Notiz 27: Die drei Linien

Es gibt zwei Linien. Und unter ihnen ist Streit, und jede von ihnen will die Andere vernichten.

Daraus ergeben sich drei Möglichkeiten:

  1. Eine von ihnen vernichtet die andere;
  2. Jede von ihnen will die jeweils andere vernichten, doch keine schafft es, und sie bleiben im Streit.
  3. Sie schließen Frieden.

Die Rechte heißt Kategorie der Vollkommenheit. Der Mensch malt sich also aus, dass er der vollständigste und glücklichste Mensch in der ganzen Welt ist, da er für sich überlegt, wie es dazu kommt, dass ein einfacher Mensch wie er, der keinen Vorteil vor dem Rest der Geschöpfe hat, allein vom Ewigen dazu auserwählt wurde, um Ihm zu dienen. Weiterlesen

Notiz 26: Der keinen Menschen achtet

Im Vers „Der kein Ansehen achtet und kein Bestechungsgeschenk annimmt“[1], müssen wir verstehen, was die Bedeutung von „der kein Bestechungsgeschenk annimmt“ ist: Wie kann man dem Schöpfer ein Bestechungsgeschenk machen, um den Vers zu erklären: „Der kein Bestechungsgeschenk annimmt.“

Und die Sache ist die, dass bei allen Maßen, die wir in Bezug auf den Ewigen anwenden, das Maß des Menschen gemeint ist. Denn wenn ein Mensch gewohnt ist, durch Geschenke bestochen zu werden, also zu seinem eigenen Genuss, dann ist er schon mal nicht in der Lage, dem Ewigen anzuhaften, da man „an Seine Eigenschaften (wörtl. „Maße“, Anm. Ü.) anhaftet“.

Folglich meint der Vers „Der kein Bestechungsgeschenk annimmt“, dass der Mensch keine Bestechungsgeschenke annehmen soll, wenn er irgendeine Prüfung oder Klärung in der Kategorie von Wahrheit und Lüge durchführen will, denn wenn dort nur irgendeine Absicht zum Eigengenuss vorhanden ist, dann kann er die Wahrheit nicht mehr sehen, „denn Geschenke machen die Weisen blind“[2]. Denn das Licht Chochma[3] kann sich nur dort verbreiten, wo es vollkommen reine Kelim (Gefäße) hinsichtlich des Empfangens für sich selbst gibt.

Im Aspekt von Chassadim (Barmherzigkeit) dagegen kann man es tun, auch wenn es noch nicht vollkommen rein ist, denn wenn man im Aspekt von Chassadim handelt, kann man keinen Schaden anrichten, da dieses Tun im Aspekt des Gebens geschieht. Wenn sich jedoch das Licht Chochma verbreitet, dann ist es in der Kategorie von Wissen und Empfangen, und so kann man Schaden anrichten. Solange der Mensch also nicht von Selbstliebe gereinigt ist, besteht die Korrektur darin, dass er von dem Aspekt von Chochma nichts sehen kann.

[1] 5. Buch Moses 10,17

[2] 5. Buch Moses 16,19

[3] Chochma wörtl. Weisheit, Anm. Ü.

Notiz 24: Was uns im Wesentlichen fehlt

Was uns im Wesentlichen fehlt und weswegen wir keinen Brennstoff für die Arbeit haben, ist der Mangel an der Wichtigkeit des Ziels. Das bedeutet, dass wir nicht wissen, wie wir unseren Dienst einzuschätzen haben, um zu begreifen, wem wir da geben. Und ebenso fehlt die Kenntnis der Größe des Ewigen, damit wir wahrnehmen, wie glücklich wir sind, dass wir dem König dienen dürfen – denn wir haben überhaupt nichts, um Seine Größe begreifen zu können.

Und das heißt in den Worten des Heiligen Sohar Shechinta be-Afra (Shechina im Staub), also dass dem Ewigen zu dienen uns so wichtig wie Staub erscheint. Und auf jeden Fall haben wir keinen Brennstoff für die Arbeit, denn ohne Genuss gibt es auch keine Kraft für die Arbeit. Denn da, wo die Selbstliebe leuchtet, schöpft der Körper Lebenskraft daraus. Bei der Arbeit des Gebens dagegen fühlt der Körper keinen Geschmack von Genuss und ist gezwungen, „unter seiner Last zusammenzubrechen“[1]. Weiterlesen

Notiz 22: Und nun Israel, höre

korr, EY, 4.7.2024

„Und nun Israel, höre die Gesetze (Chukim) und die Rechtsordnungen (Mishpatim)[1] … Ihr sollt nichts hinzutun zu dem Worte, das ich euch gebiete, und sollt auch nichts wegnehmen, damit ihr die Gebote des Ewigen, eures Gottes, wahret, die ich euch gebiete.[2]

Hier müssen wir verstehen, was ein Gesetz (Chok) und was eine Rechtsordnung (Mishpat) ist. Und die Schrift präzisiert: „Ihr sollt nichts hinzutun zu dem Worte, das Ich euch gebiete, und sollt auch nichts wegnehmen“, und in beiden Fällen, im Hinzufügen wie im Wegnehmen muss man genau sein, gemäß dem Wortlaut des Gebotes.

Es gibt einen Unterschied zwischen denen, die in der Absicht arbeiten, zu geben oder um eine Belohnung zu erhalten.
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Notiz 20: Der Wille zu empfangen

Wir müssen das in den Büchern erläuterte Prinzip verstehen, dass das Endziel darin besteht, dass der Mensch zu einem Zustand gelangt, in dem er empfängt um zu geben. Hier muss man überlegen, ob der Mensch nicht letztendlich Genuss daraus schöpft, da er sonst nicht geben kann. Denn es ist ganz und gar unmöglich, dass der Mensch eine Handlung ausführt, an der er keinen Genuss hat. Weiterlesen

Notiz 18: Das Konzept der Kleider der Seele

Das Konzept der Kleider der Seele: Rabbi Shimon sagt, gemäß dem, wie der Mensch sich in der Erfüllung von Tora und den Geboten bemüht hat, erhält er in dieser Halle (Heichal, welche die Halle der Essenz des Himmels ist, Aspekt von Hod) Oben Kleidung, um sich in jener Welt einzukleiden.

Man muss nachvollziehen, was das Konzept der Kleidung (Lewush) bedeutet. Es ist bekannt, dass man im Spirituellen nur mithilfe von Kleidung, die ein Modell des für die Enthüllung von Licht geeigneten Gefäßes darstellt, Ergebnisse erzielen kann. Wenn also der Mensch sich bemüht hat, dann schafft ihm [diese] Bemühung das Kli – das Verlangen und das Bedürfnis nach der Erfüllung mit Licht. Denn von Oben gibt man nichts, bevor nicht ein Bedürfnis nach dem jeweiligen Leuchten (Heara) besteht.

Und die Anstrengung, die der Mensch unternimmt, schafft ihm ein Bedürfnis und ein Verlangen, was bedeutet, dass es ihm zum Bedürfnis wird, dass der Schöpfer ihm helfen und ihn aus der Bedrängnis herausführen möge, in der er sich während seiner Bemühungen befindet. Und gäbe es die Bemühung nicht, hätte er kein Bedürfnis nach der Hilfe des Ewigen. Folglich ist es gerade die Bemühung, die für ihn die Kleider der Seele (Lewushei haNeshama) erschafft, damit es zu einer Offenbarung der Göttlichkeit (Elokut) kommt.

Notiz 17: Das Konzept der Shechina

Shechina“ meint den Ort, wo der hier Wohnende (Shochen) offenbart wird. Es steht geschrieben: „Die ganze Erde ist voll Seiner Herrlichkeit.[1]“ Es gibt keinen Ort, der frei von Ihm wäre. Doch damit einher waltet der Aspekt der Verhüllung.

Und dort, wo es die Offenbarung Seiner Göttlichkeit gibt – dieser Ort heißt Shechina, und hier offenbart sich der Shochen (Einwohnender). Daraus folgt, dass wenn wir von der Shechina sprechen, wir vom Shochen sprechen, also vom Schöpfer, und wenn wir Ihn beim Namen „Shechina“ nennen, dann meint dies den Ort der Offenbarung.

Das bedeutet, dass alles, was in Malchut offenbart wird, an die Unteren weitergegeben wird. Also dass der Anteil der Göttlichkeit, der offenbart wird, nur in Bezug auf die Unteren gilt, denn in Bezug auf den Höheren existiert weder das Konzept der Offenbarung noch das Konzept der Verhüllung.

In einem Gleichnis kann man das so ausdrücken, dass man in Bezug auf den Menschen selbst nicht sagen kann, dass er sich zeigt oder verschwindet, sondern das Erscheinen und das Verschwinden gelten nur in Bezug auf seine Umgebung. Gleiches gilt im Spirituellen, dass also das Konzept von Offenbarung und Verschwinden nur in Bezug auf das Geschöpf Gültigkeit hat.

Daraus folgt, dass, wenn von der Shechina die Rede ist, also wenn wir von dem Maß sprechen, in welchem Sich der Schöpfer den Unteren offenbart, es sich um das Gleiche handelt, ob wir nun „Schöpfer“ oder „Shechina“ sagen, es ist alles Eins. Die eigentliche Bedeutung hiervon ist die Folgende: „Schöpfer“ wird der Aspekt der Verhüllung genannt, und „Shechina“ wird der Aspekt der Offenbarung genannt, das heißt, dass der Shochen (Einwohnender) enthüllt ist, also dass hier der Shochen erkennbar und offenbart ist.

Und wenn wir sagen: „Für die Vereinigung des Schöpfers und Seiner Shechina“, so bedeutet dies, dass sich der Aspekt des Verschwundenen zum Aspekt des Offenbarten gesellen möge. Folglich ist alles die Kategorie des Spirituellen. Wenn wir daher sagen, dass ein Mensch dem Verweilen der Shechina würdig wurde, so bedeutet dies, dass der Mensch der Offenbarung des Shochen (Einwohnender) würdig wurde, und das Maß der Offenbarung heißt Shechina, wie oben erklärt.

Und wenn wir sagen, dass die Heilige Shechina „die Gesamtheit der Seelen Israels“ heißt, so ist die Bedeutung hiervon wie oben ausgeführt, denn das Konzept der Offenbarung gilt in Bezug auf den Nächsten (auf den Anderen). Folglich stellt der Aspekt der Shechina die Offenbarung an die Unteren dar. Sie kleidet sich in den Willen der Unteren, denn der Wille ist der Aspekt des Geschöpfs, weshalb die Seele als ein Teil der Göttlichkeit bezeichnet wird.

Der Begriff „Teil“ wird im Sohar so erklärt, dass es einen Willen zu empfangen gibt, und durch die Korrekturen im Willen, um zu geben, wird dem Geschöpf das Licht des Schöpfers offenbart. Und in Bezug auf den Unteren wird nur ein Teil des Lichts offenbart, nämlich der Teil, den der Schöpfer will, dass die Unteren ihn empfangen.

Folglich lautet die Erklärung von „Seele“, dass es eine Offenbarung der Göttlichkeit in einem gewissen Maße gibt, welches die Unteren empfangen können. Also stellen wir fest, dass die Seele nur ein Teil der Heiligen Shechina ist, die als „die Gesamtheit der Seelen Israels“ bezeichnet wird.

Das heißt, das ganze Maß, in dem der Schöpfer wollte, dass man Ihn erkennt, wird als Sein Wille bezeichnet, den Geschöpfen Gutes zu schenken. Und „Seele“ heißt „Teil der Shechina„, also der Teil, den der Untere gemäß dem Grad seiner Reinheit erreichen kann.

Deswegen sagten die Weisen: „Moses wiegt alle 600 000 auf“, das heißt Moses, Friede sei mit ihm, wurde eines solchen Maßes an Offenbarung der Göttlichkeit würdig, dass der Schöpfer bereit war, sich ganz Israel zu offenbaren. Und es steht geschrieben: „Shechina spricht aus dem Mund[2] von Moses“, was bedeutet, das Moses der allgemeinen Enthüllung würdig wurde, genannt Shechina.

[1] Jesaja 6,3

[2] Wörtl. Kehle, Anm. Ü.

Notiz 8: So ist der Weg der Tora

„So ist der Weg der Tora (…) entbehrungsreich sollst du leben.“[1] (wörtl. ein leidvolles Leben sollst du führen, Anm. Ü.)

Und der Grund dafür ist, dass ein Diener des Ewigen keinen Genuss im Körper (hat/empfindet), da er nichts empfängt. Wenn man allerdings den Körper gewöhnt, im Aspekt des Gebens zu arbeiten, unter Zwang, dann wird man nachher der Kategorie würdig: „Alsdann wirst du an dem Ewigen deine Lust haben.“[2] Das heißt, wenn man im Namen des Schöpfers arbeitet, genießt man und das wird genannt: „Ihre [der Tora] Wege sind liebliche Wege“[3].

 

[1] Sprüche der Väter 6,4: So ist der Weg der Tora: Iss Brot mit Salz, trinke Wasser nach dem Maß [Hes. 4,11], schlafe auf der Erde, lebe entbehrungsreich und mühe dich ab mit der Tora. Tust du so, wirst du glücklich sein, und es ist gut für dich [Ps. 128,2] „Glücklich sein“ – auf dieser Welt, und „Es ist gut für dich“ – in der kommenden Welt.

[2] Jesaja 58,14: Alsdann wirst du an dem Ewigen deine Lust haben; und ich will dich über die Höhen des Landes führen und dich speisen mit dem Erbe deines Vaters Jakob!

[3] Sprüche 3,17: Ihre Wege sind liebliche Wege und alle ihre Pfade sind Friede.

Notiz 4: Wenn eine Jungfrau, die einem Mann verlobt ist

„Wenn eine Jungfrau, die einem Mann verlobt ist, von einem andern Mann in der Stadt angetroffen wird, und dieser bei ihr liegt“[1].

Man kann klarstellen, dass die heilige Shechina[2] als Jungfrau bezeichnet wird. Und es gibt drei Aspekte: frei, verlobt und verheiratet.

Im Zustand von Domem de Kedusha („unbewegt“ in spiritueller Hinsicht) heißt sie „frei“. Denn alles, was er (der Mensch) für sie tut, ist nur um Gegenleistungen zu erhalten, also entweder [in] Dieser Welt oder [in] der Kommenden Welt. Doch er weiß, dass die heilige Shechina von ihm unterdrückt wird, also durch den Aspekt des Empfangens aus Eigennutz. Deswegen heißt sie frei, da es niemanden gibt, der sie benötigt – so will er, dass sie ihn benötigt. Deshalb kann er dann im Zustand von Domem mit seiner Arbeit fortfahren, und er ist durch nichts behindert. Weiterlesen

Notiz 2: Der Mensch wird mit Gedanken geschlagen

überarbeitet, EY, 23.06.2024

„Wegen jenem Schlag (Aufpralls) des Höheren Lichts, das auf diesen Massach (Schirm) schlägt, sind Lichter aufgetaucht und durch diesen Schirm hindurchgegangen.“[1]

Und man kann das Konzept des Schlags (Aufpralls) so erklären, dass der Schlag der Gedanken bedeutet, dass die Gedanken auf den Menschen einschlagen und ihn stören und ermüden, und er hat Überlegungen in beide Richtungen. Und all das geschieht, weil er über einen Schirm (Massach) verfügt.

Und wenn er den Massach aufrechterhält und zustimmt, auf dem Weg des Schöpfers zu gehen, was als der Aspekt von Mocha (Verstand) bezeichnet wird, genannt der Aspekt der Klärung (Beweisführung), wobei er klärt, dass es gut für ihn ist, den Glauben über dem Verstand anzunehmen. Das bedeutet, dass er zusätzliches Licht in der höheren Stufe verursacht, und die Freude kommt gerade durch die Klärung.

Das Gleiche sehen wir bei zwei Menschen, die einander lieben. Und wenn es einem von ihnen passiert, dass er einen weiteren Freund trifft und er den Wunsch hat, sich auch mit dem zweiten zu verbinden, aber dies nicht im Einklang mit dem Wunsch des ersten ist, dann sitzt der erste und wartet ab, zu sehen, wen er als seinen treuen Freund erwählt, und er beginnt, den ersten gegen den zweiten zu prüfen.

Und er beginnt, die Bedeutung und den Nutzen zu messen, den er von beiden erhält, und die Gedanken beginnen zu fliegen und seine Gedanken zu zerschmettern, und das wird als „Schlag (oder Aufprall) auf seine Meinung“ bezeichnet.

Und schließlich entscheidet er sich für den ersten, also dass es sich lohnt, sich mit ihm zu verbinden. Und er klärt dies nur mit der Kraft Glaubens über dem Verstand. Das heißt, obwohl er nicht so sehr die Wichtigkeit des Höheren spürt, findet die Klärung mittels des Massach (Schirm) statt, genannt Prüfung, und das ist der Aspekt der Verhüllung.

Wenn er jedoch den Massach überwindet und aufrechterhält, wenn er also den Massach nicht annulliert, wird dadurch Oben Freude verursacht, und dann schenkt ihm der Höhere ebenfalls Freude.

Das heißt, in dem Maße, wie er die Bedeutung des Höheren über dem Verstand angenommen hat, genau in diesem Maß wird die Größe des Höheren in seinen Verstand übertragen, nicht mehr und nicht weniger.

[1] TES, S. 115, P. 6

Notiz 824: Innerlichkeit und Äußerlichkeit

Bescheidenheit bedeutet, dass man sich immer – in Handlung und Verstand – vor dem anderen annulliert.

Es gibt Innerlichkeit und Äußerlichkeit. Sie heißen „enthüllt“ und “verhüllt“, „Handlung“ und „Gedanke“. Was jeder sehen kann, gehört zum Teil der Handlungen, doch der Gedanke ist nicht enthüllt. Darum gilt er als innerlich und gehört somit zur Innerlichkeit des Menschen. Aber eine Handlung gilt als äußerlich, wenn sie einen inneren Gedanken beinhaltet.

Wenn man sich daher vor dem Freund annullieren muss, wird das nicht wirklich als Annullierung betrachtet – außer in zwei Arten – in Gedanken und in der Handlung.

Es ist nicht unbedingt die Handlung, sondern man muss auch seinen Verstand annullieren und sagen, dass die Ansicht des Freundes wichtiger ist als die eigene. Sonst gilt es nicht als Annullierung. Wenn man seine Annullierung offen seinem Freund zeigt, ist es nichts anderes als Schmeichelei; das bedeutet, dass es nach außen so aussieht, als wäre der Freund wichtiger, jedoch innerlich ist man sicher, dass der Freund seiner Stufe nicht einmal annähernd gleich ist.

Notiz 674: Jemand anderen tadeln

„‘Der sich nicht in acht zu nehmen wusste’. Es heißt nicht, dass er nicht ‚zu warnen’ wusste, sondern, ‚sich in acht zu nehmen’“ (Sohar WaJeshev).

Der Mensch will andere tadeln. Jeder will, dass jeder mit den Gefäßen des Gebens arbeitet, denn arbeiteten alle Freunde um des Gebens willen, würden sie ihm alles Notwendige geben. Sollte er sich jedoch selbst tadeln, dass er der Gebende sein sollte, dann würde sein Wille zu empfangen verlieren. Doch wenn die Gefäße der anderen um des Gebens willen arbeiten, wird sein Verlangen zu empfangen Nutzen davon haben. Darum möchte jeder, dass alle anderen rein sind.

Notiz 349: Der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse

Im Sohar steht: „Der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse; sind sie würdig – gut, sind sie nicht würdig – schlecht (wörtlich: böse).“

Im Sulam Kommentar wird erklärt, dass, wenn man würdig ist, Midat ha Din (Eigenschaft des Gerichts) – die unverminderte Behina Dalet – verhüllt ist und Midat ha Rachamim (Eigenschaft der Barmherzigkeit) enthüllt ist. Es bedeutet, dass die verminderte Malchut in Midat ha Rachamim enthüllt ist. Doch wenn man nicht würdig ist, trifft das Gegenteil zu.

Wir müssen die Bedeutung von Enthüllung und Verhüllung verstehen. Bekanntlich besteht ein Mensch aus Tugenden und aus guten wie auch schlechten Eigenschaften. Denn „es gibt keinen Rechtschaffenen auf Erden, der Gutes tun und nicht sündigen wird“. Anders ausgedrückt gibt es im Menschen immer einen Mangel – etwas, das zu korrigieren ist. Ansonsten hätte er in dieser Welt nichts mehr zu tun.

Es gleicht dem, wenn zwei Menschen sich in Freundschaft verbunden haben und einer plötzlich merkt, dass der andere ihm etwas Schlechtes angetan hat. Letztere zieht sich dann zurück und kann den Freund nicht mehr ansehen oder nahe bei ihm sein. Doch danach vertragen sie sich wieder.

Unsere Weisen folgerten: „Versuche nicht, den Freund zu besänftigen, solange er zornig ist.“ Doch warum? Während er zornig ist, fallen ihm nur die Fehler des Freundes auf und er kann ihm nicht vergeben, da sich der Fehler des Freundes enthüllt hat und dessen gute Eigenschaften, derentwegen er ihn zum Freund gewählt hatte, nun verhüllt sind. Wie kann er sich also an jemanden wenden, der böse ist?

Doch sobald er nach einiger Zeit den Ärger vergisst, den ihm der Freund bereitete, kann er die guten Eigenschaften des Freundes wieder entdecken und dessen schlechten Eigenschaften verhüllen, was bedeutet, dass er die Wahrnehmung der guten Eigenschaften des Freundes wiederbelebt.

Wenn man den schlechten Eigenschaften des Freundes keine Macht und keine Aufmerksamkeit gibt, werden sie nebensächlich und verhüllt. Wenn man daher von etwas spricht, verleiht man dem Besprochenen Macht und Lebenskraft. Sobald der Ärger vergessen ist und der Stachel des durch den Freund verursachten Zorns seine Kraft verliert, kann man wieder von den Genüssen sprechen, die man aus den guten Eigenschaften des Freundes erhält.

Das Bild ist verständlicher, wenn man es auf einen Mann und seine Ehefrau überträgt. Manchmal sind sie sich so uneinig, dass sie sich am liebsten trennen würden. Doch dann vertragen sie sich wieder. Die Frage ist, was mit den schlechten Dingen passiert, die sich während ihres Streits zutrugen? Sind sie von der Welt verschwunden?

Wir müssen tatsächlich annehmen, dass sie die Gründe verhüllten – also die schlechten Eigenschaften, die sie in einander sahen. Und nun, da wieder Frieden herrscht, erinnert sich jeder nur an die guten Eigenschaften und die Tugenden, derentwegen sie sich zusammenschlossen.

Doch auch dann, wenn jemand aus der Familie kommt und zu dem Mann oder der Frau über die Fehler des jeweils anderen spricht, gibt man den Dingen, die zuvor unterdrückt und verhüllt waren, erneut Macht und Lebenskraft und bringt sie wieder an die Oberfläche. In so einem Zustand kann jemand die Trennung der beiden verursachen.

Gleiches ergibt sich bei zwei Freunden, wenn ein Dritter kommt und einem der Freunde die Fehler und Mankos des anderen aufzeigt, in dem er über die verborgenen Dinge in ihnen spricht; er verleiht letzteren Macht und Lebenskraft und verursacht dadurch die Trennung der beiden Freunde.

Und vielleicht ist das der Grund, warum üble Nachrede, selbst wenn sie wahr ist, verboten ist, da sie Dinge ans Licht bringt, die zuvor verborgen waren. Es verursacht das Gegenteil – verhüllt die Tugenden und legt Fehler offen – und bringt Trennung und Hass zwischen ihnen. Und auch wenn alles Gesagte wahr ist, ist der Grund wie oben beschrieben: dass alles davon abhängt, ob etwas verhüllt oder enthüllt ist.

Dasselbe gilt für den Menschen und den Schöpfer. Solange das Böse im Menschen verhüllt ist und dieser sich als tugendhaft betrachtet, fühlt er sich tauglich, sich mit Tora und Geboten zu beschäftigen, da er würdig ist, die Stufen aufzusteigen. Doch wenn seine Tugenden verhüllt und nur seine Fehler offensichtlich sind, kann er sich nicht mit Tora und Geboten beschäftigen, da er sich für untauglich für alles hält.

Daher genießt er diese Welt zumindest wie ein Tier, da er kein Mensch sein kann. Baal HaSulam sagte darüber, dass ein Mensch, solange er sich mit Tora und Geboten beschäftigt, seine Niedrigkeit spürt; doch wenn er sich mit materiellen Dingen beschäftigt, spürt er keinerlei Niedrigkeit.

Doch eigentlich sollte das Gegenteil der Fall sein: Bei der Beschäftigung mit materiellen Dingen sollte man Niedrigkeit fühlen und alles ohne Lebenskraft erledigen; doch wenn man sich mit Tora und Geboten beschäftigt, sollte man sich als ganz empfinden. Es ist tatsächlich so, wie oben gesagt.

Rabash, Brief 40

31. Tag des Monats Elul, 6. Mai 1958, Manchester

korr, EY, 10.09.2024

 

An die Studenten, mögen sie leben,

Ich habe ein Telegramm von … erhalten, dass wir gesiegt haben. Hoffen wir, dass wir auch den Krieg gegen den Trieb gewinnen werden – dass wir auch hier erfolgreich sein und das Ziel erreichen werden, und zwar dem Schöpfer Zufriedenheit zu bereiten.

Es ist an der Zeit, dass wir beginnen, vorwärts zu gehen und unser heiliges Ziel wie tapfere Krieger zu erreichen. Es ist bekannt, dass der gepflasterte Weg, der zum Ziel führt, wie bekannt ist, die Liebe zu den Freunden ist, durch die man zur Liebe zum Schöpfer übergeht. Und in Sachen Liebe heißt es: „Kauf dir einen Freund.“ Mit anderen Worten, durch Taten kauft man sich das Herz seines Freundes. Und selbst wenn man sieht, dass das Herz seines Freundes wie ein Stein ist, ist das keine Entschuldigung. Wenn man das Gefühl hat, dass man geeignet ist, sein Freund in der Arbeit zu sein, dann muss man ihn durch Taten kaufen. Weiterlesen

Rabash, Brief 37

Brief Nr. 37

In Bezug auf die Trennung zwischen der Liebe der Freunde und der Arbeit für den Schöpfer – dies verstehe ich nicht… denn es war niemals üblich bei meinem Vater und Lehrer seligen Andenkens (Baal Hasulam), diese zwei Dinge zu verbinden.

Im Gegenteil war es immer verboten, unter Freunden Worte der Tora zu sprechen, oder von Zuständen des Kleinheit oder Größe zu reden. Unser Weg war immer, “Gehe in Demut”. Es war kaum erlaubt, unter Freunden über die Arbeit zu sprechen, wie es in einigen Artikeln von Baal Hasulam erörtert wurde.

Im Gegenteil, die Hingabe der Freunde war gerade charakteristisch für gewöhnliche Menschen, wenn jeder sich nur um die physische Realität der Freunde sorgt, und nicht um ihre Spiritualität. Und alle Annäherung unter Freunden war gerade mittels der Mahlzeiten mit dem Trinken von Wein, und nicht durch Worte der Tora.

Daher weiß ich nicht, was du hier erneuern willst. Vielleicht hast du bis jetzt geglaubt, dass man für die Liebe der Freunde nicht über die Belange der Arbeit zu sprechen und sich nicht mit ihnen zu befassen braucht, und nun sicher weißt, dass es nur so sein muss, also durch das Gehen in Demut.

Es muss so sein, wie wenn man der Einladung zu einem freudigen Ereignis seines Freundes folgt: man nimmt auf sich keine Rücksicht, ob man nun gute Laune hat oder nicht, sondern man muss an der Freude des Freundes teilhaben. Man darf dem Freund kein verärgertes, sondern nur ein glückliches Gesicht zeigen. So auch hier: die Verbindung der Freunde muss so sein, dass jeder dem anderen Freude zu bereiten sucht, und zwar gerade in den körperlichen Dingen, denn gerade dies ist das Prinzip von „erwerbe dir einen Freund“.

„Mache dir einen Rav“ ist bereits eine andere Sache. Manchmal kommt es unter Freunden vor, dass einer dem anderen gegenüber „Mache dir einen Rav“ ausführen will. Das passiert gerade unter Freunden, die sehr aufpassen und außerordentlich strikt sind. Nicht alle sind dafür geeignet. Vor allem ist das keine „Liebe der Freunde“ mehr, [also] das, was die Liebe der Freunde erfordert, denn es gibt keinerlei Verbindung zur Arbeit, wie du mir geschrieben hast.

Baruch Shalom Halevi Ashlag, Sohn von Baal Hasulam

Rabash, Brief 24

Shalom und alles Gute,

An meinen Freund…

Als Antwort auf deinen Brief (…), zu deiner ersten Frage in Bezug darauf, dass du Wache stehen musst, um Liebe in den Herzen der Freunde zu erwecken, und dass dir diese Sache nicht gut bekommt – gerade das sehe ich in Bezug auf dich als eine Notwendigkeit. Dir ist bekannt, was mein Vater sagte, dass man nämlich aus der Beziehung zum Freund lernt, wie man sich gegenüber dem Schöpfer verhalten soll.

Denn das Obere Licht befindet sich in vollkommener Ruhe, und man muss immer die Liebe erwecken, „bis die Liebe unserer Verlobung verlangt“. Mit anderen Worten zeigt man dir vom Himmel, dass du auf diesem Wege immer die Liebe Seines Namens erwecken musst. Denn alle harren ob deiner Erweckung. Weiterlesen

Rabash, Brief 8

26. Mai 1955, Tel-Aviv, am 48. Tag der Omer-Zählung, einen Tag vor Shavuot

Hallo und alles Gute für meinen Freund…

Als Antwort auf deinen Brief muss ich zugeben, dass ich momentan nichts Schriftliches hinzuzufügen habe. Sondern wie es geschrieben steht: „Sage den Kindern Israel, dass sie ziehen.“ [1] Euch ist bekannt, dass „ziehen“ das Gehen von einem Zustand zum zweiten Zustand bedeutet, also die Ortsänderung. Wie Baal Sulam im Sulam Kommentar den Vers „Ein Tag sagt’s dem andern“[2] deutete und dazu schrieb, dass es nicht sein kann, dass ein Tag auf den anderen folgt, ohne dass sich der Zustand der Nacht dazwischen befindet, dass es also in der Mitte eine Unterbrechung gibt, sonst gilt dies als ein langer Tag und nicht als ein Tag nach dem andern. Die Arbeitsabfolge ist aber gerade ein Tag nach dem andern. „Und eine Nacht tut’s kund der andern“, was bedeutet, dass es zwischendurch einen Tag gibt, bis hier seine Worte. Weiterlesen

1985/7 Das Leben von Sara

Zum Hörtext..

Artikel 1985/7

Im Sohar, im Teil Das Leben von Sara (Artikel 17), steht geschrieben:
„Eine andere Interpretation: ‚Dieser König ist eine Frau, die den Herrn fürchtet, wie du sagst: ‚Eine Frau, die den Herrn fürchtet, sie soll gelobt werden,‘ was Göttlichkeit/Shechina bedeutet. ‚.. auf ein bestelltes Feld‘ ist das fremde Feuer, womit Sitra Achra gemeint ist, wie es heißt: ‚Dich vor einer fremden Frau schützen‘. Denn es gibt ein Feld und es gibt ein Feld. Es gibt ein Feld, in dem der ganze Segen und die Heiligkeiten sind, wie du sagst, ‚Wie der Duft eines Feldes, das der Herr gesegnet hat,‘ was die Shechina ist. Und es gibt ein Feld, wo alles Zerstörung, Unreinheit, Ausrottung, Tötungen und Kriege wohnen, das ist die andere Seite (Sitra Achra)“, soweit seine Worte.

Nach unserer Auslegung bedeutet dies, dass wir zwei Wege haben: Entweder folgen wir jenen, die zum Schöpfer kommen, dessen Eigenschaft das Geben ist, oder wir folgen dem Weg, der zu den Menschen führt, was empfangen bedeutet. Denn die Geschöpfe werden nur in Bezug auf die Selbstliebe, die aus dem Kern der Schöpfung kommt, und in Bezug auf das Empfangen „Geschöpfe“ genannt. Es gab den Zimzum (Einschränkung) und die Verhüllung in diesem Aspekt, denn an dieser Stelle kann nicht erkannt werden, dass die ganze Erde mit Seiner Herrlichkeit erfüllt ist. Man kann erst dann erkennen, dass die ganze Erde mit Seiner Herrlichkeit erfüllt ist, wenn man dem Empfangen entsagt. Aber vor dem Verlassen des Empfangens kann man nur daran glauben, dass es so ist. Weiterlesen

1988/30 Was wir in der Versammlung der Freunde suchen sollen

Artikel Nr. 30, 1988

Unsere Weisen sagten (Awot, Kapitel 1, 6), „Mach dir einen Rav (Lehrer), kaufe dir einen Freund, und beurteile jeden Menschen wohlwollend.“ Wir sollten den Zusatz „Und beurteile jeden Menschen wohlwollend“ zu „Kaufe dir einen Freund“ verstehen.

Auch in Matan Tora (Die Gabe der Tora, Punkt 14) steht geschrieben, dass die Mizwa „Liebe deinen Freund wie dich selbst“ eine Vorschrift ist, um die Liebe des Schöpfers zu erhalten, welche die Dwekut (Anhaftung) an Ihn ist. Er schreibt: „Es ist vernünftig zu denken, dass derjenige Teil der Tora, welcher die Beziehungen des Menschen mit seinem Freund behandelt, eher geeignet ist, jemanden zum ersehnten Ziel zu bringen. Das kommt daher, weil die Arbeit in den Mizwot (Geboten), welche die Beziehungen zwischen dem Menschen und dem Schöpfer regeln, stetig und bestimmt ist. Sie fordert nichts und der Mensch gewöhnt sich leicht daran. Und alles, was aus Gewohnheit getan wird, kann, wie wir wissen, keinen Nutzen bringen. Aber die Mizwot zwischen Mensch und Mensch sind unstetig und unbestimmt, und Forderungen umgeben den Menschen, wohin er auch schaut. Daher sind sie ein sicheres Mittel und ihr Ziel ist näher.“ Soweit seine Worte. Weiterlesen

1989/22 Warum werden vier Fragen speziell in der Pessachnacht gestellt?

Artikel Nr. 22, 1989, (korrigiert, EY, 25.04.2024)

Wann stellt jemand eine Frage? Wenn es ihm an etwas mangelt. Er fragt: „Warum muss ich darunter leiden, dass ich nicht das habe, was ich für nötig halte?“ Er kommt zum Schöpfer mit Beschwerden und Forderungen und fragt: „Warum muss ich leiden?“ Aber wenn ein Mensch Überfluss besitzt, welche Fragen sollte er sich stellen, wenn er sich frei und durch nichts versklavt fühlt? Wenn er fühlt, dass ihn das schmerzt, was er nicht hat, dann gibt es Raum nach dem „Warum“ zu fragen? Weiterlesen