeit im Abstieg befindet. In diesem Zustand befindet der Mensch sich in der Macht der Sitra Achra (der anderen Seite). Und dann „steigt er auf und klagt an“, das heißt, er fühlt sich in einem Zustand des Aufstiegs und klagt andere an.

Im Gegensatz dazu kann jemand, der in Reinheit arbeitet, nicht über andere klagen. Stattdessen klagt er immer über sich selbst und sieht die anderen auf einer besseren Stufe als er sich selbst fühlt.

korrigiert, EY, 29.11.2023

Shamati 61. Und rings um Ihn stürmt es gewaltig

Ich hörte am 8. April 1948

Unsere Weisen sagen über den Vers: „Und um Ihn herum stürmt es mächtig“, dass der Schöpfer mit den Gerechten haargenau verfährt. Er [Baal HaSulam] fragte: „Warum erhalten sie eine große Bestrafung, wenn sie doch im Allgemeinen Gerechte sind?“

Die Sache ist, dass alle Grenzen in den Welten, von denen wir sprechen, sich aus der Perspektive der Empfänger ergeben. Das heißt, indem der Untere sich selbst auf einen bestimmten Grad begrenzt und einschränkt, so bleibt er dementsprechend unten, denn Oben stimmt man mit allem überein, was die Unteren tun. Daher breitet sich die Fülle (Shefa) in diesem Maße nach unten aus. Also veranlassen die Unteren durch ihre Gedanken, Worte und Taten, dass sich die Fülle von Oben nach unten ausbreitet.

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Shamati 60. Das Gebot, das durch eine Übertretung kommt

Ich hörte am 14. Februar 1943

„Das Gebot, das durch eine Übertretung kommt“ bedeutet, dass wenn der Mensch die [spirituelle] Arbeit auf sich nimmt, um dafür eine Gegenleistung zu erhalten, sich das in zwei Teile aufteilt:

  1. Der Empfang der Arbeit – dies wird als Gebot bezeichnet.
  2. Die Absicht, eine Gegenleistung zu erhalten, wird als Übertretung bezeichnet, da der Empfang ihn von der Heiligkeit zur Sitra Achra [1]überleitet.

Und da die ganze Basis und der ganze Grund dafür, dass er Kraft für die Arbeit erhielt, in der Gegenleistung bestanden haben, bedeutet „Gebot, das kommt“, dass es die Übertretung ist, die den Menschen dazu brachte, ein Gebot zu erfüllen. Daher wird das als „Gebot, das kommt“ bezeichnet, denn das, was das Gebot hervorgebracht hat, ist die Übertretung, die nur in der Gegenleistung besteht.

Und der Rat dafür besteht darin, dass er seine Arbeit im Aspekt von „ohne mehr zu sehen“ verrichten soll, dass seine gesamte Absicht für seine Arbeit auf die Mehrung der Ehre des Himmels in der Welt ausgerichtet sein soll, was heißt, dass er arbeitet, um die Shechina aus dem Staub zu erheben.

Und das Konzept der „Erhebung der Shechina“ besteht darin, dass die heilige Shechina als die Gesamtheit der Seelen bezeichnet wird. Denn sie ist diejenige, die die Fülle (Shefa) vom Schöpfer empfängt und den Seelen gibt. Und was die Fülle den Menschen schenkt und an sie weiterleitet, wird als die „Vereinigung zwischen dem Schöpfer und der Shechina“ bezeichnet, wobei dann die Fülle an die Unteren herangezogen wird. Wenn es aber keine Einigkeit gibt, gibt es keine Anziehung der Fülle an die Unteren.

Noch deutlicher ausgedrückt: Da der Schöpfer den Geschöpfen Genuss schenken wollte, dachte er damit einher sowohl an die Gabe der Fülle als auch an den Empfang der Fülle, also dass die Unteren die Fülle empfangen, und beide waren sie im Potenzial, was bedeutet, dass später Seelen kommen und die Fülle aktiv empfangen werden.

Und diejenige, welche die Fülle im Potenzial empfängt, wird als die heilige Shechina bezeichnet, da der Gedanke des Schöpfers eine vollständige Realität ist und keiner Tat bedarf. Daher…der Untere … (keine Fortsetzung, Abbruch in den Manuskripten)

[1] Die andere, die schlechte Seite, steht der guten Seite gegenüber.

Shamati 59. Der Stab und die Schlange

Ich hörte am 23. Februar 1948

„Moses antwortete und sprach: „Siehe, sie werden mir nicht glauben und nicht auf mich hören, sondern werden sagen: ‚Der Schöpfer ist dir nicht erschienen‘“. Der Herr sprach zu ihm: „Was hast du da in deiner Hand?“ Er sprach: „Einen Stab.“ Und Er sprach: „Wirf ihn auf die Erde. Und er warf ihn auf die Erde; da ward er zur Schlange und Moses floh vor ihr.“[1]

Man muss hier verstehen, dass es nur zwei Stufen gibt, entweder Kedusha (Heiligkeit) oder Sitra Achra (die andere Seite), und einen Zwischenzustand gibt es nicht. Sondern aus dem gleichen Stab wird eine Schlange, wenn man ihn auf die Erde wirft.

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Shamati 58. Die Freude ist der „Spiegel“ guter Taten

Ich hörte am 4. Zwischentag von Sukkot

 

Die Freude ist der „Spiegel“ der guten Taten: Wenn die Taten [eines Menschen] Taten der Kedusha (Heiligkeit) sind, dann offenbart sich dadurch Freude. Doch man muss wissen, dass es auch den Aspekt der Klipa (Hülle) gibt. Und um zu wissen, ob es sich um Kedusha handelt, findet die Klärung im „Verstand“ statt, denn in der Kedusha gibt es den „Verstand“, wohingegen es in Sitra Achra (die andere Seite) keinen Verstand gibt, denn: „Ein anderer Gott ist unfruchtbar und wird keine Frucht bringen.“ Wenn daher Freude zum Menschen kommt, muss er über die Worte der Tora nachdenken, damit sich ihm der „Verstand“ der Tora enthülle.

Auch müssen wir wissen, dass die Freude eine höhere Erleuchtung ist, die durch MaN enthüllt wird, was gute Taten sind. Und der Schöpfer beurteilt den Menschen „gemäß dem, wo er ist“. Mit anderen Worten: „Wenn der Mensch das Joch des Himmlischen Königsreichs für die Ewigkeit auf sich nimmt, so leuchtet hierauf unmittelbar ein höheres Leuchten, was auch den Aspekt der Ewigkeit hat.

Und selbst wenn es für Ihn offensichtlich und Ihm bekannt ist, dass der Mensch alsbald von seiner Stufe abfallen wird, so beurteilt Er ihn dennoch „gemäß dem, wo er ist“. Dies bedeutet: „Wenn der Mensch jetzt in seinem Verstand beschlossen hat, das Joch des Himmlischen Königreichs für ewig auf sich zu nehmen, so wird dies als Vollkommenheit angesehen.

Wenn der Mensch jedoch das Joch des Himmlischen Königreichs auf sich nimmt und nicht will, dass dieser Zustand auf ewig in ihm bleibe, dann wird diese Sache und Handlung nicht als Vollkommenheit angesehen, und das höhere Licht kann natürlich nicht kommen und in ihm weilen. Denn es ist vollkommen und ewig und unveränderlich. Beim Menschen hingegen, selbst wenn er es möchte, wird der Zustand, in welchem er sich befindet, nicht ewig sein.

Shamati 57. Er soll ihn darbringen nach seinem Willen

Ich hörte am 5. Februar 1944

Über den Vers „Er soll ihn darbringen nach seinem Willen“ [1] sagten unsere Weisen: „Wie? Man nötigt ihn, bis er sagt: ‚Ich will.‘“ Ebenso ist zu verstehen, was wir im Gebet sprechen: „Möge es Dein Wille sein.“ [2]. Denn es heißt: „Mehr als das Kalb saugen will, will die Kuh säugen“ [3]. Warum also beten wir: „Möge oben ein Wille sein“?

Es ist bekannt, dass dem Heranziehen der Fülle von oben ein Erwachen von unten vorausgehen muss. Doch weshalb ist ein solches Erwachen von unten erforderlich? Darum beten wir: „Möge oben ein Wille sein.“ Das bedeutet: Wir müssen bewirken, dass es oben einen Willen gibt, nach unten hin zu geben. Denn es genügt nicht, dass wir ein Verlangen haben; es muss auch seitens des Gebenden ein guter Wille vorhanden sein.
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Shamati 56. Tora heißt „Hinweis“

Ich hörte am 2. Februar 1941

Tora heißt „Hinweis“ (Jora) und leitet sich von „Jaro Irae[1] (er wird gewiesen werden) ab. Das bedeutet: Wenn ein Mensch sich mit der Tora beschäftigt, empfindet er – im Maß seiner Bemühung in ihr – auch das Maß seiner Entfernung.

Man zeigt ihm die Wahrheit, nämlich das Maß seines Glaubens. Das ist das Fundament der Wahrheit, denn auf dem Maß des Glaubens baut sich das Fundament für die Erfüllung von Tora und Mizwot. Dann erkennt er, dass seine ganze Grundlage nur auf der Erziehung beruht, die er empfangen hat. Diese Erziehung reicht aus, um Tora und Mizwot in allen Einzelheiten und Feinheiten zu erfüllen. Alles, was aus der Erziehung hervorgeht, nennt man „Glaube innerhalb des Verstandes“.

Dies widerspricht dem Verstand, denn dieser verpflichtet ihn zu denken, dass er – je mehr er sich in der Tora bemüht – sich dem Schöpfer näher fühlen müsste. Doch die Tora zeigt ihm immer mehr die Wahrheit.

Wenn der Mensch nach der Wahrheit sucht, dann führt ihn die Tora näher zur Wahrheit, und er erkennt das Maß seines Glaubens an den Schöpfer. Das geschieht, damit er um Erbarmen bitten und zum Schöpfer beten kann, dass dieser ihn wirklich an Sich annähere, sodass er des Glaubens an Ihn gewürdigt wird. Dann kann er Lobpreis und Dank darbringen, dass er gewürdigt wurde, dass der Schöpfer ihn näher an Sich gebracht hat.

Wenn aber der Mensch seine Entfernung nicht wahrnimmt und denkt, er füge ständig hinzu, so baut er seine Gebäude auf schwankendem Fundament. Dann hat er keinen Platz, zum Schöpfer zu beten, dass Er ihn annähere. Folglich hat er auch keinen Raum, sich anzustrengen, um vollkommenen Glauben zu erlangen, denn der Mensch müht sich nur für das, was er als Mangel empfindet.

Solange er also nicht würdig ist, die Wahrheit zu sehen, geschieht das Gegenteil: Je mehr er in Tora und Mizwot hinzufügt, desto mehr fügt er seiner Vollkommenheit hinzu und sieht keinen Mangel an sich. So hat er keinen Anlass, sich anzustrengen und zu beten, um wahren Glauben an den Schöpfer zu erlangen. Denn nur wenn man Verderbnis spürt, kann man auch von Korrektur sprechen.

Doch wenn er sich mit Tora und Mizwot auf dem Weg der Wahrheit beschäftigt, dann zeigt ihm die Tora die Wahrheit. Denn die Tora hat die Eigenschaft der besonderen Kraft, dass man den wahren Zustand seines Glaubens erkennt. Das ist der Sinn der Worte: „oder wenn es kundgetan wird“ (Levitikus 4,23).

Wenn er sich mit der Tora beschäftigt und die Wahrheit erkennt – also das Maß seiner Entfernung vom Spirituellen –, dann sieht er, dass er ein so niederes Geschöpf ist, dass es keinen schlechteren Menschen auf Erden gibt. Dann kommt die Sitra Achra (die andere Seite) zu ihm mit einem anderen Argument: dass sein Körper tatsächlich sehr hässlich sei und dass es in der Welt keinen hässlicheren Menschen als ihn gäbe. Sie sagt ihm das, um ihn in Verzweiflung zu stürzen.

Denn sie fürchtet, er könnte es sich zu Herzen nehmen und beginnen, seinen Zustand zu korrigieren. Darum stimmt sie dem zu, dass er hässlich sei, und lässt ihn verstehen: Wäre er mit größeren Talenten und besseren Eigenschaften geboren, so könnte er sein Böses überwinden, es korrigieren und zur Anhaftung an den Schöpfer gelangen.

Diesem Einwand ist entgegenzuhalten, dass bereits im Traktat Taanit ein entsprechender Vorfall erwähnt wird: Rabbi Elasar, Sohn von Rabbi Shimon, kam aus Migdal Gedor vom Haus seines Lehrers. Er ritt auf einem Esel und spazierte am Flussufer und war sehr froh, da er viel Tora gelernt hatte. Da begegnete ihm ein Mensch, der äußerst hässlich war. Dieser sagte: „Friede sei mit dir, Rabbi!“ – doch er erwiderte den Gruß nicht, sondern sprach: „Nichtsnutz, wie hässlich ist dieser Mensch! Sind etwa alle Bewohner deiner Stadt so hässlich wie du?“

Der Mann antwortete: „Ich weiß es nicht. Geh aber zum Meister, der mich geschaffen hat, und sage zu Ihm: ‚Wie hässlich ist dieses Gefäß, das Du gemacht hast.‘“ Als Rabbi Elasar erkannte, dass er gesündigt hatte, stieg er vom Esel ab.

Daraus versteht man: Weil er viel Tora gelernt hatte, wurde er dadurch gewürdigt, die Wahrheit zu sehen – wie groß die Entfernung zwischen ihm und dem Schöpfer war, sowohl das Maß der Nähe als auch das Maß der Entfernung. Darum heißt es: „Sein Geist war überheblich“ – er sah die ganze Gestalt des Stolzen, also seines Willens zu empfangen. Und dann ließ man ihn erkennen, dass er selbst der hässlichste Mensch war. Wie sah er die Wahrheit? Durch das viele Lernen der Tora.

Doch wie soll er die Möglichkeit haben, sich an den Schöpfer anzuhaften, wenn er so hässlich ist? Darum fragte er: Sind alle Menschen so hässlich wie er, oder ist nur er hässlich und die übrigen nicht?

Die Antwort lautete: „Ich weiß es nicht.“ Das bedeutet: Sie empfinden es nicht, und deshalb wissen sie es nicht. Warum empfinden sie es nicht? Weil sie nicht gewürdigt wurden, die Wahrheit zu sehen. Ihnen fehlt die Tora, die ihnen die Wahrheit offenbaren könnte.

Da offenbarte sich Elijahu (der Prophet Elias) und sprach zu ihm: „Geh zum Meister, der mich geschaffen hat.“ Denn er sah, dass er in einen Zustand geraten war, aus dem er sich nicht erheben konnte. Und er erklärte ihm: Da der Schöpfer dich so hässlich geschaffen hat, wusste Er gewiss, dass man gerade mit diesen Gefäßen (Kelim) das Ziel erreichen kann. Darum sorge dich nicht – gehe voran und habe Erfolg.