Baal HaSulam, Brief 16, Wahrheit und Lüge

Brief 16, 21. Dez. 1955

Möge ein verwehtes Blatt heil werden und lasse sie sagen, dass ich in der Gesandtschaft ihres Erschaffers bin, fliegend unter Fliegenden; unser verherrlichter Lehrer, Rav…, dem der Höhere Eine beisteht…

Ich habe Euren Brief erhalten, und möge der Ewige uns erleuchten, dass unser Weg der richtige ist, und wir werden uns stark an den Gedenktag erinnern. Dann werden wir würdig des Lichtes der Erinnerung, welches für die Reinigung der materiellen Luft gut ist, und wir werden die Luft der Heiligkeit atmen – das wahre und ewige Leben. Weiterlesen

Die Bedeutung von Empfängnis und Geburt

Artikel von Yehuda Ashlag (Baal HaSulam)


  1. Grundsätze

    Das Allgemeine und das Besondere

Die erste intellektuelle Betrachtung der Schöpfung durch die Weisen ist definiert als die Erforschung des Wirkens des Schöpfers. Dieses Wirken wird als „Vorsehung“ oder als Natur der Schöpfung bezeichnet.

Sie bezeichnen als „Körper“ nur die einfache Materie aus Fleisch und Blut in ihrem unbelebten Zustand, ohne jegliche Form. Denn alles, was als „Form“ bezeichnet wird, wird als geistige Kraft betrachtet und ist kein Körper.

Daraus ergibt sich für uns das Gesetz, dass alle Körper gleich sind. Wie die Erdkugel, die ein einziger Körper ist und nicht in viele geteilt werden kann, da wir in ihr keine Erneuerung der Form von einem Teil zum anderen finden – so kann auch das Unbelebte nicht in viele Einzelteile unterteilt werden.

Die gesamte Kraft der Vielheit in der Welt ist eine wunderbare geistige Kraft. Deshalb ist jede Gesamtheit bedeutungsvoll und erhaben, da sie aus der geistigen Kraft stammt, während jedes Einzelteil verächtlich und niedrig erscheint. Dadurch erkennt man den Unterschied zwischen einem egoistischen Menschen und einem, der seinem Volk ergeben ist.

Es ist gewiss, dass der Wert der Gesamtheit nach dem Ausmaß ihrer Vielheit bemessen wird. Wenn wir entschieden haben, dass die Kraft der Vielheit etwas Geistiges und Bedeutendes ist, dann gilt: Je größer die Vielheit, desto bedeutender ist sie.

Daraus folgt: Derjenige, der seinem Volk ergeben ist, ist bedeutender als jemand, der seiner Stadt ergeben ist. Und jemand, der der ganzen Welt ergeben ist, ist bedeutender als jemand, der nur seinem Volk dient. Und dies ist die erste Erkenntnis!

Geburt in der Spiritualität

So wie es im physischen Sinn eine Geburt für das Individuum gibt – durch den Aufbau seines Körpers –, so gibt es auch eine Geburt für das Allgemeine. Diese erfolgt durch die Erneuerung einer spirituellen Kraft, das heißt durch die Entwicklung des Verstandes. Diese Entwicklung stellt die Geburt des Kollektivs dar, denn in der Spiritualität trennt die Veränderung der Form die Welten voneinander. Diese Geburt bedeutet den Eintritt in die Welt der Korrektur.

Der Auszug aus Ägypten wird Geburt genannt

Und wenn wir vom Geheimnis der Vielheit im Wesen der Spiritualität sprechen, so gleicht dies dem Materiellen: Ein Neugeborenes kommt aus dem Bauch seiner Mutter – einer dunklen, verdorbenen Welt, voller Schmutz und Unannehmlichkeiten – in eine erleuchtete Welt, in der alles vollkommen ist: die Welt der Korrektur.

Damit wird der Begriff der Vorbereitung verständlich, wie er im Zusammenhang mit dem „Königreich von Priestern“ steht – eine Stufe, die sie durch die Prophetie unseres Lehrers Mose erreichten. Und deshalb wurden sie der Freiheit vom Engel des Todes und des Empfangs der Tora würdig.

Dann aber brauchten sie eine neue Geburt – in die Luft der erleuchteten Welt, die in der Schrift „ein gutes, weites und herrliches Land“ genannt wird.

Totgeburt

Und siehe, dieses Neugeborene wurde tot geboren. Denn nach der Schwangerschaft – die der „eiserne Schmelzofen“ und die Knechtschaft in Ägypten waren – kam die Geburt. Doch sie waren noch nicht geeignet, den Lebenshauch aus der erleuchteten Welt zu atmen, zu der sie zu gelangen versprochen waren.
Erst mit dem Beginn der Omerzählung, dem Krieg gegen Amalek, den Wasserprüfungen usw. erreichten sie die Wüste Sinai. Die Wüste Sinai symbolisiert „Hass“, wie die Weisen sagen, denn das Wort „Sinai“ und „Hass“ sind sprachlich ähnlich. Diese Wüste deutet auf die Leiden hin, die jede Krankheit begleiten.

Geburt in die Arme von „Vater und Mutter“

Und dann wurden sie würdig, den Lebenshauch einzuatmen, und es erfüllte sich an ihnen die Prophezeiung: „Und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein.“

Zuerst: ein Königreich von Priestern – um ihren persönlichen Besitz aufzugeben.
Danach: ein heiliges Volk – um ihrem Schöpfer Wohlgefallen zu bereiten durch „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“.

Und so wie im Materiellen das Neugeborene in liebevolle und treue Hände fällt – das heißt: Vater und Mutter, die sich um sein Bestehen und seine Gesundheit sorgen –
so auch hier: Nachdem für jeden Einzelnen sechshunderttausend Fürsorgende bereitgestellt worden waren, atmeten sie den Lebenshauch.

Wie es heißt: „Und Israel lagerte dort gegenüber dem Berg“, und RASHI erklärt: „Wie ein einziger Mensch mit einem einzigen Herzen.“

2. Rückseite und Vorderseite

Die Augen des Menschen sind nach vorne gerichtet – was andeutet, dass er nur nach vorn, in die Zukunft blicken kann, das heißt: in der Ordnung der Entwicklung von unten nach oben. Er kann jedoch nicht zurückblicken, also nicht in die Ordnung des Entstehens von oben nach unten (wie es heißt in der Geschichte von Lot: „Blicke nicht zurück“).

Deshalb ist ihm jede wahre Erkenntnis entzogen – weil ihm der Anfang fehlt. Er gleicht einem Buch, bei dem die erste Hälfte fehlt, sodass man daraus nichts verstehen kann.
Der einzige Vorzug derjenigen, die zu spiritueller Erkenntnis gelangen, ist, dass sie auch das Geheimnis des Entstehens erfassen – also den Weg von oben nach unten.

Denn der Mensch enthält in sich alles – und das zeigt sich deutlich: Wenn er über etwas nachdenkt oder es betrachtet, weiß jeder, dass er nichts außerhalb seines eigenen Körpers und seiner inneren Vorstellungen sieht – und dennoch erfasst er die gesamte Welt.
Er weiß, was andere Menschen denken, er kann sie einschätzen, weiß, wie er ihnen gefallen kann, und passt sich ihrem Willen an.

Um zu diesen Einsichten zu gelangen, muss er nichts anderes tun, als in sich selbst zu schauen – und schon versteht er die Gedanken seiner Altersgenossen.
Denn alle Menschen sind einander gleich, und der Mensch trägt sie in sich.

Die einzige Grenze seines Wissens besteht darin, dass er seinen eigenen Ursprung – seine „Empfängnis“ – nicht kennt, und sich an nichts aus jener Zeit erinnern kann, um auch nur etwas davon zu berichten.

Das fünfzigste Tor

Dies ist das Geheimnis des Schriftwortes: „Du wirst Meinen Rücken sehen, aber Mein Angesicht wird man nicht sehen“ (2. Mose 33:23). Unser Lehrer Moses erlangte die Erkenntnis des Geheimnisses der Empfängnis – das heißt, er begriff alle Aspekte des Abstiegs von oben nach unten in vollkommener Ganzheit. Dies wird als die „Rückseiten der spirituellen Welten“ bezeichnet. Was ihm fehlte, war nur, auch das „Angesicht“ zu sehen – das heißt: die gesamte Zukunft bis zur Vollendung der Korrektur,
was „fünfzig Tore von Bina“ genannt wird.

Denn die Stufe von Bina besteht aus hundert Toren. Bina wird in der Sprache der Kabbalisten „Mutter“ genannt, da sie die Mutter der gesamten Welt ist.
Wer die hundert Tore vollständig erlangt, erreicht die Offenbarung der Vollkommenheit.

  • Die fünfzig Tore der Rückseite symbolisieren das Geheimnis der Empfängnis, also den Prozess des Abstiegs von oben nach unten.
  • Die fünfzig Tore der Vorderseite – sie sind der Weg der Entwicklung, der notwendig ist bis zur Vollendung der Korrektur, wenn gilt: „Die Erde wird erfüllt sein mit der Erkenntnis des Ewigen“ (Jesaja 11:9) und „Keiner wird mehr seinen Mitmenschen oder seinen Bruder lehren und sagen: ‚Erkenne den Ewigen‘, denn alle werden mich erkennen, vom Kleinsten bis zum Größten“ (Jeremia 31:33).

Das war es, worum Moses bat: „Lass mich doch deine Herrlichkeit sehen“ (2. Mose 33:18), das heißt, er bat um Einsicht in die fünfzig Tore der Vorderseite von Bina. Doch der Ewige antwortete ihm: „Du wirst meinen Rücken sehen“ – es genügt dir, dass du die fünfzig Tore der Rückseite siehst, also den Weg von oben nach unten.

„Mein Angesicht wird man nicht sehen“, denn du wirst die fünfzig Tore der Vorderseite nicht erblicken, „denn kein Mensch kann mich sehen und am Leben bleiben“. Das bedeutet: Vor der Zeit, in der die Gefäße vollkommen vorbereitet und entwickelt sind, ist es unmöglich, das große Licht der vorderen Tore zu empfangen.

Vor dieser Zeit würde ein Mensch durch diese Erkenntnis sterben, da seine Gefäße nicht imstande wären, dieses große Licht aufzunehmen – sie würden sich auflösen.

Deshalb steht geschrieben: „Fünfzig Tore der Bina wurden in der Welt geschaffen, und alle wurden Moses gegeben – außer einem“.

In der Spiritualität gilt: Es gibt keinen teilweisen Mangel – entweder ganz oder gar nicht. Es ist so, wie es in Bezug auf Gelübde heißt: „Wenn ein Teil des Gelübdes aufgehoben wird, ist das ganze Gelübde aufgehoben.“

Am Ende der Tage aber, wenn die Gefäße gewachsen sind und sich in ihrer vollen Größe entfaltet haben, werden sie würdig sein, auch das fünfzigste Tor zu erreichen. (Es ist wichtig zu wissen, dass es zwei Arten von Erkenntnissen gibt: Prophetie (Newua) und Weisheit (Chochma). Was die Weisheit betrifft, erreichte Mose dasselbe wie alle Weisen. Doch auf der Ebene der Prophetie konnte er das fünfzigste Tor nicht erreichen. Daher sagten die Weisen: „Der Weise ist dem Propheten überlegen.“ Und sie sagten auch, dass König Salomo das fünfzigste Tor erlangte.)

Die Seele bringt den Körper hervor: Empfängnis und Wachstum

So wie wir beim eingesäten Weizenkorn zwei Abläufe erkennen, gilt auch im Spirituellen:

  1. Von dem Moment an, in dem es in die Erde gelegt wird, beginnt es, die Form seiner eigenen Stufe – die als die des Erzeugers gilt – abzulegen, bis es den Zustand des „Nichts“ erreicht – das heißt: Es wird zu einem Substrat, das die Form seiner Herkunft auflöst und sich in eine potenzielle Kraft verwandelt. Bis zu diesem Punkt wird es als „Phase der Empfängnis“ betrachtet – ein Vorgang, der dem Weg von oben nach unten entspricht.
  2. Sobald es den letzten Punkt erreicht hat, beginnt das Wachstum und die Entfaltung – ein Prozess, der dem Weg von unten nach oben entspricht, bis es die Stufe seines Erzeugers erreicht.

Das Allgemeine und das Besondere sind gleichwertig

Das Allgemeine und das Besondere gleichen einander wie zwei Tropfen Wasser. So wie der äußere Teil der Welt – also der Zustand des Planeten insgesamt – beschaffen ist, so ist auch ihr innerer Teil beschaffen. Denn selbst im kleinsten Wasserstoffatom finden wir ein ganzes System aus Sonne und Planeten, die sich um es drehen – ganz so wie im Makrokosmos.

Und ebenso findest du im Menschen, der den inneren Teil der Welt darstellt, alle Gestalten der höheren Welten: Azilut, Brija, Jezira und Assija. So sagten die Kabbalisten: Der Rosh (Kopf) entspricht der Welt Azilut, bis zum Chase (Brust) ist Brija, von dort bis zum Tabur (Nabel) ist Jezira, und von Tabur abwärts ist Assija.

Daher sieht auch die Entstehung des Menschen wie eine Entwicklung von oben nach unten aus – also eine langsame Entwicklung aus dem, was ihn hervorgebracht hat, das heißt der Mutter, bis zu dem Punkt, an dem er sich von ihr löst und die Verbindung zu ihr vollständig abbricht, indem er in die Welt eintritt und vom aktiven Zustand in den passiven übergeht [wenn die Nabelschnur durchtrennt wird] – das heißt, er tritt aus der Herrschaft dessen, der ihn hervorgebracht hat, in seine eigene Selbständigkeit.

Und hier beginnt die Entwicklung von unten nach oben – die Zeit des Stillens, wenn er noch an der Brust der Mutter liegt, [dies dauert] bis seine Form vollständig geworden ist, sodass sie das Niveau dessen erreicht, der ihn hervorgebracht hat.

Der erste Mensch jedoch (Adam haRishon) ist ein Werk der Hände des Schöpfers. Das bedeutet, dass er gewiss nicht von einer Frau geboren wurde, sondern aus Staub der Erde war – wie alle anderen ersten Geschöpfe, die aus diesem Staub gebildet wurden, wie es heißt: „Alles ist aus dem Staub geworden.“ Doch dieser Staub stammt aus den höheren Welten, die ihm vorausgehen.

Denn auch oben gibt es Licht (Or) und Gefäß (Kli). Das Licht sind die Formen des Empfangens, und das Kli ist der Wille, diese entsprechenden Formen zu empfangen. Dieses Gefäß, der Wille zu empfangen, hat keine Beständigkeit, weder in Bedeutung noch in eigenständiger Existenz, außer in Verbindung mit dem Empfangenen. Daher hat es keinen Wert, der über das Empfangene hinausgeht.

Das ist vergleichbar mit einem Armen, der reich werden möchte – er ist nicht bedeutender als ein anderer Armen, der mit seinem Anteil zufrieden ist und gar nicht reich werden will. Im Gegenteil – er steht noch niedriger als dieser. Denn der Wille zu empfangen zusammen mit dem, was darin empfangen wird, gilt als eine Einheit, und das sind nur zwei Hälften eines Ganzen. Und jede Hälfte für sich, wenn sie getrennt ist, hat keinerlei Bedeutung, über die es sich zu sprechen oder nachzudenken lohnte.

  1. Was ist die Seele?

Das Gesetz der Entwicklung gemäß der Weisheit der Kabbala

Nichts kann erforscht werden, ohne dass es zuvor vom Anfang bis zum Ende betrachtet wird. Und da der Mensch alles nur aus sich selbst heraus empfindet (vergleichbar damit, dass Farben nicht für alle Augen gleich erscheinen, sondern nur durch Übereinkunft definiert werden), ist er gezwungen, sich selbst von Anfang bis Ende zu erkennen. Das bedeutet zumindest von der Zeit seiner Empfängnis bis zu dem Zeitpunkt, an dem er ein vollständiger Mensch wird.

Da das aber nicht der Fall ist – denn der Mensch beginnt, sich selbst erst zu erkennen, wenn er bereits ein vollständiger Mensch ist – fehlt ihm daher die Fähigkeit, sich selbst zu betrachten.

Kein Mensch kennt sich selbst

Ein zweiter Grund ist, dass man zur Erkenntnis einer Sache vor allem ihre schlechten Eigenschaften betrachten muss. Jedoch kann der Mensch seine eigenen Fehler nicht sehen (und selbst das, was ihm durch das Beobachten anderer zugänglich ist, sieht er nur durch einen trüben Spiegel). Denn er kann Schlechtes nur annehmen, wenn es in Form von Genuss zu ihm gelangt. Ohne diesen Genuss würde er es gar nicht akzeptieren.

Es ist ein Gesetz, dass der Mensch nichts, was ihm Genuss bereitet, als schlecht betrachtet – außer durch zahlreiche Erfahrungen, die diese Erkenntnis allmählich reifen lassen. Dafür sind jedoch Tage und Jahre nötig, ebenso wie Erinnerungsvermögen, Vergleich und Betrachtung, wozu nicht jeder Mensch fähig ist. Daher gibt es niemanden, der sich selbst vollständig kennt.

Doch die Kabbalisten, die zur Erkenntnis gelangen, erfassen das Ganze. Das bedeutet, sie erlangen alle Stufen zur Erkenntnis des Menschen, die in der Wirklichkeit existieren. Dann wird gesagt, dass sie das Ganze erfasst haben, und dieses Ganze wird Seele (Neshama) genannt.

Diese Seele ist das Erbe von Adam HaRishon

Wie bereits oben in Punkt 2 erklärt, werden die Welten auf zwei Wegen erkannt: von oben nach unten (von Ma’ilah Letata) und von unten nach oben (Mitata Le’ilah). Zuerst wird die Abfolge der Seele von oben nach unten erfasst. Danach erfolgt die Erkenntnis von unten nach oben. Der erste Weg wird als „Empfängnis“ (Ibur) bezeichnet, da er einem Samentropfen ähnelt, der sich vom Gehirn des Vaters löst und in die Gebärmutter der Mutter übergeht, bis er schließlich in die Welt hinaus geboren wird. Diese Geburt gilt als die letzte Stufe von oben nach unten, das heißt: in Bezug auf die Ursache des Neugeborenen.

Denn bis zu diesem Punkt war das Kind noch in gewisser Weise mit seinem Vater und seiner Mutter verbunden – also mit seiner Ursache. Erst mit seinem Eintritt in die Welt wird es in den Bereich seiner eigenen Wirklichkeit überführt – das ist der Übergang von oben nach unten.

Der Grund liegt darin: Weil der Gedanke des Schöpfers einer ist, sind alle Geschehnisse gleich, und alles gleicht dem Einzelnen.

Die Empfängnis und das Wachstum des Körpers ist wie bei der Seele

Ab dem Moment der Geburt – wenn der Mensch sich am entferntesten Punkt befindet – beginnt seine Rückkehr zur Erkenntnis von unten nach oben. Und das wird „Gesetz der Entwicklung“ genannt. Es verläuft exakt auf denselben Wegen und Pfaden, auf denen er zuvor von oben nach unten herabgestiegen ist.

Das ist es, was die Kabbalisten erkennen.

Mit dem physischen Auge jedoch sind nur einfache, langsame und stufenweise Zustände sichtbar – bis sein Niveau dem von Vater und Mutter entspricht. Dann heißt es, dass er alle Stufen von unten nach oben erkannt hat – das heißt: das Ganze.

  1. Von oben nach unten und von unten nach oben

Das Wachstum verweist auf die Empfängnis

Da die beiden Entwicklungsprozesse – also von oben nach unten und von unten nach oben – einander gleichen wie zwei Tropfen Wasser, können wir das Geschehen von oben nach unten verstehen, indem wir das Geschehen von unten nach oben studieren, welches der zweite Entwicklungsprozess ist und sich im Wachstum und in der Entfaltung ausdrückt.

In den vier Welten ABYA (Azilut, Brija, Yezira, Assija) gibt es vier Zustände, ähnlich dem Wachstums einer Frucht, von der Pflanzung bis zur vollständigen Reifung:

  1. Bevor sich erste Anzeichen der Reife in ihr zeigen – das sind alle gesetzmäßigen Zustände der Frucht – dies entspricht der Welt Assija (Handlung).
  2. Ab dem Moment, in dem man sie essen und davon satt werden kann, obwohl sie noch keinen Geschmack hat – das ist Yezira (Formung).
  3. Wenn sich bereits etwas Geschmack in ihr erkennen lässt – das ist Brija (Schöpfung).
  4. Wenn ihr voller Geschmack und ihre ganze Schönheit erscheinen – das ist Azilut (Emanation).

Dieser Ablauf verläuft von unten nach oben.

Alles, was erschaffen und geboren wurde, durchläuft zwei Wege

Der gesamte Prozess von Entwicklung – von oben nach unten und von unten nach oben – wie er im Allgemeinen in den vier Welten ABYA (Azilut, Brija, Jezira, Assija) dargestellt wurde, vollzieht sich auch in jedem kleinsten Element der Welten, das heißt für jede Ursache (Ila’a) und ihre Wirkung (Alul).

Ursache (Ila’a) bedeutet: Vater, Wurzel, Auslöser.

Folge (Alul) ist das, was durch die Ursache bewirkt oder hervorgebracht wurde. Es wird daher als „Sohn“, „Zweig“ oder „das, was sich aus der Ursache ergibt“ bezeichnet.

Diese beiden Entwicklungsprozesse gelten im Einzelnen in genau derselben Weise wie im Allgemeinen. Der Weg „von oben nach unten“ ist der Pfad der Trennung der Folge von ihrer Ursache, bis sie aus ihr heraustritt und selbstständig wird. Der Weg „von unten nach oben“ ist das Gesetz der Entwicklung, das die Wirkung dazu antreibt, von unten nach oben zu wachsen, bis sie ihre Ursache erreicht, das heißt, ihr vollständig gleich wird.

Dies lässt sich mit der Beziehung zwischen einem Vater und seiner physischen Nachkommenschaft vergleichen:  Von seinem Ursprung im Gehirn des Vaters bis zur Geburt ist es ein Prozess des Aufstiegs von unten nach oben. Dieses Prinzip findet sich in allen vier Kategorien der unbelebten, pflanzlichen, tierischen und menschlichen Natur (Domem, Zomeach, Chai, Medaber). Und so, wie es bei den Einzelheiten der spirituellen Emanation gilt, gilt es ebenso im Allgemeinen für alle Welten.

Und der Grund dafür ist: Aus dem Einen geht das Einzelne hervor, und alle Wege, die dieses Einzelne durchläuft, bestimmen die gesamte Kette der Entwicklung, die ihm folgt – sowohl im Allgemeinen als auch im Einzelnen.


5. Die Nachahmung der Schöpfung

Die Geburt einer glücklichen Menschheit

Wenn wir auf das Siegel des Schöpfungsakts blicken, finden wir die Worte: „…welches Gott geschaffen hat, um zu tun“ (1. Mose 2:3). Die Bedeutung davon ist, dass das Werk des Schöpfers, das uns in der Schöpfung vorliegt, uns übergeben wurde, damit wir es tun und vervollständigen. Und wäre dem nicht so, wäre das Wort „zu tun“ völlig überflüssig und inhaltsleer. Es hätte heißen müssen: „Denn an diesem Tag ruhte Gott von all Seinem Werk, das Er erschaffen hatte.“ – Warum also wurde hier das Wort „zu tun“ hinzugefügt? – Notwendigerweise lehrt uns dieser Vers, dass der gesamte Umfang der Arbeit, die der Schöpfer in der Schöpfung hinterließ, exakt bemessen ist, nicht mehr und nicht weniger, sondern so, dass wir es selbst vervollständigen und weiterentwickeln können.

Die Wahrheit ist, dass all unsere Entwicklung innerhalb dieser Schöpfung lediglich eine Nachahmung derselben ist. Der Geschmack und die Schönheit der Farben, die wir gestalten und erneuern, ahmen die geschmackvollen Farben der Blumen nach. Der Tischler baut einen Tisch mit vier Beinen, indem er die Werke des Schöpfers imitiert, der Geschöpfe mit vier Beinen erschuf. Oder er verbindet zwei Holzteile miteinander, indem er die Verbindung der Glieder im Körper beobachtet und seine Hölzer entsprechend anpasst.

Die Menschen studieren und betrachten aufmerksam die vor ihnen dargebotene Realität mit all ihrer Weisheit und ihrer Schönheit. Sobald sie sie verstehen, ahmen sie sie nach, indem sie ähnliche Dinge erschaffen. Diese Nachahmung wird zur Grundlage für weitere Nachbildungen, bis der Mensch eine schöne Welt voller Erfindungen geschaffen hat. 

So baut der Mensch nach dem Vorbild der Vögel Flugzeuge mit Flügeln, Radios, die Klangwellen auffangen wie Ohren, und vieles mehr. Kurz gesagt, all unsere Errungenschaften liegen bereits in der Schöpfung und der Realität vor uns. Uns bleibt lediglich, diese nachzuahmen und es zu tun.

Die Wirklichkeit und ihr Erhalt widersprechen sich

Die Wirklichkeit – also die Schöpfung als Ganzes und ebenso jeder einzelne Teil darin, alles Geschaffene – ist, was ihren Wesenszustand betrifft, in vollkommener Ordnung:
wir finden sie durchdacht, von gutem Geschmack, voller Schönheit und Anmut, ohne jegliche Mängel, bis ins kleinste Detail. Es ist eine erleuchtete Welt.

Wenn wir dem jedoch den Erhalt der Wirklichkeit gegenüberstellen –
das heißt: die Ordnung, in der all diese Geschöpfe ernährt und versorgt werden –
so begegnet uns ein chaotischer Zustand: ohne System, ohne Sinn, voller Wildheit und Verwirrung.

Dieser Widerspruch zwischen der Wirklichkeit und ihrem Erhalt wurde ausführlich im Artikel „Die Bedeutung der Einheit“ erklärt und sollte dort vertieft werden.

Vollendung und Geburt

Daraus erkennen wir: Das Allgemeine verhält sich immer so wie das Einzelne.

Der Schöpfer empfindet keine Vielheit, denn aus seiner Perspektive ist alles in der Einheit eines einzigen Wirkungsbereichs (Reshut haJachid). Deshalb lässt sich aus dem, was dem Einzelnen geschieht, auch auf das Gute schließen, das dem Gesamten bestimmt ist.

So wie der Mensch bei seiner Geburt vom Schöpfer in diese Welt gebracht wird – an einen vorbereiteten Ort – und so wie der Schöpfer dafür sorgt, dass er in die Hände liebevoller, treuer Menschen fällt, die ihn umsorgen, ernähren, heilen und ihm all das geben, was er zum Leben braucht – so muss es auch bei der „Geburt des Kollektivs“ sein: Wenn die gesamte Menschheit als gereiftes Ganzes hervortreten will, dann muss dafür gesorgt sein,
dass dieses „allgemeine Kind“ ebenfalls in die Hände von Menschen fällt, die es mit selbstloser, hingebungsvoller Liebe begleiten – genau wie Vater und Mutter es mit ihrem eigenen Kind tun.

Das wird durch das Gebot der Nächstenliebe möglich – so wie sie zur Vorbereitung auf die Gabe der Tora diente.

An dieser Stelle wollen wir uns jedoch ausschließlich mit der menschlichen Spezies befassen. Wir wollen sehen, wie viel Gutes, Schönheit und Fürsorge die Schöpfung in Bezug auf seine Existenz enthält – wie weise das Werk des Schöpfers darauf ausgerichtet ist, den Menschen zu erhalten, bis er würdig ist, ein handelnder Mensch genannt zu werden. Doch wenn wir uns den tatsächlichen Zustand seiner Existenz anschauen,
sehen wir stattdessen Abscheu und Schrecken: Wohin er sich auch wendet – er richtet Unheil an. Und seine gesamte Existenz gründet sich auf der Zerstörung seines Mitmenschen.

  1. Das Vollendete und das, was menschliches Handeln erfordert

„Welches Gott geschaffen hat, um zu tun“

Du sollst wissen, dass der Schöpfer nur in dem Maße tätig wurde, in dem der Mensch nicht die Kraft hat, selbst zu handeln. Ähnlich wie bei der Verdauung hat der Schöpfer es so eingerichtet, dass die Verdauung der Nahrung in unserem Magen ohne unser Zutun erfolgt.

Doch von dem Punkt an, an dem der Mensch selbst handeln kann, überlässt ihm der Schöpfer das Feld. Denn darin liegt der wahre Geschmack und die Freude des Schöpfers: Er wollte sich an Seinem Werk erfreuen, daran, Geschöpfe hervorzubringen, die in der Lage sind, Neues hinzuzufügen, sich zu freuen und selbst Schöpfungen nach Seinem Vorbild zu erschaffen. Doch Er will keineswegs unsere Mahlzeiten für uns kochen, ohne dass wir davon wissen, weil wir in der Lage sind, dies aus eigener Kraft zu tun.

Dies ist vergleichbar mit einem Lehrer und seinem Schüler. Die ganze Absicht des Lehrers besteht darin, dem Schüler die Kraft zu geben, selbst ein Lehrer zu werden und andere ebenso zu lehren. Genauso hat der Schöpfer Freude daran, dass seine Geschöpfe erschaffen und erneuern, nach seinem Vorbild.

Doch all unsere Erneuerung und Entwicklung ist in Wahrheit kein wahrhaftiges Schaffen, sondern vielmehr eine Nachahmung (Hit’chakut). Und der Grad unserer Entwicklung wird in dem Maße gemessen, in dem unsere Nachahmung mit den Werken der Natur übereinstimmt.

Daraus lernen wir, dass wir auch im Bereich des Erhalts unserer Existenz über die Fähigkeit verfügen, uns selbst zu vervollkommnen – so wie die Natur auf komfortable Weise das Dasein ermöglicht. Wenn es nicht so wäre, hätte der Schöpfer auch in diesem Bereich eine vollkommene Lenkung eingerichtet – denn „ist etwa die Hand des Ewigen zu kurz?“ (4. Mose 11,23) Es ist vielmehr zwingend, dass in diesem Bereich, wo die Selbstkorrektur gefragt ist, die Kraft zu unserer eigenen Verbesserung in unseren Händen liegt.

  1. Bewegung als Zeichen des Lebens

Domem, Zomeach, Chai und Medaber

In Bezug auf das spirituelle Leben werden die Geschöpfe in zwei Kategorien eingeteilt: Domem (leblos), Zomeach (pflanzlich), Chai (tierisch) und Medaber (sprechend, der Mensch). Die Kategorien Domem, Zomeach, Chai werden als tot betrachtet, während Medaber – der „Sprechende“, also der Mensch – als lebendig gilt.

Leben ist die Kraft der Bewegung. Und es ist bekannt, dass der Beginn des Lebens durch zwei vollständig gegensätzliche Handlungen hervorgerufen wird.

Selbst der Mensch (Medaber), der lebendig ist, wird bei seiner Geburt als tot betrachtet, bis er durch einen äußeren Reiz (Stoß) erweckt wird.

Seine Kelim (Gefäße) sind bereits im Mutterleib bereit, Leben und Bewegung aufzunehmen. Doch wenn er auf die Welt kommt, wirkt die umgebende Luft auf seinen Körper ein und kühlt ihn – was ihm ungewohnt ist – und das führt zu einer Kontraktion (Zusammenziehung).

Nach dieser ersten Kontraktion ist er gezwungen, sich erneut auf sein ursprüngliches Volumen auszudehnen. Diese beiden Bewegungen – Kontraktion und Ausdehnung – stellen den ersten Schritt in der Aufnahme des Lebens dar.

Doch manchmal – durch Schwäche bei der Geburt – ermattet der Fötus, und es kommt zu keiner Kontraktion, da die Abkühlung durch die äußere Luft nicht stark genug ist, um sie auszulösen. In diesem Fall wird er tot geboren. Mit anderen Worten: In ihm gab es noch keinen Raum und keinen Grund für das Einkleiden des Lebens, dessen Quelle in der Kraft der Kontraktion liegt.

Ohne eine innere Kontraktion gibt es keine Ausdehnung. Der Körper kann sich in keiner Weise über seine Grenzen hinaus ausdehnen, und folglich gibt es keine Bewegung. Das Zeichen eines Wesens, das für das Licht des Lebens geeignet ist, ist seine Fähigkeit, zumindest aufgrund eines bestimmten Auslösers eine Kontraktion zu erzeugen. Wenn dies geschieht, bewirkt das Licht des Lebens eine Ausdehnung, wodurch die erste Bewegung des Lebens entsteht. Ab diesem Punkt setzt sich die Bewegung ununterbrochen fort, und das Wesen wird lebendig und beweglich.

Diese erste Bewegung wird Neshama (Seele) genannt – das heißt: der Atem des Lebens, der in die Nase gehaucht wird, wie es heißt: „Und Er hauchte in seine Nase den Atem des Lebens“ (1. Mose 2:7).

Doch das Unbelebte, Pflanzliche und Tierische besitzt keine Kraft, eine innere Kontraktion hervorzubringen – aus welchem Grund auch immer. Daher hat das Licht des Lebens keine Möglichkeit, sich in ihnen einzukleiden und eine Ausdehnung zu bewirken.

Es gilt ein unumstößliches Gesetz: Ohne Kontraktion und Ausdehnung kann sich das Kli (Gefäß) nicht über seine Grenzen hinaus ausbreiten. Darum sind das Unbelebte, Pflanzliche und Tierische zum ewigen Tod bestimmt.

Das sprechende Wesen (Medaber) jedoch ist tatsächlich vollständig bereit für das Leben, wird aber – wie oben beschrieben – tot geboren, denn es benötigt eine bestimmte Ursache oder einen Anstoß, der auf es wirkt und es dazu bringt, wenigstens die erste Kontraktion hervorzubringen.

Dieser Anstoß wird in ihm durch die „kühle Luft“ ausgelöst, die von der Tora und den guten Taten zu ihm gelangt.

Die Qualität der Kontraktion

Die Kontraktion muss aus der Kraft des Geschöpfs selbst entstehen. Wir unterscheiden dabei zwei Arten: Die erste Kontraktion wird  durch einen äußeren Faktor wie Kälte verursacht. Die zweite Kontraktion entsteht aus dem Aufbau des Gefäßes selbst.

Dies ist eine Kontraktion, die aus der inneren Struktur des Gefäßes entsteht.

  1. Kontraktion durch äußeren Faktor
    Betrachten wir das Beispiel eines Neugeborenen: Wenn es durch Druck oder Schläge aufgeweckt wird, verursacht jeder Schlag und Druck eine Kontraktion im Körper des Kindes. Doch die darauffolgende Ausdehnung erfolgt nicht durch das Licht des Lebens, sondern durch die Struktur des Gefäßes selbst. Das Gefäß ist gezwungen, sich immer an seine vorgegebenen Grenzen und Gesetze zu halten.

Wenn also ein äußerer Faktor Druck ausübt, hat das Gefäß die Fähigkeit, durch seine eigene Struktur zu seiner ursprünglichen Form zurückzukehren. Dies geschieht durch die Grenzen, die seine Natur festgelegt hat.

  1. Kontraktion durch innere Struktur
    Wenn die Kontraktion jedoch direkt aus der inneren Struktur des Gefäßes erfolgt und nicht durch einen äußeren Faktor ausgelöst wird, kann es sich nicht in sein vorheriges Maß und seinen ursprünglichen Zustand zurückausdehnen. Der Grund dafür ist, dass die Kontraktion selbst Teil des inneren Aufbaus des Gefäßes ist.

Daher kann es nicht mehr zu seiner ursprünglichen, vorgegebenen Grenze zurückkehren, es sei denn, der Schöpfer selbst greift ein. Das bedeutet, dass ein neues, spezifisches Licht in das Gefäß eintreten muss, um es zurück zu seinem Gesetz zu bringen. Dieses Licht wird seinem vorherigen Licht hinzugefügt, um dauerhaft in ihm zu bleiben. Es ist dieses Licht, das jedes Mal, wenn das Gefäß sich zusammenzieht, seine Ausdehnung in das vorherige Maß bewirkt. Dieses Licht wird als „Leben“ bezeichnet.

Zwei Kontraktionen und ihre Entsprechungen: Zwei Ausdehnungen

Das Konzept von Blut als „Seele“ wird wie folgt erklärt: Die rote Farbe (Blut) benötigt die Verbindung mit der weißen Farbe, um als „Blut“ bezeichnet zu werden. Vor dieser dauerhaften Verbindung gilt es nicht als echtes Blut.

In diesem Zustand wechseln sich Ruhen und Aufstehen ab. Seine Natur ist dann noch unbeständig, wie der Name „Rot“ (Odem), der vom Ausdruck „Stille dem Herrn“ (Dum LaShem) abgeleitet ist. Daher verliert es immer wieder seine rote Farbe, wird weiß und bleibt ohne Farbe, ein Zustand des Ruhens ohne Beständigkeit.

Wenn Rot (Odem) und Weiß sich verbinden, formen sie die Adern des lebendigen Blutes. Dies bedeutet, dass Gegensätze sich in der Verbindung vereinen: Auf der einen Seite entsteht eine lebendige Seele (Nefesh Chaja), da das „O“ vom Odem (Rot) abgeschnitten wird, sodass Dam (Blut) zur Beständigkeit bleibt. Dennoch bleiben die Eigenschaften von „Ruhen“ und „Aufstehen“, die vorher existierten, auch in diesem Blut erhalten.

Die roten und weißen Eigenschaften, die zuvor nacheinander wirkten, vereinen sich nun in diesem Blut und werden als lebendige Seele bezeichnet. Dies entspricht der teilweisen Kontraktion und teilweisen Ausdehnung, die als Nefesh (Seele) und Ruach (Geist) bekannt sind. Achte darauf und verstehe dies gut.

Das Licht, das diese teilweise Ausdehnung – das Licht der Nefesh – bewirkt, ist ein wundersames und umfassendes höheres Licht. Es hat die Eigenschaft, alle Arten von Kontraktionen, die in dieser Struktur verzeichnet wurden, zu füllen und zu vervollständigen.

Es ist bekannt, dass in diesem Körper bereits ein weißer Aspekt vorhanden war, der nicht in der Lage war, die Farbe des Odem zu empfangen. Denn die Substanzen des Rots wurden damals verstreut und fielen zusammen, als sie miteinander vereint wurden. Daher, nachdem das Licht die erste Ausdehnung des Lichts der lebendigen Seele (Nefesh Chaja) vervollständigt hat, kehrt es zurück und füllt die alte Kontraktion, die von früher her bestand. Dies wird als die allgemeine Ausdehnung bezeichnet oder als die Adern des Verstands, die aus der Substanz des Rots hervorgehen, die vollständig von ihrer Erscheinung gereinigt wurde.

Wie es heißt: „Und er hauchte in seine Nase“ – dies geschah durch zwei Nasenlöcher.

  1. Die erste Nase steht für Odem-Weiß, das das Blut repräsentiert, die erste Ausdehnung, wie oben beschrieben.
  2. Die zweite Nase steht für Weiß, das vollständig gereinigt wurde, was die Seele und die höheren Stufen (Gimel Reschin) repräsentiert.

Am Anfang war es: „Der Mensch wurde eine lebendige Seele“ – durch das erste Nasenloch, das Odem-Weiß symbolisiert, die erste Ausdehnung des Blutes. Doch am Ende wurde es: „Ein Lebensatem“ (Neshmat Chajim), da es sich auch auf das zweite Nasenloch ausdehnte, das Weiß symbolisiert, das vollständig gereinigt ist. Dies repräsentiert die Seele und die höchsten spirituellen Stufen (Gimel Reschin).

Die erste Ausdehnung der Blutadern hat eine Verbindung zum unteren, körperlichen Verstand, bekannt als das Knochenmark. In diesem Stadium wirken die Kräfte ohne das bewusste Wissen des Menschen, da dies die Übergangsphase zwischen den beiden Nasenlöchern ist – eine Wachstumszeit.

Während dieser Phase wirkt das Licht vollständig, aber ohne das bewusste Wissen des Menschen, da er seine Seele (Neschama) noch nicht erkannt hat.

Die zweite Ausdehnung, die in den Adern des Verstands wirkt und durch die entgegengesetzten Eigenschaften bewahrt wird, wird als das zweite Nasenloch bezeichnet. Sie ist mit dem höheren Verstand verbunden, den drei Stufen des bewussten Verstands, die bewusst wirken und als die höheren spirituellen Ebenen bezeichnet werden.

Gegensätze zwischen Kopf und Körper

Es wurde erläutert, dass in den Adern des Verstands das Rot (Odem) auf der rechten Seite liegt. Dieses Rot repräsentiert das Sein und die Substanz, die auf diesem „Papier“ (als Metapher für die Existenz) empfangen wird. Das Weiß hingegen entspricht der vollkommenen linken Seite, da es sich um das zweite Nasenloch handelt, in dem das Rot vollständig ausgelöscht wurde und kein Farbton verbleibt. Somit repräsentiert das Rot das Sein (Yeshut), während das Weiß das Nicht-Sein (He’eder) darstellt.

Im Gegensatz dazu findet sich in den Blutadern das Rot auf der linken Seite, da es sich um ein zurückliegendes Stadium handelt, das im Geheimnis des „Flusses“ existiert. Das Weiß hingegen, obwohl es ursprünglich die Ruhe symbolisierte, wird nun zur rechten Seite und steht für den Aufstieg. Daher wird das Weiß als ewige Seele (Nefesh Nitzchi) betrachtet, die keine Farbe benötigt. Das Rot hingegen, das zuvor eingetragen und zurückliegend registriert wurde, wird nun als linke Seite in der Eigenschaft der Stärke (Gwura) gesehen, die als „Blut“ ohne das „O“ bezeichnet wird.

Das Weiß wird zur rechten Seite, die frei von jeglicher Notwendigkeit für rote Farbe ist, während das Rot als linke Seite verbleibt, nur in der Eigenschaft der Stärke.

Es ist wichtig zu verstehen, dass die Rückstände des Rots, die im ersten Nasenloch und seinen Adern auf die linke Seite übertragen wurden, nach der zweiten Nase vollständig ausgelöscht und aus dieser Struktur entfernt werden. Aus diesem Grund ist der Verstand (Kopf) vollständig weiß, ohne jegliches Rot.

Die Phase der Empfängnis

In den Tagen seiner Empfängnis ist der Fötus wie eine Pflanze und nicht mehr. All seine Bewegungen werden nicht als Lebensbewegungen angesehen, da sie durch seine Mutter hervorgerufen werden, zu der der Fötus als Teil gehört.

Seine Umgebung wird als Bauch bezeichnet, und die Mutter stellt die Grenze seiner Umgebung dar. Der Fötus isst, was die Mutter isst, und so weiter. Die Geburt beginnt jedoch von einem Kopfpunkt des Mikwe (einem Ort der Reinheit).

Die Essenz des Lebens

Die Essenz des Lebenden ist das Bewusstsein seiner eigenen Existenz. Die Bewegung wird durch Kontraktion definiert (siehe oben), da kein Wesen auch nur um eine Haaresbreite über seine Grenze hinausgehen kann.

Dies beginnt vom Kopf des Mikwe, wo die Fähigkeit gegeben wird, sich leicht innerhalb seiner Grenze zu reduzieren – eine Frage der Empfängnis.

Es ist wichtig zu wissen, dass solange eine Kraft das Wesen unter seine Grenze drückt, dies das Unbelebte (Domei) nicht zu einem Lebewesen (Chai) macht. Ein Lebewesen muss sich aus sich selbst heraus zusammenziehen können. Doch wie ist dies möglich, solange es sich im Zustand des Unbelebten befindet? Hierfür bedarf es eines Gebets, um die Kraft des Höheren zu erlangen.

Dies hilft, das verborgene Geheimnis des unteren Endes von Adam Kadmon (Tahot Olam Adam Kadmon) und den Ausspruch „Kein Mensch kann mich sehen und leben“ zu verstehen. Denn ein Lebewesen ist definiert durch die Fähigkeit zur Bewegung. Sobald es nicht mehr in der Lage ist, sich zu kontrahieren, hört es auf, lebendig zu sein, und wird zum Unbelebten (Domem).

Dies ist das Geheimnis der Aussage, dass die Gerechten durch einen „Kuss“ sterben: Das bedeutet, dass sie ihre Fähigkeit zur Kontraktion verlieren.

korr, EY, 16.12.2024

Shamati 173. Warum man „LeChaim!“ sagt

Ich hörte während eines Shabbat-Mahls, am 7. Mai 1949

Über das LeChaim!-Sagen[1] während des Weintrinkens erklärte er [Baal HaSulam], dass dies sich auf den Ausspruch der Weisen bezieht, die sagten: „Wein und Leben entsprechend der Weisen und deren Schüler!“ Im Nachhinein fällt es einem schwer zu verstehen, warum gerade „entsprechend der Weisen usw.“ und nicht für die Ungelehrten. Weiterlesen

Brief 57

überarbeitet, EY, 19.08.2024

Baal HaSulam

Brief Nr. 57

Mai 1931, Jerusalem

 

An den berühmten und frommen Schüler …, möge seine Kerze leuchten:

Deinen Brief habe ich erhalten. Statt über das zu klagen, was nicht fehlt, ist es besser, sich um das zu sorgen, was tatsächlich fehlt. Dies ist die Regel: Alles, was von der Hand des Schöpfers abhängt, existiert in großem Überfluss. Doch die Empfangsgefäße können nur durch die Bemühungen der Unteren aktiviert werden, da der Schöpfer auf ihre Arbeit in Heiligkeit und Reinheit wartet. Dies ist, worum wir uns sorgen – wie wir das Verdienst erhalten können, mehr Anstrengung aufzubringen. Wer darüber hinaus unnötige Sorgen hegt, schwächt sich nur. Nicht nur, dass dies unnötig ist, es bringt sogar Schaden. Und verstehe dies gut.

Bezüglich der Frage des Weisen …, die du stellst, habe ich im Moment keinen Einwand, und „Der Kluge handelt mit Bedacht.“ Zu den weiteren Fragen, auf die du von mir Antworten suchst, gebe ich dir eine Antwort, die alle abdeckt.

Es gibt keinen glücklicheren Zustand im Leben eines Menschen als den Moment, in dem er erkennt, dass er in seinen eigenen Kräften völlig verzweifelt ist. Das bedeutet, er hat bereits alles getan, was ihm möglich erschien, aber dennoch keine Erlösung gefunden. Dann ist er bereit für ein vollkommenes Gebet um die Hilfe vom Schöpfer, denn er weiß mit Gewissheit, dass seine eigene Arbeit ihm nicht helfen wird.

Solange er jedoch noch etwas Stärke in seiner eigenen Arbeit spürt, wird sein Gebet nicht vollkommen sein. Denn der böse Trieb eilt ihm voraus und sagt ihm: „Zuerst musst du tun, was in deiner Macht steht, und dann wirst du dem Schöpfer angenehm sein.“

Es heißt darüber: „Erhaben ist der Schöpfer, und der Niedrige wird sehen“ (Psalmen 138:6). Denn nachdem der Mensch sich in allen möglichen Arbeiten abgemüht und verzweifelt hat, gelangt er zu echter Niedrigkeit und erkennt, dass er der Niedrigste von allen ist, da nichts Gutes in seinem Wesen vorhanden ist. Zu diesem Zeitpunkt ist sein Gebet vollkommen, und er wird aus der großzügigen Hand des Schöpfers erhört.

Dazu steht geschrieben: „Und die Kinder Israels seufzten wegen der Arbeit, und ihr Schrei stieg auf“ (Shemot 2:23). Denn das Volk Israel kam damals in einen Zustand völliger Verzweiflung von der Arbeit. Es ist wie einer, der den ganzen Tag mit einem undichten Gefäß Wasser schöpft, aber keinen Tropfen hat, um seinen Durst zu stillen. So erging es den Kindern Israels in Ägypten: Alles, was sie bauten, wurde sofort von der Erde verschlungen, wie unsere Weisen sagten.

Ebenso ergeht es jemandem, der nicht die Liebe des Schöpfers erlangt hat. Alles, was er am Tag zuvor in seiner Arbeit zur Reinigung der Seele erreicht hat, scheint am nächsten Tag völlig verbrannt zu sein. Jeden Tag und jeden Moment muss er von Neuem beginnen, als hätte er nie etwas getan. Dann „seufzten die Kinder Israels wegen der Arbeit“, denn sie sahen klar, dass sie nicht in der Lage waren, aus ihrer eigenen Arbeit etwas zu bewirken. Deshalb waren ihr Seufzen und ihr Gebet vollkommen, wie es sein sollte, und deshalb „stieg ihr Schrei auf“. Denn der Schöpfer hört das Gebet, doch Er wartet nur auf ein vollkommenes Gebet.

Daraus folgt, dass sowohl das Kleine als auch das Große nur durch die Kraft des Gebets erreicht wird. Die gesamte Mühe und Arbeit, die wir leisten müssen, dient nur dazu, unsere Schwäche und Niedrigkeit zu offenbaren – dass wir aus eigener Kraft nichts erreichen können. Dann sind wir bereit, ein vollkommenes Gebet vor dem Schöpfer zu bringen.

Man könnte einwenden: „Wenn das so ist, entscheide ich im Voraus in meinem Herzen, dass ich zu nichts fähig bin, und warum sollte ich mich um all diese Mühen und Anstrengungen kümmern?“ Doch es gibt ein Naturgesetz, dass niemand so weise ist wie derjenige, der selbst Erfahrung gesammelt hat. Solange ein Mensch nicht praktisch versucht hat, alles zu tun, was in seiner Macht steht, kann er die wahre Niedrigkeit in ihrem vollen Ausmaß nicht erreichen, wie gesagt wurde.

Deshalb müssen wir uns in Heiligkeit und Reinheit bemühen, wie es heißt: „Alles, was deine Hand zu tun vermag, tue mit deiner Kraft“ (Kohelet 9:10). Versteh dies, denn es ist tief und wahr.

Ich habe dir diese Wahrheit offenbart, damit du nicht die Hände sinken lässt und nicht, Gott bewahre, die Barmherzigkeit aufgibst. Selbst wenn du nichts siehst, denn selbst wenn das Maß der Anstrengung erreicht ist, ist dies die Zeit für das Gebet. Bis dahin vertraue auf die Weisen: „Ich habe mich nicht bemüht und doch gefunden, glaube es nicht.“ Wenn das Maß erreicht ist, wird dein Gebet vollkommen sein, und der Schöpfer wird aus Seiner großzügigen Hand antworten. Unsere Weisen lehrten: „Ich habe mich bemüht und gefunden, glaube es.“ Denn vorher ist man nicht bereit für das Gebet, und der Schöpfer hört das Gebet.

Yehudah Leib

Brief Nr. 47, 1927

korrigiert, EY, 27.08.2024

 

Mit Gottes Hilfe, am Mittwoch, dem … Monat 5687 (1927)

Ehrwürdiger, der mir so teuer ist wie mein eigenes Leben, Herr…, für die Ewigkeit.

Heute habe ich deine Worte erhalten, und ich sehe darin nur eins: Deine große Furcht, dass ich mich, Gott bewahre, auch nur um ein Haarbreit von dir entfernen könnte.

In der Tat, es ist der Natur der Menschen innewohnend, und so ist es erlaubt, den wahren Segen in eine andere Richtung zu lenken. Und dort, wo die Furcht wirken sollte, um immer und ständig in deinem Herzen darauf zu achten, dich nicht von mir auch nur um ein Haar zu entfernen, wendest du diese Furcht auf mich an, dass mein Herz sich nicht von dir entfernen möge. So mühst du dich und versuchst zu reparieren an einem vollkommenen Ort, der niemals beschädigt wurde, während der gebrochene Ort in seinem Verderben bleibt, ohne dass du ihm Beachtung schenkst.

Ich weiß, dass auch diese Worte dir nicht klar sein werden und du nicht verstehen wirst, woher sie kommen. Und in Zeiten der Freude könntest du, Gott bewahre, noch weiter denken.

Mein Herz sehnt sich sehr nach dir, mein Lieber, dir einen Tropfen Wahrheit in deinen Schlund zu werfen, der keine einzige Schuld in allen 613 Körperteilen des menschlichen Wesens hat. Und wie oft hast du das von mir verstanden, und dennoch, jedes Mal, wenn ich dir eine Wahrheit nahebringe, kämpfst du mit all deiner Kraft gegen mich.

Tatsächlich ist es die Natur des Geistigen, dass derjenige, der an den Schöpfer gebunden ist, sich als ungebunden empfindet, darüber besorgt ist und zögert, und alles tut, was er in seiner Macht findet, um die Bindung zu erreichen. Denn der Weise empfindet das Gegenteil von dem, der nicht an den Schöpfer gebunden ist: Dieser empfindet sich als zufrieden und gesättigt und sorgt sich nicht angemessen, außer um das Gebot der Sorge und Sehnsucht zu erfüllen, denn „der Törichte fühlt es nicht“. Und wie es unmöglich ist, einem von Geburt an Blinden das Wesen des Nichtsehens zu erklären, es sei denn, er erhält das Licht der Augen, so ist es auch in dieser Sache. Und denke darüber gut nach.

Ihr irrt euch, wenn ihr sagt, ich sei von euch weggegangen, während ihr verstehen müsst, dass ihr euch von mir entfernt habt. Glaubt mir, meine Augen und mein Herz sind immer bei euch, ohne das Gefühl von Entfernung in Raum und Zeit. Wäre es nicht notwendig, dass der Hörer versteht, so wäret ihr Zeugen dieses Umstands gewesen. Im Gegenteil, die physische Entfernung von euch ist dazu geeignet, schneller in euch zu wirken. Und die Wahrheit ist, dass ich hoffte und hoffe, dass ihr es besser versteht.

Es ist wahr, dass auch ich euch wohlwollend beurteile, indem ich die Atmosphäre Jerusalems (möge es gebaut und gefestigt werden) berücksichtigte, während ich noch in eurer Nähe war. Umso mehr während meiner Entfernung von euch. Dies ist der Grund, warum ich euch bestimmte Ordnungen gegeben habe, durch die ihr in der Lage seid, zumindest den Stand und Zustand zu halten, ohne zurückzuweichen, Gott bewahre. Und eines davon ist die Anhaftung der Freunde.

Mein Versprechen ist wahr: Diese Liebe ist fähig. Und ich werde euch an all das Gute erinnern, das ihr braucht. Wenn ihr zumindest hierin standhaft bleibt, würdet ihr sicherlich, wie ich es zuvor versprochen habe, von Stärke zu Stärke aufsteigen, in den heiligen Stufen.

Wie kann ich euch für dies vergeben, wo doch die Leiter, die auf der Erde steht, leer ist, ohne dass jemand darauf steigt? Anstelle von heute, sagt ihr morgen. Sagt mir, was werdet ihr von meiner Vergebung gewinnen? Lasst es mich wissen, und ich werde euch antworten.

Ich bin kein Gesetzgeber, und das wisst ihr gut genug. Und wenn ich keine Angst hätte vor einem Rückschritt, wäre ich nicht aus meiner Fassung geraten, denn es fiel mir sehr, sehr schwer. Aber ich hatte großes Mitleid mit der langen Zeit…

Doch meine Seele hat dies in einem nicht vorhersehbaren Maße ertragen, selbst in einem gleichbleibenden Zustand, geschweige denn, Gott bewahre, bei einem Rückschritt. Das habe ich von Anfang an gesehen und beschlossen, es zu reparieren, bevor es passiert.

Daher erinnere ich euch erneut an die Bedeutung der Freundesliebe, besonders in dieser Zeit, „von der unser Fortbestand abhängt und an der das Maß unseres nahenden Erfolges gemessen wird“.

Daher wendet euch von allen imaginären Beschäftigungen ab und richtet euer Herz darauf, wahre Gedanken zu entwickeln und richtige Erfindungen zu machen, um euer Herz tatsächlich mit einem Herzen zu verbinden, und das Gebot „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ möge in euch erfüllt werden. Denn „die Schrift weicht nicht von ihrer einfachen Bedeutung“, und ihr werdet rein sein von dem Gedanken der Liebe, welche alle Vergehen überdeckt. Prüft mich doch darin, und beginnt, euch in wahrer Liebe zu verbinden, und dann werdet ihr „sehen und schmecken“, und nichts auf der Welt wird zwischen mir und euch trennen. Das sollte genügen für den Verständigen.

Was dein Nachlässigkeit betrifft, zum Gebet zu kommen, ich weiß und fühle dein Schicksal und deinen Schmerz. Wäre da nicht, dass der Verlust sich nicht durch die Rechtschaffenheit der Ursache vermindert hat, so hätte ich nichts gesagt.

Yehuda Leib

Shamati 19. Was bedeutet „Der Schöpfer hasst die Körper“ in der spirituellen Arbeit?

Ich hörte im Jahr 1943, in Jerusalem

Der heilige Sohar besagt, dass der Schöpfer die Körper hasst. Er [Baal HaSulam] erklärt, dass der Wille zu empfangen gemeint ist, welcher Guf (Körper) genannt wird. Der Schöpfer erschuf Seine Welt zu Seiner Ehre, so wie es geschrieben steht: „Denn jeden, der nach Meinem Namen benannt ist, habe ich zu Meiner Ehre erschaffen, geformt und gemacht.“

Daher steht dieses im Widerspruch zur Behauptung des Körpers, dass alles für ihn und nur zu seinem Nutzen sei. Doch der Schöpfer sagt im Gegenteil, dass alles zu Seinem Nutzen sein soll, und deshalb überlieferten unsere Weisen die Aussage des Schöpfers, dass „Ich und er […] nicht in der gleichen Behausung verweilen [können].“ Weiterlesen

Shamati 191. Die Zeit des Abstiegs

Ich hörte am 14. Juni 1938

Es ist schwer, den Zustand während eines Abstiegs zu beschreiben, wenn dem Menschen all sein Dienst und alle seine Anstrengungen, die er vom Beginn des Dienstes bis zum Abstieg ständig investiert hat, verlorengehen. Jenem, der noch nie den Geschmack am Dienst für den Schöpfer empfunden hat, scheint es, als wäre diese Sache ihm fremd. Das heißt, dies geschieht also jenen, die sich auf Hohen Stufen befinden, nicht aber den einfachen Leuten, die keinerlei Zugehörigkeit zum Dienst des Schöpfers empfinden, sondern nur dem körperlichen Verlangen zu empfangen nachlaufen, das dem Fluss der Welt innewohnt, der die ganze Welt mit diesem Verlangen überschwemmt. Weiterlesen

Shamati 192. Die Lose

Ich hörte im Jahr 1949 in Tel-Aviv

Die Lose bedeuten, dass zwei [Sachen] gleichwertig sind und man nicht mit dem Verstand klären kann, welche der beiden wichtiger ist. Daher benötigt man das Los. Im Sohar, Abschnitt Emor, wird gefragt: „Wie können ein Ziegenbock für den Schöpfer und ein Ziegenbock für Asasel gleichwertig sein?“

Und die Sache ist die, dass der Ziegenbock für den Schöpfer der Aspekt der „Rechten“ ist, und der Ziegenbock für Asasel ist der Aspekt der „Linken“, wo es GaR de Chochma gibt. Weiterlesen

Shamati 193. Eine Wand dient beiden

Ich hörte am 19. März 1944 in Jerusalem

Bei den Achoraim (Rückseite) geht es hauptsächlich um die Abwesenheit des Lichtes der Weisheit, Or Chochma, welches das Wesen der Lebenskraft ist, das „Or Yashar (Direktes Licht) genannt wird. Und dieses Licht wurde eingeschränkt, damit es nicht zur Ungleichheit der Form kommen möge. Daher haben SoN keine GaR, solange sie nicht korrigiert sind, damit Sitra Achra nicht von ihnen saugt. Weiterlesen

Shamati 194. Die vollständigen Sieben

Abgeschrieben von den Schriften meines Vaters, Herrn, Lehrers und Meisters

In der Angelegenheit der vollständigen Sieben der Heiligung des Neumondes ist es Brauch, auf die vollen Sieben und auch auf den Ausgang des Shabbat zu warten. Es ist nicht wie bei dem Brauch, dass man den Mond heiligt, wenn der Ausgang des Shabbat in die Mitte der sieben Tage fällt, oder wenn die sieben Tage von Zeit zu Zeit vervollständigt wurden, man nicht auf den Ausgang des heiligen Shabbat wartet. Dies ist nicht so, da man die vollständigen Sieben abwarten muss und besonders am Ausgang des heiligen Shabbat. Weiterlesen

Shamati 195. Sind sie würdig, dann werde Ich es beschleunigen

Ich hörte im Jahr 1938

„Sind sie würdig, dann werde Ich es beschleunigen“, damit ist der Weg der Tora gemeint; „Sind sie nicht würdig, dann durch Leiden“, was der Weg der Entwicklung ist, der alles letztendlich zur vollkommenen Perfektion bringen wird. Und was den Weg der Tora angeht, so sind jedem gewöhnlichen Menschen Tugenden gegeben, mit denen er sich dafür geeignete Gefäße machen kann. Und die Gefäße entstehen durch die Ausbreitung des Lichtes und dessen Verschwinden. Weiterlesen

Shamati 196. Ein Halt für die Äußeren

Ich hörte im Jahr 1938

Wir sollten wissen, dass sich die Klipot nur an einem Ort festhalten können, an dem ein Mangel besteht. Vor einem Ort aber, an dem es Vollkommenheit gibt, fliehen sie und können nichts berühren. Nun können wir das Thema des Zerbrechens verstehen, wobei an mehreren Stellen geschrieben steht, dass es die Absonderung des Or Chochma vom Or Chassadim ist. Das heißt, da ein Parssa (eine Trenngrenze) zwischen Azilut und BYA gemacht wurde, kann das Or Chochma nicht länger nach unten kommen. Nur das Or Chassadim, das zuvor Or Chochma enthielt, wurde nun vom Or Chochma getrennt und kam nach unten. So haben sie immer noch jene Kräfte, die sie vorher hatten, und dies heißt „Kedusha (Heiligkeit) in die Klipa (Schale, Hülle) absenken“.

Shamati 197. Das Buch, der Autor, die Geschichte

Ich hörte im Jahr 1938

Das Buch, der Autor, die Geschichte. „Buch“ wird [der Zustand] vor der Schöpfung genannt.

„Autor“ ist der Besitzer des Buches. Der Autor ist die Vereinigung des Autors und des Buches, die zusammen die Form der Geschichte annehmen sollten, das heißt die Tora zusammen mit dem Geber der Tora.

Shamati 198. Freiheit

Ich hörte im Jahr 1938

Charut (eingemeißelt) – lies nicht Charut (eingemeißelt), sondern Cherut (Freiheit)! Dies bedeutet, dass geschrieben steht: „Schreibe sie auf die Tafel deines Herzens.“[1] Denn schreiben ist mit Tinte, was der Aspekt der Dunkelheit ist. Und jedes Mal, wenn der Mensch schreibt, was bedeutet, dass er Entscheidungen darüber trifft, wie er sich verhalten soll, und dann auf seine bösen Wege zurückkehrt, so geschieht dies, weil das Geschriebene gelöscht wurde. Und jedes Mal muss man so schreiben, dass es in der Form von Charut (eingemeißelt) ist, sodass es in sein Herz eingemeißelt ist, auf dass er es nicht löschen könne.

Und dann wird er augenblicklich des Aspektes Cherut (Freiheit) würdig, wobei das Maß, in welchem es in seinem Herzen geschrieben steht, das Kli für Cherut (Freiheit) ist. Gemäß dem Maß der Eingravierung, ist auch die Erlösung. Denn das Wesen des Kli ist die Leere, wie geschrieben steht: „[…] mein Herz ist ein leerer Raum in meiner Mitte.“[2] Und dann erlangt er die Freiheit vom Todesengel, da die Niedrigkeit SaM (Todesengel) selbst ist und er ihn im ganzen Ausmaß kennen und überwinden muss, bis der Schöpfer ihm hilft.

[1] Sprüche 3, 3

[2] Psalm 109, 22

Shamati 199. Jeder Mann Israels

Ich hörte am 3. Tag von Chol HaMoed

Jeder Mann Israels hat einen inneren Punkt im Herzen, der die Eigenschaft des einfachen Glaubens darstellt. Dieser Glaube ist ein Erbe unserer Vorfahren, die am Berge Sinai standen. Nur wird er [dieser Punkt] von vielen Hüllen (Klipot) verborgen, die vielerlei Arten von Kleidungen in lo liShma darstellen. Und man muss all diese Hüllen entfernen. Dann wird seine Grundlage rein sein, denn sie wird im Wesen des ‚alleinigen Glaubens‘ sein, ohne jegliche Unterstützung und Hilfe von außen.

überarbeitet, EY, 17.12.2023

Shamati 200. Die Reinigung des Massach

Ich hörte in Tiberias am 1. Kislew, einem Shabbat

Die Reinigung (Hisdakchut) des Massach, die im Parzuf stattfindet, führt auch dazu, dass das Licht sich entfernt. Denn das Licht kann nach dem Zimzum (Einschränkung) nur im Kli des Massach wahrgenommen werden, welcher die zurückweisende Kraft darstellt. Und dies ist die Essenz des Kli.

Und wenn jenes Kli verschwindet, dann verschwindet auch das Licht, das heißt, das Kli wird als Glauben über dem Verstand erachtet. Und dann tritt das Licht zutage. Weiterlesen

Shamati 201. Spiritualität und Materialität

Ich hörte am ersten Tag von Chanukka, am 18. Dezember 1938

Warum sehen wir, dass es viele Menschen gibt, die viel Energie in materielle Arbeit stecken, sogar dort, wo Lebensgefahr besteht – im Spirituellen jedoch jeder Einzelne über seine Seele wacht und sie schön prüft? Und noch etwas: Auf der körperlichen Ebene arbeitet der Mensch, auch wenn man ihm als Gegenleistung für seine Arbeit keinen großen Lohn bezahlt. Im Spirituellen aber willigt der Mensch nur ein zu arbeiten, wenn er mit Sicherheit weiß, dass er eine gute Belohnung dafür erhält. Weiterlesen

Shamati 202. Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen

Ich hörte

Die Verringerung des Lichtes ist seine Korrektur. Somit wird nichts ohne Anstrengungen erreicht. Und da es unmöglich ist, das Licht gänzlich in vollkommener Klarheit zu erreichen, lautet der Ratschlag, das Licht zu verringern. Auf diese Weise wird es möglich, dieses mit dem geringen Bemühen zu erlangen, das der untere aufzubringen vermag.

Wenn zum Beispiel jemand ein großes Gebäude versetzen will, dann ist das natürlich unmöglich. Was tut er dann? Er zerlegt das Gebäude in kleine Bausteine und kann so die Teile einzeln transportieren. So gilt auch hier, dass man sich aufgrund der Verringerung des Lichts weniger anstrengen muss.