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Es ist nicht die Zeit, das Vieh zu sammeln

Von Rav Yehuda Ashlag

„Es ist nicht die Zeit, das Vieh zu sammeln. Tränkt die Schafe, und geht hin, weidet sie!“ (Genesis 29:7). Es ist bekannt, dass alle Worte der Gerechten sich nach oben wenden, wie ihm gesagt wurde: „Und es wurde von den Hirten von Haran offenbart.“ Denn es war nicht möglich, den Stein von der Brunnenöffnung – der Enthüllung von Rachel – wegzurollen, bevor nicht alle Herden gesammelt wurden und der Stein von der Brunnenöffnung weggerollt wurde. Weiterlesen

Rabash, Brief 50

Shalom und alles Gute an meinen Freund…

Die Kommentatoren hatten Schwierigkeiten mit dem Vers: „Da fürchtete sich Jakob sehr, und ihm wurde bange[1]“, denn hat der Ewige ihm nicht in der Vision der Leiter versprochen, ihn auf allen seinen Wegen zu behüten, wie es geschrieben steht: „Und siehe, Ich bin mit dir und Ich will dich behüten, wohin du ziehst“, und wenn dem so ist, warum musste er dann beten: „Errette mich aus der Hand meines Bruders, aus der Hand von Esau[2]“usw.?

Der Heilige Sohar erklärt (in WaJishlach 43) die Worte der Engel an Jakob: „Und er zieht dir entgegen mit vierhundert Mann[3]“, indem er fragt: Warum sagte man ihm so? Und er antwortet darauf: Um dich zu lehren, dass der Schöpfer nach dem Gebet der Gerechten dürstet.

Und mein Vater und Lehrer seligen Andenkens erklärte, warum der Heilige, gelobt sei Er, den Geschöpfen nicht ohne Gebete alles Gute gibt, sondern will, dass sie Ihn bitten, um ihnen dann zu geben, denn es ist doch bekannt, dass der Wunsch der Kuh zu stillen größer ist, als der Wunsch des Kalbes zu saugen. Doch es gibt die Regel, nach der es ohne ein Gefäß kein Licht gibt. Und das Gefäß heißt Wunsch. Denn im Spirituellen gibt es keinen Zwang aufgrund der Tatsache, dass man keinen Geschmack von Genuss an einer Sache verspüren kann, zu der man keine Lust hat, da das Wesen der Empfindung von Genuss vom Maß der Lust und des Willens abhängt, die man zu einer Sache empfindet. Daher gibt der Schöpfer nur dann, wenn die Geschöpfe Willen und Lust haben.

Der Wille eines Menschen formt sich seinerseits eben durch Gebet, denn sobald der Mensch einen Mangel verspürt, beginnt er zu beten, und dadurch vergrößert und vermehrt sich sein Gebet, bis zu einem Maß, da es geeignet wird, die Höhere Erfüllung zu empfangen. Und deswegen „dürstet der Schöpfer nach dem Gebet der Gerechten“.

Dabei ist es bekannt, dass wir in der Höheren Fülle immer zwei Aspekte unterscheiden: das Umgebende Licht (Or Makif) und das Innere Licht (Or Pnimi). Das Umgebende Licht ist das, was der Mensch in der Zukunft empfangen wird, zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch nicht zu empfangen würdig (geeignet) ist. Das Innere Licht meint das, was der Mensch in sein Inneres empfängt, was bedeutet, dass die Fülle in sein Inneres eintritt.

Und gemäß dem, was wir zuvor gesagt haben, dass nämlich allem, was man empfängt, ein Gebet vorausgehen soll, damit es ein Gefäß gibt, um die Fülle in Empfang zu nehmen, folgt, dass sogar nach dem, was der Heilige, gelobt sei Er, ihm bei der Vision der Leiter versprochen hatte, es sich immer noch um Umgebendes Licht handelt. In dem Moment jedoch, als er Esau traf und also der Rettung in der Gegenwart bedürfte, musste er beten und den Willen offenbaren, definiert als Gefäß für die Errettung, denn ohne ein Gefäß kann man nicht empfangen. Und das heißt Inneres Licht. Denn das Versprechen heißt Umgebendes Licht, sobald man jedoch zur Erfüllung des Versprechens kommt, bedarf man des Gebetes, und das heißt (dann) Inneres Licht. Denn das Umgebende Licht ist die Erweckung von Oben, und das Innere Licht ist die Erweckung von unten.

Mit dem Segen von Tora und von Freundschaft,

Baruch Shalom HaLevi Ashlag

[1] 1. Buch Moses 32,8

[2] 1. Buch Moses 32,12

[3] 1. Buch Moses 32,7

Rabash, Brief 15

Wie kann es sein, dass Jakob Rachel mehr liebte als Lea, weil sie sehr schön war usw., ist denn nicht der Ausspruch der Weisen über den Mann bekannt, der „eine Frau wegen ihrer Schönheit heiratet“? [1]

Antwort: Die Tora lehrt uns die Wege des Schöpfers. Und zwar, dass es zwei Aspekte in der (spirituellen) Arbeit gibt: 1. Den Aspekt von Chochma und 2. den Aspekt von Chassadim. Chochma heißt der Aspekt des Sehens und des Wissens, und sie heißt auch Alma de Itgalja (offenbarte Welt). Und es gibt den Aspekt von Alma de Itkassja (der verborgenen Welt), genannt Lea, und das ist der verborgene Sinn des Verses „Die Augen von Lea waren matt“ [2], denn das ist der Aspekt von Chassadim und vom Glauben über dem Verstand.

Und das ist das Konzept von Jakob und Lavan. Jakob heißt der Diener des Schöpfers und Lavan heißt der Heilige, gelobt sei Er, der ein Gebender und ein Schenkender ist (der heilige ARI erklärt in Ez Chaim in Shaar Akudim, dass Lavan (wörtl. weiß) das Höhere Weiß meint, und das ist der Gebende). Und Lavan hat zwei Töchter, also zwei Stufen: Der Aspekt von Lea heißt verborgene Welt, und Rachel heißt offenbarte Welt.

Nun bezieht sich das Ziel der Schöpfung, den Geschöpfen Gutes zu schenken, auf den Aspekt der offenbarten Welt. Und Alma de Itkasja (verborgene Welt) heißt Aspekt von Lea, und diese heißt Licht der Anhaftung (Dwekut).

„Und Jakob liebte die Rachel“ [3], d. h. er wollte das Licht des Zieles der Schöpfung heranziehen. Lavan jedoch sagte, dass er erst den Aspekt von Lea empfangen soll, die in der verborgenen Bedeutung das Licht der Anhaftung meint, genannt Or de Chassadim.

„Da aber der Ewige sah, dass Lea missfällig war“ [4], also dass Jakob mit Lea nicht zufrieden war, da gab ihm der Schöpfer Vermehrung und Nachkommen gerade von Lea, um ihm zu zeigen, dass man gerade mithilfe des Lichts der Anhaftung der Vermehrung [Fortpflanzung] in der Tora und in der Arbeit würdig wird.

Doch damit einher bedarf man auch der Korrektur von Rachel, d. h. der Anziehung des Lichts vom Ziel der Schöpfung, definiert als der Aspekt von Chochma. Und hierfür sagte Rachel zu ihm: „Schaffe mir Kinder, wo nicht, so sterbe ich.“ [5], Das heißt Jakob muss zusehen, dass er alle Korrekturen vorbereitet, die für den Aspekt von Rachel nötig sind, damit er Vermehrung und Nachkommen auch auf der Stufe von Alma de Itgalja (offenbarter Welt) hat, denn sonst wird er keine Vermehrung und Fortpflanzung haben, wird er keine Lebenskraft in dieser Arbeit spüren, und dann wird er diese Stufe verlassen müssen, und das ist im Vers definiert: „…wo nicht, so sterbe ich.“ [6] Also musste er den Aspekt von Chassadim in den Aspekt von Chochma hereinziehen.

Und das ist das Konzept von „ und Gott dachte an Rachel und Gott hörte auf sie.“ [7] Und die Erklärung dazu: „an“ meint, durch das Verdienst von Lea [8]. Erklärung: dadurch, dass er den Aspekt von Chassadim in Chochma hereingezogen hat. Das heißt auf der Basis von Chassadim kann man den Aspekt von Alma de Itgalja (offenbarte Welt) heranziehen.

Möge der Schöpfer uns helfen, im Glauben auf den Wegen des Schöpfers zu wandeln.

[1] Jebamot 109a, „Wenn jemand sie wegen ihrer Schönheit nimmt, so ist es gleich wie wenn er eine Inzestuöse nehmen würde…“

[2] 1. Buch Moses 29,17

[3] 1. Buch Moses 29,18

[4] 1. Buch Moses 29,31

[5] 1. Buch Moses 30,1

[6] Ebd.

[7] 1. Buch Moses 30,22

[8] BeReshit Raba 73,3