Purim aus kabbalistischer Sicht
Von Dr. Michael Laitman
Der Brauch, an diesem Tag Masken aufzusetzen und sich zu verkleiden, symbolisiert, dass Haman, welcher für das egoistische Verlangen steht, sich in die Kleider von Mordechai, dem altruistischen Verlangen, einkleiden will. Die „Hüte“ stehen dafür, dass die Verlangen des Empfangens mit der Absicht um zu Geben „bedeckt“ werden. Auch die am Fest dargereichten dreieckigen Gebäckstücke, sogenannte „Haman–Taschen“, stehen für das Verlangen zu Empfangen.
Dieses Fest wird ausgiebig gefeiert. Vor allem, weil an diesem Feiertag uneingeschränkt Alkohol konsumiert werden soll. Dies steht symbolisch dafür, dass man in diesem Zustand „nicht mehr zwischen dem verfluchten Haman und dem gesegneten Mordechai unterscheiden kann“ (Megillat, 7) und die beiden so verbindet.
Quellen
In der traditionellen, an Purim (vom Wort Pur, Los stammend) stattfindenden Lesung des Megillat Esther (Buch Ester), wird eine Zeit im alten Persien, in der sich das Volk Israel unter existenzieller Bedrohung befindet, beschrieben. Der Anführer der Verfolgungen des Volkes ist der persönliche Assistent von König Ahasverus, genannt Haman. Haman weiss, dass sich das Volk Israel in einem Zustand der Zerrissenheit befindet und dass diese Schwäche ihn in die Lage versetzt, es vernichten zu können. Darüber steht geschrieben: „Es gibt ein Volk, das lebt zerstreut […] unter allen Völkern“ (Esther, 3:8). Haman erkennt, dass er das Volk Israel zerstören kann, weil es nicht mehr verbunden ist.
Mordechai hingegen, der Held der Purim-Geschichte, arbeitet daran, die Spaltung des Volkes Israel zu überbrücken. Dies rettet dem Volk schließlich das Leben. Das Volk „versammelt sich, um für sein Leben einzustehen“ (Esther, 8:11). In jenem Moment, in dem die Menschen des Volkes Israel beginnen sich einander anzunähern, erscheint eine große Kraft zwischen ihnen und sie nehmen das höhere Ziel der Schöpfung wahr. Sie bekommen die Zuversicht und die Kraft, dass sie sich gerade durch jene, die gegen sie arbeiten, verbinden können.
Kabbalistische Sicht
Jeder neue Zustand wird nur unter der Bedingung geboren, dass sich der vorherige vollständig erschöpft hat. Wie bei einem Getreidekorn, welches in die Erde gepflanzt wird, um dann vollständig zu verrotten, sodass ein neuer Lebensabschnitt aus dem vorherigen geboren wird. Nur aus dem Zustand der Dunkelheit kann das größte Licht erreicht werden. Dieser Zustand wird Purim genannt. Er bezieht sich auf das Erlangen des Endes der Korrektur des Menschen.
Purim ist deshalb das Fest der Endkorrektur. Immer wenn dieses Fest gefeiert wird, wird aus dem korrigierten, höheren Zustand, in welchem sich die Menschen einordnen wollen, die Kraft, welche korrigiert und verbindet, angezogen. Der Mensch muss das starke Verlangen von Haman erhalten, um sich dann, mit Hilfe von Mordechai – dem Licht Chassadim (Güte) und der Eigenschaft des Gebens – durch die Absicht geben zu wollen, korrigieren zu können. So empfängt man das Licht Chochma (Weisheit) – die Enthüllung der Höheren Kraft – und der Zustand der Endkorrektur wird erreicht.
Am Anfang sind alle Verlangen des Menschen egoistisch und dadurch befindet er sich in der Dunkelheit. Das symbolisiert Haman. Andererseits gibt es Mordechai, das Verlangen zu Geben. Die Korrektur des Menschen besteht darin, die Absicht der Verlangen für sich selbst zu empfangen, in die Absicht anderen zu Geben umzuwandeln. Auf diese Weise wird Haman getötet und Mordechai erhebt sich. Dabei bleiben die Verlangen die gleichen. Lediglich deren „Bedeckung“, die Absicht, welche der Rosh (Kopf) des Parzufs ist, ändert sich. Die Kelim (Gefäße) des Empfangens sind ewig. Die Absicht jedoch, wie Malchut (Königreich), das ganze menschliche Verlangen, benutzt wird – auf egoistische oder altruistische Weise – kann verändert werden.
Mit anderen Worten, wenn der Mensch nicht in der Verbindung, der mittleren Linie, arbeitet, dann werden auch Handlungen des Gebens seine Entwicklung nur blockieren. Daher braucht der Mensch beide Eigenschaften in sich. Von denen kann sich Mordechai dann mit Haman verbinden. Nur durch das starke Verlangen von Haman kann der Mensch das Licht, die Eigenschaft von Mordechai, empfangen. Die Absicht des Gebens wiederum macht es erst möglich, die Verlangen Hamans zu benutzen. Dennoch werden seine tatsächlichen Verlangen nicht erfüllt und das führt dazu, dass ein Konflikt zwischen ihm und Mordechai entsteht. Durch ihr Aufeinandertreffen, dem Kampf zwischen der Absicht des Gebens und dem egoistischen Verlangen, fängt der Mensch an zu verstehen, in welchem Ausmaß er fähig oder unfähig ist, sich zu verbinden.
In Megillat Esther werden genau diese Kämpfe, Verwirrungen und Zweifel beschrieben, welche den Menschen auf dem Weg erwarten, bis er die richtige Methode zur Korrektur findet. Es erklärt dem Menschen, wie er die richtige Verbindung zwischen den zwei streitenden Kräften oder den zwei gegensätzlichen Absichten schaffen kann.
Zusammengefasst aus Texten von Michael Laitman: